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Geschichte des Königs Azzaher Buknuddyn Bibar al Bundukdary.

»Wisse, o König, daß in Ägypten in der Stadt Kairo ein König namens Azzaher Buknuddyn Bibars al Bundukdary lebte, berühmt durch seine Tapferkeit und durch seine Eroberungen. Dieser liebte außerordentlich die Erzählung der Begebenheiten, die sich zu seiner Zeit in der Welt zutrugen, auch sah er gern bisweilen mit eigenen Augen, was vorging. Einmal hörte er von seinem nächtlichen Erzähler, daß es Weiber gäbe, die tapfrer wären als Männer, und daß manche derselben sogar die obrigkeitlichen Behörden überlisteten. Da sprach der König Azzaher: »Ich wünschte wohl, daß mir jemand etwas erzählte, was ihm selbst von der List der Weiber zugestoßen ist.« Ihm antwortete sogleich ein anderer von seinen nächtlichen Erzählern: »Da mußt du den Polizeivorsteher der Stadt rufen lassen.« Dieser wurde nun sogleich geholt. Zu jener Zeit bekleidete diese Stelle Alamuddyn Sangar. Als er vor dem König erschien, tat ihm dieser seinen Willen kund. Der Vorsteher begab sich sogleich nach Hause, versammelte die Aufseher und die geringeren Polizeibeamten und eröffnete ihnen, daß er seinen Sohn verheiraten und dabei ein großes Fest veranstalten wolle. »Ich will aber,« fügte er hinzu, »daß ihr alle euch an einem gewissen Orte versammelt. Ich werde mich dann mit meinen Oberbeamten daselbst einfinden, und ihr müßt uns da alles erzählen, was euch von sonderbaren Begebenheiten irgend bekannt oder wohl euch selber widerfahren ist.« Sie versprachen ihm dies, und nachdem er ihnen deshalb Ort und Tag bestimmt hatte, begab er sich wieder zum Könige, den er von allem unterrichtete.

Als der festgesetzte Tag herangekommen war, begab sich der König an den bestimmten Ort, und zwar in einen Saal, dessen Fenster nach dem Garten hinausgingen. Hier erzählten nun nach eingenommener Mahlzeit, während der Becher im Kreise herumging, die ausgeforderten Polizeibeamten ihre Geschichten. Der erste, welcher den Anfang machte, war Ma'aqnuddyn, dessen Herz gar vielfach mit der Liebe der Weiber beschäftigt war. Er erzählte folgendermaßen seine Geschichte.

»Wisset, daß, als ich in die Dienste unsers jetzigen Fürsten trat, ich in einem großen Ruf von Strenge stand. Die größten Bösewichter fürchteten sich vor mir, und wenn ich in der Stadt herumritt, so zeigten alle Leute schon von fern auf mich. Als ich nun eines Tages an der Haustüre des Polizeigebäudes saß, mit dem Rücken an die Mauer gelehnt und über mich selbst nachdenkend, so wurde mir etwas auf den Schoß geworfen. Ich sah nach und fand, daß es ein zugebundener Beutel war, in welchem sich hundert Drachmen befanden, ohne daß ich imstande war, den, der ihn geworfen hatte, auszumitteln; auch blieben alle meine darüber angestellten Nachforschungen fruchtlos. Einige Tage später begegnete mir dasselbe, und zwar ohne daß ich in meinen Untersuchungen glücklicher gewesen wäre. Da nahm ich mir fest vor, alles anzuwenden, um der Sache aus den Grund zu kommen. Als ich nun eines Tages wieder an demselben Orte saß, stellte ich mich schlafend, und siehe, eine Hand, in welcher ein Beutel war, nahte sich mir plötzlich, um ihn in meinen Schoß zu werfen. Ich ergriff die Hand, und es fand sich, daß ich eine sehr schöne Frau festhielt. »Herrin,« sprach ich zu ihr, »wer seid Ihr?« – »Kommt von hier weg,« erwiderte sie, »auf daß ich mich Euch zu erkennen gebe.« Ich folgte ihr nach und ging mit ihr, bis wir an die Türe eines sehr hohen Hauses kamen. Hier wiederholte ich meine Frage und begehrte zugleich zu wissen, warum sie mir bis jetzt so viel Gutes erzeigt hätte. Da sprach sie: »Ach, lieber Polizeimeister Ma'ayn, ich bin eine Frau, die das Unglück hat, von der liebsten Freundin getrennt zu sein, ohne die ich nicht zu leben vermag. Sie ist nämlich die Tochter des Großrichters; dieser aber wollte meinen Umgang mit ihr nicht dulden und ließ sie nicht mehr von sich, und nun fühle ich mich so betrübt über diese Trennung.« Ganz erstaunt über diese Rede, fragte ich sie: »Was kann ich aber dabei tun?« – »Ach, lieber Ma'ayn,« sagte sie, »ich wollte dir nur über mich einige Gewalt einräumen.« – »Aber,« erwiderte ich, »was habe ich denn mit der Tochter des Großrichters gemein?« – »Ich muß dir nur die Wahrheit gestehen,« antwortete sie, »du sollst gar nicht mit der Tochter des Großrichters in Berührung kommen. Mein Zweck ist bloß, meine Wünsche zu erreichen, und dazu kann ich nur durch deine Hilfe gelangen. Ich will es nämlich auf folgende Art anfangen: Diese Nacht will ich mit frohem Mute ausgehen, den kostbarsten Schmuck anlegen und mich an die Straße setzen, nicht fern von dem Hause, wo der Großrichter wohnt. Wenn dann die Zeit kommen wird, daß die Leute schlafen und die Nachtwachen herumziehen, so komm du mit deiner Mannschaft dorthin, wo ihr mich köstlich geschmückt und von Wohlgerüchen duftend antreffen werdet. Frage mich dann nur, was ich hier mache. Ich werde dir dann antworten, daß ich aus der Festung und die Tochter eines Hauptmanns sei; ich sei wegen gewisser Angelegenheiten ausgegangen, die Nacht habe mich unvermutet übereilt, so daß ich die Tore und sogar das Tor Soweyla schon geschlossen gefunden und nicht gewußt hätte, wo ich mich in dieser Nacht hinwenden sollte. Da hätte ich denn diese Straße, deren Reinlichkeit und schöne Gebäude mich anlockten, gewählt, um bis an den Morgen hier Zuflucht zu suchen.«

 

Neunhundertundeinunddreißigste Nacht.

Wenn ich dir das werde gesagt haben, so wird der Anführer der Nachtwache wahrscheinlich keinen Argwohn gegen meine Worte hegen, sondern wird sagen: »Wir können diese Frau nicht auf der Straße lassen, sondern müssen sie jemandem übergeben, der sie bis morgen früh in Schutz nimmt.« Dann mußt du sagen: »Das Schicklichste ist, daß sie diese Nacht bei der Familie des Großrichters zubringt, der hier wohnt,« und indem du dieses sagst, klopfe zugleich an seine Türe an, damit man sie öffnet, und auf diese Art werde ich die Nacht bei ihm zubringen, ohne daß jemand irgend einen verdacht gegen mich hegen könnte, und so wird dann mein Zweck erreicht sein.« – »Das wird etwas sehr Leichtes sein,« erwiderte ich.

Als nun die dunkle Nacht einbrach und wir, begleitet von Soldaten, die entblößte Schwerter trugen, die Runde machten und schon überall herumgezogen waren, kamen wir auch an der Straße vorbei, in welcher die Frau saß. Es war eben Mitternacht. Da wir nun Wohlgerüche spürten und das Geklirre von Ohrgehängen hörten, sprach ich zu meinen Gefährten: »Es scheint mir, als sähe ich dort eine Erscheinung!« Der Anführer der Schar erwiderte: »Sehet doch nach, wer das sein mag!« Da trat ich hervor und ging in die Straße. Nach einer Weile kam ich zurück und sagte: »Ich habe eine sehr hübsche Frau gesehen, die mir sagte, sie wohne eigentlich im Schlosse; indes habe sie der Abend hier übereilt, und da sie diese Straße gesehen und die Ordnung darin wahrgenommen, so habe sie sich entschlossen, den Tag hier zu erwarten, in der Hoffnung, daß sie hier sicher sein würde, weil die Straße von so vornehmen Leuten bewohnt sei.« Der Anführer sagte hierauf: »Gehe und bringe sie in dein Haus.« – »Behüte Gott,« antwortete ich. »Mein Haus ist ja kein Verwahrungsort, und diese Frau hat ja eine Menge Schmuck und Kostbarkeiten an sich. Der sicherste Ort, wo wir sie unterbringen können, ist beim Oberrichter, in dessen Straße, sobald es dunkel geworden ist, hinlängliche Wächter sich aufhalten. Zu diesem will ich sie bis morgen in Verwahrung bringen.« Da erwiderte der Anführer: »Tue, was dir beliebt.« hierauf klopfte ich an die Tür des Großrichters, und sogleich trat einer seiner Sklaven heraus, zu dem ich sagte: »Mein Herr, nehmet diese Frau aus und behaltet sie bis morgen bei Euch; denn der Polizeivorsteher Alamuddyn hat sie hier an der Türe Eures Hauses gefunden, und da sie viele Kostbarkeiten und Sachen von Wert an sich hat, so haben wir gefürchtet, es möchte ihr ein Unglück begegnen.« Der Sklave nahm sie sofort ins Haus auf, und wir gingen davon.

