Joseph Christian von Zedlitz
Gedichte
Joseph Christian von Zedlitz

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Das Kreuz in Hellas

(Fragment. 1828.)

Erster Myrolog.

Die Stimme der Wüste.

1.

                  Was macht den Blick in weiter Ferne weilen,
Was pochst du Herz, was stürmst du fort, o Seele,
Auf Wehmuthstönen durch die Luft getragen?
Was stehst du dort, mein Auge, o erzähle,
Daß du das Herz so zwingst, dir nach zu eilen!?
Was regt im Geist dieß Sehnen, laß mich fragen,
Dieß Hoffen und dieß Zagen? – –
Ruf' in die Lüft' es, Stimme meiner Lieder!
Kommt um mich her, Ihr Völker in der Runde,
Ihr alle, die vom großen Liebesbunde
Die unzertrennlich auserwählten Glieder!
Euch will ich's sagen! und wie milder Regen
Wird Thränenthau die Herzen Euch bewegen! –

 
2.

Und du, Strahl Gottes, der mich hat berühret, –
Denn Gottes Strahl darf ich den Blitz ja nennen,
Der mir des Sanges Drang und Kraft entzündet,
Die sich von mir nur mit dem Leben trennen! –
Du, der in diesen Kampf mich hat geführet,
Der mir den Muth, der mich erhebt, begründet,
Der mir den Sieg verkündet,
Weil heilig ich geschworen seinen Fahnen,
Die ich nicht lass', und sollt' in Schmerzensgluthen
An hundert Wunden sich mein Herz verbluten;
Strahl Gottes, du, den diese Schauer ahnen,
Reiß mich mit dir auf deinen Flammenwegen
Dem höchsten Ziel, dem heiligsten entgegen! –

 
3.

Ja, dieses Lied wird nicht vergeblich tönen,
Und überleben wird es seinen Sänger,
Denn nicht gemeiner Antrieb hat's geboren!
Ich fühl' im Busen einen mächt'gern Dränger,
Der mich erregt und mir das Haupt wird krönen!
Ihm will ich folgen, brünstig, wie Auroren
Der junge Tag! – Erkoren
Hab' ich sein Zeichen, und ich will's bewahren!
Nicht schnöde Rücksicht soll mir Fesseln winden,
Unzeit'ge Demuth nicht den Arm mir binden;
Frei will ich singen, wie die Lüfte fahren!
Sey ich geschmäht, verfolgt, ein Thor geachtet,
Was kümmert's mich? ich weiß, was ich getrachtet.

 
4.

Zwar lange Gräuel hat die Welt verwildert,
In breiten Strömen ist das Blut geflossen;
Hin über Herzen hat den Lauf gewendet
Der ehrne Wagen mit den Kriegesrossen,
Und nicht der Friede hat die Wuth gemildert! –
Ob auch der Waffen offner Kampf geendet,
Fortstreitet, sinnverblendet,
Der aufgeregten Leidenschaften Toben! –
Für lang' vermodert, rostzerfress'ne Rechte,
Sieht man auf's neu', zu blutigem Gefechte
Den Arm des Zwanges freventlich erhoben;
Die schnöde Selbstsucht wirbt er zum Gesellen,
Um auf der Menschheit Nacken sich zu stellen.

 
5.

Und trotzig sieht zum Widerstand gerüstet
Man rings die Völker sich entgegen stemmen! –
Wenn nun der Kampf der Meinung sich erhoben,
Wer wird die Gluth, ist sie entfesselt, hemmen? –
Glaubt nicht, daß mich den Streit zu sehn gelüstet,
Daß ich, entbrannt, den Aufruhr wolle loben!
Beim höchsten Gott dort oben!
Ihn haßt mein Herz gleich wie der Hölle Grauen!
Doch wie's die uferlose Frechheit tadelt,
Liebt es die Freiheit, die den Menschen adelt,
Den schönsten Engel, den die Welt kann schauen! –
Ruft ihn herab auf diese Jammererde,
Daß, wenn sie frei, sie endlich friedlich werde!

 
6.

Und wer denn seyd Ihr, pflichtvergessene Knechte,
Die Ihr das Herz der Könige bethöret?
Der Könige, die mild stets im Gewähren,
Nur hart, wenn sie auf Euern Rath gehöret!
Ihr, die, wenn um die angebornen Rechte
Die Menschheit fleht, in Aufruhr sie erklären,
Das Mißtrau'n emsig nähren,
Der Fürsten Liebe von den Völkern wenden!
Blickt um Euch her! Der Same Eurer Thaten
Ist angegangen, und in vollen Saaten
Wird er des grausen Unheils Ernte spenden!
Blut fließt im Süden, Blut im Osten! – Saget,
Es sey der Völker Schuld, – sagt's, wenn Ihr's waget! –

 
7.

