Ernst Wichert
Heinrich von Plauen
Ernst Wichert

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43. VOR DEM HOCHMEISTER

Der Hochmeister nahm seine Meldung an. Was führt dich zu mir, mein Sohn? fragte er gütig.

Ich komme, Ew. Gnaden um Urlaub zu bitten, antwortete Hans. Schon zu lange war ich von Haus und Hof fern.

Plauen legte die Finger an die Stirn. Du willst mich daran erinnern, daß ich noch in deiner Schuld bin.

Nicht das, gnädiger Herr. Aber es wäre mir freilich lieb, wenn Ihr dessen gedächtet, daß Ihr mir in Eurer Huld ein Versprechen gegeben habt.

Ein Versprechen.

Ich sollte eine Bitte frei haben, und Ihr wolltet sie erfüllen. Ungern mahne ich, aber mich treibt nun die Not.

So sprich. Ich hoffe, daß du nicht bitten wirst, was nicht in unserer Macht steht zu gewähren.

Es steht in Eurer Macht, gnädigster Herr. Ew. Gnaden nehmen sich einer Waise an, einer Anverwandten –

Waltrudis. Was soll das? Er faßte ihn scharf ins Auge.

Sie ist meines Freundes Schwester, und ich sah sie bereits in Schwetz in des Ratmanns Johannes Clocz gastlichem Hause, führte sie auch zu Euch nach der Marienburg –

Weiter – weiter!

Gnädigster Herr, ein Wort für viele: ich liebe die Jungfrau und begehre sie zu meinem Weibe.

Und Waltrudis –?

Sie ist mir wohlgeneigt und will mir in mein Haus folgen mit Ew. Gnaden Erlaubnis. Und das ist meine Bitte, gnädigster Herr, daß Ihr mir des Fräuleins Hand gewährt.

Der Hochmeister sah ihn eine Weile unverwandt an und schien ihn doch nicht zu sehen. Sein Blick war wie umflort. Dann fuhr er mit der Hand aufwärts über die Stirn in das krause Haar und ließ sie dort liegen. Menschliche Kurzsicht, murmelte er.

Hans fuhr fort: Mein Vater ist gestorben, und ich bin Erbe seines Gutes an Haus und Hof, Feld und Wald, Zubehör und fahrender Habe. Wenige im Kulmer Lande sind mehr begütert, und keiner mit besserem Recht ausgestattet. Mein Haus ist wieder aufgebaut und bereit, die Hausfrau zu empfangen. Ich stamme von Freien, und die von Buchwalde zählen von alters her zu dem Adel des Landes. Ew. Gnaden aber haben mich eigenhändig zum Ritter geschlagen und mir die höchste Ehre erwiesen, deren selbst in Eurer Bruderschaft ein Mann würdig befunden werden kann. So hoffe ich, daß mein Werben nicht zu kühn ist, gnädigster Herr.

Waltrudis ist meine Anverwandte – bedenkst du das?

Der Ritter verneigte sich. Ihr seid hoch erhoben, gnädigster Herr, durch die Wahl zum Hochmeister. Aber die Fürstlichkeit hängt Eurer Person an und berührt die Glieder Eurer Familie nicht.

Die Plauen sind ein reichsfreies Geschlecht. Weißt du das nicht?

Das Fräulein führt diesen Namen nicht. Ich frage nicht, wie Waltrudis von Waldstein Eurem Hause verwandt ist, aber das Kind erbt das Recht des Vaters, und die von der Buche dürfen sich nicht für schlechter halten als die von Waldstein. Auch hat's im Reiche den Töchtern der reichsfreien Geschlechter nie für ein Ehehindernis gegolten, sich mit Freien zu verbinden, die Güter von der Herrschaft zu Lehn haben. Auch die Plauen sind Lehnsleute und haben die Vogtschaft vom Kaiser.

Der Hochmeister nickte mehrmals wie zur Bestätigung und schien doch an anderes zu denken. Er war nicht erzürnt, keine Ader auf der breiten Stirn schwoll, aber das Gesicht sah finster und grämlich aus, als ob schwere Sorge ihn bestürmte. Endlich streckte er die Hand aus und sagte mit mildem Tone: Es kann nicht sein, Hans – weiß Gott, es kann nicht sein!