Die erste Person, die den folgenden Morgen vor der obersten Polizeibehörde erschien, war der Großrichter. Er nahte sich, gestützt auf zwei seiner Sklaven, schrie um Hilfe, stieß ein großes Klagegeschrei aus und sprach: »O Herr, betrügerische und listige Leute haben gestern bei mir eine Frau untergebracht, ja, ich kann wohl sagen, sie sind durch Trug mit diesem Weibe in mein Haus eingedrungen. Sie hat sich nämlich in der Nacht aufgemacht und hat das Vermögen armer Waisen, welches bei mir aufbewahrt lag und aus sechs großen Säcken bestand, gestohlen. Indes ich will mit dir nicht weiter darüber sprechen; sondern ich will die Sache vor den Sultan bringen.« Hier nahm der oberste Polizeivorsteher, über diese Anrede erschrocken, das Wort, ersuchte den Großrichter, sich zu setzen, und tat alles mögliche, um ihn zu beruhigen. Endlich befragte er darüber die Aufseher, welche ihm versicherten, daß sie von der Sache nichts wüßten, und alles auf mich schoben mit der Äußerung, bloß der Aufseher Ma'ayn könne darüber Aufschluß geben. Da wandte sich der Großrichter an mich und sprach: »Du hast dich mit der Frau beredet und ihr eingegeben, sie sollte vorgeben, als ob sie ins Schloß gehörte, um sie unter diesem Vorwande in mein Haus bringen zu können.« Ich hätte vor Bestürzung in die Erde sinken mögen, als ich dies hören mußte. Der Schrecken ließ mich ganz vergessen, wo ich war, und was ich antworten sollte. Ich verfiel in ein tiefes Nachdenken und konnte nicht begreifen, wie eine nichtswürdige Frau mich, den jedermann fürchtete, so zu hintergehen wagen konnte. »Warum antwortest du nicht?« fragte der Polizeivorsteher. »O Herr,« erwiderte ich, »es herrscht eine Gewohnheit unter den Menschen, jedem Angeklagten drei Tage Frist zu gestatten. Diese bitte ich mir nun aus, und wenn bis zu dieser Zeit der schuldige Teil nicht entdeckt ist, so stehe ich für die verlorene Summe.« Diesen Vorschlag fanden sie alle billig, und der Vorsteher versicherte dem Großrichter, daß er alles anwenden würde, um diese Sache zu seiner Zufriedenheit zu beendigen. Jener entfernte sich darauf und fing nun sogleich an, die genauesten Nachforschungen anzustellen, um diese Frau wieder aufzufinden. Ich fühlte mich zugleich tief gekränkt dadurch, daß ich auf diese Art unter den Einfluß eines Weibes geraten war, die weder Ansehen noch Ehre hatte. Den ganzen Tag hatte ich schon angewandt, sogar auch einen Teil der Nacht, ohne die mindeste Spur zu entdecken, ebenso ging es mir den zweiten Tag. Am dritten Tage stellte ich mir meine Torheiten vor Augen, wie ich mich darauf einlassen konnte, eine Frau aufzusuchen, die mich nicht kannte, und die ich nicht kannte, da sie ja verschleiert gewesen war. Schon wurde es dunkel; ich hatte alle mögliche Mühe angewandt, und mein Kummer und Gram waren aufs höchste gestiegen, da ich einsah, daß es wahrscheinlich mein Leben kosten würde, wenn der Vorsteher den Verdacht des Großrichters teilen sollte. Als bereits die Nacht anbrach und ich nach Hause gehend an einer engen Straße vorbeiging, erblickte ich eine Frau am Fenster eines Hauses, dessen Türe nur zugelehnt war. Sie klatschte in die Hände und winkte mir, hinauszukommen. Ich tat es auch, aber ohne eigentlich zu wissen, warum. Als ich hereintrat, stand sie vor mir auf und drückte mich an ihre Brust. Dieses Benehmen setzte mich in Erstaunen, und ich wußte nicht, welchem Umstande ich diese Freundlichkeit zuzuschreiben hätte. Da rief sie aus: »Kennst du mich nicht mehr? Ich bin ja die Frau, die du zum Großrichter gebracht hast.« – »Ach Schwester,« rief ich aus, »dich suche ich schon längst. Du hast etwas begangen, was nicht leicht jemand zu unternehmen gewagt haben würde, und du hättest mich dadurch beinahe in den Tod gestürzt.« – »Wie?« erwiderte sie, »du, ein Mann, Aufseher über mehrere Polizeibeamten, schämst dich nicht, mir so etwas vorzuhalten?« – »Und wie sollte ich nicht in Kummer sein,« erwiderte ich, »da der heutige Tag der letzte von der Frist ist, die ich mir ausgebeten habe.« – »Sei ganz unbesorgt,« unterbrach sie mich. »Die Sache wird herrlich enden, und du wirst sie gewinnen.« Hier stand sie auf, öffnete einen Kasten und brachte mir sechs große Säcke, welche alle voll Gold waren. »Dieses habe ich,« fuhr sie fort, »aus dem Hause des Großrichters genommen. Du kannst sie ihm wiedergeben, du kannst auch alles für dich behalten, indes ich werde dir auch noch etwas anderes vorschlagen.

 

Neunhundertundzweiunddreißigste Nacht.

Ich habe nämlich viel Geld,« fuhr die Frau fort, »und brauche dieses nicht. Bei der ganzen Unternehmung hatte ich bloß die geheime Absicht, etwas zu tun, wodurch du mich kennen lernen solltest, um sodann mich dir zur Heirat anbieten zu Können.« Mit diesen Worten öffnete sie zugleich noch einige andere Kästen, worin ich unbeschreiblich viel Geld und andere Kostbarkeiten erblickte. »Liebe Schwester,« sprach ich hierauf zu ihr, »nach all diesem sehne ich mich nicht; mein einziger Wunsch ist, von dem Unglück loszukommen, das mir bevorsteht.« – »Glaubst du,« war ihre Antwort, »daß ich, die ich dich in dies Unglück zu stürzen vermochte, dich nicht auch daraus retten kann? Lerne mich besser kennen. Ich habe das Haus des Großrichters nicht verlassen, ohne auf deine Rettung zu denken. Wenn morgen dieser dich befragen wird, so sei ganz geduldig, unterbrich seine Rede nicht und schweige auch noch fort, wenn er vollendet hat. Wenn aber der Vorsteher dich fragt: »Warum antwortest du dem Großrichter nicht?«, so sage: »Mein Herr, die Worte sind sich zwar gleich, können aber anders gedeutet werden. Ein Schwacher wie ich kann nur auf Gott noch bauen.« »Was willst du denn damit sagen: die Worte sind gleich, können aber anders gedeutet werden?« wird dich der Großrichter unterbrechen. Da sage du nur: »Du hast ganz die Wahrheit gesagt. Ich habe ein Mädchen zu dir in Verwahrung gebracht. Sie war aus dem Schlosse, und zwar gehörte sie zum Hause des Königs. Wer weiß, ob ihr nicht bei dir selbst ein Unglück widerfahren, ob sie vielleicht gar in deinem eignen Hause ermordet worden ist, da sie Schmuck und Kostbarkeiten an sich hatte. Wenn du nun deine Sklaven und Sklavinnen ausforschen, auch allenfalls sie peinigen möchtest, so würdest du gar manches erfahren, auch wohl gar Spuren davon finden.« Er wird bei Anhörung dieser Worte in Wut geraten und wird verlangen, daß du auf der Stelle mit in sein Haus kommen sollest. Da antworte du: »Das geht nicht an. Ich bin der angeklagte Teil; du bist mein Ankläger, und auf mir haftet verdacht. Du kannst ja dann immer noch berichten, was dir beliebt.« – Wenn nun aber sein Zorn dann immer zunehmen und er darauf bestehen sollte, daß du ihn begleiten müßtest, so sage: »Bei Gott, ich gehe nicht, es wäre denn, daß der Oberaufseher selbst mitkäme.« Wenn dieser nun mit euch im Hause des Großrichters angekommen sein wird, so fange an, die Dächer zu durchsuchen; dann untersuche die Keller, die Gewölbe und alle Gemächer. Je mehr du suchest, ohne etwas zu finden, destomehr stelle dich betrübt und betroffen. Dann gehe an die Türe des Hauses, dort stelle dich unschlüssig, als ob du wieder zurückkehren wolltest. Daselbst ist nämlich ein dunkler Winkel, in diesen dränge dich hinein. Da wirst du einen Topf finden, den ziehe mutig hervor; unter ihm wirst du einen zerrissenen Schleier finden, diesen zeige laut ausrufend den Anwesenden, wickle ihn dann auseinander, und du wirst ihn voll Blut finden; auch wird ein Schuh darin sein und ein Ohrgehänge.« Als sie mir dieses sagte, verstand ich ihren Plan, stand auf, um mich schnell und erleichtert fortzubegeben; allein sie hielt mich zurück und sagte: »Nimm unterdessen diese hundert Goldstücke und betrachte es so, als hätte ich dich bewirtet.« Diese nahm ich denn auch und ging davon. Als der Morgen anbrach, kam der Großrichter mit glühendem Gesichte und sprach: »Nun, wo ist mein Schuldner? Nun, wo ist mein Geld?« Ohne meine Antwort abzuwarten, schimpfte er, tobte und sprach zum Vorsteher: »Wo ist der nichtsnützige Bösewicht, der verkappt unter einer Räuberbande sein Wesen treibt?« – Da sprach der Vorsteher zu mir: »Warum antwortest du dem Großrichter nicht?« Da gab ich zur Antwort: »Der Schein trügt; es genügt mir, zu wissen, daß ich keine Schuld habe. Mein Recht liegt mir klar vor den Augen.« »Wie,« fuhr der Großrichter auf, »du kannst es wagen, zu behaupten, du habest recht? Wie kannst du es beweisen?« – »O, mein Herr und Richter,« erwiderte ich, »ich habe dir etwas in Verwahrung gegeben, und zwar eine Frau, die wir an deiner Türe, bedeckt mit Kostbarkeiten, antrafen. Diese ist verschwunden, wie der gestrige Tag verschwunden ist, und nun kommst du und belangst uns wegen sechs Beuteln Goldes. Bei Gott, das ist eine große Ungerechtigkeit; bei dir muß ihr etwas widerfahren sein.« Bei diesen Worten geriet der Großrichter in eine Wut, die nicht zu beschreiben ist, und verlangte, ich sollte mit ihm kommen und sein Haus durchsuchen. »Auf keinen Fall,« sagte ich, »werde ich gehen, es wäre denn, der Vorsteher käme mit; denn wenn der mit uns ist nebst einigen seiner Aufseher, so kannst du mir nichts anhaben.« Da stand er auf und sagte: »Es sei; der Vorsteher kann mit uns kommen.« Mit diesem begaben wir uns nun gemeinschaftlich auf den Weg nach dem Hause des Großrichters. Wir durchsuchtem alles, aber vergebens, und ich kann nicht umhin, zu gestehn, daß mich eine große Furcht befiel. Wie leicht konnte nicht die Frau mich hintergangen haben, und so wäre ich verloren gewesen. Statt mich bloß besorgt zu stellen, war ich es nun in der Tat, und Tränen entquollen meinen Augen. Da rief mich der Vorsteher an: »Schändlicher, du unterstehst dich, den Großrichter anzuklagen und uns alle vor der Welt zum Spott zu machen?« Ich hatte kein Herz, ihm zu antworten, sondern fuhr fort zu suchen, bis wir an die Haustüre kamen; da bemerkte ich den beschriebenen Ort. »Was ist das für ein finsterer Winkel?« rief ich, indem ich hineintrat. »Kommt, helft mir den Topf herausziehen, den ich hier erblicke.« Dies taten sie denn auch, und ich bemerkte unter ihm einen Haufen Sand und Erde. »Schafft dieses da weg und sehet, ob etwas darunter ist.« Es geschah, und siehe, sie fanden einen Schleier, einen Schuh und ein Ohrgehänge, alles beblutet. Als ich dies sah, fiel ich vor Freuden beinahe in Ohnmacht, und der Vorsteher sagte: »Bei Gott, mein Aufseher hat recht.« Meine Freunde nahten sich mir schnell und begossen mich mit Wasser, bis ich wieder zu mir kam. Mein erster Blick traf den Großrichter, der bestürzt und beschämt dastand. »Du siehest nun,« sagte ich zu ihm, »daß das Unglück bei dir geschehen ist, daß diese Begebenheit keine Kleinigkeit ist, und daß die gewiß sehr vornehme Familie dieser Frau nicht aufhören wird, ihr nachzuspüren.« Bei dieser meiner Äußerung wurde er vor Schreck ganz bleich; er ersuchte uns, in sein Gemach zu kommen, und bot uns ebensoviel an, als ihm verloren gegangen war, um nur die Sache zu unterdrücken. Wir verließen ihn hierauf. Ich für mein Teil dankte Gott und pries die Frau, daß sie mich nicht hintergangen hatte. Sodann ging ich ins Bad, zog andere Kleider an, und nach drei Tagen begab ich mich zu ihr, um sie zu besuchen. Allein ich fand ihr Haus verschlossen. Ich erkundigte mich bei den Nachbarn, die mir berichteten, dies Haus sei unbewohnt; vor einigen Tagen habe zwar eine Frau es gemietet, sei aber vor drei Tagen mit allen ihren Sachen weggezogen. Ich war ganz bestürzt über diese Nachricht, und alle meine folgenden Nachforschungen, sie aufzufinden, waren vergebens. Stets blieb es mir aber ein Rätsel, wie eine Frau so viele verschiedene Eigenschaften in sich vereinigen konnte.«

Der König war über diese Geschichte ganz erstaunt. Da trat ein anderer Aufseher vor und sprach: »Mein Herr, habt die Güte, anzuhören, was mir widerfahren ist.

