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Viertes Kapitel
Die Regentschaft

Die Königin Anna war zweiundvierzig Jahre alt und eine schöne Frau. Noch fünfzehn Jahre später, 1658, schreibt ihre Hofdame Frau von Motteville begeistert von »ihrem Lächeln, das tausend Herzen gewinnt,« … »von dem Vergnügen, sie ihr schönes kastanienbraunes Haar kämmen zu sehen«. Ihre Hände waren berühmt. Nur »die Nase sei etwas zu breit und der Teint nicht vollkommen, weil sie ihn nie schonte«. Lord Herbert von Cherbury, der einst englischer Gesandter in Frankreich gewesen war, und sie als junge Königin gesehen hatte, spricht entzückt von »ihrer ausserordentlichen Schönheit, ihrer gewinnenden Güte« und er fügt hinzu: »Sie ist nun mehrere Jahre verheiratet und hat keine Kinder, scheint aber so reif dafür, dass es an ihr nicht liegen kann.« Sie war eine spanische Prinzessin, von Vater und Mutter her Habsburgerin, und war mit fünfzehn Jahren ihrem traurigen Gatten vermählt worden. Der Hof wusste, und die verschiedensten Memoiren erzählen es, dass ein Zufall, ein Platzregen, der eben niederging, als der König von einem Besuch im Kloster zurückkam, in welchem das Fräulein von Lafayette Nonne geworden war, ihn des Abends in die Gemächer der Königin getrieben hatte: durch diesen Zufall war im zweiundzwanzigsten Jahre der Ehe Ludwig XIV. geboren worden! Kein Wunder, dass damals und später apokryphe Vermutungen laut wurden. Zu S. 72. Die Gerüchte, dass Ludwig XIV. nicht der Sohn des Königs gewesen wäre, sind nie ganz verstummt. Richelieu und der Beichtvater des Königs der Jesuitenpater Caussin, vor allem Mazarin wurden als sein wahrer Erzeuger bezeichnet. Paul Robiquet zählt in seinem Buch »Le coeur d'une reine«, S. 36-39, verschiedene Pamphlete und Spottlieder auf, in denen dies behauptet wird. Dass Ludwig XIV. seinem Vater in jeder Hinsicht, körperlich, geistig und sinnlich, so völlig unähnlich wurde, musste die Vermutungen nähren. Was von Abgeneigten oder nur Klatschsüchtigen geflüstert, in heimlichen Salongesprächen erzählt wurde, wissen wir nicht; aber jedenfalls erhielten sich die Gerüchte und wandelten sich mit der Zeit; es entstand die Legende, der sogenannte Mann mit der eisernen Maske, der geheimnisvolle Gefangene auf Pignerol und Ste. Marguerite, der zuletzt in der Bastille starb, wäre der wahre Sohn Ludwigs XIII. gewesen, während ein Bastard, der Sohn Mazarins und der Königin Anna als Ludwig XIV. den Thron innehatte. Zur Zeit Napoleons wurde eine Flugschrift verbreitet, in der er als ein Nachkomme dieses Gefangenen und somit der rechtmässige Erbe des französischen Thrones bezeichnet wurde. In einem 1906 veröffentlichten Buch »Le Règne de Richelieu«, von Emile Roca, das Robiquet zitiert, soll die Vermutung ausgesprochen sein, dass Ludwig XIV. und vor allem sein Bruder – der dem verstorbenen König viel ähnlicher war – Mazarins Kinder gewesen, und noch 1912 fragte mich in Paris ein befreundeter Gelehrter, als er hörte, dass ich über Mazarin arbeite: »Nun, war Ludwig XIV. sein Sohn oder nicht?« Gerade diese Möglichkeit erscheint ausgeschlossen, weil Ludwig XIV. am 5. September 1638 geboren wurde, und Mazarin, der Paris 1636 verlassen hatte, erst 1639 wieder dahin zurückkam. – Viele Männer hatten sich um die Vernachlässigte bemüht, vor allem Richelieu selbst in seiner plumpen Weise; zart, heiter oder anbetend die Frauen zu gewinnen verstand er nicht, und die Zurückweisung rächte er um so bitterer, da sie ihm Anlass und Gelegenheit reichlich bot, wobei vermutlich Werbung und Rache in den Linien seiner Politik lagen. Einer hatte ihr gefallen, das wusste alle Welt, Jacobs I. Günstling, der schöne, prachtvoll auftretende und galante Buckingham – Boucquinquant nannten ihn die Franzosen – der im nächtlichen Park zu Amiens mit Gewalt die letzte Gunst sich zu nehmen versuchte; aber die Königin rief um Hilfe, die Hofdamen kamen: ihr Stolz oder die Trägheit ihrer nicht geweckten Sinne hatten sie geschützt. Der Herzog reiste ab, um am anderen Tage heimlich, stürmisch zurückzureiten, in ihr Schlafzimmer zu dringen, wo er als echter Ritter in die Knie sank, den Rand ihres Bettuches küsste und schweigend wieder ging.

