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9

In allererster Linie ist der Cowboy ein Reiter. Sein Ehrgeiz in dieser Richtung pflegt grenzenlos zu sein. So legt er auf seine entsprechende Kleidung einen solchen Wert und beachtet alle Einzelheiten derartig genau, daß man den sonst so rauhen Gesellen fast für einen Stutzer halten könnte.

Das Zureiten roher Pferde, bei dem es allerdings zuweilen reichlich brutal zugeht, ist seine Hauptleidenschaft und bildet für ihn die ersehnte Abwechslung vom Einerlei des täglichen Dienstes, wie das Warten der Rinder, Ausbessern der Zäune und anderes. Auch kann man jedes Jungpferd gewissermaßen mit einem Lotterielos vergleichen: es mag sich als Haupttreffer, aber auch als Niete erweisen. Zu den Treffern zählen bezeichnenderweise die aller schwierigsten Gäule, weil gerade sie dem Cowpuncher die erwünschte Gelegenheit bieten, sein reiterliches Können zu zeigen.

So herrschte denn auch auf Mosquito Bend eine sichtlich gehobene Stimmung, als es hieß, daß der Vormittag dem Zureiten von »Bronchos« gewidmet sei. Im Schlafhause ging es zu wie in einem Bienenstock. Marbolt hatte seitens der Gendamerie den Auftrag auf Lieferung einer Anzahl guter Remonten bekommen, die zum mindesten schon einigermaßen an den Sattel gewöhnt sein mußten.

Tresler war zeitig auf den Beinen. Auch er hatte an dem Aussuchen der Pferde teilzunehmen. Jetzt stand er im Stall und brachte sorgfältig sein Zaumzeug in Ordnung. Dabei weilten seine Gedanken bei den Erlebnissen des letzten Abends. Nach der Auseinandersetzung mit Joe fühlte er sich für die weitere Entwicklung der Dinge persönlich verantwortlich.

Als er mit seinen Vorbereitungen fertig geworden war, wollte er sich wieder zur Baracke begeben, doch wurde er unterwegs von Jake angerufen.

»Na, wie kommen Sie mit Ihrem Gaul zurecht?«

»Geht so. Er ist noch immer reichlich schwierig, freut mich aber mehr als irgendein Pferd, das ich hier sonst noch kriegen könnte. Das beste Tier, das ich jemals unter mir hatte.«

»Stimmt. Ich entsinne mich noch, wie die Stute hier ankam. Sie wurde nämlich nicht hier gezüchtet. Mister Marbolt kaufte sie von einer Gruppe Mestizen, die sich im Lande umhertrieb. Vor drei Jahren etwa. Na, Sie haben Ihre Sache gut gemacht, Mann.«

Jake war gerade dabei gewesen, sich die schweren, hochschäftigen Schnürstiefel zuzubinden. Sie besaßen derbe Doppelsohlen nebst eisenbeschlagenen Absätzen und Spitzen. Jetzt richtete er sich auf.

»Sagte Nelson, weshalb er sich verspätete?«

»Nein. Ich habe ihn auch nicht gefragt.« »Besoffen vermutlich, was?«

»Nein;«

Tresler glaubte, die kleine Notlüge verantworten zu können.

»Was zum Teufel kann den kleinen Lumpen denn sonst abgehalten haben?«

Jakes Gesicht verfinsterte sich, aber John Tresler tat, als fiele ihm das nicht weiter auf.

»Das festzustellen war nicht meine Aufgabe. Den Brief hatte er pünktlich abgegeben, und wir machten, daß wir heimkamen.«

»Wetten möchte ich, daß er in der Kneipe kleben geblieben ist. Na, ich werde ihn mir später am Tage noch vornehmen.«

Achselzuckend entfernte sich Tresler. Es drängte ihn, dem Mann zu sagen, was er von ihm dachte. Mordlust spürte er im Herzen, und er wußte, daß es früher oder später trotz der Dianny gegebenen Zusicherung zu einem bitter ernsten Zusammenstoß kommen mußte. Jake sah ihm nach, und während er sich wiederum an seinen Stiefeln zu schaffen machte, brummte er grimmig etwas in seinen Bart.

