Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Ein Brief von Daniel Schubart.

Unterm 20. Oktober 1768 schrieb der bekannte Dichter Daniel Schubart von Geislingen aus, wo er damals Lehrer war, folgenden Brief an einen Freund:

»Hier in Geislingen hat sich folgende Neuigkeit zugetragen. Ein Schäfer entdeckte auf dem Geiselstein ein Loch, und als er hineinstieg, so fand er eine eiserne Kiste, worinnen sich folgende Kostbarkeiten befinden:

1. Hundert geschnittene Federn, welche von selbsten schön und orthographisch schreiben können.

2. Eine Brille, durch welche der dümmste Mensch alles lesen kann.

3. Ein pulverisierter, guter, gesunder Menschenverstand, den man wie Schnupftabak in das Hirn hinaufziehen kann.

4. Etliche Gläser Gedächtnistropfen, womit sich diejenigen, welche ihren Katechismum, ihre Sprüche und Lieder nicht auswendig lernen wollen, alle Morgen die Schläfen schmieren müssen.

5. Drei Dutzend Feldteufel in Futteralen, welche die bösen Buben bei den Ohren schütteln, wann sie gottlose Streiche anstellen.

6. Zehn Pfund Schulgeruch vertreibende Salbe, womit sich die Buben schmieren müssen, die sich das ganze Jahr nicht waschen.

7. Ein Stimmhammer, womit man diejenigen Hälse stimmen kann, die rauhe Eselsstimmen haben.

8. Ein Hobel, womit man alle groben Flegel hobeln kann.

9. Ein Bügeleisen, das die krummen Füße grad bügelt.

10. Ein Hut, der vom Kopf fliegt, wenn man ihn nicht abziehen will.

11. Ein Eichhörnchen, welches sich von dem kleinen Wildbret der Kinder nährt.

12. Ein Zauberspiegel, worinnen man alle Tagdiebe, Prasser, Flucher, Unflätige und Dummköpfe erkennen kann.

Diese und andre Raritäten sind allhier in Geislingen um billigen Preis zu haben. In meiner Schule könnte man sie wohl brauchen, wenn nur das Geld nicht so klein wäre.«

(Aus der Schwäb. Familien-Chronik v. Griesinger.)

Schlußvignette

 << zurück weiter >>