Als ich zur Zeit des Präfekten Gamaluddyn Alatwasch Polizeiaufseher war, genoß ich bei demselben einer ausgezeichneten Gunst, und er verbarg mir nichts von dem, was er unternehmen wollte. Eines Tages berichtete man ihm, daß die Tochter eines bekannten Mannes, welche viel vermögen besaß, einen Juden zum Geliebten habe, und daß sie ihn alle Tage zu sich rufen ließ, um mit ihm zu essen und zu trinken, ja auch sogar die Nacht zuzubringen. Der Präfekt wollte daran nicht glauben, indessen befragte er doch die Wachen des Stadtviertels darüber. Da sagte ein Soldat von denselben: »Was mich betrifft, so sehe ich immer einen Juden in die Straße hineingehen, manchmal sogar bei Nacht. Nur habe ich noch nicht bemerkt, in welches Haus er hineingeht.« – »Von nun an gib auf ihn acht,« sprach der Präfekt, »und merke dir den Ort wohl.« Der Soldat ging fort und beobachtete den Juden von nun an ganz genau. Eines Tages, als der Präfekt zu Hause der Ruhe pflegte, kam der Soldat und benachrichtigte ihn, daß der Jude soeben in ein gewisses Haus, das er ihm bezeichnete, gegangen wäre. Der Präfekt stand sogleich auf und nahm niemand mit sich als mich und sagte zu mir ganz leise: »Das wird ein fetter Bissen sein.« Wir kamen bis an die Türe, vor welcher wir stehen blieben, bis jemand herauskam. Es war ein Mädchen, das, wie es uns schien, ausgeschickt war, um für die Bewohner des Hauses etwas einzukaufen, wir ergriffen sie sogleich, gingen in das Haus, traten in einen prächtigen Saal, in welchem alle Vorbereitungen zu einem kostbaren Mahle getroffen waren, und erblickten endlich den Juden mit der Frau dasitzend. Sowie diese den Präfekten erblickte und ihn erkannte, stand sie auf, bewillkommnete ihn aus das ehrerbietigste und sprach: »Bei Gott, es geschieht mir eine große Ehre durch deine Ankunft in meinem Hause, welches dadurch ganz veredelt wird.« Sie nötigte ihn, sich auf den vornehmsten Platz zu setzen, und reichte ihm Speise und Trank. Sodann nahm sie ihren ganzen Schmuck ab, wickelte ihn in ein Tuch und sprach: »Mein Herr, dieses alles ist dein.« Hierauf wandte sie sich zu dem Juden und sagte: »Stehe du jetzt auf, hole im andern Zimmer deine Sachen und tue desgleichen.« Der Jude stand aus, ging in das Nebenzimmer, von da aus die Straße und kehrte nicht wieder zurück, indem er ganz überrascht darüber war, daß er aus diese Art sich zu retten vermochte. Als die Frau endlich gewiß zu sein glaubte, daß der Jude wirklich in Sicherheit sei, nahm sie ihre Kostbarkeiten vom Präfekten wieder zurück und sprach zu ihm: »Mein Herr, ziemt es sich nicht, eine Höflichkeit mit einer andern zu vergelten? Du hast die Güte gehabt, bei mir ein Mahl einzunehmen, und du willst mir jetzt auch noch mein Geschmeide wegtragen? habe die Güte, dich wegzubegeben, sonst rufe ich die Leute der Straße zusammen.« Der Präfekt eilte davon, und von dem gehofften fetten Bissen bekam er nicht einen Pfennig.«

Da wunderten sich die Gegenwärtigen, doch der dritte Aufseher sprach: »Was mir begegnet ist, ist noch weit auffallender und sonderbarer, hört, was ich euch erzählen werde.

Als ich eines Tages mit meinen Gefährten ausgegangen war, begegnete ich einigen Frauen, die von hoher Schönheit waren. Line unter ihnen aber übertraf alle an Anmut und Reiz. Ich sah sie genauer an, und als sie mich erblickte, blieb sie hinter ihren Freundinnen ein wenig zurück und wartete, bis ich zu ihr herangekommen war und sie angeredet hatte. Dann sagte sie zu mir: »Gott möge dich beschützen! Ich habe bemerkt, daß du mich ansahest, und vermute, daß du mich kennen magst; wenn das ist, so sage mir, wer du bist.« Ich antwortete ihr: »Wahrlich, ich kenne dich nicht; aber meines Herzens hat sich die Liebe zu dir bemächtigt. Deine Schönheit hat mich in Staunen gesetzt, und die Wonne deiner Augen, die dir Gott verliehen, hat mich mit Pfeilen getroffen.« – »Ich habe dasselbe bei deinem Anblick empfunden; ja beinahe noch mehr;« erwiderte sie, »ich fühle so viel Neigung zu dir, daß es mir ist, als kennte ich dich von Kindheit an.« – »Wo wohnst du?« fragte ich sie; »erlaube, daß ich dich nach Hause begleite.« – »Ach, leider!« sagte sie, »bin ich hier fremd, und ich habe keinen Wohnort.« – »Ich habe dir so viel zu sagen,« erwiderte ich, »denn ich wünschte für die Zukunft gern mich deiner zu versichern.« – »Mir fällt ein Mittel ein,« sagte sie hierauf, »komm und folge mir.« Sie ging voran, und ich ging hinter ihr her, bis sie an ein großes Haus kam, in welchem sie den Haushälter fragte, ob in dem Hause eine Wohnung zu vermieten sei. – »Jawohl,« erwiderte dieser. »Nun gut, so gib mir den Schlüssel,« sagte sie darauf. Als sie denselben in Empfang genommen hatte, stiegen wir hinauf und besahen uns die Wohnung. Alsdann begab sie sich zum Haushälter, gab ihm eine Silbermünze und sprach: »Hier hast du Schlüsselgeld, die Wohnung gefällt uns, und hier hast du ebensoviel für deine Mühe. Gehe aber und hole uns einen Teppich, damit ich die Sonnenhitze hier in der Wohnung abwarten kann, während daß der Herr seine Sachen hierher besorgen wird.« Des Haushälters Frau war über das Geschenk ganz entzückt, eilte fort und brachte uns einen Teppich sowie auch Wasser und Fächer, um uns abzukühlen. Nachdem die größte Sonnenhitze vorbei war und wir uns von unsern zukünftigen Verhältnissen besprochen hatten, nahte sich die Zeit des Abendgebets. Sie legte jetzt alle ihre Kostbarkeiten ab und begab sich in das Nebenzimmer mit einer Schüssel voll Wasser, um die gesetzlichen Abwaschungen zu verrichten, wobei ich sie laut beten hörte.

 

Neunhundertunddreiunddreißigste Nacht.

Als sie vollendet hatte und wieder zu mir herauskam, dachte ich bei mir selbst: »Sollte ich mich von dieser Frau an Frömmigkeit übertreffen lassen? Nein, das sei ferne von mir.« Ich ließ mir daher von der Haushälterin ein andres Gefäß mit Wasser bringen, legte meine Kostbarkeiten ebenfalls ab, entkleidete mich und ging mit dem Wasser ins Nebenzimmer, betete und verrichtete meine Abwaschungen. Sowie ich vollendet hatte, trat ich heraus, um mich anzukleiden, allein ich fand weder die Frau, noch meine Kleider, noch das Geld, welches darin war, und welches in einem Beutel von vierhundert Silberstücken bestand. Sie hatte alles mit sich fortgenommen, sogar meinen Turban. Ich hätte vor Arger, Gram und Bestürzung sterben mögen, vergebens suchte ich überall wenigstens mach einem Lumpen, um mir denselben anstatt eines Turbans um den Kopf wickeln zu können, allein ich fand nichts. Ich rief endlich die Haushälterin herbei und fragte sie: »Wo ist denn die Frau hingegangen?« – »Sie ist einen Augenblick ausgegangen,« erwiderte sie, »um, wie sie sagte, nach den Kindern zu sehen. Der Herr schläft oben, fügte sie hinzu, und wenn er aufwacht, so sage ihm, er möchte nicht eher ausgehen, als bis ich ihm die Sachen wiederbrächte.« Da sprach ich zu ihr: »Liebe Frau, ich will dir ein Geheimnis eröffnen; denn ich glaube nicht, daß ich mich in dir täusche. Diese Frau ist nicht meine Gattin, ich habe sie in meinem Leben nicht gesehen als bloß heute. Sie hat nun alle meine Kleider weggetragen, und ich habe nichts, um mich zu bedecken. Sei daher so gut und schaffe mir Kleidung.« Auf diese Erklärung erhob sie ein schreckliches Gelächter, rief alle Weiber des Hauses und der Nachbarschaft zusammen und schrie: »Liebe Fatime, Thadige, Harisfa, Sengna, kommt herbei, sehet doch!« Es versammelte sich nun eine Menge von Weibern, die mich angafften, mich auslachten und schrieen: »Ach du Tor, hast du nichts behalten, dich auszulösen?« Eine unter ihnen näherte sich mir und lachte mir grade ins Gesicht. Eine andre, noch unverschämter als jene, zeigte mit den Fingern auf mich und rief lachend: »Hast du es nicht gemerkt, daß sie dich belog, als sie sagte, daß sie dich liebe? Was ist denn an dir Liebenswürdiges?« Genug, es war keine, die nicht an mir ihren Witz ausließ. Bloß eine einzige unter ihnen erbarmte sich meiner und gab mir ein ziemlich zerlumptes Tuch, womit ich mich zur Not bedeckte und dann davon eilte voll Furcht, die Männer jener Weiber möchten noch dazukommen und mich in öffentliche Schande bringen. Sch hatte viel Mühe, um dem Geschrei des Pöbels zu entkommen, und als ich endlich zu Hause ankam und meine Angehörigen mich erblickten, so wußte ich keinen andern Ausweg, als ihnen zu sagen, die Räuber hätten mich geplündert und beinahe getötet. Als sie dies hörten, beklagten sie mich und dankten Gott, daß ich mit heiler Haut davongekommen war.«

 

Neunhundertundvierunddreißigste Nacht.

Nun trat der vierte Vorsteher hervor und erzählte folgende Geschichte:

»Als ich einst an der Türe des Polizeigebäudes saß, kam eine Frau zu mir, welche erklärte, sie sei die Gattin eines Arztes, den sie mir nannte. Zugleich zeigte sie an, daß eine Menge vornehmer Leute der Nachbarschaft bei ihrem Manne, der in dem und dem Hause wohnte, Wein tränken. Als ich dies hörte, wollte ich gleichwohl den Schimpf vermeiden und schickte sie zurück, ohne sie weiter anzuhören. Ich machte mich indessen dennoch auf und ging vor das mir bezeichnete Haus, an dessen Türe ich mich hinsetzte. Hier wartete ich, bis sie geöffnet wurde, und als dies geschah, drang ich schnell in das Haus hinein und fand die Gesellschaft ganz so, wie sie mir beschrieben worden war, und die Frau in der Mitte unter ihnen sitzend. Ich begrüßte sie, sie dankten mir freundlich, standen auf und erwiesen mir alle mögliche Ehre. Zugleich baten sie mich, daß ich mich setzen möchte, und reichten mir Speise. Ich benachrichtigte sie nun von der Unannehmlichkeit, die ihnen bevorgestanden hätte, wofern ich einer Anzeige gefolgt wäre, die mir eben mitgeteilt worden war; ich hätte die Sache aber abgelehnt und wäre lieber allein zu ihnen gekommen. Sie dankten mir außerordentlich dafür, lobten meine Güte und brachten eine Summe von zweitausend Silberstücken zusammen, die sie mir übergaben, und mit denen ich mich entfernte. Nach Verlauf von zwei Monaten wurde mir ein Schreiben von dem Sachwalter des Arztes überreicht, worin mich dieser vor den Richter lud. Als ich vor demselben mit dem Sachwalter erschien, erklärte mir dieser, daß der Gastgeber jenes Tages von mir zweitausend Drachmen fordere, weil ich, wie er vorgab, sie von ihm empfangen hätte als ein Darlehn von einem Freunde jener Frau. Ich leugnete es natürlich, allein man wies mir ein Zeugnis, worin vier Personen von jener Gesellschaft bescheinigten, daß ich diese Summe in ihrer Gegenwart empfangen habe. Zugleich wurden sie vorgerufen und bezeugten dies obendrein gerichtlich. Ich konnte nicht wagen, ihnen ihre Undankbarkeit vorzuwerfen, weil ich mich sonst selbst der Strafe ausgesetzt haben würde, da ich ja unterlassen hatte, sie wegen ihres Weintrinkens anzugeben, und ich mußte also die verlangte Summe zurückzahlen, von da an nahm ich mir aber fest vor, mich nie wieder von einer Frau anführen zu lassen.«

