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1

Vergebens wird man Forks Settlement heutzutage auf der Landkarte des westlichen Amerika zu finden suchen; jedenfalls nicht jenes kleine Nest, das früher fast im Schatten des nordamerikanischen Felsengebirges lag. Seine Blütezeit erlebte Forks Settlement etwa in der Mitte der achtziger Jahre, als seine Bewohner in der Hauptsache vom Alkoholschmuggel und vom Handel mit allerlei Gütern lebten, die von den weit zerstreut wohnenden, aus Ranchern und Farmern bestehenden Siedlern benötigt wurden.

Spät am Nachmittag war es bereits, als das Pferd John Treslers auf den grünen Anger trabte, der Forks Settlements Marktplatz darstellte. Er richtete sich hoch und blickte suchend umher, denn die Ortschaft schien völlig ausgestorben zu sein. Es war glühend heiß, und es entsprach nicht den Gewohnheiten der Bürger von Forks, sich viel in der Hitze zu bewegen, wenn kein zwingender Anlaß vorlag. Und einen solchen Grund gab es eigentlich nur zweimal im Jahre.

Tresler befand sich inmitten eines aus Holzhäusern gebildeten, unregelmäßigen Kreises. Keins der Bauwerke machte einen großartigen Eindruck, aber im Gegensatz zum Anblick der schier unermeßlichen, gewellten Prärie bedeuteten sie für den einsamen Reiter doch so etwas wie die Andeutung geselligen Lebens, nach dem er Verlangen trug.

Der Reihe nach musterte er die Wohngebäude, ob sich nicht irgendwo ein menschliches Wesen entdecken ließe, und dann blieb sein Blick an einem Fenster haften, hinter dem sich zahlreiche Gesichter drängten und ihn neugierig anstarrten. Das genügte. Er gab seinem Gaul Schenkeldruck und ritt hinüber.

Alsbald tauchte bei einer Ecke des Hauses ein kleiner, etwas scheu dreinblickender Mann auf. Merkwürdig sah der Fremde aus. Sein Gesicht war tief gebräunt, das lange Haar und der wallende Bart aber zeigten die Farbe frischen Heues. Zerschlissene Lederhosen, ein blaues Hemd, eine schäbige schwarze Jacke und ein feurig rotes Taschentuch, das er um den Hals geknotet trug, waren seine Bekleidung. Ein zerknäulter Präriehut schmückte seinen Hinterkopf.

Unmittelbar vor dieser ihm sehr willkommenen Erscheinung brachte Tresler sein Pferd zum Stehen und saß steifbeinig ab, während der kleine Mann die Augen zusammenkniff.

»Bin ich hier in Forks Settlement?« fragte der Neuankömmling lächelnd.

Ein unverständliches Grunzen schien eine Bejahung auszudrücken.

»Dann zeigen Sie mir bitte das hiesige Wirtshaus.«

Des anderen Augen betrachteten nachdenklich Treslers vorzüglich geschnittene Reithosen, die dem schwarzhaarigen und blauäugigen Mann recht gut standen. Er antwortete nicht gleich, war vielmehr offenbar ganz damit beschäftigt, den Anblick des Besuchers in sich aufzunehmen. Eine ruckartige, nach rückwärts deutende Kopfbewegung war alles.

Etwas unsicher besah sich Tresler das bezeichnete Gebäude, das im Grunde nichts als ein verwahrlost aussehender, zweistöckiger Schuppen war.

»Kann ich … das heißt, nimmt der Besitzer auch Wohngäste?«

»Glaube, daß Carney so ziemlich alles nimmt, was sich ihm bietet.«

Derweil ging die Tür des Wirtshauses auf, und zwei Männer traten ins Freie. Lässig lehnten sie sich gegen den Türstock und kauten dazu behäbig ihren Tabak, wobei sie taten, als ginge sie das alles gar nichts an.

Es blieb Tresler nichts übrig, als eine weitere Frage zu wagen. Unbehaglich fühlte er sich in dieser Umgebung. Es lag wohl daran, daß er bei dieser seiner ersten Begegnung mit solchen Männern der Prärie nicht recht wußte, wie er sich verhalten sollte.

»Ob wohl jemand da ist, der für mein Pferd sorgen würde?« meinte er zögernd.

»Binden Sie's nur da drüben an und kommen Sie 'rein«, riet ihm der schweigsame Kleine mit einer entsprechenden Geste. Noch immer schien er größtes Interesse für des Reiters neue Kleidung zu hegen.