Sind jene Völker, die Ihr hofft zu schänden,
Sind' s nicht dieselben, die für ihre Fürsten
Schaarweis sich drängten in den Tod der Schlachten?
Wie käm' es, daß nach Jener Blut zu dürsten,
Die sie geliebt, sie nun geneigt sich fänden?
Es sollten, die den Thron so treu bewachten,
Ihn nun zu stürzen trachten?
Die ihre Söhne freudig hingegeben,
Damit das alte Band noch fortbestehen
Der Enkel fernste Reihe sollte sehen,
Sie wären es, die's nun zu trennen streben? – –
Schlingt Gold ein, Rang, mit Orden seyd belastet;
Doch laßt die Ehr' uns stehn, unangetastet!

 
8.

Das, – was die Zeit verlangt? ich will's Euch sagen:
Das freie Wort, wie's Männern ziemt, bescheiden,
Mit eignem Mund (mit Eurem nicht!) zum Throne
Der hohen Hirten, die die Völker weiden,
In unverfälschter Meinung hinzutragen,
Daß mit der sauern Mühen kargem Lohne
Kein feiler Knecht der Krone
Nach Willkür schalten mög'; ein frei Gewissen,
Den Gott der Lieb' im Geiste anzubeten;
Das gleiche Recht, vor dem Gesetz vertreten;
Den guten Namen nicht geheim zerrissen, –
Und Fürsten, die, von ihrem Herz getrieben,
Die Menschen mehr als stumme Sklaven lieben!

 
9.

Und was Ihr wollt? auch das will ich Euch künden!
Allein stehn wollt Ihr an der Fürsten Ohre,
Mit Euren Augen nur sie sehen lassen,
Das Volk fortdrängen von dem Gnadenthore! –
Mit denen möchtet Ihr ein Bündniß gründen,
Die mit des Staats Gewalt und Würden prassen;
Drum müßt Ihr jene hassen,
Die hohen Geist, nicht hohen Rang verehren!
Das Wort der Wahrheit möchtet Ihr vertreiben,
Die ächten, die's verkünden, die es schreiben,
Statt ew'gem Rechte wollt Ihr Eures lehren!
Und da die Kunst nicht um zu täuschen gnüget,
Haßt Ihr die Welt, weil Ihr sie nicht betrüget!

 
10.

So heuchelt Ihr Abgötterei der Krone,
Damit das Zepter bleib' in Euren Händen,
Und lästert die, die sie wahrhaftig lieben;
Die keinen Antheil wollen an den Spenden
Die sie verleiht! – Mit fast zu dummem Hohne,
Von jenes Dünkels Uebermuth getrieben,
Der Eurer Art verblieben,
Lacht Ihr des edlen Grams, der würd'gen Schmerzen,
Die bess're Herzen als die Euren fühlen! –
Umsonst saht Ihr im Eingeweide wühlen
Des Brudervolks; auf dem Altar die Kerzen
Der Andacht ausgelöscht; das Kreuz zertrümmert,
Die Priester todt, – was hat es Euch gekümmert?

 
11.

Umsonst raucht jahrelang die Feuersäule
Der blutigen Zerstörung in die Lüfte!
Umsonst kreischt der Verzweiflung heis're Stimme,
Die sich geflüchtet in der Berge Klüfte,
Um Rettung auf! – Für Euch hat es nicht Eile!
Ob dort, erschlagen von entmenschtem Grimme,
Der Greis im Blute schwimme,
Das Schwert die blondgelockte Kindheit schlachte,
Im zarten Nacken schwacher Weiber wüthe,
Ob holder Jungfrau'n kaum erschloss'ne Blüthe
Im frechen Arm der heißen Nothzucht schmachte:
Was kümmert's Euch? Empörer sind's! – Sie büßen –
Weil sie geduldig nicht das Mordschwert küssen!

 
12.

Ihr seht die Welt unwillig und entrüstet;
Was kümmert's Euch auf Euern Lotterstühlen?
Was ist die Welt, daß sie Euch sollte mahnen,
Durch ihren Angstschrei menschlicher zu fühlen?
Ihr, die Ihr mit ererbtem Glanz Euch brüstet
Von tapferen und ritterlichen Ahnen,
Wie fern von ihren Bahnen
Seyd Ihr gewichen! – Könnten sie sich regen
In ihren Grüften, ja, sie würden kommen,
Die Ehrenvollen, Muthigen und Frommen,
Um ihren Fluch auf Euer Haupt zu legen:
Im Kampf für's Kreuz erblühten ihre Thaten,
Sie hätten's an den Erbfeind nicht verrathen! –

 
13.

