Ludwig Aurbacher
Ein Volksbüchlein
Ludwig Aurbacher

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10. Unsers Herrgotts Affe.

Als Gott der Herr den Menschen erschaffen hatte nach seinem Ebenbild, daß er auf Erden erkannt und angebetet werde: da soll, wie eine alte Sage meldet, auch Satan, der Widersacher Gottes sich vorgenommen haben, ein Wesen zu schaffen nach seinem Ebenbilde, das ihn anbete und ihm diene. Und er nahm einen Letten, und knetete daraus ein Ding, das darnach war. Es glich dessen Haupt schier einem Menschenhaupte, und es schien, als ob das Geschöpf in Haltung und Handlung dem Menschen es gleich zu thun vermöchte. Aber sein Schädel war so klein und spitzig, daß nur gar wenig Hirn darin Raum hatte, und der Mund ragte hervor, gleich einem Rüssel, mit seinen gefräßigen Zähnen; und das Wesen hatte gar viele und lange Finger, mehr zum Nehmen als zum Geben, und es mochte gehen auf seinen vier Händen gleich den Thieren; und, statt der feinen, glatten Haut, war dessen Leib mit einem schäbigen Fell überzogen, und nur der häßlichste Theil war nackt geblieben, der Steiß. Zuletzt, nachdem das Gemächte vollendet war, blies Satan der Creatur auch seinen Athem ein, und sprach: Pfuat! und – der Affe war fertig. Satan erwartete nun, daß das Geschöpf ihn alsogleich anbete, wie der Mensch seinen Schöpfer. Aber der Affe fletschte die Zähne gegen ihn, und kehrte ihm den Rücken, und kletterte den nächsten Baum hinan, um da dem Fraße obzuliegen.

Diese Geschichte ist lustig, aber auch erbaulich. Denn wir können dabei die Bemerkung machen, daß und wie, leider! der Mensch selbst oft unsers Herrgotts Affe an sich werde, – dann nämlich, wenn er das Ebenbild Gottes an sich verunstaltet zu einem Ebenbilde Satans, voll der Tücke, des Hasses und des Neides und aller sinnlichen Gelüste.


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