Theophil Zolling
Die Million
Theophil Zolling

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XVIII.

Lothar von Lenz machte sich alsbald an die Aufgabe, seiner Cousine die verschiedenen »Nummern« abzugewöhnen und sie in eine tadellose Weltdame und Großstädterin zu verwandeln. Zu dieser Metamorphose brachte sie den besten Willen und ein außergewöhnliches Verständnis mit. Zuerst gewöhnte er ihr die Schminke und Haarfarbe, die ausgeschnittenen Schuhe und bunten Seidenstrümpfe ab und zeigte ihr den diskreten und doch wirksamen Gebrauch des Reispuders. Auch in ihrem Behaben tadelte er manches Kleinstädtische; bald war sie ihm zu keck, bald zu zimperlich; sie mußte die richtige Mitte finden, um nicht kokett und doch verführerisch zu erscheinen. Er prägte ihr die wichtigsten Regeln ein, nach denen eine Salonunterhaltung anzuregen und zu lenken war, und wie bei Tisch oder auf Bällen die Dame des Hauses sich nach vornehmer Etikette zu benehmen hatte. Mit Entsetzen wohnte er einer Abendgesellschaft, einem »Salon« in ihrer Villa bei und verdarb ihr durch seinen Spott gründlich den Geschmack daran, wofür ihm Hans aufrichtigen Dank wußte.

»Nur keinen » salon d'argent!« rief Lothar aus. »Die Geldprotzen sind fürchterlich im gesellschaftlichen Verkehr. Ich werde immer an jene Karikatur eines ähnlichen Jourfix erinnert, wo der neuste Kurszettel von der Börse in den Salon platzt, und die Herren plötzlich ihre Damen stehen lassen und sich um die interessante Lektüre drängen. Bei Ihnen ist es freilich noch nicht so weit gekommen, aber Hand aufs Herz! redeten etwa die Herren untereinander nicht immer vom Geschäft und die Damen von ihren Toiletten, so daß man hinüber und herüber nur – Zahlen hörte? Und plauderten sie einmal zusammen von Theater und gar von Sport, so klang es immer nach Laurahütte und Kreditaktien. Ihr Salon war fast wie eine Filiale der Börse. Den Kurszettel sah man nicht, aber er lag in der Luft.«

»Soll ich also keine Gesellschaften mehr geben?«

»Lieber keine als solche,« war die Antwort. »Suchen Sie sich einen anderen Kreis als diese Säulenheiligen von der Börse und höheren Tütendreher. Und wenn Sie als ein Kind dieses Milieu sich davon nicht freimachen können, so geben Sie der Gesellschaft eine andere Mischung. Diese Kouponschneider sind nur erträglich als Surrogat. Ich werde mir gestatten, Ihren Bekanntenkreis zu verbessern. Sie müssen mehr Adel haben, guten Adel, einige Hofchargen, etwas Berühmtheiten, ein wenig Litteratur und viel Kunst. Auch ein Reichstagsabgeordneter ist unerläßlich, und wäre es auch ein bloßer Schlußantragsteller. Ich werde überdies einige Kameraden bei Ihnen einführen. Die jungen Damen werden es Ihnen danken. Die Alten fast noch mehr.«

In der That war Lothar sofort nach dieser Richtung hin thätig, und die nächsten Gesellschaften in der Charlottenburger Villa fielen feiner und unterhaltender aus. Die bunten Uniformen der Offiziere brachten Farbe in das schwarzweiße Einerlei der befrackten Herren; der alte Baron Berkow war erschienen und mit ihm etwas hannoverscher Adel aus den Herren- und Abgeordnetenhäusern, dazu Regierungs- und Geheimräte mit ihren Damen, einige Professoren, ein Komponist und mehrere Virtuosen, zwei Mitglieder der Hofoper und ein Afrikareisender, und in diesem Gewirr verschwanden die früheren kaufmännischen Besucher des Salons fast gänzlich. Man unterhielt sich gut, speiste, musizierte, tanzte dem entsprechend, und Wicky und ihre Mutter strahlten.