Sie hätten nicht es ruhig angesehen,
Wie dort vertilgt der letzte Grieche sinket,
Wie der Zerstörung Pflug mit schwerem Gange
Den Boden furcht, wo so viel Ruhm noch blinket!
Sie hätten nicht feigherzig mögen stehen
Bei eines Christenstammes Untergange,
Der in des Kampfes Drange
Um Hülfe fleht! Sie hätten den erschlagen,
Der Bundsgenossen sie der wilden Horden,
Die ungestrafet unsre Brüder morden,
Zu nennen, so wie Euch, hätt' wollen wagen!
Sie wären nicht im Fürstenrath gesessen
Und hätten, daß sie Ritter sind, vergessen!

 
14.

O Fürsten, Fürsten, Fürsten! die ich liebe,
In welche Hände habt Ihr Euch gegeben?
Wollt auf der Menschheit Leichnam Ihr Euch stellen,
Ihr Euern Thron auf ödem Schutt erheben? –
Was hättet Ihr, wenn Euch die Asche bliebe
Der schönen Erde, die in Flammenwellen,
In grausen, blutighellen,
Auflodert rings, ein weites Grab zu werden! –
Was nützt es Euch, selbst wenn es Euch gelänge,
Wenn die Gewalt für jetzt die Völker zwänge,
Einherzugehn wie willenlose Heerden? –
Habt Ihr nicht selbst, – o, freut Euch deß, – vor Jahren,
Wie schwach der Zwang, wie stark die Lieb', erfahren? –

 
15.

Denkt jener Zeit, der göttlich schönen denket,
Von der nun freilich die Verleumdung schweiget,
Wo sich für Recht, für Wahrheit, Treu' und Ehre
Ein großer Sinn in edler Kraft gezeiget.
Der freie Antrieb hat das Volk gelenket
Zu seinen Herrschern! Rings umsaust vom Speere
Zahlloser Feindesheere,
Wer hat den Thron, den wankenden, gehalten? –
Umsonst sucht man Begriffe zu verwirren,
Was heilig, kennt das Herz und kann nicht irren,
Drum, seht Begeist'rung irgend wo Ihr walten,
Ist's um was Heil'ges stets, Ihr dürft vertrauen;
Nicht bei Gemeinem werdet Ihr sie schauen!

 
16.

Wenn Hellas Volk, von heißer Noth beenget,
Die länger nicht es Kraft hat zu ertragen,
Sich unterm Fuße windend der Barbaren,
Die ihre Fersen ihm in's Antlitz schlagen,
Sich nun erhebt und seine Fessel sprenget;
Wenn, die um's Kreuz seit so viel hundert Jahren
Jedwede Schmach erfahren,
Es zu erretten ungeduldig brennen;
Wenn um den heil'gen Boden ihrer Väter
Sie Kampf bestehn, wollt Ihr sie drum Verräther,
Wollt Ihr Empörer die Unsel'gen nennen,
Die selbst der Tod weit minder schreckt als Leben,
Das jeder Marter schutzlos Preis gegeben? –

 
17.

Was könnten denn in diesem Kampf gewinnen
Die Wenigen, die ihn noch überdauern,
Daß sich an ihm so sehr ihr Herz erlabe!
Verbrannte Tempel, eingestürzte Mauern,
In Schutt versenkt der Städte hohe Zinnen,
Das Land verödet, weggetilgt die Habe,
Und eingescharrt im Grabe,
Die Lieb'- und Blutesbande einst verbunden!
Sind das die Güter, die so mächtig reizen,
Daß also sollt' um sie der Grieche geizen,
Nicht Tod zu achten, Martern nicht und Wunden? –
O, welche Nacht liegt denn auf Eurem Blicke,
Daß Ihr mißkennt die großen Weltgeschicke?! –

 
18.

Das ist die Nacht, die Jen' um Euch verbreiten,
Die, weil er klar sie zeigt in ihrer Schwäche,
Den Tag verabscheun, vor dem Lichte zagen;
O, daß nicht einst an Euch das Schicksal räche
Die falschen Lehren, die vom Recht Euch leiten.
O, öffnet endlich euer Ohr den Klagen!
Wollt Ihr die Flüche tragen
Der armen Opfer, die Verzweiflung tödtet?
Sind's Christen nicht, die Euch um Hülfe flehen?
Wankt nicht das Kreuz, habt Ihr denn nicht gesehen
Von Strömen Blutes seinen Stamm geröthet,
Bischöfe, Greise, Schnee von achtzig Jahren
Auf ihrem Haupt, gewürgt an den Altaren? –

 
19.

