Ludwig Aurbacher
Ein Volksbüchlein
Ludwig Aurbacher

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29. Ein braver Pfarrer.

Im Jahr 1809, als es unter den Tyrolerbauern zu rumoren anfing, ließ ein Landrichter alle Pfarrer seines Districtes zu sich entbieten, um ihnen einzuschärfen, daß sie, vermöge der ihnen obliegenden Pflichten, das Volk zum Gehorsam gegen die Obrigkeit ermahnen und vor jeder Meuterei ernstlich verwarnen sollten. Da nahm ein Pfarrer das Wort und sprach: »Es werde wol unter seinen Amtsbrüdern keiner sein, der diese Pflicht nicht als die seinige ansähe und gewissenhaft ausübte; sie, die Seelsorger, könnten aber nur das Wort des Friedens und der Gerechtigkeit predigen; Nachdruck ihren Worten aber müsse die Obrigkeit durch die That geben, hauptsächlich dadurch, daß Recht und Gerechtigkeit gehandhabt werde gegen Jedermann.« Diese Bemerkung mißfiel dem Landrichter, und als er zuletzt die geistlichen Herren entließ, sagte er zu jenem Pfarrer: »Auf Sie werde ich ein besonderes Augenmerk haben.« – »Und ich auf Sie, Herr Landrichter,« versetzte der Pfarrer mit einem sanften, jedoch bedeutsamen Tone. Er hatte auch bald Gelegenheit, sein Versprechen zu erfüllen. Denn auf dem Wege, den er nach Hause ging, begegneten ihm in einer Hohlstraße mehrere Männer, die mit Stutzen versehen waren, und die er alsbald als Leute aus seiner Gemeinde erkannte. Er ahnete nichts Gutes, und er fragte sie: »Wohin noch so spät, ihr Männer?« – »Wir wollen den Landrichter grüßen;« antwortete einer, indem er auf seinen Stutzen wies. Die Rede und das Betragen der Uebrigen ließen ihn das Schlimmste voraussehen. »Männer,« sagte er, »ich bitt' euch, kehrt um! ihr seid auf einem schlimmen Wege begriffen; der führt nicht zum Heil.« Die Reden wurden lauter, verworrener, erboster. »Männer,« sprach der Pfarrer wieder, »ich gebiete euch im Namen Gottes, dessen Wort ich zu predigen habe: kehrt um!« Es ward anfangs stille, aber dann trat einer aus der hintern Reihe hervor und sprach: »Herr Pfarrer, wenn Ihr predigen wollt, so thut's von der Kanzel herab; hier ist's nicht am Ort.« Und er wollte ihn bei Seite schieben. Aber der Pfarrer trat ein paar Schritte zurück, riß Rock und Weste auf, und rief: »Wollt ihr mir Gewalt anthun, so thut's! Schießt mir eine Kugel durch die Brust und schreitet dann über meinen Leichnam hinweg, ich weiche nicht.« Die Bauern stutzten. »Thut's, sag' ich, und schneidet mir dann die Zunge aus und nagelt sie an die Kanzel, wo ich euch so oft gepredigt habe, vergebens; und hauet mir die Hand ab, die euch am Altar so oft gesegnet und gespeiset hat, vergebens! Und reißt mir das Herz aus dem Leibe – –« Ein beifälliges Murmeln ging durch die Reihen. Da nahm der Aelteste das Wort und sprach: »Männer, der Herr Pfarrer hat Recht; kehren wir um.« Das thaten sie auch, und den Aergsten unter ihnen zogen sie mit sich fort. Also hatte der Pfarrer sein Versprechen gelöset, das er dem Landrichter gethan: er wolle ein besonderes Augenmerk auf ihn haben. Nachmals erfuhr der Landrichter, der indessen auf ein anderes Gericht versetzt worden, welche Gefahr ihm gedroht, und wem er sein Leben zu verdanken habe; und, wie der Volksfreund vernommen, so hat er seinem Retter schriftlich gedankt, und dessen Frau auch, im Namen ihrer unmündigen Kindlein.


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