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17

»Himmel! Die gestohlene Kette!« riefen Muratow und Isheim fast gleichzeitig. »Wie kommt die hierher?!«

»Sehr einfach! Einer von uns dreien hat sie hierhergebracht, und eben, beim Suchen nach einem Feuerzeug, unversehens aus der Tasche gezogen. Als wir hier eintraten, lag sie noch nicht an dieser Stelle.«

»Einer von uns dreien!« stöhnte der Fabrikant. »Ich werde noch verrückt bei dieser Geschichte! Dieser eine muß doch ... nun, er muß die Kette doch ...«

»Gestohlen haben!« schrie Muratow. »Sprich es nur ruhig aus! Eine nette Tunke, in der wir jetzt stecken, meine Herren! Einer von uns dreien ist ein Dieb!«

»Es sieht fast so aus«, bestätigte Nuber.

Eine Weile herrschte betretenes Schweigen.

»Was nun?« unterbrach endlich Isheim die Stille.

»Ich denke, wir händigen jetzt vor allem der Gräfin die Kette aus«, rief Muratow. »Am besten, wir sagen ihr, sie hätte sich irgendwo gefunden. Wir wollen die Sache nicht auch noch an die große Glocke hängen. Nicht wahr, Nuber?«

Dieser nickte.

»Nein, das wäre sinnlos und unzweckmäßig. Wir melden den Fall beim Kriminalamt. Mögen die herausbringen, wer von uns der Dieb ist.«

So geschah es. Die Gräfin war froh, ihre Kette wiederzuhaben, und gab sich mit der Erklärung der Beamten zufrieden. Der Rest des Abends verlief ohne weitere Zwischenfälle. Nuber, Muratow und Isheim vermieden tunlichst eine Begegnung. Ein jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. – – –

Als Muratow am nächsten Morgen schon frühzeitig bei Isheim vorsprach, empfing ihn der Fabrikant in der denkbar schlechtesten Laune.

»Ich habe die ganze Nacht über die Perlengeschichte nachgedacht«, erklärte er ärgerlich, »und kann mir doch keinen Reim darauf machen.«

»Ich auch nicht«, versetzte der Kriminalbeamte.

»Ich weiß, daß du sie nicht gestohlen hast. Ich weiß auch, daß ich sie nicht gestohlen habe. Es kann also eigentlich nur Nuber gewesen sein!«

»Ich möchte einen Kollegen nicht so ohne weiteres verdächtigen«, sagte Muratow ernst.

»Wenn du Nuber nicht verdächtigst, so verdächtigst du mich«, rief Isheim hitzig.

»Lassen wir lieber diese Frage einstweilen offen«, meinte Muratow beschwichtigend. »Ich komme heute in einer anderen Angelegenheit.«

»In einer anderen Angelegenheit?«

»Ja.« Muratow entnahm seiner Mappe ein Papier und legte es vor Isheim auf den Tisch. »Dieser Wechsel über 10 000 Mark ist mit deiner Unterschrift versehen. Die Kriminalpolizei wünscht eine Erklärung, ob du die Unterschrift als deine eigene anerkennst.«

Der Fabrikant nahm eine Brille aus der Tasche und musterte prüfend das Papier. Nach einer Weile holte er tief Atem und schob den Wechsel von sich. Dann hob er rasch den Kopf und sagte gemessen:

»Die Unterschrift ist gefälscht!«

Muratow nickte zustimmend.

»Das haben wir uns gleich gedacht, als uns der Fall von der Bank angezeigt wurde. Der Kassierer kennt deine Unterschrift genau und äußerte sich ganz entschieden dahin, daß diese hier nicht echt sei.«

Isheim erhob sich.

»Genügt dir meine Erklärung? Ja? Dann läßt du mich wohl jetzt allein. Ich habe viel zu tun, und in dieser Angelegenheit hier werdet ihr wohl alles Weitere selbst veranlassen?«

»Noch einen Augenblick, bitte!« sagte Muratow langsam. »Willst du nicht erfahren, wer deine Unterschrift gefälscht hat?«

»Nein!« entgegnete der Fabrikant schroff und zog die Augenbrauen zusammen. »Das geht mich nichts an. Ihr werdet den Schuldigen ermitteln und bestrafen. Ich aber will damit nichts zu tun haben.«

»Die Person des Fälschers ist uns aber bereits bekannt«, unterbrach ihn der Beamte. »Ich muß dir den Namen nennen, denn es ist eine dir sehr nahestehende Person.«

»Die Person kann mir noch so nahe stehen«, rief Isheim unwillig, »in dem Augenblick, wo sie ein Verbrechen begeht, kenne ich sie nicht mehr. Der Name kümmert mich nicht, aber wenn du durchaus darauf bestehst, kannst du ihn mir ja nennen, damit ich diese Person aus den Reihen meiner Bekannten streiche.«

Muratow zögerte.

»Nun?!« fragte der Fabrikant scharf.

»Die Unterschrift wurde von deiner Frau gefälscht, Waldemar«, sagte Muratow leise.

»Du lügst!« schrie Isheim auf. Seine Finger verkrampften sich in der Tischdecke. Die Adern an seiner Stirn schwollen an. »Du lügst! Du ...«

»Nein, Waldemar!« widersprach der Beamte stirnrunzelnd. »Wir haben einwandfreie Beweise.«

Isheim beugte sich ächzend über den Wechsel. Die Zornesröte war aus seinem Gesicht gewichen und hatte einer geisterhaften Blässe Platz gemacht.

»Einwandfreie Beweise?« würgte er mühsam hervor.

»Ja, leider. Der Fall ist vollkommen geklärt. Wir brauchten nur noch deine Bestätigung, daß es sich tatsächlich um eine Fälschung handelt.«

Isheim hob plötzlich entschlossen den Kopf.

»Du irrst!« rief er hochmütig. »Meine Frau ist keine Verbrecherin! Die Unterschrift ist echt. Ich erinnere mich jetzt ganz genau ...«

Muratow blickte überrascht auf. Doch sofort hatte er seine Gesichtsmuskeln wieder in der Gewalt.

»Das ändert die Sache natürlich«, sagte er und erhob sich mit einer knappen Verbeugung.


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