Joseph Christian von Zedlitz
Gedichte
Joseph Christian von Zedlitz

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Auf den Tod des L. P.,

der sich auf dem Grabe seiner Mutter erschoß.

(Aus dem Lateinischen des Grafen Jos. Dessewffy.)

              Jugendlich blühend erliegst Du, o Rasender, eignem Geschosse
    Dort auf dem marmornen Stein an der Gebärerin Grab.
Statt mit Laubgewinden der Pappel die Schläfe zu kränzen,
    Hebst Du die blutige Hand grausam zum eigenen Mord;
Und Du dünkst Dich erhaben, weil wild Du mit tödtlicher Kugel
    Oeffnest zum Herzen den Weg? – Armer! nur elend bist Du!
Ach, Du kanntest sie nicht, die Hoffnungen, Keime des Edlen,
    Die Du nun alle zerstört mit dem unseligen Ball! –
Aber weil Dich im Leben gehetzt die Sorge, die Schmerzen,
    Weil Du nie wiederzusehn wähnst die entflohene Lust,
Brichst Du und sprengst mit Gewalt des Lebens beweglichen Kerker,
    Daß Dir dann, über dem Strom, blühe das bessere Glück.
Unvorsichtig erspähst Du verborgene Räthsel des Lebens,
    Du, dem das Schicksal den Tod noch vor dem Tage bestimmt!
Welcher Taumel ergreift Dich, dem Grab entgegen zu eilen,
    Löscht denn des Lebens Licht immer nicht zeitig genug?
Wie doch freut Dich's, den Boden gewaltsam mit Blute zu röthen,
    Jenem entflohenen Geist Deinen gesellest Du zu? – –
Doch wenn Schicksalsschluß schon diesen Tod Dir bestimmt hat,
    Wenn Dich der Ueberdruß, Ekel dem Leben entführt:
Drückt die Luft Dich und konntest Du nicht froh werden des Lichtes,
    War der siechende Geist Krankheit dem Körper zugleich –
Wer dann beklagte Dich nicht, den Himmlische selber beweinen,
    Frommer, der müde der Welt, sich nach den Sternen gesehnt;
Wissend, nicht Alles zerfalle, wenn auch diese Hülle zerstäubt ist,
    Sendest die Seele Du Gott, gibst Du der Erde den Staub! –
Glücklich, wen, wenn er ermattet, die schwarze Nacht nie belastet,
    Welchem die Welle des Bluts hüpfend die Adern bewegt!
Nimmer tödtet ihn Gram, sey auch der süßen Geliebten
    Zarter Schooß ihm verwehrt, folg' auch ihr wankender Sinn
Schönerer Form! Ihn tödtet nicht leichter Ehrgeiz, zu oft nur
    Nichtiger Hoffnungen Spiel, Armuth, die sklavische, nicht!
Ihres Geschickes harren die Fröhlichen; Lethe's Gestade
    Suchen sie nicht mit Gewalt, nicht durch bestürmend Gebet;
Tapferes Muthes bekämpfen sie lieber die äußeren Feinde,
    Eh' sie mit harter Faust greifen ins eigene Loos!
Drum von den Fröhlichen lernt das Leben tragen, Betrübte,
    Muthvoll; Freude besieg' Eueres Grames Gewalt.
Doch auf den Staub dieses Todten, damit auch späten Geschlechtern
    Kunde werde von ihm, Schreibet dieß kurze Gedicht:
Diesem gebot zu leben Geburt und Glück, und die Tugend;
    Künste, Schönheit und Geist hatten ihn reichlich geschmückt;
Doch weil dieß irdische Leben ihn allzu bitter bedünkte,
    Und nicht genug des Raums für den unsterblichen Drang:
Hat der Jüngling, fromm, dem Schatten der liebenden Mutter
    Seinen gesellet, am Grab', das die Gebärerin deckt!

 << zurück weiter >>