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Der Fußfall vor dem König.

König Wilhelm I. von Württemberg war ein leutseliger und guter Herr und gestattete jedem seiner Untertanen, seine Beschwerden und Wünsche persönlich bei ihm vorzubringen. Zur damaligen Zeit bestand das Gesetz, daß der einzige Sohn einer Witwe militärfrei sein solle, d. h. nicht Soldat werden müsse. Nun lebte im Oberland eine Frau, deren einziger Sohn war zum Militär einberufen. Aber kaum war er einige Wochen unter den Soldaten, als plötzlich der Mann der Frau starb. Da faßte die Witwe den Entschluß, nach Stuttgart zu reisen und den König zu bitten, er möchte ihr den einzigen Sohn wiedergeben, da sie ohne dessen Unterstützung in die bitterste Not geraten würde. Ehe sie die weite Reise von Laupheim nach Stuttgart unternahm, ging sie in die Kirche und flehte vor dem Bilde der Gottesmutter recht innig um Beistand. »Heilige Maria,« betete sie, »du bischt jo au Muater gwea, ond sie hent dir dei' Kend weggnomme. Hilf mer, daß i 's meinig wieder krieg.« So gestärkt machte sie sich auf den Weg. Als sie in Stuttgart angekommen war, wurde sie bei dem leutseligen Fürsten ohne weiteres vorgelassen. Sie wußte aber nichts davon, daß man den König mit dem Titel »Majestät« anredet, sondern sie nannte ihn »Herr Jesus Chrischt von Württaberg«. Der König mußte über diesen seltsamen Gruß lächeln. Als nun die Frau ihr Anliegen vorgebracht hatte, da sagte der König: »Ja, liebe Frau, wir Württemberger Landeskinder müssen alle unsrem Vaterlande dienen. Mein einziger Sohn ist auch Soldat.« – »Jo,« erwiderte die gute Frau resolut, »des ischt ganz ebbes anders, Herr Jesus Chrischt von Württaberg! Dei Bua ka nex; aber mei ischt a Nagelschmied.«

(Nach Maisch, Hausschatz.)

Schlußvignette

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