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Der Gönninger Papagei.

Ein Papagei, der in Reutlingen dem Käfig entflogen war, kam auf seinen Irrfahrten nach Gönningen, wo er sich müde und matt auf einen Apfelbaum nahe beim Ort setzte. Den Leuten, die vorbeigingen, fiel der große buntfarbige Vogel auf, und bald hatte sich eine große Schar Neugieriger um ihn versammelt. Niemand konnte aber sagen, was für ein Tier der Vogel war. Ein beherzter Bube stieg endlich auf den Baum und holte den Papagei herunter, obgleich er jämmerlich schrie und mit dem krummen Schnabel nach ihm biß. Alles lief nun mit dem Tier zum Schullehrer, ihn zu fragen. Aber der Schullehrer konnte diesmal auch nicht dienen, dieweil er auch noch keinen solchen Vogel gesehen hatte. Er glaubte aber, der Vogel sei gefärbt; »denn«, sagte er, »ein natürlicher Vogel hat kein so scheckiges Gefieder.« Den Gönningern leuchtete das ein, und sie beschlossen, den Papagei zu waschen, um zu sehen, was für ein Tier unter der Farbe herauskomme. Gesagt, getan! In einem großen Zuber mit kaltem Wasser wurde der Papagei gewaschen und gebadet. Da sich aber die Farbe nicht lösen wollte, so versuchten sie's mit warmem Wasser und mit Seife. So rieben und wuschen sie den Papagei, bis er den letzten Schnapper tat und ihnen tot in den Händen blieb. Von nun an wurden die Gönninger mit dem Papagei geneckt. Und wenn sie auch auf Ehr' und Seligkeit beteuerten, es sei kein Papagei, sondern eine gefärbte Taube gewesen, so glaubte ihnen das niemand, und das Lachen wurde nur größer, je mehr sie sich darob verstritten.

(Nach Hermann Kurz von K. Rommel)

Schlußvignette

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