Joseph Christian von Zedlitz
Gedichte
Joseph Christian von Zedlitz

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(Todtenkränze.)

IX.

104.

                  Und wieder weiter schwebten wir; den blauen
Krystall des Himmels sah ich in den Wellen
Sich freundlich spiegeln, sah zu meinen Füßen
Die Dünen erst, die Wälder dann, und hellen
Gefilde Brabants, bis in üpp'gen Gauen
Die hochgethürmten Münster mich begrüßen,
Bespült von breiten Flüssen,
Die altehrwürd'gen Städte sich erheben,
Wo deutsches Wort tönt, deutsche Herzen schlagen,
Die Treue heimisch wohnt seit ew'gen Tagen,
Die Geister kühn im Licht der Wahrheit streben!
Du Herz Europa's: Mög' ein Gott den alten,
Gesunden, freien Pulsschlag dir erhalten! –

 
105.

Und rechts sah ich den Rhein, den Gränzgott rinnen,
Entlang den vollen, grünen Rebgeländen;
Sah, in die Thäler niederschauend, glänzen,
Von waldumrauschten, hohen Felsenwänden,
Der alten Burgen grau bemooste Zinnen,
Die, Kronen gleich, an beider Ufer Gränzen
Die Felsenstirnen kränzen.
Wir aber flogen links, durch weite Auen,
Zurück uns wendend zu der Heimat Fluren,
Von wannen wir zuerst die Luft durchfuhren,
Bis endlich wir den Strom der Donau schauen,
Und hinter ihm, von schönen Höh'n umgeben,
Das Häusermeer der Kaiserstadt sich heben! –

 
106.

– Und prangen sah ich dich im Schmuck der Garben,
Du Todesfeld, das ich im Rauch der Schlachten
Zerstampft einst sah von wilden Kriegesrossen! –
Wie aus den Gräbern, die sie still umnachten
Die siegesfreud'gen Helden, die hier starben,
Nun rings empor die wilden Blumen sprossen!
Dieß Blut, das hier geflossen,
Das erste strömt' es hin im Morgenrothe
Des jungen Tages, der Europa lachte,
Der süßen Hoffnungsschein in's Leben brachte,
Der rings verkündend rief, ein Himmelsbote, –
O eitles Sehnen! – Fried' und Freiheit werde
Nun endlich blühn auf sturmbewegter Erde!

 
107.

Sey mir gegrüßt in deinem Blutgewande,
Du, jenes Tages glühende Aurore,
Ich seh' die alten Fahnen wieder schweben,
Ein Siegespäan dringt zu meinem Ohre,
Und wieder hoch seh' ich aus dunklem Brande
Den hehren Doppeladler sich erheben,
Und auf zur Sonne streben! –
Und Dich auch grüß' ich, Sprosse der Cäsare;
Der Du voran flogst in des Kampfes Wetter,
Du, zweimal Deutschlands Hort und sein Erretter;
Der sieghaft Du gescheucht die fränk'schen Aare;
Dem Kränze reich die Heldenstirn umgaben,
Als noch der Ruhm so wohlfeil nicht zu haben!

 
108.

Und wenn auf andern Feldern tapfre Schaaren
Um Kronenrecht, um alte Gränzen stritten,
Um künft'ges Glück, um schöner Hoffnung Blüthen,
Du stritt'st, um lange Schmach, die wir erlitten,
Zu rächen und den deutschen Ruhm zu wahren!
Und keinen Bessern gab es, ihn zu hüten!
Aus rauher Stürme Wüthen
Hast Du ihn rein und unversehrt getragen!
Für andre Güter sah man alle Fahnen
Aus Nord und Süd sich blut'ge Wege bahnen;
Du hast um nackte Ehre Dich geschlagen;
Du gingst, als sie erfochten war, zufrieden
Mit dem glorreichen Theil, der Dir beschieden! – –

 
109.

