Ludwig Aurbacher
Ein Volksbüchlein
Ludwig Aurbacher

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Die Geschichte von der Schlottermilch,
sammt erbaulicher Nutzanwendung.

Unter diesen Gesprächen kamen sie in Hindelang an. Die Gegend, wo der Ort liegt, ist so traulich und heimlich, wie ein Krippele. Der erste Schritt, den der Allgäuer in sein Haus that, war in den Stall, um zu sehen, was der Laubi mache und der Lusti. Dann ging er in die Stube und grüßte Aett' und Aemm'. Die Mutter setzte dem Büble sogleich eine Schüssel voll Schlotter auf, und brachte Brod und Geißkäsle, und sagte zum Fremden: »Eßt mit!« und zum Vater: »Wie, Vater, lang' auch zu.« Und sie brockte ein, und sagte dann: »Jetzt laßt es euch schmecken.« Der Vater nahm hierauf den Löffel, und rührte in der Schüssel den Raum unter die Milch, Alles durcheinander. »Du kannst doch die Unfurm nicht lassen,« zankte das Weible; »was wird der Fremde denken?« Der Alte sagte: »Es ist mal so meine Gewohnheit; und seh' der Herr: um das Schlotteressen ist's eine ganz eigene Sache, und ich werd's dem Herrn erklären. Vorerst muß ich ihm aber die Geschichte erzählen, wie ich zu der Gewohnheit gekommen. Als ich bei dem Nachbauren drüben – Gott hab' ihn selig! – als Unterknecht einstund, wurde uns eben auch Schlotter aufgesetzt. Der Bauer nahm den Löffel und that, als ob er das Kreuz machte über die Schüssel, sagend: Im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes; und strich allen Raum auf seine Seite. Das verdroß mich; denn ich merkte, daß er aus Schalkheit und Geiz und Neid so that, und die kann ich von meinem Leben nicht ausstehen – und ich nahm daher auch den Löffel und sagte: Im Namen der allerheiligsten Dreifaltigkeit und rührte Alles durcheinander. Seit der Zeit, so oft ich einen Schlotter mit Raum aufsetzen seh', fällt mir das Umrühren ein, und ich kann nicht anders, ich muß es thun. Der Herr wird mir aber Recht geben, wenn er einmal in seinem Leben bemerkt hat, wie beim Schlotteressen alle menschlichen Leidenschaften aufducken und ins Spiel kommen. Schau nur einmal Kindern zu: das furchtsame getraut sich kaum, einen tüchtigen Schub zu nehmen; das geizige raumt fein rechts und links ab, nur an seinem Orte nicht; das neidische frißt und schlampet in sich hinein, als wenn's nicht genug bekommen könnte; das zornige schlagt dem und jenem auf den Löffel und auf die Hand, der sie zu weit ausstreckt; aber keinem fällt's ein, dem andern einen guten Brocken zuzustecken, oder, wie unsere Hausmutter da, gar blos zuzusehen, wie's schmeckt.« »Gott g'segn's!« sagte diese. – »Es geht bei uns Großen auch so zu,« sagte der Spiegelschwab, »und überhaupt in der Welt.« »Und darum ist's wol gut,« sagte der Alte, »daß unser lieber Herr Gott auch Alles so unter einander rührt; es gibt so weniger Streit und Händel, und mehr Zufriedenheit unter den Menschen.« »Oft nimmt er aber Einem den Raum ab,« sagte der Spiegelschwab, »und gibt ihm nur die pure Milch oder gar nur das Käswasser.« »So ist es dennoch sein Geschenk,« sagte der Alte, »und wir müssen eben vorlieb nehmen mit dem, was er uns aufsetzt.«

So geht's heut' in der Welt zu,
Der Eine geht barfuß, der Andere tragt Schuh'.

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