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Die beiden Postillione.

Zwei Handelsleute reisten oft auf der Extrapost von Fürth nach Hechingen, oder von Hechingen nach Fürth, wie jeden sein Geschäft ermahnte, und gab der eine dem Postillion ein schlechtes Trinkgeld, so gab ihm der andre kein gutes. Denn jeder sagte: »Für was soll ich dem Postknecht einen Zwölfer schenken? ich trag ja nicht schwer daran.« Die Postillione aber, der von Dinkelsbühl und der von Ellwangen, sagten: »Wenn wir nur einmal den Herren da einen Dienst erweisen könnten, daß sie spendaschlicher würden.« Eines Tages nun kommt der Fürther Handelsmann in Dinkelsbühl an und will weiter. Der Postillion sagte zu seinem Kameraden: »Fahr du den Passagier.« Der Kamerad sagte: »Es ist an dir.« Unterdessen saß der Fürther schon ganz ungeduldig in seinem offenen Eliaswagen, und endlich setzte sich auch einer von den Postillionen auf den Bock. Am nämlichen Nachmittag nun fuhr auch der Hechinger Handelsmann von Ellwangen ab, und sein Postillion dachte bei sich selbst: »Wenn nur jetzt mein Kamerad von Dinkelsbühl mit dem Fürther auch auf dem Weg wäre, da ließe sich was machen.« Indem er fährt, bergauf und -ab und schon bald vom Württembergischen ins Bayrische kommt, sieht er richtig seinen Kameraden von Dinkelsbühl mit dem Fürther daherkommen. Insgeheim geben sich die beiden Postillione, die Schlingel, ein Zeichen, und nun will keiner dem andern ausweichen. Jeder sagt: »Ich führe einen feinen Herrn, keinen Pfennigschaber, wie du einen führst.« Endlich legte sich der Fürther Handelsmann auch in den Streit und schimpfte den Ellwanger Postillion, so daß ihm dieser mit der Peitsche einen Hieb ins Gesicht gab. Da sagte der Dinkelsbühler Postillion: »Du sollst meinen Passagier nicht hauen, er ist ein nobler Herr und zahlt fett. Oder ich hau den deinen auch.« – »Untersteh' dich und hau mir meinen Herrn!« sagte der Ellwanger. Also schlug der Dinkelsbühler Postillion dem Ellwanger seinen Passagier, und der Ellwanger Postillion schlug dem Dinkelsbühler seinen Passagier, und riefen einander in unaufhörlichem Zorn an: »Willst du meinen Herrn im Frieden lassen, oder soll ich dir den deinen ganz zu einem Lungenmus zusammenhauen?« Und je schmerzlicher der eine Ach und der andre Waih schrie, desto kräftiger hieben die Postillione auf sie ein, bis sie des unbarmherzigen Spasses selber müde wurden. Als sie aber wieder auseinander waren und jeder wieder seines Weges fuhr, sagten die Postillione zu ihren Reisenden so und so: »Nicht wahr? Ich habe mich Eurer rechtschaffen angenommen? Mein Kamerad wird's niemand rühmen, wie ich ihm seinen Herrn zerhauen habe. Aber diesmal kömmt's Euch auf ein gutes Trinkgeld nicht an. Wenn's der Fürst wüßte, es wäre ihm um einen Hirschgulden nicht leid. Er sieht darauf, daß man die Reisenden gut hält.«

Solches ist geschehen ein paar Stunden hinter Crailsheim, und noch heute heißt man die Stelle, wo die pfiffigen Postillione sich so unverdrossen ein Trinkgeld herausgehauen haben, den Guldenfang.

(Nach Hebels »Rheinischem Hausfreund« von C. Schnerring-Kirchheim/T.)

Schlußvignette

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