O, eilt zu retten, weil die Rettungsstunde
Noch möglich ist! – Wenn ab der Sand geronnen,
Der letzte Schlag des Hammers ausgeklungen,
Und Ihr das Werk der Liebe nicht begonnen;
Wenn jenes Volk, ein Glied vom Brüderbunde,
Die grause Todesnacht hinabgeschlungen,
Das Sterbelied gesungen:
Dann wird es schwer auf Euren Herzen lasten,
Dann wird die Reu' umsonst den Busen quälen!
Ein Racheengel wird die Thränen zählen,
Das Blut, das kaum die weiten Meere faßten;
Und denen wird er auf das Haupt es legen,
Die retten können und den Arm nicht regen! –

 
20.

Und eine Stunde ruht im Schooß der Zeiten –
Vielleicht die nächste ist's, wer kann es wissen!
Wo Euch in's Ohr der Tuba Ruf wird schallen;
Wo Ihr auf's Lager taumelnd hingerissen,
Fühlt Eisesschauer durch das Mark Euch gleiten.
Dann tritt der bleiche Tod in Eure Hallen,
Und Eure Kronen fallen!
Dann werdet Ihr, auch staubgeborne Sünder,
Ihr, denen Andre zitterten im Leben,
Selbst, wie am Baum das dürre Laub, erbeben,
Wenn Eures Endes schrecklicher Verkünder,
Der letzte Krampf, kalt an das Herz Euch dringet,
Den Athem hemmt und Euch zu sterben zwinget! –

 
21.

Und wenn Ihr daliegt mit entstellten Zügen,
Unkenntlich, starr, vom letzten Schweiß gefeuchtet,
Mit bleichem Munde, mit gebrochnen Blicken,
Und doch Bewußtseyn noch die Seel' umleuchtet,
Und Ihr, der Angst des Herzens zu genügen,
Nun Christi Bild wollt an die Lippen drücken,
Euch sterbend zu erquicken;
Wenn fromme Hände nun das Kreuz Euch reichen,
Das Ihr aus schwacher Rücksicht ließt verrathen,
Als tausend Stimmen es zu schirmen baten,
Hofft dann auf Trost nicht von dem heil'gen Zeichen!
Dann wird sein Anblick Schauder, bange Schrecken,
Unnennbar Weh im Sterben Euch erwecken! –

 
22.

Noch wogt der Kampf, noch sind sie nicht erlegen;
Zwar wankt das Kreuz, doch noch ist's nicht gebrochen,
Noch ein'ge Heldenhäupter sind am Leben,
Die an dem Feinde seine Schmach gerochen!
Noch schirmen sie's mit ihres Gottes Segen
Voll Muth und Kraft! Noch kann vereintes Streben
Die Sinkenden erheben!
Blickt auf die Stätten, die den Blutkampf schauen,
Die Zeit des Ruhmes seht Ihr wiederkehren! –
Die Helden, die Jahrtausende verehren,
Sind sie erstanden nicht in Hellas Auen?
Hat denn dieß Volk sich würdig nicht gezeiget,
Daß in der Brust Euch jedes Mitleid schweiget? –

 
23.

So hört denn Ihr, die Ihr noch Thränen weinet,
Wenn fremdes Leid die Seele Euch verwundet;
Die edler Muth noch rührt, der, selbst im Sinken,
Den reinen Quell, dem er entströmt, bekundet;
Ihr, denen noch die Herzen nicht versteinert,
Und Sterne zwar nicht von den Kleidern winken,
Doch hell im Busen blinken:
Die ihr Gefühl, nicht hohle Schranzen fragen,
Für was sie glühn, und was sie hassen sollen;
Hört Ihr mein Lied, Ihr warmen, lebensvollen
Und liebevollen Herzen! hört die Klagen!
Laßt Euch in wahren, nicht erfundnen Bildern
Der Griechen Noth und ihre Thaten schildern.

 
24.

Das Kreuz in Hellas zeig' ich Euern Blicken,
Wie es verhöhnt, geschändet von Barbaren,
Doch Trost noch spendet und den Muth belebet
Der gottgeweihten, todgeweihten Schaaren,
Die auf zu ihm die letzten Seufzer schicken! –
Von Trauertönen ist dieß Lied gewebet,
Doch wie in Wettern schwebet
Der Regenbogen, der der Hoffnung Zeichen,
So wird vielleicht, indeß die Töne klingen,
Ein Rettungsengel sich vom Himmel schwingen,
Und Felsen wird der Mosesstab erweichen. –
So trennt euch Wolken! theilet euch ihr Schleier!
Tauch' Hellas auf in deiner Todtenfeier!

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