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Die Unterführung

Ganz aus Zement der Schacht,
kaum einen Meter breit, geschorft und wie
vom Aussatz zerblättert.
Den Weg, der sich da durchzog, nannten wir
den Krötenweg, den Pfad der Unken.
Denn feucht war dieser Durchgang,
dämmrig das Behältnis, und wenn
der Fuß des Knaben in die Lache trat,
gab's schauerliches Echo, denn es hüpfte
dem Fuß das Stummvolk mit. Es platschten
dann Hunderte und Aberhunderte bei seinem Tritt.
Und doch, ich mußte durch.
Mußte! Ich war ja Knabe noch und war
es mir und meinem jungen Mute schuldig.
Mußte! Ich war ja Knabe noch und kannte nicht
die Kunst des Auswegs, kannte kein
Ausweichen, keine Übergänge,
kannte nur Wege, die unerbittlich
durchs Dunkle und durchs Grausige führten.
Doch, nicht die Hüpfeschar der Schattener,
der Dämmerkröten, war das Schlimmste.
Am schlimmsten zerrte mich
der fauchende Expreß, der mir
zu Häupten stürmte, wenn ich
grad in der Mitte war und es zur Flucht
nach links und rechts zu spät und mir
nichts übrig blieb, als auszuhalten bei der
verkrümmten Molchenschaft.

Ganz aus Zement der Schacht,
kaum einen Meter breit, zerschorft und wie
vom Aussatz zerblättert.
Du drin in dem verwunschenen Gefängnis,
Matsch unter dir und dumpfer Plumps der Kröten,
und über dir der Lärm und Donner
einer gewalttätigen sausenden Welt,
metallischer Schrei, Gefauch des Dampfs, und immer
diese Angst in dir, die Knabenangst,
ob nicht der Schienenstrang, der dünne,
einknicke und zerbräche.

Und dann der Jubel, wenn
die Gefahr vorbei, dein Fuß
den Kröten sich entwand und unterm
Trommelwirbel deines Herzens du wieder,
dem Leben neu geschenkt,
im Licht des Tages standest!


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