Nun erhob sich der fünfte Vorsteher und erzählte folgende Geschichte:

»In Alexandrien trug es sich einst zu, daß eine alte Frau zu mir kam, welche ein schönes Kästchen trug, voll von vorzüglichem Geschmeide, und zwar von der schönsten Arbeit. Eine andere Frau begleitete sie, und diese letztere ging von mir zu einem Seidenhändler, von dem sie für ungefähr tausend Goldstücke Waren ausnahm. »Komm mit mir zum Vorsteher,« sagte sie hierauf zum Seidenhändler, »dort will ich dir ein Unterpfand geben.« Als sie bei mir angelangt war, zeigte sie ihm den Inhalt des Kästchens, und da er den Wert von Bedeutung fand, so trug er kein Bedenken, es als Pfand anzunehmen, und sie ging mit der Ware davon. Unterdes verfloß eine weit längere Zeit, als die Frau für die Wiederabholung bestimmt hatte, und da der Seidenhändler nicht länger warten wollte, so zeigte er die Sache dem Präfekten an. Alle Nachforschungen, die Frau aufzufinden, waren vergebens, und er wollte das Geschmeide verkaufen. Allein zu seinem Schrecken benachrichtigte ihn ein Kenner, daß alles unecht und nur vergoldet wäre, und daß alles zusammen höchstens hundert Drachmen wert sei. Da begab er sich denn zum zweiten Male zum Präfekten, der ein sehr listiger Mann war und ihm folgenden Rat gab: »Nimm etwas aus deinem Laden und zerbrich dann mit Gewalt das Schloß desselben. Sodann schreie und wehklage, daß es alle Leute hören, und begib dich hierauf zum Vorsteher und Klage ihm, daß du bestohlen worden bist. Mache aber nur ja so viel Lärm als möglich, und vergiß nicht zu sagen, daß der Laden erbrochen worden sei, und daß bei dem gestohlenen Gute sich ein kostbarer Juwelenschmuck von sehr großem Werte in einem Kästchen befunden habe, welches nicht einmal dir, sondern einer vornehmen Person gehörte, die es bei dir eingelegt habe, so daß du in der größten Verlegenheit sein würdest, wenn es je von dir zurückgefordert werden sollte. Zugleich nimm alle Gegenwärtigen zu Zeugen, daß ein Schloß erbrochen und das Kästchen nebst andern Sachen dir gestohlen worden sei.« Der Seidenhändler versprach dem Präfekten, alles genau so auszuführen. Er begab sich sofort nach Hause, zerbrach am andern Morgen das Schloß seines Ladens und versammelte durch sein Geschrei eine Menge von Leuten, denen er sein Unglück auf die eben erwähnte Art erzählte. Sodann begab er sich auf das Oberpolizeiamt und brachte dort öffentlich seine Klage vor. Der angebliche Diebstahl wurde von seiten dieser Behörde überall bekannt gemacht, und nach drei Tagen fand sich die alte Frau mit dem Werte der ausgenommenen Waren ein und verlangte ihr zum Pfande eingelegtes Kästchen wieder zurück. Sobald er ihrer ansichtig ward, hielt er sie fest und brachte sie zum Präfekten. »Wehe dir!« schrie dieser sie an, »ist es dir noch nicht genug, den ersten Betrug begangen zu haben? Willst du noch einen zweiten hinzufügen und für die gestohlenen Juwelen mehr fordern, als sie wert sind?« – »Ach,« rief sie erschrocken aus, »verzeihe mir, ich will dir alles gestehen. Ich gehöre zu einer Diebesbande, die im Lande herumzieht. Alle Monate versammeln wir uns, und gestern war der Tag, wo wir uns hier in der Stadt zusammenfanden, um uns gegenseitig Rechnung abzulegen.« – »Könntest du wohl,« fragte sie der Präfekt, »mir diese Bande in die Hände liefern? Ich will dir alle deine Betrügereien verzeihen.« – »Sehr gern,« erwiderte sie, »wenn du aber bis morgen warten willst, so werden sie nicht mehr in der Stadt sein. Diese Nacht noch muß es ausgeführt werden, wenn es gelingen soll.«

 

Neunhundertundfünfunddreißigste Nacht.

»Nun wohl,« sagte der Präfekt, »setze nur alles in Bereitschaft.« Da erbat sich die alte Frau von ihm Leute, die sie begleiten, die Bande gefangennehmen und ihm zuführen sollten. »Indes,« fügte sie hinzu, »befiehl du deinen Leuten, daß sie alles, was ich ihnen sagen werde, genau befolgen sollen.« Er gab ihr nun eine Anzahl von Leuten zur Begleitung, mit denen sie sich an die Türe eines Hauses begab, wo sie zu ihnen sagte: »hier bleibet stehen, ich werde euch einen nach dem andern herausschicken, und jeden ergreift!« Sie ging hieraus hinein. Die Leute blieben draußen stehen und warteten eine ganze Stunde, ohne daß irgend jemand herauskam. Da es ihnen nun zu lange dauerte und sie schon Langeweile empfanden, so begaben sie sich selbst hinein, fanden aber, daß das Haus nur ein Durchgang war und sich folglich niemand darin befand. Sie sahen nun zu spät ein, daß die Frau sie hintergangen hatte, und begaben sich zum Präfekten und zeigten ihm die Sache an. Dieser erkannte sogleich, daß es eine listige Betrügerin gewesen war, und wunderte sich bloß, wie sie sogleich auf der Stelle den Plan zu ihrer Bettung hatte entwerfen können.«

Nun begann der sechste Vorsteher, folgende Geschichte zu erzählen:

»Ich wurde einst zu einer Gesellschaft eingeladen, deren Gastgeber einer meiner Freunde war. Er holte mich selbst ab, und als wir in sein Haus gekommen waren, setzten wir uns aufs Sofa, wo er sich sehr erfreut darüber zeigte, einen so schönen Tag erleben zu können. Die Gesellschaft kam nun nach und nach zusammen, das Gespräch wurde lebhaft, und man erzählte sich Geschichten. Da unterbrach mein Freund die Unterhaltung mit folgenden Worten:

»Eine Begebenheit muß ich euch doch erzählen, die mir selber begegnet ist. In meinen Laden kam oft ein Mann, den ich nicht kannte, und den ich in meinem Leben nicht gesehen hatte, und wenn er etwas nötig hatte, nahm er es gewöhnlich von mir auf Borg. Das dauerte eine lange Zeit so fort; ja er wurde immer zudringlicher, so daß er manchmal an einem Tage Sachen von zehn bis zwanzig Drachmen an Wert von mir verlangte. Eines Tages kam eine Frau von vorzüglicher Schönheit in meinen Laden, der von dem Glanz ihrer Augen förmlich erhellt wurde; denn sie glich einem Sterne. Ich wurde von ihrer Schönheit ganz betroffen und entschloß mich, sie anzureden. Ich fragte sie nämlich nach ihrem Namen und nach ihrer Wohnung und bat sie um die Erlaubnis, sie besuchen zu dürfen. Allein ohne darauf zu antworten, kaufte sie eine Kleinigkeit und ging davon. Mir war ganz so, als hätte sie meine Seele mitgenommen; so sehr war ich über ihre schnelle Entfernung bestürzt. Es verflossen mehrere Tage, ohne daß ich den Eindruck, den sie aus mich gemacht hatte, loswerden konnte. Als ich eines Tages ganz vertieft in meinem Laden saß, wurde ich plötzlich durch einen Anblick überrascht. Sie trat nämlich wiederum in meinen Laden und entzückte mich so sehr durch ihre Unterhaltung, daß ich sie einlud, mich mit ihrem Besuche zu beehren. »Ich kenne dich nicht,« erwiderte sie, »und ich besuche nie einen Unbekannten.« – »Nun, so vergönne mir, daß ich zu dir komme,« bat ich sie. – »Nun so komm,« gab sie zur Antwort, und da ich vermutete, daß sie mich kostbar bewirten würde, so nahm ich eine bedeutende Summe Geldes mit. Sie ging voran, ich folgte ihr, und wir gelangten endlich an eine enge Straße und in dieser an ein Haus, dessen Türe sie mir zu öffnen befahl. Ich weigerte mich, allein sie tat es nun selbst, führte mich hinein und schloß die Türe hinter sich zu. In dem Vorzimmer sagte sie zu mir, ich möchte hier sitzen bleiben, bis sie, wie sie vorgab, ihre Dienerinnen entfernt haben würde, damit diese mich nicht sähen. Nach einer Weile kam sie unverschleiert zurück und sagte zu mir: »Komm jetzt, sie sind alle entfernt; ich werde dich nun in ein andres Zimmer führen.« Wir gingen nun aus einem Zimmer ins andere, bis wir endlich an einen Saal gelangten, den ich aber nichts weniger als schön fand. Es war weder Annehmlichkeit noch Symmetrie in demselben; alles war darin unordentlich, ja ich möchte sagen abscheulich; außerdem war auch noch ein so widerwärtiger Geruch in demselben, daß ich um keinen Preis mich darin hätte lange aufhalten mögen. Plötzlich wurde ich hier in meinen Betrachtungen durch das Erscheinen von sieben kaum notdürftig gekleideten Männern unterbrochen. Sie hatten lederne Gürtel um, näherten sich mir, und ohne ein Wort zu sagen, nahm der erste mir meinen Turban, der andere nahm das Tuch, in welches ich das Geld geknüpft hatte, ein dritter entkleidete mich, noch ein anderer kam und band mir die Arme mit ledernen Riemen aus den Rücken. Als sie mich ganz ausgeplündert hatten, schleppten sie mich unter einen Schuppen, um mich darin umzubringen; da wurde plötzlich an die Haustüre gepocht. Alle wurden nun von einem heftigen Schrecken ergriffen, und die Frau begab sich hinaus, um zu sehen, wer da wäre – sie kehrte indes bald wieder zurück und sagte: »Ihr habt nichts zu befürchten; denn euer Herr brachte eben euer Mittagessen, und zwar einen gebratenen Schöps.« Als der Herr nun selber bald daraus hereintrat, sprach er: »Was habt ihr da vor? Was wollt ihr da vornehmen?« – »Wir haben eine Beute gefangen. Hier ist sie.« Der Mann sah mich hierauf an, tat einen lauten Schrei und rief: »Bei Gott, das ist ja mein leiblicher Bruder!« Dann band er mich sogleich aus, küßte mein Haupt, und ich erkannte in ihm meinen unbekannten Freund, der mir so oft abgeborgt hatte.

 

Neunhundertundsechsunddreißigste Nacht.

