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Geschichte des Gerbers und seiner Frau

In einer großen Stadt lebte eine sehr schöne Frau, welche einen Offizier zum Geliebten hatte. Ihr Mann, welcher ein Gerber war, ging seiner Geschäfte wegen oft aus, und während seiner Abwesenheit kam der Offizier und unterhielt sich mit seiner Frau bis zu des Gerbers Zurückkunft. Dies Verhältnis hatte bereits eine Zeitlang gedauert, als der Offizier der Gerbersfrau sagte, daß er ein Haus neben dem ihrigen kaufen wolle, woselbst er einen unterirdischen Gang von einem Hause zum andern anlegen wollte. »Du aber mußt zu deinem Manne sagen,« fügte er hinzu, »daß deine Schwester mit ihrem Manne, welche so lange abwesend waren, dieser Tage zurückgekommen seien, und daß du sie in der Nachbarschaft eingemietet habest, um sie alle Augenblicke sehen zu können. »Die Ähnlichkeit meiner Schwester mit mir,« füge dann hinzu, »ist außerordentlich, und ich bitte dich, gehe zu ihrem Manne, dem Offizier, und biete ihm deine Waren an; da wirst du sie sehen und dich überzeugen, daß sie und ich eins sind. Ich bitte dich, tue mir den Gefallen und gehe herum; da wirst du ja sehen, wie dir's gefallen wird.«

Als der Offizier nun seinen verborgenen Gang vollendet hatte und der Gerber von seiner Reise zurückgekommen war, nötigte ihn seine Frau, hinzugehen, weil ihre Schwester ihm etwas zu sagen hätte. Da ging denn der Gerber, ohne von der ganzen Geschichte etwas zu wissen, zu seinem neuen Nachbar, dem Offizier, dem Liebhaber seiner Frau, welche ihm in demselben Augenblicke durch den angebrachten unterirdischen Gang in das Haus des Offiziers voraneilte und sich neben ihn setzte. Der Gerber grüßte beim Eintritt den Offizier und seine Frau und erstaunte nicht wenig über diese außerordentliche Ähnlichkeit. Er traute seinen Augen nicht, sondern eilte, ohne ein Wort zu sagen, in sein Haus zurück. Seine Frau war indessen durch den geheimen Gang bereits vor ihm in ihrer Wohnung angelangt, hatte sich schnell in ihren Hausanzug geworfen und zu einer weiblichen Arbeit hingesetzt.

»Habe ich dir nicht gesagt,« rief sie ihrem Manne zu, als er hereintrat, »daß du zu meiner Schwester hinumgehen sollst, um sie mit ihrem Manne zu bewillkommnen und uns in ihre Freundschaft zu empfehlen?« – »Das habe ich auch getan,« antwortete der Gerber, »allein ich traute meinen Augen nicht, als ich seine Frau sah.« – »Nicht wahr,« unterbrach sie ihn, »habe ich dir nicht gesagt, daß wir uns sehr ähnlich sehen, und daß man uns nur durch die Kleidung unterscheiden kann? Gehe aber nur wieder hinum und vollende dein Vorhaben.«

Der schwerfällige Gerber glaubte ihr und kehrte wieder um; sie aber eilte ihm voran. Als er sie nun so neben dem Offizier sitzen sah, blickte er sie an, blieb eine Weile stehen, grüßte sie, und sie erwiderte seinen Gruß. Doch als er sie erst sprechen hörte, wurde er ganz stutzig. Der Offizier sagte hierauf zu ihm: »Was fehlt dir denn, daß du so verdutzt bist?« Da antwortete der dumme Gerber: »Die Frau, die dort sitzt, ist mein Weib.« Und ohne ein Wort hinzuzufügen, rannte er in sein Haus, woselbst er seine Frau an ihrer Beschäftigung sitzen fand. Er kehrte also wieder zum Offizier zurück, wo er sie wieder neben demselben antraf.

Nun aber schämte er sich vor ihnen, er setzte sich daher nieder und aß und trank mit dem Offizier, welcher ihm indes so zusetzte, daß er ihn berauscht machte. Der Gerber verfiel hierauf in den tiefsten Schlaf, während welchem ihm der Offizier seine Haare nach türkischer Art abschor, ihm eine Kappe aufsetzte, ihm einen Säbel umhing und ihn mit einem Gurt umgürtete, an dem ein Beutel befestigt war. Auch einen Bogen nebst Pfeilen hing er ihm noch an und steckte in seinen Beutel ein Schreiben an den Statthalter von Ispahan, welches den Auftrag enthielt, einem gewissen Rustam Khumar monatlich hundert Drachmen auszuzahlen, ihm zehn Pfund Brot und fünf Pfund Fleisch zu liefern und ihn unter seine türkische Dienerschaft aufzunehmen. Hierauf steckte er ihm noch ein paar Drachmen in die Tasche und trug ihn in eine sehr entfernte Gegend.

Der Gerber schlief nun fort, bis am andern Morgen die Sonne aufstieg. Als er da erwachte, traute er seinen Sinnen nicht und überredete sich selbst, er sei ein Türke. Bald ging er vorwärts, bald rückwärts, bis er den Entschluß faßte, nach Hause zu gehn, »wenn mich meine Frau kennt,« dachte er, »so bin ich Achmed der Gerber, kennt sie mich nicht, so bin ich Rustan Khumar der Türke.«

Er tat es auch wirklich, doch als ihn seine listige Frau erblickte, schrie sie ihn an: »Wohin willst du, du Türke? Willst du in das Haus Achmeds des Gerbers eindringen? Er ist ein bekannter Mann und hat einen Schwager, der Offizier ist, welchen der Sultan sehr achtet. Wenn du dich nicht sogleich fortbegibst, so rufe ich meinen Mann, daß er dich behandle, wie es sich gebührt.« Als er diese Worte hörte, glaubte er wirklich, er wäre ein Türke, zumal da der Wein noch in ihm wirkte. Er begab sich also hinweg, und da er von ungefähr die Hand in die Tasche steckte, bemerkte er den Brief. Diesen ließ er sich von jemandem vorlesen, worauf er den festen Entschluß faßte, sich seinen Zunftgenossen, den Gerbern, zu zeigen. »Erkennen mich diese nicht, so bin ich wirklich ein Türke.«

Als diese ihn nun von weitem kommen sahen, glaubten sie, er wäre einer von jenen Türken, welche ihnen Arbeit geben, ohne sie dafür zu bezahlen. Sie hatten schon früher deshalb beim Sultan Klage geführt, welcher ihnen Vollmacht gegeben hatte, sie zu schlagen oder mit Steinen nach ihnen zu werfen. Als sie ihn also sahen, bewillkommneten sie ihn mit Knüppeln und warfen mit Steinen nach ihm. Bei diesem Empfange rief er aus: »Nun wohl, ich bin ein Türke, ohne es zu wissen«, und indem er sich des Geldes bediente, das er bei sich fand, mietete er ein Lasttier, reiste nach Ispahan und überließ seine Frau dem Offizier.

 

Achthundertundsiebenundneunzigste Nacht

So niedlich indessen die Geschichte ist, so steht sie doch in keinem Vergleich mit der Geschichte des Kaufmanns, der alten Frau und des Königs.


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