»Na, warte nur … später … nicht mehr lange …«

Währenddessen erreichte Tresler die Wohnbaracke. Das Frühstück war in vollem Gange, und auch er nahm sich einen Teller und den Blechnapf, um sich sein Teil zu holen. Der Koch maß ihm eine gehörige Portion Schweinefleisch mit Bohnen zu und gab ihm dazu fast einen halben Laib frischen Brotes.

»Wollen Sie reiten?« fragte er dann, während er den Napf mit Tee füllte.

»Natürlich. Möchte um nichts in der Welt dabei fehlen.«

Lächelnd verließ er die Küche, zuckte aber jählings zusammen, als ein erstickter Schrei an sein Ohr drang. Sekundenlang blieb er lauschend stehen. Im nächsten Augenblick jedoch kam Bewegung in ihn, als sei er elektrisiert worden. Er hatte die Stimme erkannt. Das gute Frühstück fiel zu Boden. Tresler rannte davon, so schnell ihn seine Füße trugen. Noch konnte er nicht sehen, was eigentlich los war, denn die Behausung des Vormannes stand ihm im Wege. Mit wenigen Sätzen war er um die Ecke. Ein Blick genügte, um die Szene zu begreifen, die sich seinen Augen darbot. Der arme alte Nelson wand sich am Boden und hielt beide Arme vor das Gesicht, um sich vor den wütenden Fußtritten Jakes zu schützen. Dessen eisenbeschlagenes Schuhzeug war ganz dazu geeignet, des Mißhandelten Knochen zu brechen.

Blitzschnell handelte Tresler.

Er riß die schwere Peitsche empor. Das Leder pfiff durch die Luft und klatschte dem Riesen mitten über das Gesicht, so daß sofort die Haut aufplatzte. Jake taumelte rückwärts, wobei er einen tierischen Schrei der Wut und des Schmerzes ausstieß. Er war jedoch nicht behende genug, einem zweiten Hieb auszuweichen. Diesmal hatte Tresler mit dem Knauf zugeschlagen, und das hatte zur Folge, daß der Vormann wie ein gefällter Ochse zu Boden brach.

Sofort schwand der Jähzorn seines Gegners. Wohl hätte Tresler gar zu gerne die Züchtigung fortgesetzt, doch bezwang er sich. Auch galten seine Gedanken nunmehr in erster Linie dem mißhandelten Joe, der regungslos dalag. Tresler kniete bei ihm nieder, sprang dann aber rasch auf, als er ein Geräusch hinter seinem Rücken vernahm.

Jake suchte sich zu erheben, doch schon stand Tresler breitbeinig über ihm.

»Rühren Sie sich nicht, wenn Sie nicht totgeschlagen werden wollen, Mensch!«

Ingrimmig knurrend sank Jake wieder zurück.

Jetzt erst merkte Tresler, daß von allen Seiten Leute herbeieilten, die mit weitaufgerissenen Augen den Tatort umstanden. Ohne von ihnen weiter Notiz zu nehmen, hob Tresler den bewußtlosen Joe Nelson auf und trug ihn auf seinen Armen zum Schlafhaus, wo er ihn sanft auf sein eigenes Bett gleiten ließ.

Arizona leistete ihm die meiste Hilfe. Gemeinsam mit ihm entkleidete er den Alten, um die Verletzungen zu untersuchen. Gliedmaßen schienen nicht gebrochen zu sein. Aber der schmächtige Körper war über und über von Schrammen und Quetschungen bedeckt. Kaltes Wasser rief den armen Joe wieder ins Bewußtsein zurück. Mit einemmal wandte sich Tresler an die anderen Cowboys.