»O mein Bruder,« sprach der Unbekannte, »du hast nichts zu befürchten. Holt gleich alles her, was ihr ihm genommen habt!« Sogleich wurde mir auch alles zurückgebracht, und ich vermißte nichts von meinen Sachen. Sodann reichte er mir einen köstlichen Becher voll Limonade, ließ einen Tisch decken, und ich mußte mich mit allen übrigen an denselben setzen und mit ihnen speisen. Als wir einige Bissen genossen hatten, sprach er: »Mein Bruder, nun haben wir Brot und Salz mitsammen gegessen. Du bist zur Kenntnis unsers Geheimnisses gelangt, und die Geheimnisse sind in dem Herzen der Edlen tief vergraben.« – »So wahr ich rechtlicher Eltern Kind bin,« erwiderte ich, »werde ich nie etwas davon verlauten lassen.« Ich mußte ihnen dies mit einem Eide bekräftigen. Hierauf ließ man mich wieder hinaus, und ich begab mich von dannen, nachdem ich schon meinen Tod für gewiß gehalten hatte. Ein Monat war bereits verstrichen, während welcher Zeit ich mich sehr übel befunden hatte. Endlich war ich imstande, wieder meinen Laden zu öffnen und auszugehen. Als ich eines Tages wieder in meinem Laden saß, sah ich einen sehr schönen jungen Mann an meinem Laden stehen; er war ein Viehhändler und hatte einen großen Beutel Geld bei sich. Kurz darauf bemerkte ich auch die betrügerische schöne Frau, die ihm nachgefolgt war und ihn anzulocken suchte.

 

Neunhundertundsiebenunddreißigste Nacht.

Mit jedem Augenblicke wuchs mein Mitleiden für den jungen Mann, besonders da ich merkte, daß er sehr für die Frau eingenommen war. Ich gab ihm verschiedene Zeichen und winkte ihm, ja nicht der Frau zu folgen. Endlich bemerkte er es und verstand mich; allein jener Frau waren meine Zeichen ebenfalls nicht entgangen, sie drohte mir mit der Hand und ging fort. Der junge Mann ließ sich gleichwohl nicht abhalten, sondern folgte ihr, und von dem Augenblicke an zählte ich ihn unter die Toten; doch meiner bemächtigte sich sogleich eine solche Furcht, daß ich meinen Laden schloß und auf ein Jahr lang verreiste. Nach Verlauf dieser Zeit kehrte ich wieder zurück und öffnete meinen Laden wieder. Aber auch ebensobald erschien wieder die Frau und sagte zu mir: »Du bist sehr lange abwesend gewesen.« – »Ich hatte eine sehr notwendige Reise vor,« antwortete ich ihr. »Warum hast du denn dazumal,« unterbrach sie mich, »dem jungen Türken, dem Viehhändler, so angelegentlich zugewinkt?« – »Behüte mich Gott,« war meine Antwort, »daß ich das getan hätte!« – »Hüte du dich künftig vor mir, daß du mir keine Hindernisse in den Weg legst,« entgegnete sie, und mit diesen Worten ging sie davon.

Einige Zeit nachher lud mich ein Freund zu sich ein, und nachdem wir gegessen und getrunken hatten, fragte er mich, ob mir einmal in meinem Leben etwas ganz Schreckliches widerfahren wäre. »Erzähle mir erst, was dir widerfahren ist,« entgegnete ich; »dann werde ich dich auch von meinen Begebenheiten unterrichten.« Da begann mein Freund folgendermaßen: »Eines Tages lud mich eine sehr schöne Frau zu sich und sandte einen Diener, mich abzuholen. Als er mit mir an ein sehr schönes Haus kam und er hinter mir die Türe desselben zugeschlossen hatte und soeben mit mir durch eine zweite Türe gehen wollte, ergriff mich eine solche Furcht, daß ich mich weigerte, mit ihm weiterzugehn, sondern vielmehr laut ausrief: »Bei Gott, wenn du mich nicht wieder herauslässest, so bringe ich dich um; denn an mir sollt ihr eure List nicht ausüben.« – »Was fällt dir denn ein?« fragte er mich ganz befremdet, »welche List haben wir denn angewandt?« – »Schon der garstige Anblick jenes zweiten Zimmers,« erwiderte ich, »dann die Abwesenheit eines Türstehers, der die Leute anweist, überzeugen mich, daß dies ein Haus des Verbrechens ist.« – »Mein Herr,« erwiderte der Diener, »dies ist hier eine geheime Tür.« – »Geheim oder öffentlich,« unterbrach ich ihn, »öffne mir!« Er öffnete, und ich eilte hinaus. Raum war ich einige Schritte gegangen, als ich einer sehr schönen Frau begegnete. »Dir scheint ein langes Leben bestimmt zu sein,« rief sie mich an, da sie mich herauskommen sah, »denn sonst wärest du aus diesem Hause nicht entkommen.« – »Wie meinst du das?« fragte ich sie. »Bitte nur deinen Freund,« antwortete sie, indem sie dich nannte, »der wird dir darüber Aufschluß geben.« Daher ersuche ich dich nun, lieber Bruder, erzähle mir, was dir mit dieser Frau begegnet ist.« – »Ach,« sagte ich zu ihm, »ein schwerer Eid bindet mich.« – »So übertritt ihn,« versetzte er. »wenn ich nur,« erwiderte ich, »nicht die Folgen befürchtete!« Dennoch aber entschloß ich mich, ihm meine Geschichte zu erzählen. Er war darüber ganz erstaunt und freute sich, daß er noch zu rechter Zeit umgekehrt war. hierauf begab ich mich ruhig nach Hause. Nach Verlauf einiger Zeit wurde ich von einem andern Freunde eingeladen, ihn zu einem Manne zu begleiten, der ihn gebeten hatte, ihn zu besuchen, wir begaben uns dahin und fanden einen Mann, der uns empfing, uns einführte und die Türe hinter uns zuschloß, wir traten sofort in einen Saal hinein, worin man uns allein ließ, und in welchem ich eine kleine Tür erblickte, die ich öffnete. Mein Freund, welcher es bemerkte, fragte mich, was ich dort sähe. »Ach,« erwiderte ich, »ich sehe dort vielerlei Sachen zusammengehäuft, unter andern aber auch abgeschnittene Hände. Siehe du selbst einmal hin.« Als er einen Blick hereingetan hatte, sagte er sogleich: »wir sind verloren!« wir überließen uns nun ganz der Traurigkeit und dachten über unser Schicksal nach, als auf einmal vier Männer hereintraten und sich meinem Freunde näherten. Dieser indes widersetzte sich und stürzte einen von ihnen zu Boden, während sie nun alle über ihn herfielen, benutzte ich diesen Augenblick, um eine ganz kleine Türe zu öffnen, in welche ich mich ganz hineinschmiegte. Leider aber bemerkte ich, daß sie zu keinem Zimmer führte, sondern nur dazu diente, ein Luftloch zu verschließen. Ich kroch, denn die Liebe zum Leben gab mir Kräfte, so gut ich konnte, hinaus, und als ich oben auf dem Dache war, sprang ich auf eine Mauer, die nicht weit vom Dache entfernt war, und von da in eine sehr belebte Straße hinab. Die Leute umringten mich von allen Seiten, und zum Glück ging eben der Präfekt vorbei. Diesem erzählten die Leute sogleich, was sich mit mir zugetragen hatte. Er ließ sogleich die Türe dieses Hauses einschlagen; wir aber eilten in das Haus und überfielen die Mörder, als sie eben meinen Freund hingeworfen hatten, um ihn zu töten. Meiner Abwesenheit achteten sie gar nicht, denn sie dachten, ich könnte ihnen doch nicht entwischen. Der Präfekt bemächtigte sich ihrer und verhörte sie. Sie gestanden alle ihr Schuld, schoben indes die größte Schuld auf jene Frau und auf die Genossen, die sie in Kairo hatten. Er ließ nun diese Leute alle gefangennehmen, nachdem er die Türen der Gemächer hatte versiegeln lassen. Ich hatte sie bis jetzt immer begleitet. Als sie nun aus dem Hause heraus wollten, fanden sie die Türe, die zur Vorhalle führte, von innen verschlossen. Sie wurde sogleich ausgehoben, und wir fanden eine Anzahl Räuber mit einer neuen Beute beschäftigt, welche sie eben ermorden wollten. Auch dieser Leute bemächtigte sich der Präfekt und befreite aus ihren Händen den unglücklichen Mann, dem er alles wiedergab, was ihm geraubt worden war. Im Augenblick des Heraustretens in die Straße trafen wir die Frau, wie sie soeben noch eine neue Beute einbrachte. Diese wurde nun auch ergriffen, und man brachte aus dem Hause eine Menge Kostbarkeiten zusammen. Die Räuber wurden hierauf alle an der Mauer des Hauses aufgespießt; die Frau aber wurde auf ein Kamel gebunden, nachdem man sie an ein Brett genagelt hatte, und so in der Stadt herumgeführt. Auch den Beutel des türkischen Viehhändlers erkannte ich unter den aus dem Hause gebrachten Sachen. Ich dankte Gott, daß er mich aus eine so wunderbare Weise gerettet hatte und wunderte mich bloß, daß ich den Freund, der mich dazumal aus ihren Klauen riß, nicht unter ihnen bemerkte. Indes nach Verlauf einiger Tage ging er selber bei mir vorbei. Ich erkannte ihn sogleich. Er war seitdem Mönch geworden und hatte die Kleider der Fakire angelegt. Er grüßte mich, doch ohne weiter mit mir zu sprechen. Als er indes nach einer Weile wieder zurückkehrte, da drang ich in ihn und bat ihn, mir zu sagen, wie er sich von jenen Leuten hätte losreißen können. »Ach!« sagte er, »ich habe sie von dem Tage an verlassen, wo Gott dich durch meine Hand gerettet hatte; denn sie wollten mir nicht mehr gehorchen. Seitdem habe ich es verschworen, mich nie mehr mit solchem Volke einzulassen. Ach, wenn du wüßtest! Ägypten ist voll von diesen Leuten, und sie lassen keine List unversucht, um einen Menschen zu fangen.« – »O, erzähle mir doch etwas von dem, was dir in diesem Hause begegnet ist.« – »Ich war nie bei solchen Szenen zugegen,« antwortete er, »denn mein Geschäft betraf bloß den Ein- und Verkauf. Indes von jener Frau muß ich dir doch erzählen, wie sie einst eine Braut geraubt hat.

 

Neunhundertundachtunddreißigste Nacht.

Unter dem Vorwände, daß bei ihr eine Hochzeit gefeiert würde, lud diese Frau einst eine Braut als Hochzeitgästin ein. Diese sagte zu, und an dem bestimmten Tage kam daher die Frau, holte die Braut ab und brachte sie durch die bekannte geheime Tür hinein. Sogleich stürzten sich vier Leute auf sie zu, um sie zu töten und sie ihres Geschmeides zu berauben; allein das Mädchen bat sie und sprach: »Ich bin eine Braut; mich zu töten, ist für euch kein Ruhm; auch habe ich euch nicht beleidigt, so daß ihr etwa Ursache hättet, euch zu rächen. Nehmet indes alles, was ich habe, ich will euch gern verzeihen.« Da sie sehr schön war, so machten ihre Bitten großen Eindruck. »Wir fürchten bloß,« sagten hierauf die Räuber, »daß du uns verrätst.« – »Ich will bei euch bleiben,« erwiderte die Braut, »nicht aus dem Hause treten, sondern euch bedienen.« Dieser Vorschlag wurde angenommen, und der Vorsteher der Bande gewann sie so lieb, daß er sie für sich erkor. So war sie bereits ein ganzes Jahr bei ihm gewesen und hatte sich bemüht, sie gut zu bedienen, und sie hatten sich schon ganz an sie gewöhnt. Doch als sie einst tief in die Nacht hinein getrunken hatten und im höchsten Grade berauscht waren, nahm sie ihre Sachen, entwendete dem Anführer fünfhundert Goldstücke und schor mit einem Rasiermesser allen diesen Leuten den Bart ab, schwärzte ihre Gesichter und ging davon. Als sie nun aufwachten, waren sie in der größten Bestürzung und sahen, daß das Mädchen sie überlistet hatte.«

Jetzt erzählte der Siebente folgende Geschichte:

