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Geschichte von dem Khablis und seiner Gemahlin.

Khablis war ein sehr verschwenderischer und leichtsinniger Mensch, der diesen seinen Fehler gar nicht erst zu verbergen suchte. Er hatte eine sehr schöne Frau, die von einem seiner Landsleute geliebt wurde, und die dessen Liebe erwiderte. Khablis indes war sehr listig und verschlagen. In seiner Nachbarschaft wohnte ein Gelehrter, zu dem die Leute täglich gingen, um von ihm die Geschichte und Moral vortragen zu hören. Auch Khablis besuchte ihn, aber bloß, um vor den Leuten als Freund der Wissenschaften zu gelten. Da aber dieser Gelehrte eine wahre Schönheit zur Frau hatte, so benutzte der Liebhaber von Khablis Frau diesen Umstand, um unter dem Vorwande, er liebe die Frau des Gelehrten – welche indes in dem Rufe der reinsten Tugend stand –, zu seiner Geliebten gelangen zu können, und zwar auf folgende Art.

Er ging nämlich zu dem Manne seiner wahren Geliebten und entdeckte ihm unter dem Siegel der Verschwiegenheit alles, was er von der Frau des Gelehrten bemerkt zu haben vorgab, daß er sie liebe und von ihr wieder geliebt würde. Sodann bat er ihn um seinen Beistand bei diesen Liebeshändeln. Khablis aber glaubte, ihm sagen zu müssen, daß sie sich auf keinen Fall mit ihm in ein Einverständnis einlassen werde. »Ach,« rief der andere, »ich kann unmöglich dem Glück entsagen, sie zu sehen; denn sie entzückt mich, und sie hat große Zuneigung zu mir; auch sticht ihr mein Reichtum in die Augen. Übrigens ist meine Liebe zu ihr zu groß, als daß ich nicht nochmals dich bitten sollte, mir zu helfen.« – »Es sei,« sagte endlich Khablis, »ich werde tun, was du wünschest.« Da sprach jener: »Ich verspreche dir täglich zwei Silberdrachmen mit dem Beding, daß du zu dem Gelehrten gehest und seinem Unterrichte beiwohnest; daß du aber, wenn er dem Ende seines Vortrags nahe ist, dich an ihn wendest und mit ihm laut sprichst. Das wird mir dann ein Zeichen sein, daß er bald aufstehen wird.«

Als sie miteinander hierin übereingekommen waren, ging Khablis zu dem Gelehrten und setzte sich unter die Zuhörer. Währenddessen freute sich der andere, daß Khablis mit den zwei Drachmen zufrieden war, ging zu dessen Frau und hielt sich bei ihr so lange auf, bis der Gelehrte sich zum Aufstehn rüstete, wo alsbald Khablis anfing, sich laut mit ihm zu unterhalten. Auf dieses Zeichen entfernte sich jener von Khablis Frau, deren Mann es nicht ahnte, daß das Unheil bei ihm selbst wäre. Da dies indes sehr oft wiederholt wurde und der Gelehrte es befremdend fand, daß Khablis alle Tage bei seinem Aufstehn sich mit ihm in ein lautes Gespräch einließ, so schöpfte er Verdacht und endete eines Tages seine Sitzung früher als gewöhnlich, nahte sich plötzlich dem Khablis, ergriff ihn unsanft und sprach: »Bei Gott, wenn du ein einziges Wort sprichst, so mißhandle ich dich auf alle Art.« Nun schleppte er den Khablis mit sich zu seiner Frau, die er ganz ruhig und ehrbar an ihrem gewöhnlichen Orte beschäftigt sitzend fand, ohne daß der Schein von irgend etwas Unrechtmäßigem vorhanden war. Da dachte der Gelehrte einige Zeit darüber nach und entschloß sich, schnell in das nächste Zimmer, welches die Wohnung Khablis war, zu gehen. Dieses tat er denn und nahm den Khablis mit sich. Da erblickten sie nun seine Frau in dem vertraulichsten Gespräche mit demselben Manne, der dem Khablis den Auftrag gegeben hatte, ihm durch Zeichen das Ende der Sitzung des Gelehrten anzuzeigen. Sofort sprach nun der letztere zu Khablis: »Du Bösewicht! Das Unheil ist ja bei dir in deinem eigenen Hause, und du warst selbst behilflich dazu.«

Aus Scham und Zorn floh Khablis, verließ das Land und verstieß seine Frau. Dieses sind die Folgen der Bosheit und Schlechtigkeit, und wer in seinem Herzen Trug und List hegt, der wird selbst das Opfer derselben.

 

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Die beiden folgenden Nächte enthalten die Geschichte der frommen Frau, die von ihres Mannes Bruder in Versuchung geführt wurde.« Da diese Geschichte aber bereits im Bande VIII (vierhundertundsiebenundneunzigste Nacht) unter dem Titel: »Die Abenteuer eines Kadis und seiner Frau«, und zwar nur mit geringen Abweichungen von unserer Handschrift, mitgeteilt worden ist, so glauben wir sie hier weglassen zu dürfen und gehen sofort zur nächsten Geschichte über. (Anm. Habichts.)

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