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Das letzte Wort.

Sonst sagt man: »Der Horcher an der Wand hört seine eigene Schand.« Manchmal aber kann man auch sagen: »Der Schreiber an die Wand schreibt seine eigne Schand«, zum Beispiel der weiland Herr Kanzler Hans Kurz von Württemberg.

Ob derselbe mit den Geschäften seiner Herren Räte und Schreiber zufrieden war oder nicht zufrieden, genug, er ergriff eines Tages ein Stücklein Kreide und schrieb an die Türe der Kanzleistube:

Allhier geht's wunderlich zue.

Bald darauf, als der Herzog selber diese Zeile erblickte, ob derselbe sonst mit dem Kanzler zufrieden war oder nicht zufrieden, genug, er suchte ebenfalls ein Stücklein Kreide und schrieb darunter die zweite Zeile:

Hans Kurz hilft auch dazue.

Bald darauf, als wieder diese Worte der Kanzler erblickte, ob er gemerkt hat, daß sie eine vornehmere Hand geschrieben hat, als die seinige war, oder ob er's nicht gemerkt hat, genug, er ließ es darauf ankommen, und setzte unter die zweite Zeile die dritte Zeile:

Das hat eine ungewaschene Hand geschrieben.

Und zum Trumpfaus schrieb er seinen Namen darunter: »Hans Kurz«. Jetzt komm!

Als aber der Herzog wieder las, was der Kanzler geschrieben hatte, dachte er: Wart Kurz, diesmal sollst du das letzte Wort haben. Nämlich netzte er einen Finger und löschte nur die zweite Zeile, die er selber geschrieben hatte, wieder aus, also daß jetzt unter des Kanzlers eigener Schrift die Worte standen: »Das hat eine ungewaschene Hand geschrieben.«

Als hernach der Kanzler wieder sah, was für eine Veränderung vorgegangen war, hatte er keine Wahl mehr, sondern er netzte ebenfalls einen Finger und löschte seine eigenen zwei Zeilen auch wieder aus, und hat nachgehends keiner zum andern gesagt: Das habt Ihr getan, oder das hab' ich getan, oder so. Aber der Kanzler hat dem Herzog nichts mehr an die Türe geschrieben.

(Nach Kölle in Hebels Rheinl. Hausfreund 1813.)

Schlußvignette

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