Leider bereitete der Frühling dieser frohen Geselligkeit ein baldiges Ende. Die Salontoiletten machten den Straßenkleidern Platz, und auch hier setzte Lothar manche Reform durch. Eines Tages nahm er ihren neuen Dolman kritisch vor und lachte über die unpassende Tischdeckenfarbe, den überladenen Aufputz, den abenteuerlichen Schnitt, aber sie kreuzte eigensinnig die Arme und schloß jeden Tadel mit dem Refrain: »Neuste Pariser Mode!« Er ließ den Klemmer aus dem Auge fallen und sagte mit einem gewissen Eifer:

»Es mag ja ein Pariser Modell sein, aber es ist für die Ausfuhr gemacht. Wenn Sie doch wüßten, wie sehr die Schneider an der Seine und die kleinen Pariserinnen über solche Waare lachen, womit sich die naiven Ausländerinnen schmücken, im guten Glauben, einem französischen Modepüppchen gleich zu werden! Ich sage Ihnen, kein respektables Geschäft dort würde es wagen, eine solche Vogelscheuche ins Schaufenster zu hängen und sich dadurch bloßzustellen. Für den Export werden meist nur lästige »Restbestände« neu aufgeputzt und unbrauchbare Modelle ausgesucht. Was kümmert es den Pariser Konfektionär, ob sein Modell in Berlin oder Wien schön ist! Es ist nicht mit seiner Firma gezeichnet und kann also den Ruf seines Geschäftes nicht gefährden. Jawohl, Pariser Modell, Pariser Mode, aber nicht für Paris, sondern für die Provinz, das Ausland, den Erbfeind!«

Sie sah ihn eine Weile mit glänzenden Augen an. Er imponierte ihr wirklich, dieser helle Berliner! Aber du lieber Gott, in welchem Damenverkehr mochte er diese Sachkenntnis erworben haben! Jetzt fürchtete sie ihn beinahe. Aber er gefiel ihr trotzdem ... Während sie den Dolman ärgerlich in einen Winkel warf, denn sie mochte ihn gar nicht mehr sehen, kam Hans zum Mittagessen aus der Fabrik, staubig, ermüdet, mit den Gedanken noch ganz im Geschäft. Unwillkürlich schweifte der Blick seiner Frau von dem schmucken Reiteroffizier zu dem Fabrikmenschen und wieder zurück. Ihr Mann küßte sie auf die Stirn und drückte dem Kousin die Hand. Er sah ihn ganz gerne bei Wicky, die ja immer allein war und sich langweilte, und in seinem geraden, unbefangenen Sinn erwachte nie der Gedanke, daß dieser fast tägliche Verkehr in den Augen der Welt bedenklich erscheinen könnte.

»Wie geht es Deiner Frau?« ... Natürlich, das war immer seine erste Frage! O wie sie diese eingebildete Aristokratin haßte, die ihres Gatten Herz und des anderen Hand besaß, ihr also doppelt im Wege stand! Wenn sie sich an ihr rächen konnte, welche Wonne! Aber heimlich, mit tödlichen Nadelstichen, ohne sich bloßzustellen, denn sie war furchtsam und feige.

»Sie darf bald wieder aufstehen. Dann feiern wir Taufe.«

»Und was macht mein Pathchen?«

»Brüllend.«

Das war seine burschikose Verdeutschung von »brillant«, aber es sollte eigentlich kein Witz sein, denn seit er vor einer Woche zur Welt gekommen, Vertrieb der kleine Schreihals ihn tagtäglich von Hause – wenigstens redete er sich's ein – und störte den Schlaf seiner Nächte, die ohnehin so kurz waren. Er erhob sich von seinem Platz und schnallte den klirrenden Säbel um, und auch sie war mißgestimmt. Sollte sie gar eifersüchtig und neidisch auf die Mutterfreuden der Nebenbuhlerin sein? Aber nein, nur keine Kinder! Auch in diesem Gefühle wußte sie sich eins mit Lothar. Wie in allem. Und Hans liebte die Kinder natürlich und wünschte sich welche. Der Spießbürger! Ach, warum hatte das Schicksal diese zwei Ehen so unharmonisch gemischt! ... Während Hans im Nebenzimmer Tischtoilette machte, griff Lothar nach Mütze und Handschuhen. An der Thüre kam sie nochmals auf das Gespräch von vorhin zurück.