»Kameraden«, sagte er sehr ernst. »Bitte denkt daran, daß dies hier meine ureigenste Angelegenheit ist. Ich werde sie so erledigen, wie ich es für gut befinde. Vorderhand müssen wir unseren Dienst tun.« Die Leute murrten. Arizona wollte etwas sagen, wurde aber von Tresler daran gehindert.

»Sachte, Arizona. Ich glaube, Sie würden es sich verbitten, wenn ich mich meinerseits mal in einen Streit einmischte, den Sie mit einem Dritten hätten.«

»Das ist richtig, aber …«

»Lassen wir jedes ›Aber‹ beiseite, mein Lieber.«

Fest sah Tresler dem aufgebrachten Amerikaner in die Augen. Nach einigen Sekunden wandte der den Blick seinen Kameraden zu.

»Kommt, Jungens … er hat recht.«

Tresler wartete, bis sich die Tür hinter den Männern geschlossen hatte. Dann erst beugte er sich wieder über den Mißhandelten.

»Geht's schon ein bißchen besser, Joe?«

»Ja …«

Die Stimme Nelsons klang sehr schwach.

»Keine Knochen kaputt?«

»Anscheinend nicht.«

Vorsichtig ließ sich Tresler auf dem Rande des Bettes nieder.

»Sagen Sie … sind die anderen fort?« fragte Joe.

»Ja.«

»Sie … Sie dürfen Miss Dianny nichts sagen, Tresler. Bitte nicht. Sie würde traurig sein. Wissen Sie, es stimmt schon, daß ich gestern betrunken war. Da wußte ich auch, daß es mir schlecht gehen würde heute. Es macht also nicht viel. Nichts verraten, ja?« Und als nicht gleich eine Antwort erfolgte, fuhr er fort:

»Sie haben Wichtigeres zu tun, als zu klatschen. Lieber wäre es mir gewesen, ich wäre umgebracht worden, als daß nun Sie selbst in die Sache verwickelt wurden. Auf Miss Dianny haben Sie Rücksicht zu nehmen, nicht auf mich. Jetzt werden Sie womöglich von der Ranch gejagt werden.«

Aber da schüttelte Tresler sehr bestimmt den Kopf.

»Mich werden die so leicht nicht los, Joe.«

»Schön … Jetzt gehen Sie nur zu Ihrer Arbeit. Ich erhole mich schon. Ihretwegen müssen Sie Jake gegenüber sehr zurückhaltend sein, Sie haben gestern selbst versprochen, daß Sie sich ihrer annehmen wollen. Schwierigkeiten, die Sie haben, Tresler, die wirken sich auf das Mädel aus.«

Der jüngere Mann sah die Berechtigung solcher Vorhaltungen ein. Auch mußte er sich sagen, daß seine Stellung einen schweren Stoß erhalten hatte. Die Folgen der letzten Ereignisse ließen sich überhaupt noch nicht übersehen. Er ging zur Tür.

»All right, Joe. Ich will mich zusammennehmen. Sie aber, daß Sie sich ja nicht wieder betrinken, sonst …«

Er vollendete den Satz nicht, denn die Tür flog auf und Dianny eilte ins Zimmer. Ihre braunen Augen blickten angstvoll. In der Linken trug sie einen Korb mit allerlei Erfrischungen. Tresler führte warnend .den Finger an die Lippen und bedeutete ihr durch ein Zeichen, sie möge mit ihm ins Freie treten.

»Es geht ihm schon besser, Miss Dianny«, flüsterte er. »Soll ich ihm etwas ausrichten?«

Dabei warf er einen bezeichnenden Blick auf den Korb.