Und dunkel ward's; es kam die Nacht! Im weiten,
Tiefblauen Aether schwamm des Mondes Nachen,
Und uns zu Füßen wirbelten die Fluthen
Des breiten Stroms, die rastlos an den flachen
Gestaden, zwischen Au'n und Inseln gleiten! –
Stumm lag die Stadt, und die Bewohner ruhten!
Verborgne Schmerzensgluthen,
Einsamer Seelen ungeteilter Kummer,
So wie der laute, jubelvolle Reigen
Stürmender Lust und wilder Freude schweigen;
Still über alle breitet sich der Schlummer,
An den allein von allen Erdengaben
Noch gleiches Recht bis itzt die Menschen haben. –

 
110.

Und als wir endlich wieder nieder gleiten,
Da sah ich, mild vom Sternenlicht beglänzet,
Ein mächtig Bild von Erz gegossen, schweben
Auf hohem Roß! – Siegreich das Haupt bekränzet,
Schien es in edler Ruhe herzuschreiten,
Und geisterähnlich das Metall zu leben! –
Mich faßt ein inn'rs Beben,
Als ich hinansah zu dem Riesenbilde!
Mir schien's zu reden mit dem Geistermunde,
Als brächt' es ernste, ungeahnte Kunde
In diese Welt, aus jenem Lichtgefilde!
»Ihr sollt mich hören!« – schien es von den Stufen,
Worauf es stand, gebietend auszurufen! –

 
111.

O Du, viel größrer Sohn berühmter Ahnen,
O Du, – so sprach ich – dem ein Gott zur Krone
Ein Haupt, werth sie zu tragen, auch gegeben,
Du hoher Mensch auf Deinem hohen Throne,
Du kühner Streiter für der Wahrheit Fahnen,
Der Du Dein glühend und begeistert Leben
Geweiht dem edlen Streben
Für Recht und Licht! der Du den dunklen Schleier
Verjährten, düstern Wahnes kühn zerrissen;
Der Du den Geist, aus öden Finsternissen,
Geführt zu reiner, würd'ger Tempelfeier,
Der Du gehaucht Dein schöpferisches Werde
In Deines Reiches brache, todte Erde! –

 
112.

Allüberall, wohin das Auge blicket,
Bis an die letzte Gränzmark Deiner Lande,
Von der Sudeten Schnee, bis wo die Wogen
Der Ister wälzt zum fernen Heidenstrande,
Sind Deiner Füße Stapfen eingedrücket,
Ist Deines Wandelns helle Spur gezogen!
Ein ew'ger Ehrenbogen
Wölbt über Deinem Namen sich, und bleiben
Wird ihm sein Ruhm, so lang in künft'gen Tagen
Für Großes noch bewegte Herzen schlagen!
Mag Well' auf Well' im Meer der Zeiten treiben,
Wie manches Bild ihr Strom hinweg getragen,
Das Deine wird groß, hehr, unsterblich ragen!

 
113.

So wirst Du stehn, die ew'ge Memnons-Säule,
Die freudig schallt, wenn Licht Aurora bringet,
Doch wenn zurück in's Meer die Sonne kehret,
In schmerzlich bangen Trauertönen klinget,
Von Nacht geängstigt, und dem Flug der Eule! –
So wirst Du stehn, ein Schutzgott, der, verkläret,
Vom Sonnenquell genähret,
Die Hand ausstrecket über Oestreichs Fluren,
Die segnend, die Dein großes Werk erhalten,
Die segnend, die in Deinem Geiste walten,
Die sich, wie Du, dem Dienst der Göttin schwuren,
Die, oft verkannt, gehöhnt, geschmäht, doch immer
Glanzvoller strahlt, in immer rein'rem Schimmer! –

 
114.

