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Neunhundertundsiebzehnte Nacht.

Geschichte von dem Könige und der Frau des Kammerherrn.

Ein persischer König hatte die Gemahlin seines Kammerherrn, da er gehört hatte, daß sie sehr schön sei, lieb gewonnen. Dies veranlaßte ihn denn, sich eines Tages zu ihr zu begeben. Als sie ihn erblickte und erkannte, sagte sie zu ihm: »Was bewegt den König zu diesem Schritte?« – »Die Liebe, die ich zu dir habe,« erwiderte er, »und ich erbitte mir von dir deine Gegenliebe.« Diese Erklärung begleitete er mit bedeutenden Geschenken, wie sie manchen Frauen wohl angenehm gewesen sein würden. »Ich kann und darf deine Wünsche nicht erfüllen; denn ich habe einen Gatten,« erwiderte indes die Frau und widerstand dem König auf alle mögliche Weise, weshalb dieser sie ergrimmt verließ, aber seinen Gürtel bei ihr vergaß.

Ihr Mann, der kurz darauf zu ihr hereintrat, erkannte sogleich den Gürtel, und da er des Königs Benehmen gegen die Frauen kannte, schöpfte er sogleich Verdacht und fragte seine Frau, was denn das, was er hier sähe, zu bedeuten habe. »Ich will dir die Wahrheit sagen,« erwiderte sie und berichtete ihm genau den ganzen Hergang. Allein der Mann glaubte ihr nicht, und Zweifel bemächtigten sich seiner Seele. Der König dagegen brachte seinerseits die Nacht sehr unruhig und sorgenvoll zu. Als der Morgen anbrach, ließ er den Kammerherrn rufen, übertrug ihm die Statthalterschaft einer entfernten Gegend, befahl ihm aber zugleich, auf der Stelle dahin abzureisen. Er hatte sich nämlich vorgenommen, in seiner Abwesenheit bei des Kammerherrn Frau seine Wünsche durchzusetzen. Dieser indes durchschaute den Plan des Königs und empfahl sich bei ihm, nachdem er von ihm noch einige Aufträge über die Verwaltung und Herstellung seiner Angelegenheiten in jener Provinz erhalten hatte. Der Kammerherr versammelte noch schnell die Verwandten seiner Frau und eröffnete ihnen mit wenigen Worten, daß er entschlossen sei, seine Frau zu verstoßen. Diese mißbilligten seinen Vorsatz und verklagten ihn auf der Stelle bei dem Könige. Der König, dem die Ursache hiervon unbekannt war, ließ sogleich den Kammerherrn vor sich fordern und fragte ihn: »Warum willst du deine Frau verstoßen? Wie kannst du deine Hand gegen ein so gutes Land feindlich ausstrecken und es verlassen?« Da antwortete er: »Gott beglücke den Herrn, meinen König! Aber wisse, daß ich in diesem Lande die Fußtapfen eines Löwen sah, und ich befürchte, daß, wenn er nochmals dieses Land betritt und ich es noch besitze, er mich zerreißen möchte. Denn was mir begegnet ist, gleicht sehr der Geschichte des alten Weibes und des Seidenhändlers.« Nachdem er vom Könige die Erlaubnis erhalten, sie zu erzählen, fing er folgendermaßen an:

 


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