»Nein, danke …« klang es etwas zögernd. Plötzlich aber wurde das Mädchen lebhaft. »Oh Gott, ich habe das Ende ja mit angesehen! Es war entsetzlich. Als Sie ihn in die Arme nahmen, da dachte ich, er wäre tot. Und denken Sie: Sergeant Fyles ist eingetroffen. Vater nahm ihn sofort mit in sein Büro. Daß Jake derzeit nicht im Wege herumlungert, ist sicher. Ich wartete noch, bis Anton mit des Sergeanten Pferd verschwunden war, dann eilte ich hierher. Darf ich ihn nicht sehen? … Ich habe ein paar Leckereien für ihn zusammengeklaubt.«

Der inständigen Bitte konnte Tresler nicht widerstehen.

»Ja, gehen Sie nur hinein zu ihm. Sie dürfen nur an der Unordnung keinen Anstoß nehmen. Wie ein gütiger Engel werden Sie Joe vorkommen. Der arme, alte Kerl! Nur – Sie werden das selbst einsehen – bleiben Sie nicht zu lange.«

Dianny nickte. Schon ruhte ihre Hand am Türgriff. »Also Sergeant Fyles ist da«, wiederholte sie vielsagend. »Meinen Sie nicht, Sie sollten …«

»Ja, ich werde ihn aufsuchen.«

Die unrittige Stute war reichlich stallmutig, als Tresler aufsaß. Erst machte sie allerlei Mätzchen, und dann schrammte sie wieder einmal mit ihrem Reiter los. Als Tresler sie durch nichts zur Vernunft zu bringen vermochte, gab er ihr gehörig die Sporen. Das hatte zwar den Erfolg, daß der Gaul sein wildes Tempo aufgab, aber dafür fing er nun nach allen Regeln der Kunst seine berühmten Abwerfmanöver an. Der Zirkus war noch im vollen Gange, als ein anderer Reiter auf der Bildfläche erschien, der sofort anhielt und sich den Auftritt interessiert ansah.

Die Stute führte sich auf, als sei sie vom Teufel besessen. Tresler aber hatte zuviel gelernt, um ernstlich gefährdet zu werden. In den Zügen des stummen Zuschauers drückte sich wachsende Bewunderung aus. So plötzlich, wie der Kampf begonnen hatte, so jählings endete er auch. Dann begrüßten die beiden Männer einander ziemlich formlos.

»Sergeant Fyles?«

Tresler hatte sofort die goldenen Ärmelstreifen auf der braunen Windjacke erkannt. Auf den ersten Blick machte der berühmte Fyles durchaus keinen überwältigenden Eindruck. Er war ziemlich klein und etwas sehr rundlich. Das Gesicht war eigentlich das eines Farmers. Es deutete keineswegs auf außergewöhnliche Schlauheit. Dabei war es gerade diese Schlauheit, die den Sergeanten auszeichnete. Diese und seine katzenhafte Behendigkeit. Sein Körper trug nicht ein einziges Gramm überflüssiges Fett. Unter buschigen Brauen blickten ein Paar Augen hervor, die schon manchem Gauner bis auf den Grund des Herzens gesehen hatten.

»Ja …« lautete die Antwort auf Treslers Frage. Gleichzeitig musterte der Beamte sein Gegenüber von oben bis unten. Sein Gesicht blieb eine undurchdringliche Maske.

» Das ist ein tüchtiger Gaul. Sie scheinen ganz gut mit ihm zurechtzukommen. Ihren Namen nannten Sie mir aber noch nicht.«

»Ich heiße John Tresler.«

»Erst seit kurzem hier?«

Der Mann befleißigte sich einer verdammt knappen, dienstlichen Sprechweise. Tresler erwies sich jedoch auch nicht als Schwätzer. Er nickte nur.

»Sommerfrische?«

Jetzt mußte Tresler aber doch laut lachen. »Daneben geraten … Ich lerne die Kunst der Viehzüchterei. Will später meinen eigenen Laden aufmachen.«

»Aha … jüngerer Sohn also?«

»Nicht mal das …« Die beiden Pferde näherten sich, mittlerweile friedlich nebeneinander herschreitend, der Furt. »Schlage vor, daß wir die Fragerei nun einstellen, Sergeant. Ich erwartete Sie.«

»Dachte ich mir, sonst würden Sie mir wohl schwerlich so bereitwillig geantwortet haben. Also …?«

Der Abglanz eines Lächelns huschte über die verschlossenen Züge des Beamten, aber seine Augen spähten vorsichtig umher.

