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Tresler fühlte sich bedrückt. Er ahnte, daß Unheil in der Luft lag. Jetzt wurde von drinnen die Tür aufgerissen. Die hohe Gestalt des Mulatten Anton erschien in ihrem Rahmen. Deutlich hob sie sich vom gelben Schimmer einer drinnen brennenden Lampe ab. »Wo steckten Sie letzte Nacht, Anton?«
»Wo sollte ich wohl gewesen sein, Mister Jake?« lautete die mürrische Gegenfrage.
»Das ist keine Antwort!« brauste der Vormann auf, erreichte damit aber nur, daß Black Anton verächtlich die Achseln zuckte.
»Ihnen gebe ich überhaupt keine Antwort«, sagte er unverschämt. Es wäre kaum nötig gewesen, Jake durch solches Verhalten anzustacheln. Sein Zorn brach los.
»Du Lump!« schrie er erbost. »Antworte mir auf der Stelle, oder ich breche dir's Genick! … Übrigens weiß ich schon, daß du mit den Pferden fort warst und daß du nicht zu dem Lager von deinesgleichen geritten bist. Kann mir lebhaft denken, wo du dich herumgetrieben hast, du Halunke!«
»Halten Sie den Mund«, versetzte der Halbfarbige grob. »Ich bin gar nicht fort gewesen. Sie sind mal wieder verrückt!«
Jählings hob Jake die Faust, als wollte er den Mann schlagen, doch dann schien die Vernunft zu siegen, und er ließ den Arm wieder sinken.
»Du lügst, du dreckiger Bastard!« knirschte er nur. »Du lügst mir frech ins Gesicht!«
Damit wandte er sich ab, als könne er sich nicht länger beherrschen. Tresler sah ihn zum Herrenhaus gehen, und sowie Anton die Stalltür von innen zugeschlagen hatte, eilte er ihm ungesehen nach.
Jake hatte inzwischen die Veranda betreten, und der heimliche Beobachter hastete um die Hausecke, um Diana vor dem vermutlich ihr geltenden Besuch zu warnen. Weshalb er so bestimmt annahm, Harnach werde das Mädchen aufsuchen, wußte er selbst nicht zu sagen. Gerade als er zur Küche gelangte, hörte er den Blinden vom inneren Zimmer her nach Licht rufen. Diana erschrak sichtlich, als sie nach Ausführung des Befehls mit einemmal Tresler vor sich stehen sah.
»Du …?«
»Nein, nein … lasse die Tür nur offen, Danny«, erwiderte er leise, als sie sie schließen wollte. »Deswegen komme ich ja. Jake ist bei deinem Vater, und … horch!«
Man vernahm die Stimme des Vormanns und dann einen scharfen Verweis seitens des Hausherrn.
»Sei doch leiser, Mensch. Soll vielleicht das Mädchen alles mit anhören? Immer bist du so ein Tollpatsch, Jake.«
»Ach was«, klang es gereizt, doch dämpfte Harnach die Stimme, so daß man nichts mehr unterscheiden konnte.
»Irgendeine Teufelei hat er vor, Danny«, flüsterte Tresler erregt. »Ich muß mich näher heranschleichen, um … da, hörst du, wie er schimpft? … Warte hier auf mich. Ganz still! …«
Drüben wurde nun auch der Rancher lauter als zuvor. Es gelang Tresler, ungesehen in die Halle und hinter einen an der Wand hängenden schweren Mantel zu schlüpfen. Von hieraus vermochte er durch die offenstehende Tür hindurch fast die ganze Szene zu überblicken. Der Blinde saß an dem kleinen Fenstertisch. Jake selbst blieb vorderhand unsichtbar, aber die roten Augen Marbolts starrten dorthin, wo ihn Tresler vermutete.
