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Geschichte von dem Herrn Jesus, seinen Jüngern und den drei Leuten

Drei Männer gingen aus nach der Stadt, um den König aufzusuchen. Da fanden sie an dem Wege einen Stein von gediegenem Golde, welcher fünfzig Pfund schwer war. Als sie ihn sahen, hoben sie ihn auf und trugen ihn auf ihren Schultern weiter. Als sie in die Nähe einer Stadt kamen, sagte einer zu dem andern: »Wir wollen uns in die Moschee setzen, während daß einer von uns etwas zu essen besorgen mag.« Sogleich machte sich auch einer auf, um diesen Auftrag zu vollführen. Als er nun in der Stadt angelangt war, fiel es ihm ein, daß er wohl die andern hintergehen und das Gold für sich allein behalten könnte. Er kaufte daher Speise und vergiftete sie. Doch sowie er zu seinen Gefährten zurückkam, fielen diese über ihn her und töteten ihn, um das Gold nicht mit ihm teilen zu dürfen. Sodann aßen sie von der Speise und fanden durch sie sogleich ihren Tod, so daß der Rest vor ihnen stehen blieb.

Jesus, der Sohn Maria, über den Heil und Segen komme, ging soeben vorüber und erblickte sie in diesem Zustande. Da bat er Gott, den erhabenen, daß er ihm sagen möge, was sich mit diesen zugetragen habe. Gott erhörte sein Gebet und erzählte ihm ihre Geschichte. Da verneigte sich Jesus dankend, pries Gott und wunderte sich über dieses Ereignis. Als er es nun auch seinen Jüngern erzählte, rief einer von ihnen aus: »O du Geist Gottes, wie gleicht doch diese Geschichte dem Ereignisse, das sich mit mir zugetragen hat.« – »Und wie lautet dies?« – Der Jünger antwortete:

»Ich war in einer Stadt, wo ich in einem gewissen Kloster tausend Drachmen verborgen hatte. Nach einem kurzen Zeitraum ging ich, sie mir zu holen, und band sie in meinen Gurt. Als ich in die Wüste kam, wurde mir doch ihre Last zu schwer, und da ich einen Reiter hinter mir herkommen hörte, so wartete ich ihn ab und sprach: »Lieber Reiter, trage mir doch meine Drachmen, Gott wird dir's lohnen.« Er aber erwiderte: »Das werde ich wohl bleiben lassen, denn ich matte mich und mein Pferd dabei ab.« Indes als er ein kleines Stück weitergeritten war, dachte er bei sich selbst: »Wenn ich sie angenommen und mein Pferd angetrieben hätte und ihm vorgeeilt wäre, wie hätte er mich da einholen können?« Ich dachte aber bei mir selbst: »Ich hätte doch sehr töricht gehandelt, wenn er sie mir aufs Pferd genommen hätte und fortgeeilt wäre? Was hätte ich da getan?« In demselben Augenblicke kehrte er zu mir zurück und sagte: »Gib die Drachmen her, ich will sie dir tragen.« Ich aber sagte zu ihm: »Was dir jetzt eingefallen ist, ist mir eben auch eingefallen. Reise also in Frieden weiter.«

Da sagte Jesus, über den Heil und Segen komme: »Wenn diese Leute mit Vorsicht und Vernunft gehandelt hätten, so hätten sie sich keiner Gefahr ausgesetzt; aber sie haben die Folgen ihrer Taten nicht gehörig bedacht, denn wer mit Einsicht und Vorsicht handelt, besiegt jede Gefahr. Wer aber diese Regel aus den Augen setzt, muß es bereuen.«

Doch diese Geschichte ist nicht so schön als die des gerechten Königs, seines Wesirs und seines ungerechten Bruders.

 


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