»Doch war er glücklich?« – frug mich mein Begleiter –
»Ich sah ihn wandeln mit dem Tod im Herzen,
Gebeugt von Undank zu der Gruft ihn gehen,
Früh ausgelöscht die hellen Hoffnungskerzen,
Die einst so freudig brannten, und so heiter! –
Gebrochner Seele hab' ich ihn gesehen,
Verlassen, einsam stehen,
Dem Frauenengel, der vorausgegangen,Die erste Gemahlin seines Neffen, Kaiser Franz des Ersten, die Joseph sehr liebte, starb unmittelbar vor ihm, und füllte die letzten Augenblicke des Kaisers mit doppelter Wehmuth.
Nachblickend mit den stillen Wehmuthsthränen;
Ich sah in durst'gem, ungestilltem Sehnen
Ihn ungeduldig in sein Grab verlangen;
Vom eignen Werk gramvoll die Blicke wenden,
Die Saat vernichten mit den eignen Händen!«

 
115.

»Und einen Baalstanz sah ich auf dem Grabe
Des edelsten der Könige begehen;
Sah hier in unverschämt bacchant'scher Freude
Der Finsterlinge feilen Chor sich drehen;
Sah dort die Mütze au der Freiheit Stabe,
Und statt der Göttin mit dem Priesterkleide,
Zu schnöder Augenweide
Gemeiner Frechheit ekle Blöße prangen! –
Er aber, der nach reinem Licht getrachtet,
Er, der, ein Mensch, den Menschen hat geachtet,
Und nicht was blind das Glück um ihn gehangen,
Mußt' er nicht sehn so königlichem Streben
Der Zeiten Greu'l, verleumdend, schuld gegeben?«

 
116.

»Dieß ist das Glück, das große Seelen lohnet,
Dieß ist der Preis für jedes hehre Streben,
Das sich sein Ziel auf Sonnenhöhen stecket! –
Wer's gut meint mit der Welt, der läßt sie eben
Auf breitgetretner Spur, wie sie's gewohnet!
Wenn nach dem Schleier, der die Wahrheit decket,
Die Hand er ausgestrecket,
Hat sich der Mensch doch Zweifel nur gewonnen!
Ob echt, ob falsch, er grüble nicht, er glaube!
Gleich viel für dieß Geschlecht von Koth und Staube,
Trinkt es der Wahrheit, trinkt's des Irrthums Bronnen,
Und immer bleibt's am sichersten geborgen,
Wenn Träumer nicht, es aufzuklären, sorgen!« –

 
117.

Hinweg von mir, mit Deiner schnöden Lehre,
Du Geist der Lüge, der des Hohen spottet,
Und doch sein himmlisch Leben muß erkennen,
Das schaler Weltwitz noch nicht ausgerottet!
Und Eure Zahl, wenn Legion sie wäre,
Wie dürft Ihr wagen, Träumer die zu nennen,
Die gottbegeistert brennen,
Das edle Menschenbild, das Ihr geschändet,
Aus der Erniedrigung, des Wahnes Ketten,
Zu seiner Würde reinem Glanz zu retten!
Kommt einer nur herab, von Gott gesendet,
Ein einziger wie der, in hundert Jahren,
Er gnügt, die Welt vor Eurer List zu wahren! –

 
118.

Gottlob! es ist ein heil'ger Sinn geblieben
Im Busen der Gesalbten, der Gerechten,
Der mächt'ger spricht als Eure Lügenzungen!
Blick hin! dieß Erz sagt's kommenden Geschlechtern,
In diesen Marmor ist es eingeschrieben,
Aus welcher Brust gefühlte Huldigungen
Sich fromm emporgeschwungen! –

FRANCISCUS.
ROM. ET AVST. IMP.
EX. FRATRE. NEPOS.
ALTERI. PARENTI.
POSVIT.
MDCCCVI.


Was göttlich lautern Herzen sich verkündet,
Es wird bestehn, trotz aller Macht der Schlechten,
Begeist'rung wird's mit edler Gluth verfechten,
Mit Gluth von reiner Flamme nur entzündet!
Urewig ist's, wie Ihr es mögt bestreiten,
Was einmal wahr, bleibt wahr zu allen Zeiten! –

 
119.