Sie war fromm und verbrachte täglich Stunden in Andacht und frommen Werken, sonst war sie lebenslustig und von kräftigster Gesundheit und Appetit, aber lässig und träge; durchaus nicht unverständig, wenn auch keineswegs weitschauend; dabei völlig furchtlos. Es lag sicher viel Animalisches in ihr, was nicht zum Leben gekommen war, und sie war eine innige treue Mutter; bis 1638 war sie im Herzen spanisch geblieben; seitdem sie einen Sohn hatte, der Frankreich erben sollte, ward sie mit ganzem Herzen Französin.

Nun war sie Regentin und sollte das Reich für diesen Sohn hüten, stand, die niemals sich um eine Staatsangelegenheit hatte kümmern dürfen, allein und hilflos vor der einstürmenden Machtgier der Prinzen und Grossen, den unverständlichen, unwillkommenen, juristischen Forderungen der Parlamente: da bot sich ihr dieser Mann, ein Fremder wie sie, der wie sie besser spanisch als französisch sprach, ohne Partei am Hof, der erste, der sich bedingungslos, ohne Forderung, ja mit einem Verzicht auf seine Rechte ihr ergeben und für sie erklärt hatte. Ein eleganter Priester ohne Weihen, der einst einer der schönsten Prälaten Roms gewesen war, und von dem die Leute sagten, dass er »Boucquinquant« ähnlich sehe. Gewandt und erfahren nahm er der lässigen Frau, der die Regierung eine Last war, über deren Faulheit selbst die Motteville klagt, die schwere Sorge ab; er, der zu reden verstand, wie keiner, machte ihr das Schwierigste klar, »coli' indoratura del suo bel parlare,« die »Kunst seiner vergoldenden Rede« hatte schon jener ungenannte Erzähler gerühmt. Sie brauchte immer nur »ja« zu sagen. Er kam nicht mit dem Hochmut oder dem leichtfertigen Witz der Franzosen, war in keine »Cabale« verwickelt, forderte nichts für sich, dies war sein Refrain; immer hiess es nur »Eure Majestät und Ihr königlicher Sohn!«

»Er hatte die Gabe zu gefallen; man konnte ihm nicht widerstehen, wenn er liebenswürdig war,« »der reizendste Mensch im Verkehr,« so spricht die Motteville, die gerade, ehrlich, ungewinnbar, Mazarin so wenig leiden mochte, wie er sie. Einen Amor, der die Herzen durchbohrt, hat auf einem Stich nach dem Porträt Mignards der Künstler als passendes und schmeichelndes Symbol für den Kardinal in die Umrahmung gesetzt. Zur Königin kam er als galanter Kavalier: sie liebte die Wohlgerüche: italienische Mönche mussten für ihn besondere Parfüms und Pomaden bereiten; für ihre schönen Hände liess er aus Spanien die feinsten duftenden Handschuhe kommen, von Sizilien und Majorca die ersten reifen Orangen, die sie liebte.

Mit dem weltlichen Scharfsinn, der ihn nie verliess, hatte er wiederum die Bedingungen seines Schicksals klar erkannt. So wie Richelieu, so war jetzt die Königin die Person, an die er sich halten, die ihn halten musste, und so wie er früher Richelieu durch seine treffliche Arbeit als Diplomat gewann, so wusste er jetzt die Königin durch die Mittel zu fesseln, die die geeignetsten waren.

Sie war eine Frau. Wir wissen von keinem »Laster« – die Schmähungen der Fronde sind ohne Gewicht – und seit jenem spanischen Studentenabenteuer von keiner Leidenschaft Mazarins. Niemand trug seine Erfolge weniger zur Schau; so elegant er war, so geschickt er sich kleidete: Männereitelkeit lag ihm fern. Ihm war alles Mittel.

