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Viertes Kapitel
Schwierigkeiten in Rom

Er wusste wohl, dass mit der Mission, in der er gekommen war, die spanische Partei ihm ein Bein gestellt hatte. Dennoch hatte er sie angenommen. Dem Herzog von Lothringen, den die Franzosen vertrieben hatten, sollte er sein Land wiederschaffen. Ein dem Pariser Hof unwillkommener Auftrag; aber er war es zufrieden, dort zu sein.

Er war in entscheidenden Tagen gekommen. Der Weltkrieg, dessen Ausbruch er im Jahre 1629 verhindert hatte, als er, der Tragweite der Dinge kaum bewusst, hinter seinem Glück hergeritten war, kam nun dennoch. Von jeher war es Richelieus Politik gewesen, die Übermacht der beiden habsburgischen Monarchien zu bekämpfen. Das Programm rührte noch aus der Zeit Franz' I. her, als das Weltreich unter Karl V. entstanden war. Richelieu hatte die Schweden unterstützt. Er hatte im Jahre 1632 den Hugenotten Manasse von Pas, Marquis von Feuquières, an den Rhein geschickt und mit den protestantischen Ständen den Vertrag von Heilbronn geschlossen, an dem Baden, Württemberg, Hessen-Kassel noch jetzt festhielten. Eine Reihe elsässischer Städte hatte französische Besatzungen aufgenommen. Und als sechs Wochen vor Mazarins Einzug Bernhard von Weimar und Horn bei Nördlingen von Gallas völlig geschlagen wurde, da hielt Richelieu den Augenblick für gekommen, in dem er nicht mehr zögern durfte. Dass die Kaiserlichen Trier besetzt und den Kurfürsten Philipp Christoph von Sötern, der sich in französischen Schutz gestellt, gefangengenommen hatten, nahm er zum Vorwand und erklärte dem Kaiser und Spanien den Krieg.

Der zweiunddreissigjährige Nuntius erinnerte sich, dass er schon einmal glücklich Frieden gestiftet hatte: er schrieb sofort nach Rom und erhielt den Auftrag, es wieder zu versuchen; aber die Spanier dankten für diesen Vermittler. Die Idee war nicht mehr zeitgemäss und vielleicht hat Richelieu diesmal zu seinem Eifer gelächelt: denn schon war mit den Holländern ein Teilungsvertrag über die spanischen Niederlande geschlossen; eine französische Armee, unter den Marschällen von Brezè und von Châtillon, brach bereits in Flandern ein, eine zweite, unter dem Kardinal La Valette, rückte an den Rhein; und Bernhard von Weimar trat mit seinem Heer gegen einen Sold von anderthalb Millionen und vier Millionen an Hilfsgeldern in französische Dienste; dafür sollte er Landgraf im Elsass werden. Der Krieg begann mit vier Fronten im Ernst, und er dauerte dreizehn Jahre mit dem Kaiser, fünfundzwanzig volle Jahre mit den Spaniern; dann schloss allerdings derselbe Mazarin, und doch ein ganz anderer, den Frieden: es sollte sein letztes Werk sein.

Für seinen Auftrag arbeitete er mit nicht mehr Eifer, als dem französischen Minister genehm war. Da die spanische Partei im Jahre 1636 seine Rückberufung nach Avignon erwirkte, beklagte Richelieu sich beim Papst über das Vorgehen der Kurie: »Eure Heiligkeit«, so schrieb er, »haben vor zwei Jahren einen Nuntius nach Frankreich geschickt, in einer Sache, die den Interessen Seiner Majestät ebenso entgegenläuft, als sie denen der Spanier entspricht, und haben nicht ermangelt, ihn abzuberufen, sowie diese andeuteten, dass ihnen die Person nicht genehm sei …« Bei dem Mann, an den er sein Schicksal von Anfang an gekettet, hatte er sich nicht geschadet. In Ruel, auf dem kleinen, wie eine Burg gebauten Schlosse des Kardinals, mit seinem weiten Park, seinen Teichen, Grotten und Kaskaden, seinen Marmorstatuen und Blumenbeeten, war er immer wieder und lange zu Gast gewesen, war einmal achtzehn Tage dort krank gelegen und mit grosser Freundschaft gepflegt worden; als er Frankreich verliess, nahm er das Versprechen mit: für den ersten Kardinalshut, der frei würde und für den Frankreich zu nominieren hätte, würde er vorgeschlagen werden. Er war vierunddreissig Jahre alt.

Die Vizelegation in der sonnigen kleinen Felsenstadt mit ihren Kirchen, Mauern und Türmen, ihren Öl- und Maulbeerbäumen, hielt ihn viel zu abseits von den Stätten, in denen die Weltgeschichte entschieden wurde. Es war ihm nicht schwer, seine Rückberufung nach Rom zu erwirken. »Bleiben Sie in Rom,« schrieb ihm Richelieu, »jeder Weg, auf dem Sie es verlassen, soll Ihnen verdächtig sein, es wäre denn, dass Sie als ordentlicher Nuntius zu uns geschickt würden, wenn Monsignore Bolognetti Kardinal wird, oder dass Sie bei dem Legaten für den Frieden wirken sollten: alle anderen sind blumenbestreute Wege, die zum Abgrund führen …«