Nun begann Jake wieder zu sprechen, doch klang es mehr wie ein unterdrücktes Knurren, so daß Tresler nichts Zusammenhängendes verstand und seine Aufmerksamkeit daher lieber auf das Mienenspiel des Ranchers richtete. Unsagbar verworfen und grausam sah dies Gesicht aus. Der Widerschein der abgeblendeten Lampe gab den toten Augen ein unheimliches Leben, als vermöchten sie wirklich zu sehen. Marbolt atmete schwer. Erregt trommelten seine Finger auf die Tischplatte. Jake jedoch schien diesmal nicht die geringste Furcht vor seinem Gebieter zu haben. Offenbar war es der Alkohol, der solche Wirkung hatte. »Allmächtiger Himmel, noch nie bin ich so behandelt worden wie von dir, Marbolt. Früher war es besser. Da arbeitete ich auch mit ehrlichem Willen für dich, damals, als du noch nicht blind warst. Seither ist alles anders geworden. Aber was ich haben will, das kriege ich auch. Du sollst es mir geben, verstanden? Gerade ins Gesicht sage ich's dir … deine Tochter will ich haben.« Der Vormann schwieg erwartungsvoll. Marbolt trommelte noch immer auf den Tisch.
»So … also meine Tochter willst du haben?« klang es dann kaum hörbar.
»Ja. Ich will das Mädel besitzen, das ich einst aus dem Wasser zog. Du sagtest damals, es sei über Bord gefallen … jedenfalls hast du es später behaupten wollen.«
»Nur weiter.«
»Da ist nicht mehr viel zu sagen. Diana wird meine Frau. Als Gegenleistung lasse ich dich ungestört hier auf deiner Ranch hausen. Ich schweige von dem, was ich weiß. Ehrlichen Handel nenne ich das.«
»Wirklich großmütig von dir!«
Jake erkannte den Hohn, der in den wenigen Worten lag, und geriet nun ebenfalls in Zorn.
»Ich warte auf Antwort!« sagte er scharf.
»Sachte, lieber Freund, sachte … Was du da alles sagst, macht mir riesigen Spaß. Du kannst dich so nett ausdrücken.«
Die Hand des Sprechers lag jetzt am Fuß der Stehlampe und umspannte diesen. Jakes Entgegnung war wie ein Brüllen:
»Entweder du gehst auf meinen Vorschlag ein, oder …«
»Halt dein Maul, du Esel!« stieß Marbolt zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Fällt mir nicht ein!« Jake war aufgesprungen und trat drohend auf den Rancher zu. »Ich habe es satt. Kein Wort mehr! Ja oder nein! … Vergiß nicht, daß ich dich in der Hand habe, Marbolt. Wenn du nicht tust, was ich will, dann soll's dir so schlecht gehen, daß du mich bald um Gnade anflehen wirst!«
Ein heftiger Schlag ertönte, dazu das Klirren zerbrechenden Glases. Eine Flamme zuckte auf und erlosch wieder, da Marbolt sie augenblicks erstickte, und nun war es dunkel und still drinnen im Zimmer. Dann kam ein seltsames Geräusch, das vielleicht an den fast lautlosen Sprung eines angreifenden Puma erinnerte; ein Stuhl stürzte um. Jakes keuchende Stimme wurde hörbar: »Untersteh dich, Mensch! … Auf Tod und Leben geht es!«
Schon war Tresler drauf und dran einzugreifen, als er fühlte, wie jemand seinen Arm ergriff.
»Nicht du«, flüsterte Diana erregt. »Überlaß es mir. Ich kann ihn retten … Jake meine ich.«
»Jake?«
»Ja.«
Tresler begriff nicht. Alles erfolgte so schnell. Da stand Diana schon mitten im Zimmer. Hoch hielt sie die Küchenlampe empor. Jake hatte sich hinter den Fenstertisch geduckt und blinzelte ins Licht. Auf der anderen Seite aber tappte der Blinde herum, ein Bild völliger Hilflosigkeit. Er kochte offenbar vor Wut. Die Rechte umklammerte ein großes Messer.
»Du Hexe!« brüllte er plötzlich auf und wollte sich auf das Mädchen stürzen. Ehe jedoch Tresler beispringen konnte, wurde der Rancher von einer anderen Seite her abgelenkt. Jake nämlich benutzte die Gelegenheit und eilte zur Tür. Bei dem Versuch, ihn einzuholen, stieß Marbolt gegen den Tisch und strauchelte. Mit größter Geistesgegenwart erkannte Diana die Lage. Jake folgend, rannte sie aus dem Zimmer, schlug hinter sich die Tür zu und drehte den Schlüssel um.