Über seine Aufgabe war er sich ebenso klar: er war der Nachfolger Richelieus. Mazarin brachte keinen neuen politischen Gedanken, kein neues Programm: er führte Richelieus äussere und innere Politik fort: den Krieg gegen das Haus Habsburg siegreich durchzuführen und zu beenden, was bei den verworrenen Verhältnissen und Fragen, vor allem in Deutschland, aber auch Spanien gegenüber – in Italien, in den Niederlanden, in Katalonien, Portugal und in der Freigrafschaft Burgund – ebensosehr eine diplomatische wie militärische Aufgabe war; im Innern hatte er die absolute Macht, die Richelieu durch die Bändigung des hohen Adels geschaffen, der Königin und sich, ihrem Minister, zu erhalten.

Er nahm diese Aufgabe sehr ernst. Niemand kann bestimmen, wo bei diesem Menschen die Liebe zur eigenen Person und die Liebe zur Sache sich trennten oder verschmolzen: so zäh und gierig er an der Macht festhielt, so unerschütterlich arbeitete er für die Sache. Er änderte sich nie und gab die Richtlinien Richelieus niemals auf. Nur die Methode war eine andere. »Auf den Stufen des Thrones,« sagt Retz, »wo der rauhe und furchtbare Kardinal von Richelieu die Menschen mehr niedergeschmettert als regiert hatte, sah man einen sanften, gutmütigen Nachfolger, der nichts für sich begehrte, der verzweifelt schien, dass seine Kardinalswürde ihm nicht erlaubte, allen Menschen so demütig zu begegnen, wie er es gerne getan hätte.«

Seine ausserordentliche Höflichkeit, die zum Teil italienisch war, zum Teil persönliche Art und Gewohnheit des einst Geringgestellten, schien den Franzosen lächerlich. Der arme kleine Abbé von Boisrobert, der Richelieus Spassmacher gewesen und von seinen Gnaden gelebt hatte und der jetzt verzweifelt in Mazarins Vorzimmern stand, war ganz verblüfft und betroffen, als er dem Kardinal auf einem Spaziergange begegnete und dieser ihm von weitem zurief: »Monsieur de Boisrobert, je suis votre serviteur!«, so verblüfft, dass er ein Gedicht darüber schrieb, in dem es heisst:

»Sie träumten, Unvergleichlicher!
Mir fliesst die Gnade reichlicher,
Wenn Sie mir sagen, und mit Recht:
Dass Sie der Herr sind, ich Ihr Knecht!«

Dem Parlamentsrat Olivier d'Ormesson, der Mazarin am 4. November des Jahres zum erstenmal im Konseil sah, fällt es auf, dass er vor allen Leuten den Hut zog. In seinem Tagebuch schildert er den Eindruck, den er von der Persönlichkeit Mazarins empfing: »Er ist gross, sieht gut aus, ein schöner Mann, mit kastanienbraunem Bart und Haar, lebhaften und geistreichen Augen und sehr sanftem Gesichtsausdruck.«

All dies fiel auf, aber noch glaubte man nicht, dass er sich halten würde, noch verschwand er in der Menge der Personen mit glänzenderem Namen, in der Fülle froher Ereignisse, über die Frankreich jubelte. Der Tod der beiden finsteren Männer schien das ganze Land von einem schweren, trüben Druck befreit zu haben. Von der Königin bis zu den kleinen Leuten des Volkes hinab atmete alles auf. Der Hof begann wieder Feste zu feiern, die so fröhlichen Franzosen jener Zeit genossen doppelt ihr Dasein. Die Königin fühlte sich glücklich; sie gab mit vollen Händen, und der Adel drängte sich mit geöffneter Hand, Gnaden und Gehälter zu empfangen. »Nie war der Hof so schön, wie in jener Zeit,« schreibt Monglat, und viele Jahrzehnte später schrieb der alte Saint-Evremond in glücklicher Erinnerung an jene Tage der Jugend, der Hoffnungen, des Hochsinns, der einfachen Eleganz und der Feste, des Liebesspiels und der Freiheitswoge, die sich über Frankreich ergoss, an seine Freundin Ninon von Lenclos den Vers, der der Zeit Anna von Österreichs das Beiwort gegeben bat:

»Jai vu le temps de la bonne Régence!«

»Die französische Sprache«, sagt Retz, »hatte nur mehr drei Worte: ›La reine est si bonne!‹ ›Die Königin ist ja so gut!‹« Sie soll in jenem ersten Gnadenrausch sechs Millionen verschenkt haben.

