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Aber die Geschichte vom nächtlichen Besuch der Pferdediebe gelangte anderen Tages nicht dem Vormann der Ranch zu Ohren. Unmittelbar nach dem Frühstück wurde Tresler zu den Korrals gerufen. Es sollte ihm ein Pferd zugeteilt werden. Zur Erstattung seiner Meldung schien ihm die Gelegenheit ungünstig zu sein.
Als er bei der Koppel anlangte, waren gerade drei der Puncher mit dem Einfangen einer großen, knochigen Stute von schmutzigbrauner Färbung beschäftigt. Jake sah zu.
Das Tier besaß einen boshaften Blick. Zahlreiche Narben deuteten darauf hin, daß es schon des öfteren Schwierigkeiten gegeben hatte. Trotz der auffallenden Magerkeit erkannte Tresler sofort, daß seinem Bau nach der Gaul etwas taugte. Er war genug Pferdekenner, um das begutachten zu können. Das rollende Auge und dessen Ausdruck mahnten jedoch zur Vorsicht.
Jakob Smith hielt den Lasso bereit. Es gab eine wilde Jagd, die den Zuschauern sichtlich Spaß machte. Immer wieder versuchte die Stute auszubrechen und sich zwischen die übrigen fünfzig bis sechzig Pferde zu mischen. Jetzt war sie in die Enge getrieben. Für den Bruchteil einer Sekunde stutzte sie, unschlüssig darüber, was sie noch tun konnte, dann aber stürzte sie sich zähnefletschend auf Smith. Darauf war der Cowboy gefaßt. Im letzten Moment sprang er gewandt zur Seite, während sie mit angelegten Ohren an ihm vorüberstob und dabei herzhaft auskeilte. Gleichzeitig schoß die Wurfleine durch den wirbelnden Staub, legte sich um die Vorderhufe des Tieres und riß es zu Boden. Im Augenblick stürzten sich die drei Männer auf die Stute, um sie vollends zu bändigen.
Das alles erfolgte so schnell, daß Tresler zusammenzuckte, als er des Vormanns rauhe Stimme vernahm. »Der Gaul ist für Sie, Tresler! Sie sind ja ein schneidiger Kerl, der spielend mit ihm fertig werden wird. Reiten Sie ihn sich zu für den täglichen Dienst.« Er lachte in einer Weise, die Tresler die Zornesröte ins Gesicht trieb. Jake jedoch tat, als merke er nichts. »Oh gewiß, sie ist wild«, fuhr er scheinbar sachlich fort, »hat aber bereits den Sattel getragen und ist nicht mehr ganz roh. Die Engländer sind ja für gewöhnlich gute Reiter. Jedenfalls pflegen sie sich's einzubilden, bis sie zu uns kommen.«
Tresler wußte, worauf das hinaus sollte. Dankbar gedachte er des kleinen Nelson, der ihn beizeiten gewarnt hatte. Sein Blick streifte den immer noch an der Umzäunung hängenden Sattel. Jake gedachte ihm, dem Neuling, das scheußliche Ding anzuhängen, damit er sich womöglich den Hals bräche.
»Ich nehme an, der Gaul ist das unrittigste Tier der Ranch«, erwiderte er. Seine Augen begannen zu funkeln. »Andernfalls würden Sie ihn gewiß nicht für mich ausgesucht haben.«
»Soll das der Anfang vom Kneifen sein?« klang es höhnisch.
»Durchaus nicht. Ich dachte nur an meinen Sattel. Der wird für den Gaul nichts taugen, weil er gleich die Gurte sprengt.«
»Machen Sie sich keine Sorge, da drüben am Zaun hängt einer.«
»Besten Dank. Ich will einen Sattel haben, der zu meiner Größe paßt, oder Sie können den Schinder selbst reiten.«
Solche Sprechweise schien Jake nicht gewohnt zu sein. Er blieb äußerlich aber ruhig, als denke er nach. Dann wandte er sich mit kurzem, bösartigem Lachen ab. »Natürlich hat er Angst«, rief er den umstehenden Leuten zu. »Hat irgendeiner von euch Boys einen Sattel übrig, oder sollen wir ihm ein Schaukelpferd zum Spazierenreiten bringen?«
Tresler geriet abermals in Zorn.