Urbans VIII. Politik hatte sich geändert; spanischer Einfluss war der mächtigere geworden, und eine Reihe von Konflikten mit Frankreich und Richelieu folgte. Dadurch ward Mazarins Stellung eine schwierige und der Purpur ihm ferner gerückt, als er gehofft hatte. Am französischen Hofe interessierte man sich nach wie vor sehr dafür, dass der »Monsignore Colmardo« – unter diesem Chiffrenamen wird er in Richelieus Briefen oft bezeichnet – den roten Hut bekommen sollte. Für ihn und für den Pater Josef forderte Richelieu die Kardinalswürde. Der Kapuziner – eigentlich ein Marquis du Tremblay – war Richelieus hingegebener Freund und Mitarbeiter, ein Mann, halb Prophet, halb Diplomat; immer furchtbar ernst: »Ezechieli« oder auch »Tenebroso-Cavernoso« nannte ihn der Minister im Scherz; die »graue Eminenz« ward er in Frankreich genannt, der Schatten Richelieus: aber seine Erhebung zur roten Eminenz ward immer wieder verschoben. »Ebenso«, schreibt Richelieu in seinen Memoiren, »weigerte man sich, Mazarin als Nuntius nach Frankreich zu schicken, um ihn dann zum Kardinal zu machen, wie es immer mit den Nuntien der Fall gewesen war.« Und an Mazarin selbst im August 1639: »Ich weiss, was in Rom Ihretwegen vorgeht; aber wenn Ihre Feinde mächtig sind, Ihre Beschützer sind es auch. Der König liebt Sie, und ich werde mich immer freuen, Ihnen meine Affektion beweisen zu können.«

Man mag sich vorstellen, wie viel Wege, wie viel Geflüster und Intrigen, heimliche Besprechungen und Beratungen mit Eminenzen, Prälaten und Gesandten, wie viel Gerüchte, Hoffnungen, Hass und Tücken diese Mühen und Kämpfe an dem geistlichen Hofe bedeuteten. Die Leidenschaften führten dort manchmal zu erstaunlichen Szenen. Wenige Jahre vorher, als der Papst noch gegen die Spanier war, wollte der Kardinal Borgia im Konsistorium einen Protest der spanischen Regierung vorlesen; der Papst gebot ihm Schweigen, und da Borgia weitersprach, fasste der Kapuzinerkardinal Antonio Barberini – der Ältere, des Papstes Bruder – ihn am Arm, ein Tumult entstand, bei dem die Kardinäle in allen Sprachen durcheinanderschrien und beinahe handgemein wurden. »Der Kardinal Spinola«, heisst es in einem Bericht, »redete mit Augen und Händen und seinem ganzen Leibe, der Kardinal Pio zerbrach vor Aufregung seine Augengläser.« Mehrmals rief der Papst ›Ad loca‹, und da dies nichts nützte, suchte er nach der Glocke; der Kardinal Colonna brachte sie ihm, und erst langes Läuten stillte den seltsamen Aufruhr der alten Herren im Purpurornat.

Als in Frankreich am 4. September 1638 der langersehnte, der nicht mehr erwartete Thronerbe nach zwanzigjähriger Ehe des Königs geboren und der Papst zum Paten gebeten wurde, da war es der Wunsch des französischen Hofes, dass Mazarin zum Kardinal ernannt und als Legat nach Frankreich geschickt würde, um den Dauphin, als Vertreter des Heiligen Vaters, aus der Taufe zu heben; aber es war nicht zu erreichen. Man tat es ihm offenbar in Paris zuliebe, dass man seinen stattlichen Oheim, den Cavaliere Giulio Bufalini, der in französischen Diensten stand, nach Rom sandte, dem Papst die Nachricht zu bringen; der Kardinal Antonio wiederum, der indessen Protektor der französischen Krone geworden war, schickte Mazarins Schwager, den Grafen Martinozzi, nach Paris, seine Glückwünsche zu bestellen, während Mazarins Nachfolger in Avignon, der Monsignore Sforza, die geweihten Windeln überbrachte. Solche Aufträge wurden damals von aller Welt ungeheuer wichtig genommen und, in heute ausserhalb höfischer Kreise kaum mehr fassbarer Überschätzung der Form, den ernstesten Missionen gleichgestellt. Am Ende des gleichen Jahres erreichte Mazarin endlich die Kardinalswürde für den Pater Josef, der krank lag und starb, ehe die Ernennung kam; für sich selbst nichts. Im folgenden Jahre, 1639, wies die französische Regierung den an Stelle Bolognettis ernannten Nuntius Scotti zurück. »Der Papst schreibe ja auch dem französischen König nicht vor, wen er zum Ritter des Heiligen-Geist-Ordens machen sollte,« hatte Scotti zum Staatssekretär von Chavigny gesagt, als dieser ihm die verweigerte Promotion Mazarins vorhielt. Im selben Jahre ging Mazarin, seines erfolglosen Wartens in Rom müde und von Richelieu gerufen, nach Paris. Er musste erkennen, dass er bei der Kurie keine Beförderung erwarten durfte, wenn er der französischen Regierung weiter in Rom zu dienen suchte. Klüger war es, ganz in ihre Dienste zu treten, und so wurde er der Gehilfe und Mitarbeiter des Mannes, der bisher sein Gönner und sein Vorbild gewesen und nach dessen Weisungen er, nicht zum Dank der eigenen Vorgesetzten, gehandelt hatte.


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