Theophil Zolling
Die Million
Theophil Zolling

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XX.

An einem heißen Sommertage wurde in der Stülerstraße getauft. Lange hatten Mutter und Kind zwischen Tod und Leben geschwebt. Nun hatte sich auch Adelheid so weit erholt, daß sie dem heiligen Akte beiwohnen und ihren Sitz an der Tafel einnehmen konnte. Nach dem Dessert fand sie Gelegenheit, mit Hans, dem einen der drei Pathen, unbeobachtet einige Worte zu tauschen.

»Kousin, wie ertragen Sie Ihr Los?« fragte sie ihn, und innige Teilnahme sprach aus ihren Worten.

»Mutig,« gab er zur Antwort. »Ein vollständiges Glück gibt es ja doch nicht. So habe ich mir angewöhnt, immer recht viel vom Glücke zu fordern, aber ohne Hoffnung, denn ich weiß, daß das Leben uns kaum die Hälfte unserer Wünsche erfüllt. Ist es auch nur einem kleinsten Teile von meinen vielen Wünschen gnädig, so bin ich zufrieden und mache ein gutes Geschäft dabei.«

»Geschäft!« entgegnete sie vorwurfsvoll. »Sie können nicht glauben, wie schlecht das häßliche Wort in Ihrem Munde klingt!«

»Gewohnheitsache! Mir ist das Wort nicht mehr so schlimm. Sie freilich haben mich stets nur als Träumer und Wolkenschieber gekannt. Aber ich versichere Sie, daß es damit vorbei ist und endgültig vorbei. Ich habe mich zum Realismus der Zahlen bekehrt und denke schon ganz in Ziffern. Fragen Sie nur Ihren Schwiegerpapa, ob ich nicht von früh bis spät und mit Leib und Seele Spinner und Kaufmann bin. Jawohl, meine Gnädige, eine Säule der Firma! ... Nein, ohne Scherz,« versicherte er, da sie traurig den Kopf schüttelte. »Mir geht es schon wie dem Müller, der krank wird, wenn er das gewohnte Klappern nicht vernimmt. Das Brausen der Maschinen gehört zu meinem Leben. Stehen sie still, so fehlt mir etwas. O, keine Musik reicht an das Stöhnen der Motoren, das Zischen des Dampfes, das Schwirren und Pfeifen der Spindeln und Spulen, und knarrt ein schlecht geöltes Rad, so zanke ich zwar mit dem Arbeiter, aber ich möchte ihn segnen, denn dann fallen mir immer die besten Melodien ein.«

»Verraten!« rief sie aus, und über ihr blasses, abgezehrtes Gesicht flog ein Schimmer von Freude. »Sie gestehen unwillkürlich ein, daß Sie noch in Tönen denken.«

»Zuweilen ertappe ich mich dabei,« antwortete er, »aber das hat keine Folgen. Es sind Kielfurchen im Wasser, die keine Spur zurücklassen.«

»Daran thun Sie Unrecht. Erdrückt von der eintönigen Langeweile eines aufgezwungenen Berufes, sollten Sie Vergessenheit, Trost und Stärkung in Ihrer Kunst suchen. Wer weiß, vielleicht später einmal« ...

»Nein, nein, ich habe eine scheue, mimosenhafte Natur, doch einen starken Willen,« unterbrach er sie. »Ich ging ja in eine harte Schule, die mich in Enttäuschungen und Bitternissen geübt hat. So werde ich auch für die Folge darauf verzichten, jemals meine Schwingen zu entfalten, und tröste mich gern. Es muß doch ein Leben nach dem Tode geben, denn wie viel Fähigkeiten hat Gott in unsere Seele gelegt, die hier nicht zur Entfaltung kommen. Gewiß überdauert dies Klingen und Singen in ihr den Tod, und findet sie einst in einem besseren Leben einen anderen Körper und günstigere Verhältnisse, so kann, was jetzt in mir schlummert, einst noch ans Licht dringen und macht die Welt heller, schöner, glücklicher.«