»Bildet euch bloß nicht ein, daß ich zu schlapp bin!« schrie er. »Sowie ich einen brauchbaren Sattel habe, klemme ich mich auf den Gaul. Entweder ich zwinge ihn zum Gehorsam, oder ich breche mir den Hals dabei.«
Nun hatte der junge Mann in Wirklichkeit noch nie auf einem Pferd gesessen, das das Abwerfen seines Reiters als Kunst zu betreiben pflegte. Das war ihm im Augenblick jedoch völlig gleichgültig. Vielleicht sagte er sich auch trotz seiner blinden Wut, daß solche Erfahrung früher oder später kommen müsse. Das »Brechen« eines rohen Pferdes, eines sogenannten »Broncho«, gehörte mit zu seiner Ausbildung. Als daher jemand davon sprach, daß Arizonas Sattel zu haben sei, griff er sofort zu.
Die Stute stand wieder auf ihren vier Beinen. Man hatte ihr das Zaumzeug übergestreift, und zwei Männer hielten sie am Lasso, dessen Schlinge ihr ein wenig den Hals einschnürte. Bocksteif stand sie da, aber die unaufhörlich rollenden Augen deuteten auf nichts Gutes. Außerhalb des Korrals wurde ihr der Sattel aufgelegt. Tresler schnallte die Bügelriemen auf die ihm entsprechende Länge. Mehrfach mußte man dem Gaul fast gänzlich die Luft abstellen, damit er sich die Sache gefallen ließ.
Die Cowboys machten bedenkliche Gesichter. Jacob gab der allgemeinen Ansicht Ausdruck, als er den Neuling beiseitenahm, um ihm einige warnende Worte zuzuflüstern:
»Hören Sie mal, nötig ist's nicht, daß Sie das Biest reiten. Es ist der ärgste Verbrecher, den wir hier haben. Er wirft Sie todsicher ab und trampelt dann mit seinen groben Hufen auf Ihnen herum …«
»Weiß ich alles, Jacob«, nickte Tresler grimmig lächelnd. »Danke Ihnen für Ihren Tip, aber es bleibt mir nichts anderes übrig, als mein Glück zu versuchen, denn der Lump da drüben« – eine Kopfbewegung bezeichnete Jake Harnach – »lauert ja nur darauf, mir Feigheit vorwerfen zu können.«
Mittlerweile waren die Vorbereitungen beendet. Tresler umschritt das hochbeinige Tier, redete ihm gut zu und klopfte ihm auf den Hals. Nach wie vor aber sah es ihn falsch und zornig an. Er saß auf. Fertig. Mit einem Ruck streifte Jacob den haltenden Lasso ab, und in der gleichen Sekunde begann der Kampf.
Den Kopf zwischen die Vorderbeine stecken, einen krummen Buckel machen und mit allen Vieren gleichzeitig hoch schnellen, das geschah im Handumdrehen. Beim ersten Bocken flog Tresler drei Händebreit aus dem Sattel, doch fand er den Sitz schnell wieder. Dabei packte seine Hand unwillkürlich eine kräftige Lederschlaufe, die vorn am Sattel angebracht worden war. Auf Tod und Leben krallte er sich darin fest. Beim nächsten Mal schnellte die Bestie nicht nur noch heftiger in die Luft, sondern sie drehte sich dabei noch um sich selbst. Katzenhaft behende erfolgte die Bewegung, die ganz dazu angetan war, auch einen sehr guten Reiter zu überrumpeln. Tresler verdankte es nur dem Riemen, daß er auch diesmal oben blieb. Das Buckeln wurde jedoch so rasend schnell fortgesetzt, daß er ganz schwindelig und dabei so durchgeschüttelt wurde, als sollten alle seine Knochen durcheinandergeraten. Das Blut rauschte in seinen Ohren. Nur eiserne Willenskraft ließ ihn durchhalten. Auf die Dauer konnte das allerdings nicht so weitergehen, und er wußte es auch. Die Zuschauer allerdings begannen zu hoffen, daß er weniger schnell ermüden werde als der Gaul. Sie ahnten nichts von dem Teufel der Wildheit, der in dem Tier steckte. Plötzlich gab es eine neue Wendung. Es war, als verliere die Stute ihre Beine, denn mit Gedankenschnelle stürzte sie zu Boden. Das war Absicht. Tresler hatte jedoch so viel Glück, daß er in hohem Bogen abseits landete und schon wieder auf den Beinen war, als ihn die Mähre mit gefletschten Zähnen angriff. Jacobs Wachsamkeit verhinderte größeres Unheil. Wieder zischte der Lasso durch die Luft, legte sich um den Hals und riß das Tier beinahe um. Atemnot machte es zunächst gefügig, und schon saß der keuchende Reiter wieder im Sattel. Das Pferd war bereits triefnaß, schweißiger Schaum tropfte von den Flanken, das unheimliche Weiß der wilden Augen rötete sich. Losgelassen suchte es den Reiter ins Bein zu beißen, und als das mißglückte, versuchte es sofort eine neue Bosheit, indem es den Kopf zurückschnellte. Tresler bekam einen fürchterlichen Schlag auf den Mund. Dann stieg die Stute kerzengerade in die Höhe und überschlug sich nach hinten. Wie durch ein Wunder entkam Tresler auch diesmal. Er glitt beizeiten aus dem Sattel und rollte zur Seite, ehe der Pferdekörper auf ihm landen konnte.