Das aber war nicht gut. Denn es war Krieg seit Jahren und für Jahre, und der Staatsschatz war leer. Kein Laster war Mazarin fremder als die Verschwendung. Aber Mazarin war in jenen ersten Monaten noch nicht seiner eigenen Stellung sicher. Im Regentschaftsrat, wie im Ministerium und am Hof folgten Krisen, Gefahren und Veränderungen.

Der Staatssekretär für den Krieg Des Noyers war noch unter Ludwig XIII. entlassen und durch den kalten, sehr tüchtigen und ebenso gehorsamen Michel Le Tellier ersetzt worden, der – bisher Intendant der Armee in Italien – nun seinerseits die erste der »Kreaturen« Mazarins war. Am 5. Juni entliess die Königin den Finanzminister Le Bouthillier, worauf sein Sohn Chavigny gleichfalls seine Entlassung gab, und der Graf von Brienne, der schon früher Staatssekretär für die auswärtigen Angelegenheiten gewesen war, sie wiederum übernahm. Mazarin hatte Le Bouthillier dem Drängen der Gegner geopfert: diese Nachgiebigkeit befreite ihn zugleich von dem einzig gefährlichen Manne im Ministerium. Er zeigte sich tief bekümmert über den Fall dieser seiner zwei ältesten Freunde in Frankreich, und zwischen ihm und Chavigny wurden heisse Versicherungen gewechselt: in seinen geheimen Notizbüchern zeichnet er seine wahre Meinung über ihn auf. Bei Hof und im Volk glaubte man, ihr Sturz bedeute eigentlich auch schon den seinen. Durch Gunst, durch eine Frauenlaune schien er erhoben, ein Fremder ohne Rang und Anhang; bisher eine unbedeutende Nebenperson, ein dienernder italienischer Prälat, den der Purpur nicht vergrösserte, über dessen schlechte Aussprache alles lachte, der als Minister nicht bedeutender erschien, wohl aber allem Hass preisgegeben war. Die Stellung eines Ministers war als solche neu und dem Adel missliebig. Ein Menschenalter vorher waren die Staatssekretäre die Schreiber des Königs gewesen, die, Tintenfass und Feder am Gürtel, sich in seiner Nähe aufhielten, um auf seinen Ruf heranzukommen und sein Diktat aufzunehmen. Noch im achtzehnten Jahrhundert schreibt St. Simon erbittert über ihren angemassten, in das Standesgebäude eingeschobenen Rang; er verzeiht ihnen nicht, dass sie im siebzehnten den schwarzen Schreiberrock abgelegt und sich wie Edelleute zu kleiden und zu benehmen begonnen, auch wenn sie es nicht waren.

Mazarin wusste, dass er von Abgründen umgeben war, und ewig vor Abgründen stehen würde, und dass ungefähr alle, die etwas zu bedeuten hatten, die über irgendeine Art von Macht und Einfluss verfügten, ihn sofort hinabzustürzen versuchen würden. Aber er nahm den Kampf auf, – in seiner Art. Mit Zähigkeit, mit Scharfsinn, mit unerbittlicher hässlicher Menschenkenntnis, arbeitete er daran, seine bedrohte Stellung zu befestigen. Zunächst bei der, die sie ihm verliehen hatte und die sie ihm wieder nehmen konnte, selbst. Alle Damen der Königin, ihre Hofbeamten, ihre geistlichen Berater, ihr Verkehr, ihre Dienerschaft wurden ihm wichtig; niemand und nichts war ihm zu gering. In seinem Notizbuch, in das er alles einträgt, was er sich merken, wofür oder wogegen er etwas tun zu müssen glaubt, steht verzeichnet, was der Bischof von Beauvais zur Frau von Senecey gesagt hat, was die Gardeoffiziere und die Hoffräulein über ihn sprechen, er trägt ein, dass der Kapitän der Garden der Königin, der alte Graf Guitaut, in sie verliebt und auf alle Leute eifersüchtig ist: – »Ghitto: gelosia, non mi guarda; è bestiale, et io non lo soffrirò;« »Gitaut: Eifersucht, sieht mich nicht an; blöde, und ich werde es nicht dulden;« – der Premierminister verschmäht es nicht aufzuschreiben, dass Beringhen, der Erste Kammerdiener des kleinen Königs, sich schlecht gelaunt zeigte. Viele waren durch Versprechen zu gewinnen, manche einfach zu kaufen, viele zu verdrängen, andere unschädlich zu machen. Das alles ging nicht gleich, aber mit langsamer Arbeit. Darum wünschte er, auch eine Stellung am Hofe der Königin zu haben, um seine Hand aus nächster Nähe fühlen zu lassen: zunächst schien es ihm das geeignetste, der Geheimkassierer Ihrer Majestät zu werden; der erfahrene Italiener wusste, wie man gilt, und wie man sich in solchem Amt beliebt machen kann. Aber er erreichte mehr.