»Gut …«

Tresler tat, wie ihm geheißen, und lockerte auch den Sattelgurt seines Tieres.

»Würden Sie mir wohl sagen, mit wem zu sprechen ich das Vergnügen habe?« sagte er dann, als er zurückkehrte. »Ich selbst heiße John Tresler. Ich will zum Mosquito Bend, der Ranch von Julian Marbolt. Ein Fremder im freien Land bin ich, wie Sie sehen. Was Sie übrigens wohl schon längst bemerkt haben werden«, fügte er hinzu.

Aber immer noch wurde die Aufmerksamkeit des anderen abgelenkt. Nach wie vor starrte er die Kleidung des Besuchers an.

»Mein Name ist Ranks … besser noch ›Slum‹. Willkommen.«

»Schön, Mister Ranks …«

»Man nennt mich für gewöhnlich Slum«, fiel ihm der Kleine ins Wort.

»Also Mister Slum …«

»Nein, kurzweg Slum!«

Es klang sehr nachdrücklich. »Slum«, das war der Name, den er als Persönlichkeit trug. Ranks stellte nur so etwas wie ein väterliches Erbe dar, mit dem sich nichts anfangen ließ.

Tresler machte der Eigensinn des neuen Bekannten Spaß. »Gut, Slum«, lachte er. »Ich schlage vor, daß wir uns erst mal Carneys Erfrischungen genauer ansehen. Müde bin ich, und mein Durst kann sich sehen lassen.«

Er schritt auf die Tür zu, bemerkte jedoch sofort, daß ihm Slum nicht ohne weiteres folgte. Nur die staunenden Augen ließen ihn nicht los.

»Wollen Sie nicht mein Gast sein?« fragte Tresler, wurde dann aber ein wenig ungeduldig, als ihn der Mann nach wie vor anstarrte. »Was haben Sie denn bloß?« Da endlich verzog sich Slums Gesicht unterhalb der buschigen Brauen zu einem breiten Grinsen.

»Oh, nichts weiter«, lautete die Antwort. »Ich überlegte mir nur, für welche Sorte Mensch Ihre Hosen gemacht worden sind.« Mit Inbrunst spuckte er einen Strahl Tabaksaft auf die braune Erde zu seinen Füßen. Dann wurde er wieder ernst und sagte nachdenklich: »Muß ein verdammt feiner Kerl gewesen sein.«

Tresler wollte sich schon seinerseits äußern, als ihn ein unterdrücktes Kichern schnell den Kopf wenden ließ. Diese Bewegung löste eine donnernde Lachsalve aus.

»Ich gebe eine Runde für alle aus!« rief er vergnügt.

»Nur immer 'rein ins Lokal! Man hält mich offenbar für ein Muttersöhnchen.«

Dieses Verhalten gewann ihm sofort die Herzen der rauhen Kerle. Binnen fünf Minuten war sein Pferd abgesattelt und versorgt. Kaum weitere fünf Minuten später nannte er bereits die Gäste der Kneipe bei ihren Spitznamen. Er gab eine Runde geschmuggelten, sehr teuren Whisky aus, und in kurzer Zeit machte er ziemlich weitgehende Bekanntschaft mit den Sitten und Gepflogenheiten der Prärie.

Es ist nicht nötig, sich eingehender mit den Charakteren der Bürger von Forks zu befassen, denn wozu sollte das auch führen? Ike Carney besorgte unverzollten Alkohol. Er war ein kleiner Mann mit äußerst lebhaften Augen und einem Mund, der sich meist geschlossen unter dem Schutze des grauen Schnurrbartes barg. »Shaky«-Pindle, der Zimmermann, hatte einen trübsinnigen Gesichtsausdruck und blickte im übrigen so bieder drein wie ein verkleideter Wolf. Er lächelte nie. Angeblich deswegen, weil seinem großen, zerfurchten Gesicht dazu die Fähigkeit fehlte. Ungeschlacht waren die Bewegungen seines mächtigen Körpers, schwerfällig wie die der Zunge. Da war der Schlachter Taylor, kurzweg »Twirly« genannt, ein anderer Kerl. Seine laute Vertraulichkeit hätten die meisten Menschen wohl nach kürzester Frist am liebsten mit einem Fußtritt beantwortet. Fragwürdiger als alle aber sah der gute und schlichte Slum aus. Freudig nahm er an allen Geschehnissen des Daseins Anteil, und mit der größten Harmlosigkeit vermochte er Unrecht zu tun, wenn er glaubte, damit einem seiner Bekannten zu nützen. Es empfahl sich nicht, allzu ausgiebigen Umgang mit ihm zu suchen.