»Eine Sängerin von vorzüglicher Schönheit, und berühmt durch ihre Kunst, begab sich einst auf einen öffentlichen Spaziergang und setzte sich dort in eine Laube. Da näherte sich ihr ein Mann, dem eine Hand abgehauen war, und bat sie um etwas, indem er sie streichelnd mit dem verstümmelten Arme berührte. Sie fertigte ihn aber mit den Worten ab: »Gott möge dir helfen!« Nach Verlauf mehrerer Tage kam ein Mann, der sie einlud, in einer Gesellschaft zu singen. Zugleich gab er ihr etwas für die Mühe ihres Ausganges. Sie machte sich nun mit einigen ihrer Gefährtinnen auf den Weg und nahm, was sie nötig hatte, mit. Der Mann, der sie eingeladen hatte, führte sie in eine lange Straße, an deren Ende ein schönes Gebäude stand. In dieses traten sie hinein, fanden aber niemanden. Sie fanden indes den Ort außerordentlich schön; überall waren bereits Kerzen angezündet, und der kostbarste Nachtisch nebst Wein stand bereit. In einem andern Zimmer war Speise, und noch ein anderes Gemach enthielt bequeme Betten. Sie setzten sich nieder, und in diesem Augenblick bemerkte sie, daß derjenige, der ihr die Tür geöffnet, auch nur eine Hand hatte. Dies mißfiel ihr gleich anfangs; indes verweilten sie darin noch einige Zeit, bis endlich ein Mann erschien, der die Lichter anordnete und die Wachskerzen anzündete. Dieser war auch einhändig, und sie bemerkte nun, daß das Haus mit Einhändigen angefüllt war. Als die Gesellschaft beisammen war, trat der Herr des Gastmahls herein. Er war mit köstlichen Stoffen bekleidet, und alle Anwesenden standen vor ihm auf und baten ihn, sich voran zu setzen. Seine Hände waren in seinen Ärmeln verborgen. Man überreichte ihm hieraus zu essen, welches er zu sich nahm, sowie auch Getränk; die übrige Gesellschaft tat desgleichen, und darauf wuschen sie sich die Hände. Da winkte der Besitzer des Hauses der Sängerin, tat sehr freundlich gegen sie, und nachdem die Gesellschaft noch einige Zeit mit Trinken zugebracht hatte, sagte er zu ihr: »Kannst du denn demjenigen noch Gesellschaft leisten, der sich von dir einst etwas erbat, und den du so schnöde abwiesest?« Sie sah ihn nun genau an und erkannte in ihm jenen Einhändigen, dem sie das Almosen verweigert hatte. »Was meinst du damit?« fragte sie ihn hieraus. »Warte ein wenig,« erwiderte er, »es wird dir schon einfallen.« Mit diesen Worten strich er sich seinen Bart, nahm ihr ihren Schleier und ihre Schuhe weg, legte sie an seine Seite und sprach: »Nun singe, du Schändliche.« Sie mußte denn auch wirklich bis zur Erschöpfung singen, während die übrigen immerfort tranken, so daß sie endlich ganz berauscht waren. Jetzt näherte sich ihr der Türsteher und sprach: »Meine schöne Frau, fürchte nichts. Wenn du wirst weggehen wollen, so zeige mir es nur an.« – »Ach, das ist nicht dein Ernst,« antwortete sie, »du willst mich nur tiefer ins Unglück stürzen.« – »Bei Gott,« erwiderte er, »ich habe Mitleid mit dir; denn unser Oberster, dein Nachbar, hat nichts Gutes gegen dich im Zinne; er will dich nämlich diese Nacht noch töten.« Da sagte die Frau zum Türsteher: »Wenn du mir Gutes erweisen willst, so ist jetzt der Augenblick dazu.« – »Wohl,« sagte er, »wenn unser Oberhaupt jetzt aufstehen wird, um in ein anderes Zimmer zu gehen, so werde ich ihm mit Licht vorangehen und werde hinter mir die Türe offen lassen; durch diese kannst du dann gehen, wohin du willst.« hierauf fing sie wieder an zu singen, und der Einhändige freute sich darüber. Als sie indes zu ihm sagte: »Wenn du doch nicht ein so abscheulicher Mensch wärest!«, so erwiderte er ihr höhnisch lächelnd: »Bei Gott, du sollst das Tageslicht nicht mehr erblicken.« Zwar legten nun seine Freunde Fürsprache für sie ein, allein er ließ sich nur unter der Bedingung erbitten, daß sie bei ihnen ein volles Jahr bleiben sollte, ohne je auszugehen. »Ach,« erwiderte sie, »ich will gern tun, was dir beliebt, und wenn ich ja gefehlt habe, so bist du gewiß großmütig genug, um mir es zu verzeihen.« Er schüttelte indes bei diesen Worten mit dem Kopfe. Endlich stand er aus, um in ein andres Zimmer zu gehen, während seine Freunde noch fortspielten und forttranken. Jetzt winkte die Frau ihren Freundinnen, die mit ihr sofort aufstanden und aus dem Zimmer und dann aus dem Hause, dessen Tür sie offen fanden, hinauseilten. Entschleiert, wußte sie nicht, wo sie sich hinwenden sollte. Endlich kamen sie bei einem Koche vorbei, zu welchem sie sagte: »Willst du einem Toten das Leben wiedergeben?« – »Kommt zu mir in den Laden,« erwiderte dieser, »dort legt euch schlafen, damit ihr euch erholt.« Das taten sie denn auch, und er bedeckte sie, damit man sie nicht finden möchte, mit einer Menge von Spänen, womit er die Speisen zu kochen pflegte. Kaum hatten sie an diesem Orte eine Weile ausgeruht, als sie schon die Stimmen ihrer Verfolger vernahmen und Leute nach allen Richtungen umherlaufen und den Koch befragen hörten, ob jemand bei ihm vorbeigegangen wäre. Dieser antwortete ihnen indes: »Niemand.« Sie hörten gleichwohl nicht auf, um den Laden herumzugehen und zu suchen, bis der Morgen anbrach, worauf sie, ohne ihren Zweck erreicht zu haben, wieder weggingen. Der Koch befreite nun die Sängerin von ihrer Decke und sagte: »Steht nun auf, ihr seid jetzt vom Tode befreit.« Sie schickten nun sogleich nach Hause, um sich einen Schleier holen zu lassen. Dieser wurde gebracht, und sie begaben sich nun heim, wo sie sich denn von nun an bekehrten und Buße taten. Das war recht, wie das Sprichwort sagt: Freude nach Kummer.«

Alle Anwesenden verwunderten sich über diese Erzählung, und der neunte Vorsteher begann sodann folgende Geschichte:

»Mir ist etwas begegnet, was alles früher Erzählte an Sonderbarkeit übertrifft. Es wurde nämlich einst in der Stadt etwas von bedeutendem Wert gestohlen, und ich wurde nebst einigen meiner Gefährten aufgefordert, den Dieb zu entdecken. Da es uns aber nicht sogleich gelang, so baten wir uns noch einige Tage Frist aus. Wir verteilten uns nun in die Stadt; ich meinerseits aber begab mich mit fünfen meiner Gefährten in die Umgegend. Als ich ungefähr zwei Parasangen von der Stadt entfernt war, überfiel uns ein lästiger Durst. Wir begaben uns in einen Garten, und ich trat zu einem bedeckten Wasserbehälter, in welchen das Wasser durch ein Rad gebracht wurde. Ich ging hinein und trank, verrichtete meine gesetzlichen Abwaschungen und betete. In diesem Augenblick trat der Aufseher dieser Wasserkunst hinein, redete mich zornig an und fragte mich, wer mir erlaubt habe, hier hereinzukommen. Doch damit begnügte er sich nicht, sondern er schlug mich so sehr, daß ich beinahe ohnmächtig hingesunken wäre, sodann band er mich neben dem Ochsen, der das Wasserrad in Bewegung setzte, an und zwang mich durch Peitschenhiebe mit dem Ochsen zugleich das Rad zu drehen. Nach vieler ausgestandener Pein band er mich endlich los und ließ mich laufen; allein ich war zu schwach, um weit zu gehen, und setzte mich daher hin, um wieder etwas Kräfte zu sammeln, von meinen Freunden sah und hörte ich übrigens nichts. Ich entschloß mich also, in die Stadt zurückzukehren, wo ich meine Gefährten glücklich wiederfand. Da ich vor Wut brannte, mich an diesem schändlichen Aufseher zu rächen, so sagte ich zu ihnen: »Ich habe das gestohlene Gut gefunden und den Dieb entdeckt; allein es ist dabei die größte Eile nötig. Da ich fürchte, er möchte etwas ahnen und, wenn ich allein hinkäme, mir entfliehen, so wollen wir uns alle zu ihm begeben und durch irgend eine List uns seiner bemächtigen.« Wir gingen also miteinander zu dem Manne hin, der mich so schrecklich behandelt hatte. Ich wollte ihm nämlich Gleiches mit Gleichem vergelten und lügenhafterweise ihn für den Dieb ausgeben. Als wir nun hinkamen, fanden wir einen Knaben bei ihm, den wir nebst ihm festbanden. Der letztere indes schrie, weinte und sagte: »Bei Gott, glaubt mir, ich war nicht mit ihnen beisammen; seit sechs Monaten habe ich die Stadt nicht betreten, auch habe ich das gestohlene Gut nirgend anders als hier zum erstenmal gesehen.« – »Wohlan,« sagten wir, »wenn wir dich sanft behandeln sollen, so zeige es uns.« Er führte uns nun an einen Brunnen, der nicht weit von dem Wasserbehälter entfernt war, grub daselbst die Erde auf und brachte alles Gestohlene heraus, woran auch nicht das Geringste fehlte. Wir bemächtigten uns der geraubten Sachen, nahmen den Aufseher mit uns und führten ihn nach dem Polizeiamtsgebäude, wo wir ihn nackt auszogen und ihn durch Peitschenhiebe zum Geständnis sehr vieler anderer Diebstähle brachten. Ich fand es sehr sonderbar, daß die Rache, die doch eigentlich nur mein Zweck war, uns zur Entdeckung eines Diebstahls gebracht hatte, der vielleicht noch lange verborgen geblieben wäre.«

»Was das anbetrifft,« sagte der zehnte Vorsteher, »so kann ich noch etwas Auffallenderes erzählen. Einer meiner Freunde, ebenfalls Vorsteher, begegnete einst einem Juden, der einen Korb trug, worin fünftausend Goldstücke waren. Da sagte dieser Freund von mir zu einem seiner Sklaven: »Könntest du wohl diesem Juden das Geld aus dem Korbe nehmen?« – »Ich will es wohl versuchen,« erwiderte dieser. Auch brachte er ihm wirklich den andern Tag den Korb. »Gehe jetzt,« sagte nun der Aufseher zu ihm, »und vergrabe ihn an den und den Ort.« Nachdem jener dies getan hatte, benachrichtigte er seinen Herrn davon. Den andern Tag, als große Sitzung im Polizeiamte war, kam der Jude mit einigen seiner Freunde, beklagte sich über sein Unglück und sagte, ihm sei Geld gestohlen worden, welches dem Sultan gehöre, daß er indes überzeugt sei, wir würden ihm zu seinem verlorenen Gelds wieder helfen. Wir vertrösteten ihn wie gewöhnlich aus drei Tage.

 

Neunhundertundneununddreißigste Nacht.