Er sprach die Wahrheit und war wirklich ein Musterkaufmann geworden, aber auch noch mehr: ein wahrer Arbeitervater. Deshalb schmerzte ihn die Wahrnehmung, daß die große Stadt keinen guten Einfluß auf seine Angestellten ausübte. Hinnen hatte nicht ermangelt, ihm seine Beobachtungen und Erfahrungen mitzutheilen, und diese täglichen Jeremiaden waren beinahe trostloser, als die Briefe an seinen Sohn Jakob, besonders nach seinem Abenteuer in der Durststillstation, wo er manches von den sozialdemokratischen Reden des Schlosser-Nante belauscht hatte. Aber wenn er auch zu schwarz sah, so mußte Hans doch eingestehen, daß der Fleiß, die Moral, das Pflichtbewußtsein gesunken waren. Und in seinem ehrlichen, wahrheitdurstigen Sinne schlug er an seine Brust und fragte sich, ob nicht auch die Unternehmer ihr Teil Schuld daran trugen. Alles Übel schien ihm daher zu rühren, daß man die Arbeiter nicht wie Gleichberechtigte behandelte. Sogar der patriarchalische Heller verleugnete den alten Selbstherrscher nie. Er verlangte die stumme Unterwürfigkeit, die im alten Familienverbande der Notwendigkeit entsprach, daß im Haushalte nur einer befehlen kann. Der Tyrann Hinnen-Lotz, trotzdem oder weil er sich aus dem Arbeiterstand emporgearbeitet, regierte unnachsichtig, sackgrob und von oben herunter, als wollte er sich für seine mißhandelte Jugend rächen. Es war die Logik der Unteroffiziere: weil sie einst als Rekruten geschunden worden, müssen sie ihre Rekruten nun auch schinden. Hans aber wollte eine Behandlung, wie sie mündigen, selbständigen Menschen mit gleichen politischen Rechten und einer gewissen Schulbildung gebührte. Auch der geringste Ansetzer mußte in politischer, religiöser und sozialer Beziehung als selbständige Person geachtet und geschätzt werden. So wollte er die stumpfsinnigen, äußerlich verkümmerten und innerlich freudlosen Arbeiter in fleißige und glückliche Menschen verwandeln, die für die Würde, Ehre der Arbeit und das Glück in ihr zeugten.

Um im Kleinen ein Stück Sozialpolitik zu lösen begann er mit allerlei Reformen, die ein freundliches Einvernehmen zwischen beiden Teilen sichern konnten. Er ließ die bisherige Fabrikordnung, die bloß von den Rechten des Arbeitgebers und den Pflichten der Untergebenen handelte und sogar gesetzwidrige Bestimmungen enthielt, durch eine Verordnung ersetzen, welche Rechte und Pflichten beider Teile gleichmäßig abwog. Die unverhältnismäßig hohen und vielen Geldstrafen wurden ebenso abgeschafft, wie alle Bestimmungen, welche Angebereien begünstigten und die ohne Verschulden veranlaßte Entlassung kurzer Hand gestatteten. Von nun an fand der Arbeiter an den Saalthüren die Vorschriften über Anfang und Ende der regelmäßigen Tagesarbeit verzeichnet, über die Pausen, über Zeit und Art der Abrechnung und Lohnzahlung, über die Kündigungsfristen, über die Gründe der Entlassung oder des Austritts aus der Arbeit ohne Aufkündigung, über die Art, Höhe, Festsetzung und Verwendung der bestehenden Disziplinarstrafen, wobei Strafbestimmungen, die das Ehrgefühl der Arbeiter verletzen konnten, streng verboten waren. In der That erwies sich die Neuerung als ganz vortrefflich, und viele kleine Gegensätze zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wurden dadurch gemildert oder im Keim erstickt. Aber dies war nur der erste Schritt auf der eingeschlagenen Bahn. Er suchte durch alle möglichen Wohlfahrteinrichtungen, Prämien, Gratifikationen einen Stamm seßhafter, zuverlässiger, fleißiger und mit dem Vorteile der Fabrik verwachsener Arbeiter heranzuziehen und ihre materielle Lage zu verbessern. Zugleich sorgte er für die billige Beschaffung von durch keine Zwischenhändler verteuerten Lebensmitteln, indem er einen Konsumverein gründete, für den er die nötigen Lagerräume hergab, die Kasse führte und Vorschüsse leistete. Endlich wollte er auch seinen Arbeitern Gelegenheit geben, ihre kleinsten Ersparnisse nutzbringend anzulegen, indem er eine Sparkasse mit einem höheren als dem üblichen Zinsfuße plante. Gewiß würde der Onkel nicht abgeneigt sein, die Gelder seiner Arbeiter entgegenzunehmen und nutzbringend zu verwalten. Mit einem Feuereifer, der ihn alles Übrige vergessen ließ, entwarf er Prospekte und Satzungen, beriet sich mit seinen Arbeitern, studierte ihre Verhältnisse, prüfte ihre Forderungen. Aber mit leeren Taschen treibt man keine Sozialpolitik. Schon hatte er seine Privatmittel allzu sehr in Mitleidenschaft gezogen, das Übrige sollte die Firma thun. So mußte er an Schwiegervater und Onkel herantreten und ihnen begreiflich machen, daß die Firma den größten Vorteil von einer friedlichen Regelung ihrer Arbeiterverhältnisse habe. Dem wahrhaft menschlichen Wohlwollen von oben würde von unten Dankbarkeit und Treue zu Teil werden.