»Lieber Kousin, bin nur ich so dumm oder fällt auch Ihre Frau manchmal herein?«

»Adelheid nie,« gab er zurück. »Ihr Geschmack ist zu fein und solide. Sie kauft weniger nach der Mode, als nach dem Spiegel, nicht was modisch ist, sondern was ihr steht. Zum Glücke gestattet ja die Mode von heute jeder Frau, sich eine Toilette selbst zu komponieren, die ihrem Wuchs, ihrem Teint, ihren Neigungen entspricht. Jede Tonfarbe, jeder Schnitt, jedes Modell ist recht, wenn es nur gut läßt. Kümmern Sie sich doch um Gotteswillen nicht um die sogenannte Mode, denn das ist bloß die Kunst, andere Frauen zu seinem eigenen Vorteil zu kleiden.«

»Und wenn mir der feine und solide Geschmack noch fehlt?«

»Dann wenden Sie sich an einen wirklichen Künstler, er sei nun ein Maler oder ein Schneider oder irgend ein Mann von Geschmack.«

»Ich soll mich an einen Schneider wenden?« rief sie aus in provinzialer Entrüstung, die ihm als ein gefährlicher Rückfall erschien. »Wenn Sie wieder eine Toilette brauchen, so sagen Sie es mir,« entgegnete er lachend. »Ich führe Sie zu Monsieur Cellarius oder Sellariüs, denn der Mann ist Franzose. Einfach ein Bekleidungsgenie, Kousinchen.«

»Gehen wir gleich heute nach Tisch. Sie holen mich ab.«

Sie legte den Finger auf ihren Mund, denn eben kam Hans zurück, diesmal statt in der Arbeitjoppe im schwarzen Rock, wohl gekämmt und parfürmiert, so wie sie es haben wollte.

»Du bleibst nicht bei uns zu Tisch?« fragte er den Leutnant.

»Nein, Hans. Frauendienst!«

»Grüße mir Adelheid und die Kleine!« Und bald rasselte der Säbel über den Flur und die Treppe hinab.

Das gemeinsame Mahl ging vorüber wie immer, ohne Mißton, aber nicht in voller Harmonie. Er war artig, doch zerstreut, von Geschäftsorgen und etwas Kopfschmerz geplagt, den er sich stets im Battage holte. Sie nervös, kurz, oft ironisch, doch so liebenswürdig wie stets, wenn sie etwas von ihm wollte. Und diesmal wollte sie ein Kleid von Monsieur Cellarius. Indessen war sie zu schlau, um schon bei Tische davon zu sprechen; hier galt es, bloß die gute Stimmung vorzubereiten. Erst nachher war es an der Zeit, wenn er sich zum kurzen Mittagschläfchen auf den Divan legte, erschöpft von der sechsstündigen Arbeit. Dann gewährte er alles, nur um seine Ruhe zu haben.

Jetzt stand er auf ... »Mahlzeit!« – »Mahlzeit!«

Und nach dem Handkusse verschwand er hinter der türkischen Portiere und warf sich lang über den dunkelrot gemusterten Kurdistan. Doch sie eilte mit dem gelbseidenen Schlummerpuff hinter ihm her und schob ihn auf die als Kopfkissen dienende Kameltasche unter seinen Nacken. Er dankte mit winkender Hand für ihre Fürsorge und schloß die Augen schmerzvoll. Doch so war es nicht gemeint.

»Hans,« sagte sie grausam, »gib mir Geld. Ich habe rein gar nichts anzuziehen.« »Mein liebes Kind,« antwortete er ernst, »Du lebst über unseren Stand. Vergiß nicht, daß Du die Frau eines Fabrikanten bist, der Verpflichtungen und Schulden hat und diese erst einlösen muß, bevor wir an den Luxus denken können.«

»Aber ich bin die Tochter eines Millionärs,« entgegnete sie und warf ihr Stumpfnäschen empor. »Und wenn ich viel brauche, sagt die Mama, so verwende ich doch nur die Zinsen meiner Mitgift, meiner Million.«