Der Vorsteher befahl hierauf seinem Sklaven, der das Geld genommen hatte, alles anzuwenden, um in das Haus des Juden etwas zu bringen, was ihn verdächtig und für sein Leben besorgt machte. Das tat er denn auch, und zwar bediente er sich folgender List. Er schnitt nämlich einer toten Frau die Hand ab, an deren Finger ein goldner Ring steckte, legte sie in einen Korb und vergrub sie unter eine Diele des Hauses des Juden. Wir begaben uns nun fort, durchsuchten einige Häuser und kamen dann auch zu dem Juden, wo wir den bewußten Korb fanden. Wir legten nun sogleich den Juden als einen Mörder in Ketten. Als der bestimmte Tag herangekommen war und wir den Präfekten bereits von der Sache unterrichtet hatten, kam ein Mann von seiten des Sultans, welcher befahl, den Juden anzunageln und sodann die fünftausend Goldstücke zu bringen; denn es sei nicht möglich, daß eine solche Summe so leicht verloren gehen könne, wofern nicht böser Wille dabei im Spiele wäre. – Da merkte er, daß die List nicht gelungen war. Er ging nun sofort aus und begegnete unterwegs einem Jungen, den er angriff, durchprügelte und ihn aus das Polizeiamt brachte. Dort schlug er ihn nochmals und sagte: »Das ist der Dieb.« Er wollte ihn durch Prügel zum Geständnis bringen; allein er gestand nichts. Doch wie er das vierte Mal gepeinigt worden war, sagte er: »Ich will Euch das Geld bringen.« Man band ihn los, und er mußte die Polizeibeamten dahin leiten. Ich war mit bei ihnen, und zum allgemeinen Erstaunen führte er uns an den Ort, wo der Sklave des Vorstehers das Geld hin vergraben hatte. Als der Präfekt diesen Fund sah, freute er sich außerordentlich, gab dem Vorsteher große Belohnungen, bekleidete ihn mit Ehrenpelzen und brachte das Geld zum Sultan zurück; den Jungen aber hielten wir noch fest. Jetzt sagte ich zu meinem Freunde, der das Geld eigentlich genommen hatte: »Wahrscheinlich hat der Junge den Mann gesehen, der das Geld vergraben mußte.« – »Bei Gott, das ist nicht möglich,« erwiderte dieser, voll Begier, zu wissen, wie der Junge dieses hatte erfahren können, begab ich mich zu ihm und pflegte seiner, bis er wieder zu Kräften kam. Dann sagte ich zu ihm: »Nun entdecke mir, wie du das Geld gestohlen hast.« – »Ach,« sagte er, »ich versichere Euch bei Gott, ich habe es nicht gestohlen; auch habe ich es nicht eher gesehen, bis ich es aus der Erde hervorzog.« – »wie ist denn das möglich?« unterbrach ich ihn. »Ach,« sagte er, »ich weiß sehr wohl die Ursache, warum ich in Eure Hände geraten bin. Die Nacht vorher hatte ich nämlich meine Mutter gemißhandelt und sie geschlagen; da verfluchte sie mich und sagte: »Gott wird dich in die Hände eines Bösewichts bringen.« Da sie nun eine sehr fromme Frau ist, so fürchtete ich bei einem längeren Verweilen bei ihr einen noch härtern Fluch von ihr zu empfangen und ging daher schnell von ihr weg. Da traft Ihr mich dann in der Straße und behandeltet mich so, wie Ihr wißt. Als ich vor Schmerz über Eure Schläge meines Verstandes schon ganz beraubt war, glaubte ich einen innern Ruf zu vernehmen, der mir befahl, die Sache zu gestehen und aufs Geratewohl Euch irgendwohin zu führen. Dieses innere, unbeschreibliche Gefühl leitete mich dann an den Ort, wo Ihr das Gesuchte fandet.« Über diese Erklärung verwunderte ich mich, suchte ihn aus dem Gefängnisse zu befreien und pflegte ihn, da ich sah, daß er noch ein frommer Mensch werden würde.«

Über diese Geschichte verwunderten sich alle Gegenwärtigen, und der elfte Vorsteher begann sodann folgendermaßen:

»Einer meiner Freunde, den ich redend einführen will, hat mir folgende Geschichte von einem Diebe erzählt:

»Als ich eines Tages auf den Markt gegangen war, bemerkte ich einen Dieb, der eben den Laden eines Wechslers erbrochen hatte und daraus eine große Schachtel entwendete, mit welcher er sich sodann in einen Begräbnisort begab. Ich folgte ihm dahin. Er öffnete dort die Schachtel, um zu sehen, was darin sei. In diesem Augenblicke näherte ich mich ihm, klopfte ihn aus die Schulter und sprach: »Guten Tag, Freund.« Darüber erschrak er fürchterlich. Ich ließ ihn indes stehen und ging davon. Nach einigen Monaten begegnete ich ihm wieder, als er, soeben von der Polizei ergriffen, auf die Präfektur geführt wurde. Sowie er mich sah, rief er aus: »Den haltet fest, denn er war mit dabei.« Sie ergriffen mich nun und schleppten mich fort. Als wir vor den Präfekten kamen, fragte ihn dieser: »Was hast du denn mit diesem da gemein?« Da wendete sich der Dieb um, sah mich an, trat mir immer näher und sagte: »Wer hat euch denn gesagt, diesen da zu greifen?« – »Du hast uns ja selbst zugerufen,« erwiderte man ihm; »auf dies haben wir ihn festgenommen.« – »Behüte Gott,« sagte er daraus, »den kenne ich gar nicht, so wie er auch mich nicht kennt. Ich habe einen ganz andern Mann gemeint, der vorbeiging.« Darauf ließen sie mich wieder los. Nach einiger Zeit begegnete er mir wieder, grüßte mich und sprach: »Mein Herr, ein Schrecken für den andern, hättest du dazumal mir etwas abgenommen, so hättest du meine Strafe mit mir teilen müssen.« Mit diesen Worten ging er fort.« –

Der zwölfte Vorsteher begann nun seine Geschichte wie folgt:

»Einer meiner Freunde erzählte mir einst folgende Geschichte, die ihm selbst begegnet ist:

»Als ich einst spät in der Nacht aus einer Gesellschaft nach Hause ging, bemerkte ich in der Straße eine Diebesbande. Sowie ich merkte, daß sie mich sahen, wurde mir sehr übel zu Mute. Indessen stellte ich mich betrunken, taumelte von einem Hause zum andern, und mich bald rechts, bald links wendend, rief ich: O, ich bin betrunken!« Zugleich stellte ich mich, als hätte ich sie nicht gesehen. Allein sie gingen immer hinter mir her, bis ich an mein Haus kam und an die Türe geklopft hatte, da erst entfernten sie sich. Als ich einige Tage darauf an der Türe meines Hauses stand, sah ich einen jungen Mann aus mich zukommen, der, an eine Kette geschmiedet, von einer Polizeiwache geführt wurde. »Mein Herr,« rief er mich an, »gib mir etwas, um Gottes Lohn.« Ich erwiderte: »Gott wird dich unterstützen.« hierauf sah er mich lange an und sprach: »Das, was du mir geben könntest, wird nicht den Wert deines Turbans, noch deines Gürtels, noch irgend eines deiner Kleidungsstücke, auch nicht den des Goldes oder des Silbers haben, welches du an einem gewissen Tage bei dir trugst.« – »Wie meinst du das?« fragte ich ihn hierauf. »Denke nur an jene Nacht,« erwiderte er, »wo du betrunken vor Dieben herumtaumeltest, welche dich nackt ausziehen und dir alles rauben wollten. Ich war damals mit unter ihnen und sagte zu ihnen: »Das ist mein Herr, der hat mich erzogen, und den dürft ihr nicht anrühren.« Auf diese Weise habe ich dich damals aus ihren Händen gerettet.« Da sagte ich zu ihm, er möchte stehen bleiben, bis ich in mein Haus gegangen wäre, von daher holte ich eine Summe Geldes und gab sie ihm, welches, wie ich hoffe, Gott angenehm gewesen sein wird, und so ging er davon.«

Der dreizehnte Vorsteher sagte hierauf: »Ich weiß eine weit schönere Geschichte« und begann diese dann mit folgenden Worten:

»Ehe ich noch Polizeibeamter wurde, hatte ich einen Laden von seidnen Zeugen. Da pflegte denn immer ein Sklave zu mir zu kommen, der einer Person diente, die ich nur vom Sehen kannte. Ich gab ihm alles, was er brauchte, und er bezahlte mich immer pünktlich. Eines Tages war ich in Gesellschaft mehrerer Freunde, bei denen ich mich bis spät in die Nacht aufhielt. Wir tranken, belustigten uns und spielten endlich das Spiel Taab. Einer unter uns wurde daher zum Wesir ernannt, ein anderer wurde zum Sultan gemacht, und ein dritter mußte Scharfrichter fein. Als wir im besten Spiele waren, trat ohne unsere Erlaubnis ein Schmarotzer herein, den keiner von uns kannte. Wir ließen uns indessen nicht stören, und er spielte mit uns. Endlich sagte der Sultan im Spiele zum Wesir: »Führt mir den Schmarotzer vor, der ohne Erlaubnis zu den Leuten geht, damit wir erfahren, wer er ist. Ich werde ihm dann den Kopf abhauen lassen.« Der Scharfrichter schleppte ihn vor den Sultan, und da wir bei uns einen Säbel hatten, der so stumpf war, daß er kaum Butter zerschnitten haben würde, so sprach der Sultan zum Scharfrichter: »haue ihm den Kopf ab.« Er hieb zu, und zu unser aller Entsetzen fiel der Kopf wirklich herunter. Der Rausch des Weines verließ uns auf der Stelle, und wir befanden uns in dem grausamsten Zustande. In der Verlegenheit wußten wir kein besseres Mittel, als den Körper herauszuschleppen und ihn nach Möglichkeit zu verscharren. Ich aber nahm den Kopf und wollte ihn in den Fluß werfen. In meiner Trunkenheit ging ich denn also in meinen blutbespritzten Kleidern fort. Aber mitten auf meinem Wege begegnete mir ein Mann, den ich für denjenigen erkannte, der vormals von mir die Waren angenommen hatte, jetzt aber zu einer Diebesbande gehörte. Er erkannte mich und fragte: »Bist du nicht der und der, und was trägst du denn da?« Da beantwortete ich seine Frage und erzählte ihm die ganze Geschichte. Er ließ sich nunmehr den Kopf zeigen und erkannte ihn für den seines leiblichen Bruders.

 

Neunhundertundvierzigste Nacht.

Jedoch um uns genauer davon zu überzeugen, gingen wir an den Fluß und wuschen ihn ab, und er überzeugte sich, daß er sich nicht geirrt habe. »Ja,« sagte er hieraus, »es ist mein Bruder. Er hatte die Gewohnheit, sich bei den Leuten einzuschleichen, um eine gute Mahlzeit zu genießen und sich zu belustigen.« Der Mann warf indessen doch den Kopf ins Wasser; ich aber war tödlich bestürzt. »Fürchte nichts,« sagte er indes zu mir, »du sollst die Strafe dieses Unglücks nicht tragen, da es ganz wider Willen geschehen ist.« Er half mir alsdann meine Kleider abwaschen, begleitete mich bis an mein Haus und verließ mich da, indem er mir nochmals sagte: »Fürchte nichts und sei unbesorgt; denn du hast mir früher Freundschaft erwiesen, und von nun an sollst du mich nicht mehr Wiedersehen.« Mit diesen Worten ging er davon.«

Da wunderten sich die Anwesenden über die Zurückhaltung des Mannes, über sein Verzeihen und über seine Höflichkeit.