Nicht die erobern nur, auch die erhalten,
Sind werth, daß sie der ew'ge Nachruhm kröne! –
Wie viele edle Schwerter sah man schwingen,
Damit das Recht endlich die Welt versöhne! –
Ob sich die Blüthen oder nicht entfalten,
In Gottes Händen lieget das Gelingen,
Doch edel sey das Ringen! – –
Sieh jenes frische Grab im hohen Norden!
Ein Held der Menschheit ruht in seinem Schoße,
Denn nur der mäß'ge Sieger ist der große,
Nicht jener, der der Schrecklichste im Morden;
Und dieser Ruhm bleibt ihm vor dem Gerichte,
Dem unbestechlichen, der Weltgeschichte!

 
120.

Führ' mich zum grünen, blum'gen Isarstrande!
Ein Fürst starb dort aus Wittelsbachs Geschlechten!
Sahst Du die Thränen, die dem Todten flossen,
Dem Güt'gen, Milden, Weisen, dem Gerechten?
Es starb der Herrscher nicht dem werthen Lande,
Denn sieh, es lebt ein Sohn, von ihm entsprossen,
Groß, edel, und entschlossen,
Des Volks mit Kraft und hohem Sinn zu walten!
Nicht um die Zukunft flossen dort die Thränen,
Gesichert durften sie die Völker wähnen,
Das heil'ge Recht in starker Hand gehalten,
Doch weil ein Vater wegschied von den Seinen,
Der's gut gemeint, sah man die Kinder weinen! –

 
121.

Und wenn der Liebe, wenn des Liedes Blüthen
Oft welkend fielen von dem Lebensbaume,
Hat er denn niemals goldne Frucht getragen?
Gab nie es Herzen, die im sel'gen Traume
Der Liebeswonne still in sich verglühten? – –
Die Thürme von Westmünster seh' ich ragen! –
Laß mich den Halbgott fragen,
Deß Leier an den Sternen aufgehangen,
Ob jene Lieder, die die Welt entzücket,
Nur ihn, der sie gesungen, nicht beglücket?
Ob sie nur ihn allein mit Schmerz durchdrangen,
Indeß, ein Wunder, sie durch alle Zeiten,
Und von Geschlechte zu Geschlechte schreiten?! –

 
122.

Frag' ihn, der schlummernd ruht beim Wellenschlage
Der Ilm, die seinem Harfenton gelauschet,
Die, von der Saiten goldnem Klang gerühret,
In süßem Staunen, zögernd nur gerauschet;
Frag' ihn, um den stets neu erwacht die Klage,
Den, weil ihn Gott zum Himmelssang erküret,
Uns allzuschnell entführet
Der Todesengel aus der Hörer Kreise!
Ihn, der ein Cherub war mit Schwert und Schilde!
Ach, und ein Kind zugleich, gleich stark, gleich milde
Frag' ihn, der nun hinschwebt auf Sphärengleise,
Ob Seligkeit ihm nicht das Herz erschüttert,
Als Perlen mild in seinem Aug' gezittert?

 
123.

Denn oft ist, was die Menschen Schmerzen nennen,
Für Jene Wonne, die in Flammen leben,
Und, wie Gewande von Asbest sich reinen
Im Element, vor dem die Schwachen beben;
So auch, obgleich nur Wenige sie kennen,
Gibt's Thränen, die den Augen, die sie weinen,
Wie Maienthau erscheinen!
Der Kampf erfreut; nicht Wunden glühn und Schmerzen,
Wenn wir vor uns die Siegesfahne sehen,
Durch die die Stürme der Begeist'rung wehen,
Sie, die Gott selbst gehaucht in unsre Herzen,
Als Er dem Lehm, zum Zeichen ew'gen Bundes,
Einblies den heil'gen Athem seines Mundes!

 
124.

Denn wie, wenn flimmernd in die klaren Wogen
Des heitern Sees der Sonne Gluthring strahlet,
Sich dann auf dem gespannten Silberschilde
Im Widerschein der helle Lichtkranz malet;
Und wie, wenn leicht vom Nebelduft umflogen,
Im tiefen, dunkelblauen Lustgefilde
Der Irisbogen milde
Sein Diadem schlingt um der Berge Höhen,
Aus den Saphir- und Chrysolithkrystallen,
Den Gold- und Purpurstreifen, die dort wallen,
Das Licht nur widerstrahlt, das wir nicht sehen:
So sind die Farben, die im Innern brennen,
Auch Abglanz stets der Sonne, die wir kennen!