Der Lasso tat seine Schuldigkeit, noch während der Gaul hochzukommen trachtete. Und als ihm das endlich gelang, da war er ziemlich abgekämpft, wenn auch immer noch nicht besiegt.
Abermals saß Tresler auf. Er blutete, er war zerschunden und zerschlagen, aber die in ihm kochende Wut ließ keine Erschöpfung aufkommen. Von neuem begann das Spiel, wobei die Stute zeigte, daß sie auch im Auskeilen eine wahre Meisterin war. Der Sattel rutschte in ganz merkwürdigerweise nach vorn über den Widerrist, dann riß die Lederschlaufe, und wie aus der Pistole geschossen flog Tresler in den Sand.
Als man die tobsüchtige Bestie wieder eingefangen hatte, trug sie keinen Sattel mehr, denn der lag dort, wo der Reiter gelandet war. Tresler blutete aus Nase und Mund. Ersatzgurte waren schnell zur Stelle. Das Pferd wurde nochmals gesattelt und weiter ging der Kampf, bei dem der Reiter mehr im Nachteil war als vorher, da er keinen Halt mehr an dem geplatzten Lederriemen fand. Fünfmal noch erneuerte er seine Bekanntschaft mit dem Erdboden, und jedesmal kam er sich hilfloser vor.
Die Zuschauer jedoch erkannten sehr wohl, daß ihm der Sieg gehörte. Der Gaul war ausgepumpt, und als Tresler nach seinem letzten Sturz aufsaß, da hätte die Stute kein kleines Kind mehr abwerfen können. Die Cowboys brüllten Beifall.
»Züchtige sie, Boy! Reite sie, daß sie am Leben verzagt!«
»Sporen ran! Sporen ran!« schrie Lew.
»Vorwärts, bis sie umklappt!« setzte Raw hinzu.
Unwillkürlich gehorchte Tresler. Er war viel zu matt, um noch viel mehr tun zu können, als seiner Peinigerin die Sporen zu geben. Im Galopp stob sie davon. Schon war es Essenszeit, als Tresler den Hof wieder zu Gesicht bekam. Die Stute benahm sich lammfromm. Er selbst hatte sich einigermaßen erholt, während sie so restlos ermattet war, daß sie kaum noch die Hufe voreinander zu setzen vermochte. Sie war besiegt. Tresler aber lachte dem etwas verdutzt aussehenden Jake geradewegs ins Gesicht, als dieser Ehrenmann hinzukam, wie er die Stute mit Stroh abrieb.
»Wo zum Henker steckten Sie denn die ganze Zeit?« fragte er ärgerlich, und wie er den jämmerlichen Zustand des Pferdes sah, da wollte er aufbegehren. »Mann, Sie haben das Tier zu schanden geritten. Was fällt Ihnen denn ein?«
»Am liebsten hätte ich dem Biest den Hals gebrochen,« loderte Tresler so leidenschaftlich auf, daß der Vormann es für besser hielt, ihn vorderhand allein zu lassen.
Am Nachmittag begann dann der eigentliche Dienst. Lew Cawley sollte dem Neuling zeigen, wie man beschädigte Drahtzäune flickt. Es handelte sich um eine ziemlich entfernte Stelle. Nach einiger Zeit entfernte sich Lew, um dem Neuling die Vollendung der Arbeit zu überlassen. Der freute sich, der Nähe des verhaßten Vormannes enthoben zu sein. Er ließ sich Zeit, und so mochte es nach vier Uhr sein, als der letzte Draht gespannt war. Da machte es sich Tresler ein wenig bequem. Er setzte, sich ins hohe Gras, lehnte den Rücken gegen einen Pfahl der Einfriedigung und rauchte …
Mit einem Ruck richtete er sich auf. Hatte er geschlafen? Die Pfeife war seinem Munde entfallen. Eine lachende Stimme drang an sein Ohr.