Nun fing der vierzehnte Beamte an, folgende Posse zu erzählen:

»Ein Dieb ging in ein Haus, um von einem großen Haufen Getreide einen Sack voll zu stehlen. Auf dem Getreide lag ein großer kupferner Kessel, dessen man sich als Maß zu bedienen pflegte. Indes er merkte, daß die Leute des Hauses ihn bemerkt hatten, und hörte, daß sie ihm nachliefen. Nirgends sah er einen Schlupfwinkel und fand sogar daher kein anderes Mittel, als sich in den ungeheuren Haufen Korn schnell zu verbergen und jenen Kessel über seinen Kopf zu decken. Die Leute kamen, suchten ihn überall, fanden ihn aber nicht. Jedoch der Staub des Getreides war dem Manne so in die Nase gefahren, daß er aus einmal schrecklich niesen mußte, und da dieser Ton aus dem Kessel kam, so hoben sie diesen auf und fanden den Mann darunter. Sie ergriffen ihn nun und wollten ihn auf das Polizeiamt führen. Allein er bat sie und sprach: »Seid barmherzig gegen mich und habt Mitleid mit mir, wie ich gegen euch Mitleid gehabt habe; denn als ich sah, daß ihr euch so mühtet, mich zu suchen, nieste ich, um euch den Ort anzuzeigen, wo ich mich verborgen hielt. Erbarmt euch meiner, so wird sich auch Gott eurer erbarmen.« Da ließen sie ihn laufen, ohne ihn zu strafen.

Eine ähnliche Geschichte fällt mir noch ein,« fuhr der Vorsteher fort. »Ein Mann hatte sich bei folgender Gelegenheit den Namen des Unerschrockenen erworben. Einst ging er mit einem seiner Gefährten auf einen Markt, wo sie viele Sachen stahlen; dann trennten sie sich, und jeder ging heim in seine Stadt. Aber an einem gewissen Tage versammelte sich die ganze Diebesbande, und als sie im besten Trinken waren, zog einer unter ihnen einen sehr kostbaren Stoff hervor und sagte: »Wer unter euch wird wohl die Kühnheit haben, es zu wagen, diesen Stoff auf demselben Markte, ja auf demselben Platze zu verkaufen, auf welchem er gestohlen worden ist? Einem solchen wollen wir dann den Zunamen des Unerschrockenen geben.« Da sagte jener: »Ich will es tun.« – »Nun, so mache dich auf,« sagte die Gesellschaft zu ihm, »wir wünschen dir Glück zu deinem Unternehmen.« Er nahm nun am andern Morgen den Stoff, ging aus den Markt, wo er genommen worden war, und setzte sich an denselben Laden, woraus man ihn gestohlen hatte, hier ließ er ihn durch den Ausrufer feilbieten. Dieser nahm den Stoff, bot ihn dem Meistbietenden zum Kauf an, und da der Herr des Ladens den Stoff für den seinigen erkannte, so tat er ebenfalls einige Gebote darauf, schickte aber zum Polizeiaufseher. Dieser kam und bemächtigte sich dessen, der den Stoff gebracht hatte. Indes er war erstaunt, an ihm einen so unerschrockenen Mann zu sehen; auch fand er, daß er schöne Kleider und ein sehr ehrbares Aussehen hatte. Er fand sich daher veranlaßt, ihn vorher zu fragen, woher er dieses Stück habe, »von diesem Markte,« antwortete er ganz unbefangen, »und aus diesem Laden, an welchem ich saß.«

– »Hast du ihn denn von dem Herrn des Ladens gekauft?« – »Nein,« erwiderte er, »ich habe diesen Stoff und noch mehreres andere gestohlen.« – »wie kannst du denn aber,« fragte der Polizeibeamte, »eine Sache an demselben Ort verkaufen, wo sie gestohlen worden ist?«

– »Das,« erwiderte er, »kann ich nur dem Sultan entdecken, und zugleich will ich ihn wegen etwas Wichtigem warnen.« – »Entdecke es mir,« erwiderte der Polizeibeamte. »Bist du der Sultan?« fragte ihn hierauf der Dieb. Ein kurzes Nein war seine Antwort. »Nur dem Sultan will ich mich offenbaren, habe ich dir schon gesagt, bringe mich zu ihm.« Als sie vor diesen kamen, sprach der Dieb: »O Herr, ich will dir etwas entdecken, bitte aber zugleich um deine Gnade.« – »Und was willst du mir denn entdecken?« fragte ihn der Sultan, welchen der Polizeibeamte schon von allen Umständen der Verhaftung jenes Mannes benachrichtigt hatte. »O Sultan,« antwortete er, »ich war ein Dieb; nun aber tue ich Buße und verspreche, dir alles Diebesgesindel und alle Übeltäter in deine Hand zu liefern, und wen ich dir anzuzeigen unterlasse, an dessen Stelle will ich selber die Strafe leiden.« Der Sultan, der wohl einsah, daß der Zweck dieses Mannes nur dahin ging, sich ihm vorstellen zu lassen, weil er dieses sonderbare Mittel gewählt hatte, traute seinen Worten, ließ ihm ein schönes Kleid geben, schenkte ihm seine Freiheit und wünschte, daß er in seiner Buße fortfahren möchte, von da ging dann der Dieb zu seinen Genossen, denen er die ganze Geschichte erzählte, und die ihn dafür den Unerschrockenen nannten und ihm auch noch den Preis dieser Tat, über welchen sie unter sich einig geworden waren, einhändigten. Nun aber nahm der Unerschrockene den ganzen übrigen Teil des gestohlenen Gutes in Beschlag und überlieferte ihn dem Sultan, wodurch er bei diesem zu hohem Ansehen kam, so daß dieser befahl, das ganze Gut ihm zum Lohne zu lassen. Dann fuhr er fort, manchmal Kleinigkeiten zu überliefern, bis man endlich ganz vergaß, daß er früher ein Dieb gewesen war.«

Nunmehr trat der fünfzehnte Vorsteher hervor und sagte: »Ich kann euch ein Beispiel erzählen, daß Gott das eigne Zeugnis der Diebe gegen sie selbst gewandt hat, und zwar kann ich das durch folgende Geschichte beweisen.

Ein Mann hatte lange Zeit das Räuberhandwerk für sich allein betrieben. Nachdem er nämlich anfangs kleine Diebereien begangen hatte, war er endlich so weit gekommen, daß er allein es wagte, einer Karawane etwas zu stehlen. Dabei entging er stets der Wachsamkeit der Behörde, indem er jedesmal in die Gebirge flüchtete. Einmal reiste auch ein Mann durch die Gegend, wo dieser Räuber sich aufhielt. Er war ganz allein und ahnte nicht das Unglück, das ihm hier bevorstand. Kaum hatte er die Hälfte seines Weges zurückgelegt, als jener Räuber auf ihn zukam und ausrief: »Liefre mir aus, was du bei dir hast; denn dies ist die letzte Stunde deines Lebens.« – »Töte mich nicht, sondern nimm den vierten Teil von allem, was ich bei mir habe, an.« – »Ich will das Ganze,« erwiderte der Dieb. »Nun wohl,« sagte der Kaufmann, »nimm die Hälfte und laß mich gehen.« – »Ich teile nicht mit dir,« sagte jener, »das Ganze will ich nehmen und dann dich töten.« – »So nimm es denn hin,« erwiderte der andre. Der Räuber nahm es und schickte sich hierauf an, ihn zu töten. »Was tust du da?« sprach jetzt der Kaufmann, »lastet denn auf mir ein Vergehen, welches Blutrache verdient?« Doch jener ließ sich durchaus nicht erbitten. Da fiel ihm der Mann zu Füßen, drang mit Bitten in ihn und flehte seine Barmherzigkeit an; allein der Räuber hörte gar nicht auf ihn, sondern warf ihn zu Boden. Da sah soeben der Kaufmann ein Rebhuhn hoch über ihm fliegen. In seiner Verzweiflung rief er aus: »O Rebhuhn, bezeuge, daß dieser hier auf die ungerechteste Art mein Mörder ist. Alles, was ich bei mir führe, habe ich ihm angeboten, um mein Leben für meine Kinder zu erhalten; allein er hat sich dadurch nicht bewegen lassen. Zeuge also wider ihn; denn in dem heiligen Koran steht: »Gott ist nicht unaufmerksam auf die Taten der Gottlosen.« Indes alles dieses war vergebens, und der Räuber hieb ihm den Kopf ab. Nach einiger Zeit wurden die Bemühungen der Behörde endlich mit Erfolg gekrönt und der Übeltäter eingezogen. Allein er wußte sich so gut zu benehmen, daß er sich bei den Vornehmsten einschmeichelte, und daß sie in der Hoffnung, er würde ihnen bei Einfangung anderer Räuber nützlich sein können, ihn nicht nur gut behandelten, sondern auch noch reichlich beschenkten. Ja er wurde sogar ein Freund des Präfekten, aß und trank fast täglich bei ihm und wurde so vertraut mit ihm, daß er ihm manche Begebenheit seines früheren Treibens erzählte. Eines Tages wurden bei der Mahlzeit auch gebratene Rebhühner ausgetragen. Als der Räuber diese sah, lachte er laut aus. Darüber erzürnte sich der Präfekt und fragte ihn: »warum lachst du? Spottest du meiner, oder findest du hier etwas Unschickliches?« – »Nein, gewiß nicht,« sprach jener, »allein als ich diese Rebhühner sah, erinnerte ich mich an etwas aus meinen früheren Zeiten.

Da ich nämlich noch Straßenräuber war, überfiel ich einst einen Mann, der in seinem Mantelsacke viel Geld hatte. »Gib mir den Sack,« rief ich ihm zu, »deine letzte Stunde hat geschlagen. Er bot mir den vierten Teil an. dann die Hälfte, endlich das Ganze, damit ich ihn nur möchte gehn lassen; allein ich sagte: »Ich muß dich töten.« während dieses Gesprächs sah er Rebhühner fliegen und rief aus: »Ihr Rebhühner, seid Zeugen, daß dieser ungerechter weise mein Mörder ist und mich nicht für meine Kinder leben lassen will, da ich ihm doch alles, was ich habe, angeboten habe.« Allein ich hörte nicht aus ihn, sondern tötete ihn, ohne mich um das Zeugnis der Rebhühner zu bekümmern.« Über diese Schändlichkeit ergrimmte der Präfekt so sehr, daß er sein Schwert zog und ihm mit eigner Hand den Kopf abhieb, welcher aus den Tisch fiel. In demselben Augenblick hörte man eine Stimme folgende Verse hersagen:

»Wenn du nicht willst mit Bösem behandelt sein, so tue du selbst nichts Böses. Tue vielmehr Gutes, so wird dir Gott mit Gleichem vergelten.

Wenn alles, was dir zustößt, ist dir von Gott vorherbestimmt; allein deine Taten, die Gott auch voraussah, legen den Grund dazu.«

Ruf diese Art hatten denn die Rebhühner wirklich gegen ihn Zeugnis abgelegt.«

Da wunderten sich die Gegenwärtigen und riefen: »wehe den Gottlosen!«

Der sechzehnte Vorsteher erzählte seine Geschichte mit folgenden Worten:

»Eines Tages begab ich mich aus die Reise. Unterwegs kam ein Räuber auf mich zu und wollte mich töten. »Bei mir wirst du nichts finden,« sagte ich zu ihm, »ich habe nichts bei mir, und du wirst von mir nichts gewinnen.« – »Nun wohl,« erwiderte der Räuber, »so habe ich doch wenigstens den Vorteil, dich zu töten.« Da nun nichts half und er sich meiner bemächtigen wollte, gelang es mir, ihm zu entfliehen. Jedoch am Ufer des Nils holte er mich ein, warf mich auf die Erde und kniete mir auf die Brust. Da flehte ich Gott um Hilfe und sprach: »O Herr, rette mich von diesem Bösewicht.« Dieser zog unterdes sein Messer hervor und wollte mich erstechen. In demselben Augenblicke aber kam ein Krokodil aus dem Flusse, stürzte ihn von meiner Brust, nahm ihn in seinen Rachen, während er noch das Messer in der Hand hatte, und ich pries Gott, daß er mich aus eine so wunderbare Art gerettet hatte.«

Hier schwieg Scheherasade, weil sie den Morgen anbrechen sah, und in der nächsten Nacht begann sie folgende Geschichte:


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