Ludwig Aurbacher
Ein Volksbüchlein
Ludwig Aurbacher

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Handelt von alter und neuer Bekanntschaft;
und wie der Spiegelschwab die Ehre der schwäbischen Landsprache rettet.

Auf dem Wege nach Weilheim kehrte der Spiegelschwab in einem Batzenhäusle ein. Da traf er den Tyroler, der mit Theriak und Schneeberger durch's Land handelte, und lustigen Sinns so eben ein Schelmliedel vor sich hin sang. Nachdem sie sich als alte gute Bekannte begrüßt, fragte der Spiegelschwab: »woher und wohin des Weges?« »Von Haus in die Welt,« antwortete der Tyroler. Der Spiegelschwab: »Was gibt's Neues? Schneit's noch immer in Tyrol?« »Ja,« sagte der Tyroler; »aber zwischen Johannis und Jacobi wird's warm, es mag unserm Herrgott nun recht sein oder nicht.« Weiter fragte der Spiegelschwab: »Gerathen heuer in Tyrol die Kröpfe gut?« »Ja,« sagte der Tyroler, der den Spaß verstanden, »das Kraut gerathet alle Jahr.« Indem sie noch weiter mit einander redeten und einander hänselten, wie denn gute Gesellen zu thun pflegen, trat der Wirth herein, ein schlampeter, wampeter Holedauer-Klachel, der, sobald er den Schwaben witterte, sogleich anschlug, wie ein Jagdhund. Beim Spiegelschwaben hatte es aber keine Noth; denn der blieb keine Red' schuldig, und auch keine Grobheit. Und darauf kommt's eigentlich an. Der Wirth, nach der Gewohnheit der Bayern, fing gleich an, den Schwaben aufzuziehen von wegen der »Sprauch«. Da sagte der Spiegelschwab: »Wißt Ihr was? weil Ihr Euch denn so proglet mit eurer Sprach', so soll's eine Wette gelten um die doppelte Zeche; wer drei Vögel am geschwindesten nennt, der soll gewinnen; der langsamste muß bezahlen. Der Tyroler da solle den Anspruch thun, und könne umsonst mit trinken.« Der Tyroler sagte, »er thue selbst mit;« vermeinend, er werde gewinnen. Also wurden sie der Wette eins. Und der Schwab fing an und sagte so geschwind er konnte: »Zeisle, Meisle, Fink.« Darauf sagte der Tyroler, bedächtig und langsam: »eppermal ein Alster, eppermal ein Amsel, eppermal ein Nachtigall.« Der Wirth sagte: »Tyroler, du mußt bezahlen.« Darauf der Tyroler: »Ich muß echterst hören, was du noch vorbringst.« Der Wirth fing an und sagte: »Ein Sta'l, ein Da'l.« Da fing ihm aber der dritte Vogel nicht ein, und er besann sich lange; endlich sagte er: »und ein Spansau.« Darob lachten die beiden andern Gesellen; und der Tyroler sagte: »Der Wirth müsse bezahlen, als der am langsamsten gewesen sei.« Und der Schwab fragte ihn: »ob denn die Bayern die Spansau zum Federvieh zählten?« Der Wirth aber stand auf, ärgerlich, und sagte auf gut Hochdeutsch: »Küßt mir den Buckel!« – Und also zechten die Drei tapfer mit einander, und der Spiegelschwab war nicht der letzte zum Krug. Als sie alle Drei satt hatten, obwol noch lange nicht genug, fragte der Wirth nach der Zech und zahlte sie dem Spiegelschwaben aus, und der strich sie ein, als wäre er der Wirth und der andere der Gast. Und er sagte. »Dank für die Bezahlung.« Drauf, als er Abschied nahm, sagte er zum Wirth: »er wolle ihm noch ein Räthsel zum Besten geben, damit er sich bei Andern die doppelte Zeche wieder abverdienen könne.« Das war dem Wirth recht; und der Spiegelschwab sagten »Was ist das für ein Ding: es hat keine Augen, und sieht doch; es hat keine Ohren, und hört doch; es hat keine Nase, und riecht doch; es hat keinen Mund, und ißt doch; es hat keine Hände, und greift doch; es hat keine Füße, und geht doch. Jetzt rathet!« – Der Wirth gab sich gefangen. Der Spiegelschwab sagte: es sei dies ein Bayer. Die Bayern hätten keine Augen, sondern Göckel; sie hätten keine Ohren, sondern Loser; sie hätten keine Nase, sondern einen Schmecker; sie hätten keinen Mund, sondern eine Fotze; sie hätten keine Hände und Füße, sondern Bratzen und Haxen. Es war ein Glück für den Spiegelschwaben, daß er die Schnalle schon in der Hand hatte, und hinaus witschte. Er hätte sonst einen tüchtigen Guß zum Gruß mit auf den Weg bekommen.

Wahrheit ist ein seltnes Kraut,
Noch seltner, der sie wohl verdaut.

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