»Es geht allerhand vor hierzulande«, fing Tresler schließlich an. »Sie werden davon gehört haben.«

»Ganz friedlich sind die Zeiten niemals dort, wo es große Herden gibt.«

Bei den Worten bewunderte Fyles mit Kennerblick die Beine der Stute.

»Red Mask?« fragte Tresler.

»Ja.«

»Sie kennen natürlich seine letzte Schurkerei, die er auf Manson Orr beging?«

»Mister Marbolt berichtete mir davon, er und … andere. Der Blinde hat fünftausend Dollar Belohnung für die Ergreifung des Täters ausgesetzt.«

»Das ist mehr, als ich erwartete«, meinte Tresler sinnend. »Sie müssen nämlich wissen, daß der alte Mann reichlich sonderbar ist. Er hat selbst schon Vieh verloren, doch als einige der Boys sich erboten, Red Mask zur Strecke zu bringen, da ließ er sie hart an; ja er drohte, jeden davonzujagen, der ohne seine Erlaubnis den Hof verließ.«

»Gegen mich verhielt er sich ganz liebenswürdig.«

»Das kann ich mir lebhaft denken.«

Es war nicht ganz leicht, an den Mann heranzukommen, und dabei hatte ihm Tresler doch so viel zu erzählen. Plötzlich merkte er zu seinem Ärger, daß Fyles immer noch den Bau der Stute studierte. Gerade besah er sich die Schulter, auf der sich noch Spuren des Brandstempels fanden.

»Sergeant, ich habe Ihnen etwas zu berichten«, sagte er jedoch, ohne die Zerstreutheit des anderen zu beachten. »Ich denke, Sie werden den Fall interessant finden. Mir jedenfalls hat er viel zu denken gegeben.«

»Weiter …« Fyles hob nicht einmal den Blick.

So erzählte Tresler also ganz sachlich alles, was er auf dem Herzen hatte, wobei er nur nicht begriff, was es da so eingehend an der Schulter seiner Stute zu studieren gab. Natürlich tat er der Tochter Marbolts mit keiner Silbe Erwähnung, denn um nichts in der Welt hätte er sie von sich aus in den Bereich der unerquicklichen Angelegenheit gezogen.

»Sie sehen, Sergeant«, schloß er, »ich war wohl berechtigt, meine Ansichten bis zu Ihrem Eintreffen für mich zu behalten. Meines Erachtens werden wir noch verschiedene Wiederholungen unliebsamer Besuche haben. Glauben Sie nicht auch?«

»Ganz famoser Gaul …« murmelte Fyles. »Ich kenne nur einen einzigen anderen, der sich mit ihm vergleichen ließe. Wie sagten Sie? … Ach so, ja … sehr interessant.«

»Hat Marbolt Ihnen von den früheren Besuchen der Räuber erzählt? Er weiß Bescheid.«

»Er schwatzte mehr, als in meinen Kopf hineinging.«

»Wovon?«

»Von dem aufrührerischen Geist, der angeblich hier auf der Ranch waltet.«

»So …«

Tresler merkte die Falle und dachte nicht daran, hineinzufallen. Offenbar hatte der alte Mann eine persönlich gefärbte Darstellung der morgendlichen Ereignisse gegeben, und der Sergeant hätte nun gerne die andere Lesart gehört. Übrigens schien sich der kühl überlegende Mann nicht sonderlich auf Zeugenaussagen zu verlassen, denn er wartete eine Antwort gar nicht erst ab, sondern fuhr ohne weiteres fort: »Eins haben Sie mir wenigstens klargemacht, Sie halten eine Verbindung zwischen der Bande und dem einen oder anderen Bewohner der Ranch für wahrscheinlich.«

»Allerdings.«

»Gegen wen richtet sich Ihr Verdacht, und welche Gründe besitzen Sie für Ihre Annahme?«

Blitzschnell wurden die Fragen gestellt, aber Tresler ließ sich so leicht nicht aus der Fassung bringen.