Jake hatte nichts von der Anwesenheit Treslers bemerkt. Er machte, daß er aus dem Hause kam.
»Geh auch du schnell!« rief Diana leise, als Tresler sie an sich ziehen wollte. »Joe ist in der Küche und wird mir beistehen, falls es nötig werden sollte. Geh doch!« drängte sie und stampfte voller Ungeduld mit dem Fuß auf, als er nicht gleich gehorchte. »Achte auf ihn. Es darf keinen Mord geben.«
Ohne noch ein Wort zu erwidern, verließ Tresler das Haus durch die Vordertür …
Jake hatte inzwischen die Veranda überschritten. Das Mondlicht gestattete Tresler das Erkennen der klobigen Gestalt, die sich wuchtigen Ganges auf die Hütte zu bewegte.
Und dann geschah etwas Unerwartetes.
Ein Schatten glitt aus dem Dunkel des Stalles hervor. Ein Arm wurde ausgestreckt. Tresler erkannte die Gefahr, in der der Vormann schwebte, und stieß einen Warnungsruf aus.
Jake blieb stehen und drehte sich um. Ein Pistolenschuß gellte in die nächtliche Stille. Tresler sah, wie Jake Harnach vornüber auf das Gesicht fiel. So schnell ihn seine Beine tragen wollten, rannte er auf den Tatort zu, doch bevor er ihn zu erreichen vermochte, blitzten zwei weitere Schüsse auf, und eine Kugel sang ihm am Ohr vorüber.
Jetzt wußte er, wer der Täter war. Kein anderer als Anton. Indessen huschte der Mischling zur Stallecke, an der ein gesatteltes Pferd bereitstand. Vergebens versuchte Tresler, ihn noch beizeiten einzuholen. Wenige Sekunden später galoppierte der Mörder in die Nacht hinaus.
Tresler kniete an der Seite des Überfallenen und bettete den schweren Kopf auf seinen Unterarm, während er laut nach den Kameraden rief. Noch lebte Jake.
»Lassen Sie nur«, stöhnte er. »Ich bin erledigt … umgebracht von diesem verfluchten Bastard … McCulloch … Hätte 's mir denken können …«
Er schwieg wieder, als er Leute vom Schlafhaus herbeilaufen hörte. Arizona schrie mit lauter Stimme Treslers Namen. Ein Zittern durchlief den riesigen Körper des Vormannes.
»Schnell, Tresler«, flüsterte er. »Ist nicht mehr viel Zeit übrig … Reiten Sie zum Besitz der Witwe Dangley … heute nacht noch … zwei … morgens … all …«
Ein Blutsturz erstickte die Worte, aber Tresler hatte bereits genug gehört.
Als Arizona zur Stelle war, hatte Jake Harnach, der langjährige Tyrann von Mosquito Bend, ein für allemal den Schauplatz seiner Tätigkeit verlassen. Drei tödliche Wunden wies sein mächtiger Körper auf. Wahrlich, Tough McCulloch hatte bewiesen, daß er den Ruf eines gefürchteten Pistolenschützen nicht zu Unrecht trug.
Mit wenigen Worten gab Tresler dem erstaunten Arizona die nötigen Erklärungen.
»Black Anton hat's getan. Jake hatte ihn beleidigt. Anton erschoß ihn darauf aus dem Hinterhalt, und nun ist er da hinüber auf einem der Pferde Marbolts davongeritten. Den Bergen zu. Sie entsinnen sich Tough McCullochs?«
»Und ob ich das tue!«
»Möchten Sie ihn finden?«
»Nichts auf der Welt könnte mir erwünschter sein.«
»Anton ist der McCulloch, den Sie suchen.«
»Wer sagte Ihnen das?«
»Jake selbst. Ich verschwieg es nur bisher, weil …«
»Ins Gebirge will er?«
Arizona hatte sich hoch aufgerichtet, ohne doch seine Erregung zu erkennen zu geben, denn mittlerweile drängten sich bereits die übrigen Männer um den Toten.
»Ja«, sagte Tresler.
Und einem Schatten gleich tauchte Arizona im Dunkel der Nacht unter.