 
125.

Und Weh'! wenn einst von dieser Erde scheiden
Begeist'rung sollt', und sich zum Himmel schwingen!
Dann wird die alte Nacht uns wieder decken,
Ein Todesgrau'n durchs Mark der Schöpfung dringen!
Dann wird kein Trost die arme Seele weiden!
Der Frevel wird Verzweiflung, bleichen Schrecken
Aus ihren Höhlen wecken,
Der blut'ge Mord wird schreiten durch die Straßen,
Und Gott wird seyn das Ich! Mit Blut begossen,
Wird frech die üpp'ge Saat des Lasters sprossen,
Und, ungezügelt, wird der Wille lassen
Und thun was ihm gefällt! Kein Recht wird walten,
Kein Band der Liebe mehr die Menschen halten!

 
126.

Und Ehre wird, und Großmuth wird verschwinden,
Die Freundschaft wird ein eitel Mährlein scheinen;
Des Blutes Wallung wird zu schnödem Bunde,
Nicht Lieb' und Treue mehr die Herzen einen,
Das Vaterland wird keine Söhne finden,
Um es zu schützen in des Kampfes Stunde;
Verstummen wird im Munde
Des Sängers jedes Lied! Kein Wort wird tönen
Für der getretnen Unschuld heil'ge Sache,
Kein muth'ges Herz ersehn zu ihrer Wache,
Wenn Willkür, Haß und Uebermuth sie höhnen!
Dann folgt der Mensch, gleich wildem Thier der Wüste,
Dem blinden Drang nur wechselnder Gelüste! – –

 
127.

Doch ob die Welt mit kaltem, schnödem Hohne
Auch jene Gluth verspottet und verlachet;
Ob sie auch Wahnsinn nennt das hohe Streben,
Das, von dem heil'gen Sturme angefachet,
Nach andrem trachtend als gemeinem Lohne,
Die Hand zu jenen Kränzen möchte heben,
Die in den Sternen schweben:
Ob, die nach Ellen mißt, nach Pfunden wieget,
Ob sie Dich schmäht, die nie Dich konnte ahnen,
Begeist'rung, Dich, Stern, der gezeigt die Bahnen
Zum Dache, wo der Heiland schlummernd lieget:
Doch wird ein Tempel sich, ein Thron Dir bauen! –
Sie kann Dich lästern, doch sie muß Dich schauen!

 
128.

Und nicht an Priestern wird's dem Tempel fehlen,
Und nicht an Treuen, die den Thron umstehen!
Doch wer sich Dir geschworen zum Vasallen,
Der sey bereit auf rauhem Pfad zu gehen;
Des Weges Mühn darf er sich nicht verhehlen,
Denn breite Bahn nicht führt in Deine Hallen!
Soll Euch der Kranz umwallen,
Schlagt Euer Ich an's Kreuz, und lernt ertragen!
Wie jene Tempelritter alter Zeiten,
Die, arm, noch zwei auf Einem Rosse reiten,
Sollt einen Strick Ihr und ein Schwert nur tragen!Nach der Ordensregel durfte dem Feind kein anderes Lösegeld für einen gefangenen Templer geboten werden, als ein Strick und ein Schwert.
Nicht Selbstsucht darf die Herzen Jener rühren,
Die Gottes Kreuz auf ihrem Mantel führen! –

 
129.

Doch Alle, die den Flammentrank getrunken,
Sind glücklich, ja, sie sind's, ich will's beschwören;
Denn ihren Ursprung haben sie empfunden,
Den göttlichen, unmöglich zu zerstören!
Die Helden, die für's Vaterland gesunken,
Siegjauchzend mit den tiefen Todeswunden,
Die sich ein Herz verbunden,
Die einen hohen, himmlischen Gedanken
Genähret mit dem Marke ihres Lebens,
Die sich ein würdig Ziel gesetzt des Strebens,
In Wirken, Lieben, Leiden, ohne Wanken,
Sie waren selig, selig zum beneiden,
Und ihre Schmerzen wogen tausend Freuden! –

 
130.

