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Von einem Schwaben, der das Leberlein gefressen.

Als unser lieber Herrgott noch von einer Stadt zur andern auf Erden gewandelt, das Evangelium gepredigt und viel Zeichen getan hat, ist einmal ein guter einfältiger Schwab zu ihm kommen und hat ihn gefragt: »Mein lieber Gesell, wo willst du hin?« Hat unser Herrgott ihm geantwortet: »Ich ziehe umher und mache die Leute selig.« Sagte der Schwabe: »Mein lieber Gesell, willst mich mit dir lassen?« – »Gern,« sagte unser Herrgott, »wann du fromm sein willst und gerne beten.« – »Ja,« sagte der Schwab. Nun als sie miteinander gingen, kamen sie zwischen zwei Dörfer, darinnen man läutete. Da der Schwab gerne schwatzte, fragte er unsern Herrgott: »Mein lieber Gesell, was läutet man da?« Unser Herrgott, der alle Dinge weiß, sagte: »In dem einen Dorf läutet man zur Hochzeit, in dem andern zu einem Begräbnis.« – »Geh' du zum Begräbnis, so will ich zur Hochzeit gehen,« sagte der Schwabe. Unser Herrgott ging in das Dorf und machte den Toten wieder lebendig. Na schenkte man ihm 100 Gulden. Der Schwabe machte auf der Hochzeit den Einschenker, und als die Hochzeit aus war, schenkten sie ihm einen Kreuzer. Des war der Schwabe wohl zufrieden; er machte sich auf den Weg und kam wieder zu unserm Herrgott. Als der Schwabe unseren Herrgott von weitem kommen sah, hob er sein Kreuzerlein in die Höhe und schrie: »Lueg, mein lieber Gesell! Ich habe Geld. Was hast du?« Machte also viel Aufhebens von wegen seines Kreuzerleins. Unser Herrgott lachte ihn aus und sagte: »Ich hab' wohl mehr als du.« Er machte den Sack auf und ließ den Schwaben die hundert Gulden sehen. Der Schwabe, nicht faul, warf sein armes Kreuzerlein unter die hundert Gulden und rief: »Gemein! gemein! Wir wollen gemein miteinander haben!« Das ließ unser Herrgott gut sein und sich gefallen und teilte also mit dem Schwaben.

Als sie nun so miteinander gingen, begab es sich, daß sie zu einer Herde von Schafen kamen. Da sagte unser Herrgott zum Schwaben: »Geh' zu dem Hirten, Schwab, sag' er soll' uns ein Lämmlein geben, und koch uns das Gelüng' zum Mittagessen.« – »Ja,« sagte der Schwab, ging zum Hirten, ließ sich ein Lämmlein geben, zog's ab und bereitete das Gelüng' zum Essen. Und da er es sott, schwamm das Leberlein stets oben. Der Schwab drückte es mit dem Löffel wieder hinunter; es wollte aber nicht unten bleiben. Das verdroß den Schwaben sehr; er nahm ein Messer, schnitt die Leber voneinander und aß sie auf. Als nun das Essen auf den Tisch kam, fragte unser Herrgott, wo denn das Leberein hingekommen sei. Der Schwabe antwortete ihm: Es hat keins gehabt.« – »Ei,« sagte unser Herrott, »wie wollt' es gelebt haben, wenn es kein Leberlein gehabt hätte!« – »Es hat bei allen Heiligen keins gehabt!« schwur der Schwabe. Was wollte unser Herrgott tun? Wollte er haben, daß Friede war, mußte er sich mit dieser Antwort zufrieden stellen.

Nun begab es sich, daß sie wiederum miteinander spazierten. Da läutete man abermals in zwei Dörfern. Der Schwabe fragte: »Lieber, was läutet man da?« – »In dem einen Dorf läutet man zum Begräbnis, in dem andern zur Hochzeit,« sagte unser Herrgott. »Ja,« sagte der Schwabe, »geh' du zur Hochzeit, so will ich dem Toten gehen.« Er meinte nämlich, er könne dabei auch hundert Gulden verdienen. Er fragte ihn weiter: »Lieber, wie hast du es gemacht, daß du den Toten auferwecken konntest?« – »Ja,« sagte unser Herrgott, »ich sagte zu ihm: ›Steh' auf im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes!‹ da stund er auf!« – »Ist gut, ist gut,« sagte der Schwabe, »ich weiß wohl, wie man's macht.« Er zog hin und kam zum Dorfe, gerade als man den Toten heraustrug. Als das der Schwabe sah, schrie er mit heller Stimme: »Haltet, haltet! Ich will ihn lebendig machen! Und wenn ich ihn nicht lebendig mache, so sollt ihr mich ohne Urteil und Recht aufhenken!« Die guten Leute waren froh, verhießen ihm hundert Gulden und setzten den Sarg, darin der Tote lag, auf die Erde nieder. Der Schwabe machte den Sarg auf und rief: »Steh' auf im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes!« Der Tote wollte aber nicht aufstehen. Dem guten Schwaben wurde es angst und bang, und er sprach seinen Segen zum zweitenmal und zum drittenmal. Und als da der Tote noch immer nicht aufstehen wollte, sagte er: »Ei, so bleib' liegen in tausend Teufels Namen!« Als nun die Leute sahen, daß sie von dem Schwaben betrogen worden waren, ließen sie den Sarg stehen, eilten mit ihm zum nächsten Galgen, legten die Leiter an und führten den armen Schelmen hinauf. – Unser Herrgott zog aber alsgemach dem Schwaben nach; denn er wußte wohl, wie es diesem gehen werde, und er wollte nur sehen, wie er sich dazu stellen würde. Er kam gerade zum Hochgericht und sprach: »O guter Geselle, was hast du denn getan? In was für einer Gestalt sehe ich dich denn da?« Der Schwabe fing an zu schelten und sagte, er hätte ihn nicht recht belehrt. »Ich habe dich recht belehrt,« sprach unser Herrgott, »du hast es aber nicht recht gemacht. Dem sei aber, wie es wolle; willst du mir sagen, wo das Leberlein hingekommen ist, so will ich dich deiner Bande entledigen.« – »Ach,« sagte der Schwab, »es hat wahrlich keines gehabt. Warum zeihst du's mich?« – »Ei, du willst es also nicht sagen? Wohlan, sag's doch, dann will ich den Toten wieder lebendig und dich ledig machen.« Der Schwab fing an zu schreien: »Henket mich nur! Henket mich! Der will mich des Leberleins zeihen und hört wohl, daß es keines gehabt hat. Henket mich nur flugs!« Wie solches unser Herrgott hört, daß er sich eher wollt' henken lassen, als die Wahrheit bekennen, befahl er, ihn herabzulassen, und machte selbst den Toten lebendig. Nun zogen sie miteinander heim. Da sagte unser Herrgott zum Schwaben: »Komm her, wir wollen miteinander das gewonnene Geld teilen. Er nahm die zweihundert Gulden und teilte sie in drei Teile. Als dies der Schwabe sah, sagte er: »Ei, Lieber, warum machst du denn drei Teile? Wir sind doch nur zu zwei!« – »Ja,« sagte unser lieber Herrgott, »der eine ist mein, der andere dein, und der dritte ist dessen, der das Leberlein gefressen hat.« Als solches der Schwab hört, sagt er: »So hab ich's wahrlich bei Gott und allen Heiligen gegessen.« Wollte sich also der Schwabe eher henken lassen, als bekennen; da er aber das Geld sah, bekannte er's freiwillig.

(M. Montanus, Wegkürzer 1557.)

Schlußvignette

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