»Nennen Sie das Lernen, Mister Tresler? Schämen Sie sich doch, die schönsten Stunden des Tages zu verschlafen.«
Diana Marbolt hielt beritten vor ihm. Ihre sonst so traurigen Augen blickten ganz vergnügt. Sie trug zum blauen Reitanzug einen breitkrempigen Strohhut.
»Da haben Sie mich ja schön überrascht, Miss Marbolt«, sagte er. »Aber glauben Sie mir, ich habe heute schon eine ganze Menge gelernt. Ich weiß, wes Geistes Kind unser Vormann ist, und habe die Bekanntschaft eines argen Verbrechers unter den Pferden gemacht. Und schließlich bin ich mit allem vertraut, was die Verwendung des Stacheldrahtes angeht.«
Tresler war inzwischen aufgestanden.
»Daß Sie nicht müßig gewesen sind, weiß ich«, lächelte Diana zu ihm nieder, doch wurde sie dann gleich ernst. »Ich sah Sie im Sattel jenes Pferdes, das die anderen Leute schon seit zwei Jahren vergebens zu bändigen suchten. Wie geht es ihm denn jetzt?«
»Nun, es ist, wie man sagt, völlig ausgepumpt. Jake schimpfte. Aber meine Verbrecherin verträgt viel. Morgen früh wird der Tanz mit ihr von neuem losgehen.«
Dana nickte. Sie hatte den Geschehnissen von weitem
zugesehen.
»Wollen Sie das Tier einfach ›Die Verbrecherin‹ nennen?«
»Es wäre eigentlich ein ganz passender Name.«
»Hören Sie mal, Mister Tresler, ich bin absichtlich zu Ihnen herausgeritten, denn natürlich war der Auftritt von heute früh nur ein weiteres Glied in der Kette der Zusammenstöße, die Sie mit Jake haben werden.«
»Gewiß, Jake Harnach ist kein sehr umgänglicher Mann. Aber glauben Sie mir, Miss Marbolt, Sie brauchen meinetwegen keine Befürchtungen zu hegen. Vor einer ernsthaften Auseinandersetzung fürchte ich mich um so weniger, als er ein großmäuliger Tyrann ist.«
»Er ist mehr als das.«
Wieder hatte sich das Gesicht Dianas verdüstert. Sie preßte die Lippen zusammen, und in ihren für gewöhnlich so sanften Augen erschien ein zorniger Ausdruck. Es war klar, daß sie den Vormann haßte. Aber auch etwas anderes mischte sich offenbar in ihre Empfindungen: Furcht.
»Sie haben allen Grund, um Ihre Sicherheit besorgt zu sein«, fuhr sie fort. »Deswegen bin ich überhaupt zu Ihnen gekommen. Jake schreckt vor nichts zurück, dessen können Sie gewiß sein.«
»Ich verspreche Ihnen, daß ich persönlich alles tun werde, um es nicht zum Äußersten kommen zu lassen, Miss Marbolt«, lächelte Tresler. »Sollte er sich allerdings zu Tätlichkeiten versteigen, dann bürge ich für nichts …« Plötzlich fiel ihm etwas ganz anderes ein. »Sie haben seltsame Besucher auf der Ranch, mehr als seltsam. Wenn es stockdunkel ist, dann kommen sie heimlich durch den Wald. Die Gesichter sind maskiert …«
Er kam nicht weiter. Diana machte ein tödlich erschrockenes Gesicht.
»Sie haben sie gesehen?« stieß sie aufgeregt hervor.
»Wen meinen Sie mit dem Wörtchen ›sie‹?«
»Jene … jene Besucher.«
»Allerdings.«
Tresler erzählte die Geschichte, die er bereits Joe Nelson hatte wissen lassen. Dianas Blick ließ ihn während der ganzen Zeit nicht los.
»Was gedenken Sie nun zu tun?« fragte sie, als er endete.
»Das weiß ich selbst noch nicht mit Bestimmtheit. Ursprünglich wollte ich Jake Meldung erstatten, aber die wilde Reiterei heute früh hinderte mich daran. Noch gestern abend zog ich Joe Nelson ins Vertrauen. Der meinte, ich habe ›Red Mask‹, den Mann mit der roten Maske, gesehen, den berüchtigten Pferdedieb. Er legte mir nahe, Jake nichts davon zu sagen.«
»Und den Rat sollten Sie unter allen Umständen beherzigen, Mister Tresler.« Dianas Stimme zitterte. »Es liegt ein zwingender Grund dazu vor.«
»Wieso?«
»Wieso?« wiederholte das Mädchen mit bitterem Auflachen.