Das also waren die Leute, mit denen der frisch von England und aus wohlhabendem Hause kommende John Tresler auf seinem Wege nach Mosquito Bend Bekanntschaft machte.

Ike Carney bemühte sich, ein gewinnendes Wesen zur Schau zu tragen.

»Also nach Skitter Bend wollen Sie?« meinte er, indem er dem Gast auf eine Hundertdollarnote herausgab. »Hm … ist eine nette Gegend – – Fünfundneunzig Dollar zurück, Mister; einen Dollar per Glas. – Sie werden sehen, es ist weit und breit die beste Ranch. Kaum glaublich, wie der alte, blinde Boß seinen Laden zusammenhält.«

»Blinder Schafskopp«, warf Slum hin und schwang sich auf einen hochbeinigen Stuhl.

Die Bemerkung schien Shaky nicht zu passen, denn giftig widersprach er. »Der ein Schafskopf? … Scheinst noch nicht in seiner Nähe gearbeitet zu haben, mein Junge. Ein wahres Stinktier ist er. Ein Schaf ist ein verdammt nützliches Stück Vieh im Vergleich zu Julian Marbolt.«

»Na, aber schließlich kann man von einem Blinden nicht gut verlangen, daß er die Liebenswürdigkeit selber ist«, mischte sich Tresler ins Gespräch. »Bedenkt doch seinen Zustand.«

»Reden Sie nicht, junger Mann.« Kampflustig schob Shaky das bärtige Kinn vor. »Sein Zustand hat hier überhaupt nichts zu sagen, solange er einen solchen Schweinehund wie diesen Jake Harnach als Vormann beschäftigt. Junge, Junge, der und der blinde Marbolt, die können in wenigen Minuten auf ihrer Ranch mehr Unheil anrichten, als es eine ganze Bande von Rothäuten auf dem Kriegspfad fertigbringt. Vorigen Sommer habe ich drüben eine Scheune gebaut, und ich kann ein Liedchen davon singen.«

»Ist ja sehr trostreich für mich!« lachte Tresler.

»Na, Ihnen wird er schwerlich gleich seine rauhe Seite zeigen«, lenkte der Zimmermann ein.

»Eine dreijährige Lehrzeit will ich bei ihm durchmachen.«

»Drei volle Jahre auf Skitter Bend?« Nachdenklich kamen die Worte von den Lippen des kleinen Slum. »Na, da werden Sie ja wohl allerhand lernen, sollte ich meinen.«

Es entging Tresler nicht, daß Slum augenzwinkernd vielsagende Blicke mit den anderen wechselte.

»Und die Lehrzeit bezahlen Sie?« fragte der Schlachter ungläubig.

»Mir scheint, daß es hierzulande wenig gibt, für das man nicht bezahlen muß«, gab der Gefragte kurz zur Antwort.

Er zwang sich indessen zur Gelassenheit, denn es kam ihm in erster Linie darauf an, Näheres über den Rancher in Erfahrung zu bringen. Plötzlich warf er den Männern schroff eine Frage vor. »Nun aber mal heraus mit der Sprache. Was hat es mit diesem Julian Marbolt auf sich?«

Tiefes Schweigen. Dann sagte Slum ganz ruhig: »Er ist blind.«

»Weiß ich. Was aber ist sonst noch los?«

Er sah den Schlächter an, aber der lachte nur. Der Wirt antwortete mit einem Kopfschütteln. Endlich wandte sich Tresler an Shaky, und der schien seinem Wunsche nachkommen zu wollen, denn mit wichtiger Miene und behutsam die Worte wählend begann er zu erzählen.

