Ludwig Aurbacher
Ein Volksbüchlein
Ludwig Aurbacher

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Wie der Spiegelschwab gen Landsberg zieht,
und was ihm unterwegs begegnet.

In Buchloe, wo er den Henkerlohn bis auf den letzten Batzen verzehrt, überlegte der Spiegelschwab, welchen Weg er weiter einschlagen sollte. Da gedachte er der Worte des Sauschneiders, und daß Bayerland ein Paradies sei für lustige und durstige Brüder; und er entschloß sich demnach, einen Abstecher dahin zu machen, und lenkte gerades Weges Landsberg zu. Weil er aber in Buchloe zu lang auf dem Stuhl gesessen, so fing es schon zu nachten an, als er den Stoffelsberg hinan stieg. Indem er nun so stät des Wegs fort schlenderte, gewahrte er seitwärts im Dickicht ein Feuer, um welches mehrere Leute herum flakten. Er ging näher hinzu, und sah nun, daß es Zigeuner waren, die hier ihr Nachtquartier hielten. Unter allem Volke war ihm dieß das liebste, weil er wußte, daß von denselben etwas zu erlernen sei von Geheimnissen der Zauberei und Passauerkunst. Er machte sich daher zu ihnen, und setzte sich ohne weiteres ans Feuer. Sie grinzten ihn an, und er that ihnen ein Gleiches. So war die Bekanntschaft gemacht. Eine Alte, neben der er saß, wollte ihm wahrsagen aus der Hand; und sie prophezeite ihm, erstens etwas Gutes, sodann etwas Böses. Das ist auch also geschehen. Denn ihm gegenüber saß ein junges Zigeuner-Mädle, gar lieblich von Wuchs und Ansehen. Es funkelten ihr ein paar Augen aus dem Kopfe, wie zwei glitzernde Edelsteine, und die Korallen-Lippen mit den zwei Reihen von elfenbeinernen Zähnen spielten wunderlieblich auf ihrem nußbraunen Gesichte. Der Spiegelschwab hatte ein Herz, wie Feuerschwamm, und es kam bei ihm gleich zum Brand. Er konnte sein Aug nicht abwenden von der Blitzhex', und sie spenzelten miteinander. Da sprang sie plötzlich auf und winkte ihm, und er folgte ihr ins Dickicht hinein. Wie er sie aber eben packen wollte, packte ihn ein anderer von hinten, und warf ihn, wie einen Holzblock, zu Boden. Es war ihm, als fühlte er Zähne in seinem Nacken. Und es war denn auch so; denn ein Enz-Melak hatte ihn aufs feuchte Moos gelegt, so fest, als wäre er nie auf den Füßen gestanden. Der Schwab schrie um Hilfe. Aber die Blitzdirne lachte ihn aus; und sie wendete sich zu dem Zigeunerhauptmann, der nicht weit davon lag, und erzählte, was vorgegangen. Der lachte noch mehr. Und der Hund hielt Wache über ihm, wie über einem angeschossenen Wild; und er schnüffelte an ihm, auf und ab; und wie der Schächer sich rührte, so packte er ihn wieder am Genick, und stieß ihm die Nase tiefer ins Moos. – Und so mußte denn der Spiegelschwab, auf dem Bauch liegend, unter Höllenangst, die lange, bange Nacht zubringen; und er hatte Zeit, über sich selbst und das menschliche Elend nachzudenken. Morgens ließen ihn Melak und der Zigeunerhauptmann los; aber er brauchte lange Zeit, sich selbst los zu machen vom Boden, an dem er angewachsen zu sein glaubte. Fromme Wünsche hat er den Heiden eben nicht nachgeschickt, kann ich euch sagen.

Trau keiner Tochter Eva's viel;
Sie treiben oft gar arges Spiel.

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