»Ja, Miss Marbolt, das zu wissen habe ich ein Recht.«
»Gut, Sie sollen alles erfahren, was ich Ihnen sagen darf. Solche Besucher, wie Sie sie beschreiben, sind schon vorher von anderen gesehen worden. Jedesmal erhielt Jake Mitteilung davon, und zwar von dem betreffenden Augenzeugen. Der Unglückliche hatte es zu bereuen.«
»Der Unglückliche …«
»Ja. Regelmäßig stieß dem Betreffenden etwas zu. Hören Sie. Vor etlichen Jahren tauchte Red Mask plötzlich hier in der Gegend auf, kein Mensch wußte woher. Uns beraubte er zuerst. Dann verschwand er wieder, um bald darauf abermals gesehen zu werden. Einer der Boys meldete es Jake. Zwei Tage später fand man ihn auf dem nach Forks führenden Pfad erschossen. Ähnliches wiederholte sich. Der nächste Augenzeuge ertrank in einem seichten Teil des Flusses. Man nahm an, es sei im Rausch geschehen. Abermals erschien Red Mask – genau so, wie Sie ihn mir beschrieben haben – immer bei Nacht – und abermals erfuhr Jake davon. Diesmal wurde das Opfer von einem Felsen der Vorberge erschlagen, der sich zufällig während seines Vorbeireitens löste. So ging das weiter. Im ganzen gab es acht Todesfälle im Lauf der Zeit. Der neunte Warner – es war Arizona – kam nur wie durch ein Wunder mit dem Leben davon. Ich fürchte sehr, daß ihm nochmals etwas zustoßen wird. Bedenken Sie, daß es jedesmal Jake war, dem Meldung erstattet wurde. Vielleicht täusche ich mich, vielleicht handelt es sich wirklich um Zufälle, aber Sie dürfen glauben, daß ich mir so meine Gedanken machte und …«
»Jedenfalls muß doch Jake …«
»Still!«
Mißtrauisch sah sich Diana um.
»Nein, nein, Mister Tresler«, stieß sie dann hastig hervor. »Das sage ich nicht, daran wage ich gar nicht zu denken. Schon so lange steht Jake in Diensten meines Vaters. Und ungeachtet seiner abstoßenden Gemütsart ist er Vaters … Freund.«
Dazu der Mann, den du heiraten sollst, dachte Tresler bei sich. Laut fragte er: »Und wie erklären Sie sich die Zusammenhänge?«
»Das ist es ja gerade … ich weiß es selbst nicht. Ich kann nichts tun, als Sie davor warnen, Jake ins Vertrauen zu ziehen.«
Tresler trat einen Schritt näher, so daß er fast das Reitkleid des Mädchens berührte. Fest blickte er ihr in die Augen.
»Doch, Miss Marbolt, Sie haben Ihre ganz bestimmten Gedanken.«
Schweigen. Dann begann Dianas Pferd mit den Vorderhufen den Boden zu schlagen, wodurch der Bann gebrochen wurde.
Beinahe flehend hob Diana die Hände.
»Zwingen Sie mich nicht, etwas auszusagen, was ich nicht sagen darf. Glauben Sie mir, ich bin mir selbst nicht schlüssig. Alles sind nur Vermutungen. Oh, Mister Tresler … Ihnen darf ich vertrauen, ich weiß, daß ich es darf …«
Tresler hätte kein Mann sein müssen, wenn die Worte keinen Eindruck auf ihn gemacht haben sollten. Nachdrücklich ergriff er die schmale Rechte, die sich ihm entgegenstreckte.
»Ja, das können Sie allerdings, Miss Marbolt. Sie …« Er brach ab und sah wie versonnen die Frauenhand an, die in der seinen ruhte. Erst nach geraumer Weile schien ihm das Eigenartige seiner Handlungsweise aufzufallen. Er ließ sie los.
»Verzeihen Sie mir«, sagte er, während er lächelnd aufblickte. »Ich geriet in Träumerei. Lassen Sie uns zur Ranch zurückkehren. Bei Gott, ich fange an zu glauben, daß ich Jake letzten Endes zu großem Dank verpflichtet bin.«
»Zu nichts sind Sie ihm verpflichtet«, klang es scharf zurück. »Als Angestellter sind Sie ihm Gehorsam schuldig, im übrigen aber gehen Sie ihm aus dem Wege, wo immer es sich machen läßt. Meiden Sie ihn wie die leibhaftige Pest.«
Tresler schwang sich in den Sattel und schlug an der Seite des Mädchens den Heimweg ein. Und solange er unterwegs war, dachte er weder an Jake noch an Red Mask. Seine Gedanken weilten bei der Reiterin, die er begleiten durfte.