»Immer Deine Million, die Du mir vorwirfst!« unterbrach er sie ärgerlich. »Sie steckt in der Spinnerei, und die Zinsen brauchst Du für Deine Toiletten und Festlichkeiten und noch doppelt so viel. Aber so kann es jedenfalls nicht länger fortgehen. Ich werde Dir ein Budget bestimmen, das Du nicht überschreiten darfst.«

»Dann mache ich Schulden!«

»Die ich nicht bezahle!«

»Wenn die Lieferanten mit der Rechnung kommen, mußt Du zahlen, sonst schadest Du unserem Kredit. Ich leide keine Bevormundung!«

»Es muß sein,« sagte er bestimmt, aber seine sanfte Stimme nahm wieder einen wärmeren Ton an. »Nur noch einige Jahre der Einschränkung, und wir holen alles Versäumte ein und denken an uns.«

»Das kenn' ich,« schmollte sie. »Mama behauptet, in Burtscheid war es auch so. Stets wie am Vorabend des Falliments. Nur immer sparen und sich einschränken! Und unterdessen vergeht die Jugend und die Genußfreudigkeit, und wenn man alt und blasiert ist, schwimmt man in Millionen, für die man keine Verwendung mehr hat. Aber nein, nein,« schrie sie auf, »so lang ich jung bin, will ich genießen und leben, hörst Du? leben, leben!«

Sie hatte seine Schulter gefaßt und schüttelte ihn in krampfhafter Wut; ihre Augen blitzten ihn ganz gefährlich an, und die Stirnlocken sträubten sich. Er sprang vom Divan auf und schloß die Sinnlose in seine Arme.

»Wicky, schone Deine Nerven,« rief er aus. »Du sollst ja leben, herrlich und in Freuden, und damit Du es kannst, will ich gerne Tag und Nacht für Dich arbeiten, und wenn ich zu Grunde gehe. Aber ich beschwöre Dich, nimm Rücksicht auf unsere Verhältnisse, sonst erwartet uns der sichere Ruin.«

Doch sie wollte nichts hören, und mit der Drohung alles ihrem Papa zu sagen, der sie gewiß gern unterstützen werde, riß sie sich aus seiner Umarmung los und verschwand ins Nebenzimmer ... Sie wird sich beruhigen, dachte er und wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn. Dann warf er sich wieder auf den Divan, aber der Auftritt zitterte in seinen Nerven nach, so daß der Schlaf ihn floh. Gedankenvoll wand er sich auf seinem Lager. Seit wann war seine Frau eigentlich so aufgeregt? Ach, hatte er sie denn je anders gekannt? Höchstens während der Brautschaft und in den ersten Tagen ihrer Ehe. Hysterisch nannte sie der Hausarzt, der von einer künftigen Mutterschaft Heilung versprach. Dann hatte es ja gute Wege ... Mit einem Seufzer legte er sich auf das andere Ohr, aber was war das? Hallte da nicht die Fabrikglocke durchs offene Fenster herein? Fort an die Arbeit, Sklave, und tröste Dich mit Deinen Arbeitern, die nicht so gut gegessen haben und nicht so weich lagen und größere Not leiden als du! Und bleicher und abgespannter als zuvor eilte er in die Fabrik, ohne ein gutes Wort von ihr, die sich in wildem Trotz eingeschlossen hatte.

Eine Stunde später trat sie zum Ausgehen angekleidet aus ihrem Zimmer. Sie hatte ein einfaches graues Promenadenkleid an, das ihr vortrefflich stand, und als Lothar erschien, fand er nur ihren weißen Gesichtschleier mit den goldenen Tupfen zum tadeln, denn ihr Teint sei weiß genug und bedürfe eines solchen Blenders nicht. Um dem Schneider zu imponieren, ließ sie den Daumont anspannen, den Heller samt den Isabellen seiner Tochter geschenkt hatte. »Hoffentlich ist Monsieur Cellarius kein Pferdekenner,« meinte Lothar mit einem ungnädigen Blick auf die braven Gäule, doch versöhnte ihn einigermaßen das hellbraune Geschirr nach neuster englischer Mode. So fuhren sie an der summenden Fabrik vorüber in die Stadt, die im goldigen Sonnenlichte gebadet und voll Leben war.

