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Neunhundertundfünfzehnte Nacht.

Geschichte von den Listigen, die den Geldwechsler betrogen.

Vier abgefeimte Betrüger vereinigten sich einst, um einen reichen Geldwechsler zu überlisten. Einer von ihnen begab sich nämlich zu ihm, und zwar mit einem Esel, auf welchen er einen Geldsack geladen hatte, und verlangte, daß ihm der Geldwechsler für Silberdrachmen kleine Münze einwechseln sollte, wobei er ihm einen guten Gewinn ließ. In demselben Augenblicke, als er weggehen wollte, näherten sich wie von ungefähr die andern Betrüger und gingen um den Esel herum. Zugleich sagte der eine von ihnen, so daß es der Wechsler hörte: »Er ist's.« – »Halt,« sagte der andere, »ich will ihn doch vorher untersuchen!«, besah sich den Esel und strich ihn von der Mähne bis an seinen Rücken. Nun näherte sich auch der dritte, der ihn ebenfalls überall befühlte und hinzufügte: »Wirklich, er ist es!« Der zweite dagegen sagte: »Nein, er ist es nicht.« Sie hörten nicht auf, sich so lange scheinbar zu streiten, bis einer von ihnen den Besitzer des Esels fragte: »Wie teuer ist dein Esel?« Jener antwortete: »Ich verkaufe ihn nicht unter zehntausend Drachmen.« Sie boten ihm sogleich tausend Drachmen dafür. Doch er weigerte sich und schwor, daß er ihn nicht anders als um den benannten Preis weggeben werde. Sie handelten hierauf immerfort mit ihm, bis sie ihm bereits fünftausend Drachmen geboten hatten. Allein ihr Gefährte, der verkappte Eseltreiber, blieb bei seinem ersten Satze. Der Wechsler, der dieses angehört hatte, konnte nun nicht unterlassen, sich an ihn zu wenden und ihm zu raten, diesen Preis anzunehmen. Allein jener weigerte sich und sagte: »Mein ehrwürdiger Herr, Ihr verstehet Euch auf meinen Esel nicht. Gold und Silber könnt Ihr wohl schätzen, auch vorteilhafte Wechselgeschäfte schließen, aber die Eigenschaften meines Esels sind Euch verborgen. Daher sagt das Sprichwort sehr richtig: Jedes Geschäft will seinen Mann und jeder Erwerb seinen Sachverständigen.« Als den Betrügern die Sache zu lange zu dauern schien, entfernten sie sich, gingen insgeheim zum Wechsler und sagten zu ihm: »Wenn du uns den Esel für fünftausend Drachmen verschaffen kannst, so geben wir zwanzig vom Hundert.« Der Wechsler antwortete ihnen: »Gehet nur weg und entfernt euch: ich will die Sache schon bewerkstelligen.« Sie gehorchten ihm, und der Geldwechsler begab sich zu dem Besitzer des Esels, dessen Habsucht er auf alle mögliche Weise rege zu machen suchte. Zugleich stellte er ihm vor, daß jene nun weggegangen wären, und daß er seinen Esel nun wohl nicht mehr loswerden würde; indes wolle er ihm den Esel abkaufen und ihm den gebotenen Preis von fünftausend Drachmen dafür geben. Allein sie wurden nicht eher eins, als bis der Wechsler ihm fünftausendfünfhundert Drachmen bot, die er ihm auch sogleich auszahlte. Beim Weggehen beschwor ihn der Eseltreiber, daß er den andern seinen Esel nicht anders als um zehntausend Drachmen ablassen möchte. »Denn,« fügte er hinzu, »sie kaufen ihn nur wegen eines verborgenen Schatzes, zu welchem dieser Esel allein sie hinzuleiten vermag. Darum sei fest und folge mir, denn sonst wird es dich gereuen.«

Als der Eseltreiber weggegangen war, kamen seine drei Gefährten zum Wechsler und sagten: »Empfange unsern Dank dafür, daß du ihn gekauft hast. Wie können wir dir dafür dankbar sein?« Der Wechsler erwiderte indes: »Unter zehntausend Drachmen bekommt ihr ihn nicht.« Sie gingen hierauf nochmals zum Esel, betasteten und befühlten ihn und sagten endlich zum Wechsler: »Wir haben uns doch geirrt; das ist gar nicht der Esel. Dieser taugt zu unserm Zwecke nicht und ist für uns nicht fünf Drachmen wert.« Mit diesen Worten gingen sie murrend davon. Der Wechsler rief ihnen aber nach und geriet in einige Angst. »Ihr habt mich ja gebeten, ihn für euch zu kaufen, und da ich es getan habe, so sagt ihr: Wir haben uns geirrt; der ist für uns nicht fünf Drachmen wert.« Sie antworteten indes ganz gleichgültig: »Es schien uns wohl, als hätte er die Eigenschaften, die wir wünschten; allein wir finden das Gegenteil, er hat viele Fehler und überdies auch einen viel zu kurzen Rücken.« Sie gingen mit diesen Worten davon und trennten sich. Doch der Wechsler glaubte, daß sie den Esel nur zum Schein tadelten, um ihn desto billiger zu kaufen. Als sie aber lange ausblieben, merkte er wohl, daß er überlistet sei. Er erhob daher ein großes Klagegeschrei und zerriß sich seine Kleider, so daß sich um ihn eine große Menge Leute versammelte, denen er sein Unheil klagte. Allein ein großer Teil derselben lachte ihn aus und wunderte sich, daß er so töricht sein konnte, unbekannten Leuten so zu trauen, daß er sein Geld für Sachen hingab, deren Wert er nicht kannte.

Doch diese Geschichte ist lange nicht so schön als die von dem Erzbetrüger.«

Da sagte der König Schach Bacht zu sich selbst: »Hätte ich damals ebenfalls dem Gerede Gehör gegeben, welches man gegen meinen Wesir Arrachuan aussprengte, so würde ich mir jetzt große Reue zubereitet haben. Gott sei gelobt, daß ich mit Bedacht dabei zu Werke gegangen bin.« Er entließ hierauf seinen Wesir, und am andern Abend lud er ihn ein, die Geschichte des Erzbetrügers zu erzählen.

 


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