»Mein Verdacht richtet sich gegen niemanden, weil ich keinen stichhaltigen Grund zu finden vermag.«

Die beiden Reiter hatten an der Furt ihre Pferde zum Stehen gebracht. Jetzt sah Fyles seinem Begleiter fest und bedeutungsvoll in die Augen.

»Ich freue mich, daß es zu dieser Aussprache zwischen uns kam, Mister Tresler. Sie haben einen guten Verstand und sind vorsichtig in Ihren Schlußfolgerungen. Sollte sich Ihr Verdacht irgendwie verdichten und Sie den Wunsch hegen, mit mir in Verbindung zu treten, so stehe ich Ihnen zu jeder Tages- und Nachtzeit zur Verfügung. Der Ruf, den diese Ranch genießt, ist mir hinreichend bekannt. So gut sogar, daß ich eigens kam, um Sie persönlich kennenzulernen. Sie sehen daraus, daß ich auch von Ihrem Dasein schon etwas wußte. Ihnen brauche ich wohl nicht erst zu sagen,« daß es sehr unklug wäre, wenn wir in aller Öffentlichkeit korrespondierten …? Schön. Weiter flußabwärts habe ich einen ständig besetzten Posten aufgestellt. Der Grund tut nicht unmittelbar etwas zur Sache. Zu sehen ist ohnehin nichts von den Leuten. Es dürfte Ihnen nicht schwer sein, jenem Posten Nachricht zukommen zu lassen, doch bitte ich das nur dann zu tun, wenn es sich um wirklich wichtige Dinge handelt. Ich selbst werde stets bereit sein, der Meldung entsprechend zu handeln. Ich habe heute eine ganze Menge Neuigkeiten empfangen, Mister Tresler, so viel, daß Sie vermutlich nicht so bald die Hilfe der Flußströmung werden in Anspruch nehmen müssen. Aber halten Sie die Augen und Ohren offen.«

Der Beamte lenkte sein Pferd einige Schritte zur Seite, so daß er die »Verbrecherin« besser sehen konnte. Minutenlang betrachtete er sie so eingehend, daß es dem Reiter auffallen mußte.

»Ein Prachtgaul, was?«

Fyles antwortete mit einer kurzen Frage: »Ihr Eigentum?«

»Nein. Nur zugewiesen.«

»Gehört also zur Ranch?«

»Jake erzählte mir, daß Julian Marbolt die Stute von einer vagabundierenden Horde von Mischlingen kaufte. Er setzte große Hoffnungen auf sie, vermochte sie aber nicht zu zähmen. Das muß vor rund drei Jahren gewesen sein. Dem Gebiß nach zu urteilen, schätze ich sie auf annähernd siebenjährig.«

»Dürfte stimmen.«

»Sie scheinen sie zu kennen.«

Aber Fyles sagte nichts. Er ließ sein Tier eine Kehrtwendung machen und grüßte halb militärisch, während er ins Wasser ritt.

»Vergessen Sie den Fluß nicht.«

Tresler blickte ihm nach. Plötzlich schoß seine Stute vorwärts, als wolle sie dem anderen Pferd nach. Offenbar gedachte sie, wieder eine ihrer Teufeleien auszuführen, aber Tresler nahm sie sofort fest zwischen Zügel und Schenkel. Im tiefen Wasser vermochte sie ohnehin nicht recht zu buckeln, und schließlich sprang sie ans Ufer zurück. Dabei jedoch gelang es ihr, die Trense zwischen die Zähne zu bekommen. Sie biß sich darauf fest und stob mit angelegten Ohren davon, den Pfad entlang.


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