»Also, ich bin ja nicht ein Mann, der schnell über jemanden urteilt. Einen ganzen Sommer durch konnte ich den blinden Eigentümer von Skitter Bend beobachten. Und was ich gesehen habe … das ist übel. Dinge kamen vor, bei denen ich den Griff meiner Axt fester umspannte, weil ich Lust bekam, ein paar Schädel einzuschlagen. Ich sah, wie dieser Höllenhund Jake Harnach einen der Leute windelweich prügelte, während Marbolt höhnisch grinsend dabeistand, als wenn er Augen im Kopf gehabt hätte. Es kam vor, daß hartgesottene Burschen auf den Knien rutschend und winselnd um Gnade baten. Und wie das Pack da erst mit den Pferden und Rindern umsprang! Wenn man mich fragt, weshalb die Puncher es überhaupt bei ihm aushalten, dann weiß ich, was ich zu antworten habe. Weil es hierherum weit und breit keine Arbeit für einen gibt, den Julian Marbolt rausgeschmissen hat. ›Wo hast du vorher gearbeitet?‹ fragt der Vormann. ›Auf Skitter Bend‹, antwortet der Puncher. ›Habe keine Stelle für dich‹, gibt der Vormann prompt Bescheid. ›Hier ist kein Schlachthaus.‹ So geht's jedem, der von Skitter Bend kommt.«

»Richtig… sehr richtig«, bekräftigte Twirly lachend. Die Männer schwiegen, während Ike damit beschäftigt war, einige Gläser zu trocknen. Es begann zu dämmern. Tresler rauchte gedankenvoll vor sich hin. Er suchte, sich über das Gehörte klar zu werden. Offenbar hatte Shaky mit seiner Darstellung zum mindesten übertrieben. Als er endlich wieder das Wort ergriff, wandten sich ihm aller Augen zu.

»Und wollen Sie damit etwa sagen, daß es hier draußen keine Gesetze zum Schutz der Menschen gibt? Es ist doch ausgeschlossen, daß sich jemand auf die Dauer solche Willkür gefallen läßt.« Er richtete seine Worte jetzt in erster Linie an Shaky.

»Was heißt Gesetze?« ließ sich der Zimmermann sofort vernehmen. »Bisher hat keiner von uns was von dem gemerkt, was Sie Gesetze nennen. Kann sein, daß sie mit der Zeit auch bei uns fühlbar werden, vorläufig aber gibt's keinen anderen Schutz als den, den wir uns selber schaffen. Nicht als ob Jake Harnach nicht schon mal seinen Meister gefunden hätte. Keine hundert Meilen von hier habe ich gesehen, wie er Prügel bekam, obwohl der Schuft Kräfte wie ein Stier hat. Du, Ike«, rief er zum Wirt hinüber, »wir beide werden die Nacht damals so leicht nicht vergessen, was?«

Ike nickte. »Ja, beim Schwarzen Anton ist Jake an den Richtigen gekommen.«

»Und wer ist das?« wollte Tresler wissen.

»Der Anton? Marbolts Pferdepfleger. Halbblut. Ein Franzose vom Vater her. Dabei benimmt er sich meist so sanft, daß ihm keiner ohne weiteres zutraut, solch ein Teufelskerl zu sein. Er spricht wie ein Frauenzimmer und ist so giftig wie eine Klapperschlange. Sie werden ihn wohl selber kennenlernen, schätze ich.«

»Immerhin hat er den Vorzug, daß er dem berüchtigten Jake Respekt einflößt.«

Wieder trat eine Gesprächspause ein, dann erhob sich Shaky mit trägen Bewegungen und trat zum Fenster.

»Die Hausfrau wird euch Burschen wohl bald zum Abendbrot rufen«, sagte Slum, worauf er sich an Tresler wandte. »Sie müssen nämlich wissen, daß Ike keine Schlafgelegenheiten hat. Vielleicht können Sie drüben bei mir unterkommen. Sally kann Ihnen wahrscheinlich ein paar Decken leihen, und das Essen ist genießbar. Ich führe nämlich eine Herberge für die Kerls … das heißt, Sally tut das.«

Tresler nahm die Einladung an. Es blieb ihm sowieso kaum etwas anderes übrig. Übrigens tat er es ganz gerne. Die Erinnerung an diese erste Nacht in Forks blieb in ihm lebendig für alle Zeiten, nachdem so manches andere verblaßt war.

Er lernte also Sally Ranks kennen. Für die Ausmaße des Speisezimmers war sie eigentlich viel zu groß geraten. Ihre Stimme klang messerscharf, und für die groben Speisen, die sie auftrug, mußte man schon einen gesunden Appetit mitbringen. Mit einem Besteck, das sich nicht gerade durch übertriebene Sauberkeit auszeichnete, machte er sich darüber her. Dazu trank er aus einem Blechbecher siedend heißen Tee. Nicht länger wurde er als der eben von Europa herübergekommene John Tresler behandelt, sondern nur als einer von vierzehn Gästen, die ihre Gespräche mit haarsträubenden Flüchen spickten und sich gelegentlich mit den Gabelzinken in den Zähnen herumstocherten.