»Und bist Du glücklich?« – hört' den Geist ich sprechen: –
»Du, der den Klügern schmäht, der frei von Sorgen
Im Schatten breiter Ruhe sich gebettet,
Zufrieden, wenn der feiste Leib geborgen?
Er geht auf sichrer Bahn, die wird nicht brechen!
Im Hafen liegt sein Nachen wohlgerettet
Am Anker festgekettet;
Indeß Du wandelst auf dem Klippenwege,
Von Schlund zu Schlund, den schwachen Baum als Brücke,
Dicht neben Dir zerriss'ne Felsenstücke,
Und über Dir die kahlen Wolkenstege!
Sprich, bist Du glücklich, Du, deß ganzes Leben
Nach weitem Ziel ein leer vergeblich Streben?« –

 
131.

Ich bin's, ich bin's! –Und konnt' ich's nicht erringen,
Ich konnt' es ahnen, mit dem Aug' erreichen!
Wie Moses stand vor dem verheißnen Lande,
Und es erkannt' am segenvollen Zeichen,
Die Blicke sendend auf der Sehnsucht Schwingen:
So steh' ich, schauend von dem Bergesrande!
Ich bin's! Wenn Todesbande
Mich jetzt umfangen, still die Pulse stehen,
Ich hab's gesehn! – Mit seinen Blüthenthalen,
Mit seinen Rosen, seinen Sonnenstrahlen,
Mit seinen Bächen, seinen Silberseen!
Betritt sie nie mein Fuß, ich sah die Stelle –
Wie Moses sterb' ich an des Eingangs Schwelle! –

 
132.

»Und was gewannst Du denn, daß Kalebs Traube
Du sahst und nicht gekostet? muß ich fragen:
Daß Du für Traum die Wirklichkeit gegeben?« –
Den festen Muth, die Wirklichkeit zu tragen!
Ich kann es sehn, wie das Verdienst im Staube;
Den Dünkel kann ich sehen, glanzumgeben,
Das hohle Haupt erheben;
Die Narren sitzen an der Weisen Stelle;
Die Tugend schmachten, elend und verlassen,
Indeß das Laster und der Unwerth prassen,
Und weg sie scheuchen von des Glückes Schwelle;
Den schlechten Baum gedeihn, vom Blitz getroffen
Den edlen Stamm – ich kann es sehn und – hoffen! –

 
133.

Und so laß mich die bess're Zukunft grüßen,
Die in mir lebt, die ich im Geiste schaue!
Hin muß ich ziehn, dem jungen Tag entgegen,
Dem Sterne folgend, dem ich mich vertraue!
Wenn ich den Staub geschüttelt von den Füßen,
Dann werd' auch ich, umweht von Blüthenregen,
Der schönen Ruhe pflegen!
Denn Einer, weiß ich, kreiset in den Sternen,
Und locket Harmonien aus ihrem Reigen,
Schwebt auf den Wassern, heißt die Stürme schweigen
Und läßt den Pharus leuchten in den Fernen!
Ihm fällt umsonst kein Saatkorn aus den Händen,
Ist's Zeit, wird er die Ernte auch vollenden! –

 
134.

»Nun denn« – begann der Geist – »so laß uns scheiden,
Und wenn ein Traum Dein Glück, wohlan, so träume!
Einmal erwacht, entschlummerst Du nicht wieder!« – –
Da fand ich mich im selben Grün der Bäume,
Von Matten fern begränzt und blum'gen Heiden;
Dem Phönix ähnlich mit dem Gluthgefieder,
Ging hehr die Sonne nieder;
Hellgrüne Lichter spielten in den Zweigen,
In Rosen schien die Gegend zu zerrinnen,
Als wollte die Natur ein Fest beginnen,
Und strahlend sich im Prachtgewande zeigen!
Der Schemen aber, wie des Rauches Wehen,
Zufloß in Luft, und ward nicht mehr gesehen! –

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