Der alte Heller hörte lächelnd zu, denn er kannte die Begehrlichkeit der Arbeiter. Allein er wollte die schöne Begeisterung seines Schwiegersohnes nicht stören. Er war jung und tapfer, vielleicht würde es ihm gelingen. Aber seinen Onkel, das geistige Haupt der Firma, müsse er notwendig befragen. Indessen war das nicht so leicht. Schon zweimal war Hans nach der Voßstraße gegangen, ohne den von Agenten überlaufenen Konsul in Ruhe sprechen zu können. Jetzt bei seinem dritten Besuche, den er durch den Fernsprecher angemeldet, fiel er schon im Flur seiner Tante in die Hände, die bleich und hüstelnd auf einen Stock gestützt an der Thür ihres Mannes lauschte, durch die man wieder die lauten Stimmen der Agenten vernahm.

»Mit einem Fuß im Grabe,« antwortete sie auf seine Frage nach ihrem Befinden. »Aber mich tötet weniger körperliches Leiden, als der Gram. O die undankbare, schlechte Welt! Meinen guten Mann zu stürzen, der die Seele der Niederdeutschen Bank war! Und wie sie ihn verlästern und verfolgen, den Großen, Herrlichen! Sogar zum gewissenlosen Spekulanten wollten sie ihn stempeln, zum Defraudanten! Wenn sie könnten, sie brächten ihn ins Zuchthaus, sie vergifteten ihn! Aber ich bin da, ich horche, ich passe auf, daß sie ihm nichts anthun. Hörst Du wieder das Lachen? ... Alles Verstellung! Keiner will ihm wohl, keiner ist sein Freund. Das nimmt mir alle Lebensfreude. O, wenn ich meinen Lothar nicht hätte!« ...

Im Tiefsten erschüttert, beruhigte Hans die alte Dame, so gut er es vermochte, aber sie sah ihn kopfschüttelnd an.

»Schwöre mir, Hans,« sagte sie mit geisterhaftem Ausdruck im fahlen Gesicht, »schwöre mir, daß Du ihn schützen willst, wenn ich nicht mehr da bin.«

»Ich verspreche es Dir, Tante,« sagte er und wollte ihr die Grillen ausreden, aber sie beugte sich schon wieder angstvoll zur Thür und kümmerte sich nicht mehr um ihn.

Im Vorzimmer bei Schwarzbach setzte er sich auf einen Stuhl, um zu warten, bis der Onkel allein sein würde. Der Krüppel schwärmte wieder von Beethoven, doch Hans war dazu nicht aufgelegt und erbat sich, um Ruhe zu haben, ein gewisses Konossement aus dem Brieffach. Der Buchhalter, der über die Neunte zwar manches auf dem Herzen hatte, schnellte von seinem Sitzbock und überreichte das Gewünschte.