Seltsamerweise gefiel ihm dies Beisammensein gar nicht so schlecht. Die Leute hatten etwas Naturverbundenes an sich. Mochte auch der eine oder andere sozusagen zum Abschaum der Menschheit gehören, so verstand er es wenigstens, sich seine Stellung im Daseinskampf zu erringen, wodurch er sich von den unzähligen Artgenossen unterschied, die in den Gossen der Städte verkommen.

Nach eingenommener Mahlzeit kehrten die meisten der Anwesenden wieder in die Kneipe zurück. Obwohl Tresler keine Lust verspürte, noch mehr alkoholische Getränke zu sich zu nehmen, wäre er wahrscheinlich doch dem Beispiel gefolgt, wenn ihn Slum nicht heimlich zurückgehalten hätte.

»Hören Sie mal, Tresler«, begann der kleine Mann ohne Umschweife. »Da sind ihrer drei, die es auf ein Hasardspiel abgesehen haben. Zwei davon soll man besser nicht einmal mit der Feuerzange anfassen. Wollen Sie nicht lieber hier bei uns ein Spielchen mitmachen? Wir gehen eigentlich nie über den Einsatz von einem Dollar hinaus.«

Tresler war einverstanden. Immerhin waren um Mitternacht vier Bürger von Forks etwas reicher als zuvor, und ein Neuling hatte den ansehnlichen Rest jener Hundertdollarnote verspielt. Aber er verlor mit Humor. Ob sein Mißgeschick an schlechtem Spiel oder an Zufälligkeiten lag, brachte er nie in Erfahrung. Längst vor Schluß drohten ihm die Augen zuzufallen, so hundemüde war er.

Er schlief danach auf einer mächtigen Schütte Stroh. Als Kissen dienten zusammengerollte Kleidungsstücke, und zum Einwickeln standen ihm drei sehr gelbliche Decken zur Verfügung. Außerdem teilte er das Zimmer mit vier anderen Männern, die sehr geräuschvoll schliefen.

Nach dem Frühstück bezahlte er seine Rechnung, zog sein Pferd aus dem Stall und schickte sich zum Aufbruch an. Sein erster Bekannter in Forks blieb auch bis zuletzt bei ihm. Slum überzeugte sich persönlich von der richtigen Gurtung und der Lage des Sattels. Slum erging sich mit leiser Stimme in Lobesäußerungen über das Tier. Slum drückte seinem Gast kräftig die Hand und wünschte ihm gute Reise. Slum erteilte ihm zum Abschied noch einige gute Ratschläge; genau so wie er es gewesen war, der sich zunächst über ihn lustig gemacht und ihn dann in einem Spiel, das Tresler kaum kannte, fast ausgeplündert hatte. Und Tresler nahm das auch durchaus nicht weiter übel, sondern sah das Ganze als lehrreiches Erlebnis an. Herzlich schüttelte er die ihm dargebotene Rechte.

»Sie, Tresler, ich freue mich wirklich, Sie kennengelernt zu haben«, rief Slum heiter. »Lassen Sie sich nur nicht in Skitter Bend die Butter vom Brot nehmen. Da gibt's übrigens ein Mädel. Sie ist die Tochter des alten Blinden. Lassen Sie sich aber nicht mit ihr ein, wenn der Alte in der Nähe ist.«

Tresler lachte. Slum machte ihm Spaß.

»Auf Wiedersehen«, rief er. »Ihre Güte hat mir eine Zentnerlast vom Herzen gewälzt. Ich weiß eine ganze Menge mehr als gestern früh. Also verlassen Sie sich darauf, ich werde schon nicht um das Mädel herumstreichen, wenn der Herr Papa da ist. Also nochmals: auf gutes Wiedersehen!«

Die Ortschaft Forks blieb hinter ihm zurück.

»Ein anständiger Kerl«, murmelte Slum, der ihm nachblickte; »nein, überhaupt ein Gentleman. Glaube, daß Skitter Bend gerade das Richtige für ihn ist. Der bleibt schon oben wie ein schwimmender Korken. Na warte, mein lieber Jake Harnach, dir wird es noch verdammt schlecht gehen, oder ich kann einen Knobelbecher nicht von einem Filzhut unterscheiden …«

Diese wenigen Sätze sprachen Bände von der Hochachtung, die der Besucher dem kleinen Slum eingeflößt hatte.


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