»Ist Miß Leona auch eine Kundin dieses Schneiders?« fragte Wicky.

»Nein,« war die kurze Antwort, denn er konnte es nicht leiden, wenn sie ihm von der Kunstreiterin sprach.

»Warum nicht?«

»Sie ist zu geizig.«

»Und doch eine kokette Frau?«

»Nein, bloß eine Rechenmaschine.«

»Und dennoch Ihre Geliebte?«

»Sie ist gar kein Weib.«

»Nanu?« rief sie ungläubig. Ihm aber lag daran, ihr jeden Verdacht zu nehmen.

»Sie ist nur Börsenspielerin,« begann er ernsthaft, aber, wie ihr schien, nicht ohne eine gewisse Bitterkeit. »Aus ihrem Munde kommt kein geistreiches Wort, kein Liebesseufzer. Man hört sie nur reden von Prämien, Obligationen, Hausse, Provision und Zahlen, nichts als Zahlen. Ihre einzige Lektüre ist der Kurszettel. Von ihren Anbetern empfängt sie am liebsten Berichte über die Kursnotierungen. Sie schreibt keine Liebesbriefe, sondern nur Börsenaufträge. Ihre Schrift ist schwungvoll, kaufmännisch, und die zierlichen Zahlen reiht sie tadellos untereinander und verrechnet sich nie. In ihrer Wohnung brennt Tag und Nacht eine Lampe. Spieleraberglaube! An dem Tage, wo das Licht verlöscht, wird die Börse ihr Verlust bringen, darum hütet sie es, wie die klugen Jungfrauen ihr Lämpchen. Sie hat noch nie verloren. Wenigstens haben diejenigen, die für sie spielen, es ihr niemals eingestanden. Sie liebt nur das Geld, nur das Spiel, und wenn sie sich verliebt stellt, so will sie bloß hinter die Geheimnisse der Börsianer kommen. Sie hat kein Herz, kein Gefühl, keine Leidenschaft. Sie empfängt den Liebhaber mit dem Seufzer: »Ach, mein Engel, wie hab' ich heute gelitten! Man sagt mir, daß wir à la hausse sind.«

Sie lachte so herzlich, daß sie sich ganz unbekümmert um die Vorübergehenden in die Polster zurückschlug. Offenbar machte ihr auch Lothars entrüstete Miene Spaß, nur sein Zorn schien ihr bedenklich, denn er sprach von enttäuschter Liebe und Hoffnung.

»Aber sie hat doch viele Verehrer,« wandte sie ein. »Die Anwesenden sind natürlich ausgenommen«. Und wieder ihr herzliches Lachen, das nun plötzlich einem verlegen suchenden Ausdruck im Gesichte wich, als ob es ihr Mühe machte, ihren gewagten Einfall in die passenden Worte zu kleiden, denn sie wollte verständlich und doch nicht deutlich sein. »Aber die Männer ... warum lassen sie sich das gefallen?«

»Und das fragen Sie mich!« rief er in komischer Verzweiflung.

»Ich werde es die Dame selbst fragen,« sagte sie mit Entschiedenheit. »Sie müssen mich näher mit ihr bekannt machen.«

»Sie will die Ferien auf Helgoland verleben,« erwiderte er. »Also werden Sie dort auch ohne meine Vermittelung mit ihr zusammen kommen.«

»Herrlich!«

Er wollte etwas erwidern, doch da hielten sie gerade in der Markgrafenstraße vor dem Hause des Damenschneiders. Und der niedliche Monsieur Cellarius war die Höflichkeit selbst, und sie bestellte eine wundervolle Robe Paul Bourget, wie sie die Marquise von Vanloo lanciert hatte, ein wahres Gedicht von Seide, Mousseline und Spitzen, voller Bänder, Rüschen, Puffen und Maschen und in allen Farben des Pfauenrades, wobei das Kleidergenie nicht ermangelte, sie auf die Feinheiten seiner Schöpfung hinzuweisen, die Harmonie des Schnitts, die Grazie des Details, die Poesie des Kolorits, die Einfachheit und Kraft des individuellen Stils ....

Wicky kam eigentlich erst wieder zur Besinnung, als sie mit dem Kleid auch die Rechnung dafür erhielt.


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