»Sie haben sich vergriffen, Herr Schwarzbach,« sagte Hans mit einem Blick auf das Papier. »Das ist nicht der richtige Frachtbrief ... indessen Firma und Zeichen stimmen. Wir erhielten aber nur fünfzig Ballen, statt der hier verrechneten fünfhundert.«

Der Kommis strich verlegen die schwarzen Locken aus der Stirn. »Allerdings, Herr Lenz,« stammelte er. »Herr Generalkonsul kauften die Schiffsladung auf Spekulation. Die Spinnerei erhielt wirklich nur ihren Bedarf davon. Die übrigen Ballen sind längst wieder verkauft.«

»Mit großem Verluste wohl?«

Schwarzbach schwieg eine Weile. »Herr Lenz, darüber darf ich keine Mitteilung machen. Der Herr Generalkonsul wird Ihnen schon selbst Rede stehen. Recht sehr möchte ich Sie aber bitten, von dem Frachtbriefe nichts zu erwähnen.«

»Seien Sie ganz ruhig, Herr Schwarzbach. Ich werde Ihnen keine Unannehmlichkeiten verursachen. Nur noch eine Frage. Das ist wohl nicht die erste Spekulation meines Onkels?«

Dem Kommis stand der kalte Schweiß auf der Stirne. Das Geschäftsgeheimnis war ihm eine heilige Sache. »Der Herr Generalkonsul sind stark engagirt,« antwortete er ausweichend.

Das war Hans genug. Nein, den Händen eines Spekulanten durfte er den sauer erworbenen Sparpfennig seiner Arbeiter nicht anvertrauen. Lieber ließ er den ganzen Plan fallen. Er schützte eine Abhaltung vor, die ihn länger zu warten verhindere, und ohne den Onkel gesehen zu haben, mit dem er in dieser Stimmung lieber nicht zusammentreffen wollte, empfahl er sich. Er fuhr mit der Pferdebahn in die Fabrik zurück und suchte seinen Schwiegervater. In der Weberei traf er ihn, hoch auf einem Gerüste, wo er schon den Raum für die Webstühle maß.

»Aber, Papa, was thun Sie da oben? Fürchten Sie sich denn gar nicht vor dem Schwindel?«

»Nein. Ich bin schwindelfrei.«

»Ach, könnte das jeder von sich sagen!« Der Alte stutzte, klappte seinen gelben Zollstab zusammen und sah ihn fragend an. »Ich meine, daß auch mein Onkel schwindelfrei sein möchte,« und nun erzählte Hans dem Heruntersteigenden seine Entdeckung, die den Alten ganz verstörte.

»Teufel! Teufel!« rief er aus. »In Baumwolle spekuliert man sich schnell an den Bettelstab. Aber freilich, er! Gewiß spekuliert er mit Geschick.«

»Wenn er das Glück gegen sich hat, verliert er wie der erste beste Dummkopf,« gab Hans zurück. »Ganze Schiffsladungen kauft er, so tollkühn ist er. Weh ihm, weh uns allen, wenn er verliert!«

»Ganze Schiffsladungen? Tollkühn? Und wenn er verliert?« wiederholte Heller mechanisch, und vor seinen Augen öffnete sich ein Abgrund. »Aber er wird gewinnen! Er muß gewinnen!« rief er hartnäckig, daß er über den leidenschaftlichen Klang seiner Stimme selbst erschrak.

»Ich habe kein Vertrauen zu einem Spieler,« sagte Hans. »Bitte, Papa, reden Sie mit ihm. Machen Sie ihm doch Vorstellungen, sonst zieht er uns alle ins Verderben.«

Heller versprach, den Konsul bei der nächsten Gelegenheit zur Rede zu stellen, doch verzögerte es sich, da Lenz seit einiger Zeit selten in die Fabrik kam. Endlich ließ der Alte sich bei ihm anmelden. Erst sprach er von allem Möglichen, von Baumwollernte und Spekulation, wie um ihn von selbst auf das Thema zu bringen. Es war jedoch alles vergeblich. Der Konsul wich ihm aus, bis der Alte am Ende die Geduld verlor und keine weiteren Umschweife machte.

»Ich hörte von Geschäftsfreunden,« begann er, »daß Sie nur noch selten auf die Börse kommen. Das freut mich, denn es ist doch ein gewagtes Spiel mit diesen Papieren, die heute was wert sind und morgen getrost mit den Lumpen eingestampft werden können. Freilich an der Produktenbörse kann man sein Vermögen ebenso gut verlieren. Aber man hat doch wenigstens etwas in Händen. Zum Beispiel unsere schönen Baumwollballen, nicht wahr?«

Lenz nickte und roch an seiner Upman. Ohne Zweifel war er gespannt, wo der Alte hinaus wollte.

