Joseph Christian von Zedlitz
Gedichte
Joseph Christian von Zedlitz

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Der Liebe Lust und Qual.

1.

                  Manch tiefes Leid, manch bang erschütternd Beben,
    Manch stilles Sehnen haucht' ich in Gesänge,
    Und meint' ich oft, daß mir das Herz zerspränge,
    Schien tröstend mich ein Engel zu umschweben.

Denn solche Huld hat mir ein Gott gegeben,
    Daß, wie es mich auch wild im Busen dränge,
    Ich auf dem Goldgefieder zarter Klänge
    Vermag empor zum Himmel mich zu heben.

O, rauscht Ihr zu, ihr seelenvollen Weisen!
    Du gluthbelebte Stimme meines Herzens!
    Umzittre Sie wie Silberton der Laute;

Schweb' um die Hold' in immer engern Kreisen,
    Und, eine treue Zeugin meines Schmerzens,
    Verkünde ihr, was ich nur dir vertraute.

 
2.

Gefesselt bin ich nun, ich bin gebunden,
    In enger Haft unlösbar fest gehalten,
    Und wie auch Willkür herrisch möge walten,
    Küss' ich die Bande doch, die mich umwunden.

Wohl selten sind Gefangne froh befunden,
    Leicht zeigt der Blick, daß Gram die Brust gespalten,
    Der Kummer bleicht die trauernden Gestalten,
    Und Sehnsucht dehnt zu Jahren ihre Stunden.

Ich aber will die Ketten immer tragen,
    Geheime Flucht kommt mir wohl nie zu Sinnen,
    Obgleich mir nichts verwehrte, zu entrinnen.

Mir tönt die Luft nur Lust zurück, nicht Klagen,
    Und Blut und Leben möcht' ich freudig wagen,
    Ein ewiges Gefängniß zu gewinnen.

 
3.

Hell glüht ringsum ein blühend Liebesleben,
    Es schwelgt der West mit lustentflammtem Kosen
    Im dunklen, thaubeperlten Kelch der Rosen;
    Die Welle sucht der Welle nachzustreben,

Den Baum umstricken brünstig schlanke Reben,
    Ja, Liebe regt sich funkelnd selbst in Moosen,
    Und stets zu zwei seh' buhlend ich im losen
    Verliebten Spiel die Schmetterlinge schweben.

So wandelt hold die Flur sich mir zum Garten,
    Obgleich sie längst der Winter hart umschlungen;
    Denn alles blüht, was Liebeslust durchdrungen:

Ja, Quellen, die vom Frost gebändigt starrten,
    Verschlossen, bang des neuen Frühlings harrten,
    Sind frisch belebt auf ihr Geheiß gesprungen.

 
4.

Seyd ihr so arm, so jeder Gunst entwendet,
    Daß Amor nie den Pfeil nach euch gezücket,
    Der tief verletzt, doch höher noch entzücket;
    Hat er euch nie ein schnell Geschoß gesendet? –

Was wär' es sonst, das ihr zu tadeln fändet?
    Ist es der Neid, der euern Sinn berücket,
    Weil elend ihr, ich himmelhoch beglücket,
    Euch nichts der Gott und mir so viel gespendet? –

Erbärmlich seyd ihr, tief im Staub verloren,
    Euch blieb der Geist so wie das Herz verschlossen,
    Und nimmer hat ein Lichtstrahl euch umflossen.

Fühlt immerhin, daß euch die jungen Horen
    Nicht hold gelächelt, liebend nicht erkoren,
    Und bleibt gemein, wie ihr gemein entsprossen! –

 
5.

Nacht wird's um mich, und wieder Tag und helle,
    Bald ist ein Lichtmeer strahlend ausgeflossen,
    Bald lenkt die Sonne abwärts mit den Rossen,
    Und Dunkel zieht herauf an ihre Stelle;

Bald rieselt klar auf Silbergrund die Welle,
    Durch Wiesen, blau mit Teilchen übergossen,
    Bald ist das Thor der Stürme aufgeschlossen,
    Daß Schrecken sich zum Schrecken wild geselle.

Was kümmert's mich! Ob Tag, ob Nacht dort oben,
    Ob Sonnen sanken oder sich erhoben,
    Ob Dunkel jetzt, ob Licht die Welt umwoben;

Ob Stürme brausen, lind Zephyre hauchen,
    Ob hinter mir der Erde Trümmer rauchen –
    Kann nur mein Blick sich feucht in Ihren tauchen.

 
6.

O, sey barmherzig, huldigste der Frauen!
    Warum mich stets mit neuem Band umwinden?
    Kann all' mein Leid nicht Deine Gunst entzünden,
    Laß Hoffnung nicht im klaren Blick mich schauen!

Wohl scheint er mild in feuchtem Glanz zu thauen,
    Scheint reichen Lohn der Liebe anzukünden;
    Doch fühl' ich bald so hohes Glück entschwinden,
    Und oft verletzt seh' ich ein schön Vertrauen.

So treib' ich fort, vom süßen Schein betrogen,
    Ob ich auch weiß, daß täuschend mich die Wogen
    Dem nahen Abgrund schmeichelnd zugezogen.