Im Adel und unter den Mächtigen suchte er sich einen Anhang zu schaffen. Aus Dankbarkeit oder Klugheit hielt er die Verwandten und Freunde Richelieus in ihren Stellungen: La Meilleraye in der Bretagne, den Herzog von Schomberg im Languedoc, so gut er konnte, ebenso den von Brezé als Admiral und die Herzogin von Aiguillon als Besitzerin der Seefestung Havre. Der grosse Kardinal hatte nur Tüchtigen und Verlässlichen Stellungen gegeben, das hielt er der Königin vor, als ihre Freunde diesen Besitz zur Beute begehrten. Einige wenige schlossen sich aus loyaler Gewohnheit ihm wie jeder Regierung an; manche wie der alte Marschall von Estrées taten es aus Klugheit, weil sie an ihn glaubten. Die meisten waren zu kaufen. In sein Notizbuch trägt er Namen und Preise ein, in nicht eben achtungsvoller Weise. Da liest man: »Elbof, Geld oder soll warten.« Der Herzog von Elboeuf, ein Prinz des Hauses Lothringen, arm, kinderreich und würdelos, hatte im Zimmer des Ministers geweint und sich ihm zu Füssen gelegt. Er wurde später Statthalter in der Picardie. Sein Bruder, der Graf von Harcourt, nicht viel besser als er, aber immerhin ein Krieger, – der sein behaartes Eisenfressergesicht mit wilder Geckerei durch eine hereinhängende mit einer grossen Perle geschmückte Locke bekannt machte, halb furchtgebietend, halb lächerlich, – erreichte mehr: 50 000 Livres und die Würde als Grosstallmeister. Die dreifache Summe erhielt die schöne Prinzessin von Rohan-Guémenée, der Rubens einst am französischen Hof den Parisapfel hätte geben wollen; zehntausend Livres Pension sind für den alten Herzog von Rohan-Montbazon notiert, der, Gouverneur von Paris und Grossjägermeister von Frankreich, durch seine Dummheit und durch seine schöne Frau berühmt war. Die Marschälle von Estrées, von Vitry und von Châtillon, die Marquis von Liancourt und von Mortemart, die Grafen von Gramont und von Tresme erhielten den Herzogstitel, zur Empörung der alten herzoglichen Häuser, die dem Plebejer die absichtliche Verschwendung und Erniedrigung der Pairswürde vorwarfen.

Es waren die Fügsamsten und Unverlässlichsten, die er auf solche Weise für sich gewann, und er wusste es gut, nicht die Ehrgeizigen und die Energischen. Er war nicht zu täuschen, wusste, was jeder wert war, und verstand jede Demonstration. Der Königin zuliebe machten auch Marsillac und andere ihm ihren Besuch. »Pesan en una balanca a onces el modo con que deben venir con migo,« schrieb er in spanischer Sprache in sein Notizbuch: »Sie bemessen ihr Verhalten gegen mich auf der Goldwage.«

Diese winzigen Heftchen, die er bequem in der Tasche seiner Simarra tragen konnte, und die heute noch in der Nationalbibliothek liegen, zeigen, mit Tinte oder Bleistift fast unleserlich bekritzelt, seine geheimste Gedankenarbeit. Er wirft sich darin Fragen auf, notiert Umstände, die sein eigenes Vorgehen rechtfertigen, Aussprüche seiner Gegner, und vor allem, was er zu tun, was er diesem oder jenem, zumeist aber der Königin zu sagen nicht vergessen will. Durch Jahre sind sie in italienischer, gelegentlich in spanischer Sprache geschrieben, erst im Jahre 1648 ist ein schlechtes Französisch das Ausdrucksmittel seines Denkens geworden.

Während er in solcher Weise, wie er es darin verzeichnete, für seine Sicherung und seine Macht arbeitete, kam aus der feindlich gesinnten Umgebung die erste grosse Gefahr und Erschütterung, die den Aspekt des Hofes und der Zeit völlig veränderte und noch nach Jahren Folgen trug.


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