»Man sagte mir in der Stadt, auch Sie seien in Baumwolle stark engagiert.«

»Das ist richtig,« entgegnete der Konsul. »Die Einkäufe für Johannes Lenz & Komp. haben mich mit dem Markt in Berührung gebracht, und da nützte ich einige günstige Konjunkturen.«

»Also gewonnen?« forschte Heller eifrig.

»Ganz namhafte Posten.«

»Gott sei Dank!«

Lenz sah den erleichtert Aufatmenden fragend an und erhob sich vom Sopha. »Herr Schwarzbach,« rief er ins Nebenzimmer, »bringen Sie einmal mein Separatkonto.« Er hatte das Wort scharf betont, aber Heller schien es nicht zu beachten. Bald beugten sich beide über das aufgeschlagene Buch. Lenz hatte den Zwicker vor die Brille gespannt und zählte die einzelnen Posten, bei deren schwindelnd hohen Beträgen es dem Alten vor den Augen grün und gelb wurde, mit erstaunlicher Geschwindigkeit im Kopfe zusammen. Da hatte er schon den Saldo von Soll und Haben bis auf den Pfennig gezogen.

»Reingewinn per Ultimo,« sagte er und wies mit dem goldenen Bleistift auf die ausgeschriebene Zahl.

»495 090 Mark 25 Pfennig!« rief der Alte. »Fast eine halbe Million!«

»Jawohl.« erwiderte Lenz kalt. »Die Villa für Hans ist herausgeschlagen, und die halbe Weberei wäre damit bezahlt.«

»Ein schöner Gewinn!« schmunzelte Heller, noch ganz geblendet. »Aber auch ein hohes Spiel.«

»Ich gestehe, daß ich manche ruhelose Nacht hatte. Aber schließlich war ich doch meiner Hausse sicher. Der gestrige Tag, mein Hochzeittag, hat mir Glück gebracht.«

»Und wenn Sie verloren hätten?« ...

»Ich mußte gewinnen,« sagte der Spekulant mit dem ganzen Starrsinn des Fatalisten, der an seinen Stern glaubt.

»Aber wenn ... aber wenn!« wiederholte der Alte. »Ich setze ja nur den Fall! Die ganze Firma Johannes Lenz & Komp. wäre in die Luft geflogen.«

»Sie irren, Herr Kommerzienrat. Nur ich, Lothar von Lenz. Das ist mein Separatkonto, für das die Firma Johannes Lenz & Komp. nicht aufzukommen braucht.« Der Alte schnitt ein langes Gesicht, und Lenz versetzte schnell: »Es sei denn, daß Sie sich an meinen Spekulationen beteiligen wollten?«

Im Herzen des alten Kaufmanns wogte ein Kampf widerstrebender Gefühle. Der solide Arbeiter in ihm stritt mit dem habsüchtigen Kapitalisten. »O von mir ist nicht die Rede,« sagte er schnell. »Aber die Firma Johannes Lenz & Komp. würde dieser Saldo gewaltig fördern. Ich glaube, Ihr Neffe, der etwas beunruhigt war und, offen gesagt, mich herschickte, wäre über eine solche Beteiligung entzückt.«

Der Konsul ging eine Weile mit großen Schritten auf und ab. Rasch erwog er in seinem kombinierenden Gehirne die Vorteile einer solchen Teilhaberschaft. Zwar opferte er jetzt die Freiheit seiner Dispositionen und einen ansehnlichen Gewinn, aber sein Kredit auf der Börse wurde verstärkt durch den Heller'schen und dessen stets flüssige Baarmittel, und wenn die Zeit der Fehlspekulationen käme, wäre ihm dieser starke Rückhalt willkommen.

»Gut,« sagte er dann. »Halbpart also. Johannes Lenz & Komp. mag an meinem Glücke teilnehmen.« Er öffnete die Thür und rief den Kommis, der katzbuckelnd mit hängenden Locken hereintrat:

»Herr Schwarzbach, tragen Sie mein Separatkonto auf Konto Johannes Lenz & Komp. über. Die Firma beteiligt sich.«


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