O, lächle nicht, o spotte nicht der Qualen!
    Leicht könnt', erzürnt, auch Dir der Gott bezahlen,
    Der oft zu Blitzen wandelt seine Strahlen.

 
7.

Geduld, mein Herz, beginne nicht zu wanken,
    Und was du fühlst, bewahr' es wie dein Leben!
    Gefährlich ist's, die Decke aufzuheben,
    Und leicht durchbricht der Unmuth Wehr' und Schranken.

So lang die Zeichen noch verworren schwanken,
    Noch unbestimmt sich Nebel um uns weben,
    Wir zwischen Furcht und Hoffnung zweifelnd schweben,
    Ist unser Leid ein Leid nur – in Gedanken;

Doch wenn wir sehn, wovor uns oft gebanget,
    Was wir gescheut und doch zu schaun verlanget,
    Wie treu kein Herz mehr an dem andern hanget,

Verrath sich täuschend borgt der Liebe Züge,
    Wie Blick und Wort und Schwur oft wird zur Lüge:
    Wo ist das Herz, das solche Qual ertrüge?

 
8.

Magst Du auch unsanft spotten meiner Leiden,
    Wenn Schmerz und Kummer meine Wangen bleichen,
    Magst Du Dein Ohr dem mir Verhaßten reichen,
    Dich herzlos kalt an meinem Kummer weiden:

Ich muß sein Glück, nicht sein Verdienst beneiden;
    Ich darf beschämt nicht einem Bessern weichen,
    Und mich ihm kühn an jedem Werth vergleichen,
    Mag launenhaft auch deine Gunst entscheiden.

Ja, Zorn und Wuth durchschauert mir die Glieder,
    Es hat mich jede Mäßigung verlassen,
    Kaum weiß ich mehr besonnen mich zu fassen;

Und unbezwingbar treibt mich's oft und wieder,
    Vor meines Degens Spitze ihn zu stellen,
    Daß Haß und Gluth sich kühl' in Blutes Wellen!

 
9.

So muß ich denn mit trübem Auge sehen,
    Wie meine goldnen Sterne niederwallen,
    Vom Lebensbaum die Blüthen abgefallen,
    Und blätterlos die todten Zweige stehen.

Muß jedes Glück die leichte Luft verwehen,
    Muß jeder leise Freudenton verhallen?
    Wohl bin ich schwer mit dem Geschick zerfallen,
    Klar ist die Fluth – doch muß ich untergehen!

—   —   —   —   —   —   —   —   —   —   —

 
10.

Wie Du mir werth, sey der Entschluß Dir Zeuge,
    Daß ich den Mund verschlossen jeder Klage,
    Damit am Freudenhimmel Deiner Tage
    Durch meine Schuld kein trüber Hauch sich zeige.

O, armes Herz, wie du auch leidest, schweige;
    Weil Sie es will, so dulde still und trage,
    Und deinem Glück, nicht deiner Lieb' entsage;
    Ja, liebe Sie, wie Sie auch tief dich beuge!

Leicht magst Du Dich von mir, Geliebte, trennen,
    Bist ja so reich von Glücklichen umgeben,
    Daß Du mein Leid bald wie mein Lied vergissest.

O, möchtest Du Dich nie getäuscht erkennen,
    O, daß Du nie, wenn Trug und Schein entschweben,
    Den treuen Freund, den Du verschmähst, – vermissest!

 
11.

Wie Blumen bunt sich an einander reihen,
    Hab' ich den kleinen Liederkranz gewunden,
    In heitern erst, doch bald in trüben Stunden,
    Nun nah' ich schüchtern mich mit bangem Scheuen,

O, holde Frau! und wag', ihn Dir zu weihen.
    So sind die Blumen, wo ich sie gefunden!
    Ach, möchten sie, die sorgsam ich gebunden,
    Mit süßem Duft Dich, Herrliche, erfreuen!

Nimm, was in schöner Liebeszeit begonnen,
    Und was, als sich Dein Blick von nur gewendet,
    In Qual getaucht, in Thränen ich vollendet!

Denn wie ein Traum, im Morgenduft zerronnen,
    Ist all' mein Glück, sind alle meine Wonnen,
    Und schmerzlich hat so schöne Zeit geendet.

 
12.

So ruhet denn, ihr tonbelebten Saiten,
    Die oft so süß mir in die Seele klangen,
    Am Grabe meiner Hoffnung aufgehangen!
    Seyd mir ein schönes Denkmal bess'rer Zeiten!

Stumm siehet man den Schwan die Flügel breiten,
    Fühlt er das Herz von Todesgraun umfangen;
    Und nur so lang' die Nachtigallen sangen,
    Als sie im Lenz sich ihrer Liebe freuten.

Ein schönes Hoffen hatt' ich still genähret:
    Die schöne Kunst gesellt noch schön'ren Trieben,
    Meint' ich in Doppelflammen zu verglühen.

Nur kurze Frist hat dieser Traum gewähret,
    Doch langer Schmerz ist mir zurück geblieben:
    Soll Liebe mir – mag auch das Lied verblühen!


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