Der Ritter trat erschreckt zurück. Gnädigster Herr –

Es kann nicht sein, Hans, glaube mir. Nicht deshalb, weil du mir zu gering bist für das Mädchen. Vielleicht, wenn du wüßtest – Aber es ist nicht deshalb. Ich halte dich in Ehren und habe dich als brav und zuverlässig erkannt. Zweimal hast du mir und dem Orden einen großen Dienst geleistet, der jeden Dankes wert ist. Und wenn Waltrudis meines Bruders, des Vogtes zu Plauen, leibliches Kind wäre, ich wollte gern für dich ein Fürwort einlegen bei ihrem Vater und die Ungleichheit des Standes nicht achten. Wahrlich, es tut mir weh, daß ich deine Bitte abschlagen muß, denn ich habe dich liebgewonnen. Bitte etwas anderes, daß ich mich dir nach Wunsch gnädig erweise – dies kann nicht sein.

Und warum – nicht? fragte Hans mit zitternder Stimme.

Der Hochmeister verließ seinen Platz, machte einen Gang durchs Zimmer, blieb neben ihm stehen und legte den Arm auf seine Schulter. Warum nicht? Ich will annehmen, daß du ein Recht zu dieser Frage hast, und ich will vertrauen, daß du meine Antwort nimmst, wie ich sie gebe. Sieh, ich bin zu des Ordens Oberhaupt gewählt, so wenig ich nach dieser Ehre geizte; da darf ich nun keinen anderen Gedanken haben als den einen: wie ich den Orden fördere, dessen Haupt ich bin, und Schaden von ihm abwende. Groß ist die Zahl der offenen und geheimen Feinde. Selbst vielen von der Bruderschaft darf ich nicht trauen, und wie im Lande Verrat gesponnen wird, hast du erkannt. Die Bischöfe verklagen uns in Rom und hetzen gegen uns den Papst und seine Kardinäle, weil wir sie zwar für unsere Prälaten halten, aber nicht für Landesherren neben uns, die uns ungestraft bekriegen dürfen. Da muß ich denn Bündnis suchen mit denen, die unseren Feinden feind sind oder im Kampfe gegen sie gewinnen wollen, und muß meine Mittel wohl bedenken und zu Rate halten. Denn wähnet nicht, daß uns der Friede gesichert ist; der schwerere Kampf steht uns noch bevor – ich weiche nicht, man schleppe mich denn gebunden fort. Da fügt sich's nun, daß ich Waltrudis einen Vorteil gewinne, den sonst nur weltliche Fürsten sich nutzbar machen können. Der Sohn des Herzogs von Masowien wirbt um sie, und ich habe sie ihm zugesagt, einen wichtigen Bundesgenossen dem Orden zuzuführen. Sind wir seiner Treue versichert, so steht er für uns auf der Wacht zwischen Polen und Litauen und erspart uns ein Heer. Darum mein Sohn, kann ich deine Bitte nicht erfüllen.

Switrigal! stöhnte Hans. Waltrudis ist er verhaßt – Er bietet ihr einen Fürstenthron.

Und sie liebt mich!

Sie wird gehorsam sein.

Zwei Menschen, die Eurem Herzen nahestehen, macht Ihr unglücklich!

Ich habe mein Wort gegeben, unwissend, daß es mir so schwer werden würde, es zu halten. Das ist mein Verhängnis, tun zu müssen, was die Pflicht gebietet.

Ihr wolltet Waltrudis zwingen –?

Sie ist ein kluges Mädchen und wird einsehen, daß ich von ihr fordern muß, was ich fordere. Sie weiß, daß sie mir teuer ist, daß ihre Freude mich freut und ihr Schmerz mich schmerzt. Wußte ich, daß ihr Herz nicht mehr frei war? Durfte ich eines Fürstensohnes Werbung ausschlagen? Vielleicht, wenn du früher gekommen wärest – nun bin ich selbst gebunden.

Nein, rief Hans, ein so grausames Opfer könnt Ihr dem Orden nicht bringen wollen. Er ließ sich auf ein Knie nieder. O Herr, laßt Euch bitten. Waltrudis überlebt's nicht.

Um des Hochmeisters Mund zuckte ein bitteres Lächeln. Man überlebt andere Schmerzen. Es ist für eine arme Waise noch nicht der herbste, eine Herzogin zu werden.

Nie wird sie vergessen, daß sie geliebt hat.

Wer vergißt das? Der Meister strich mit der Hand über seine müden Augen und seufzte leise. Steh auf und mache mich nicht weich. Mein Herz muß hart und unbeweglich sein. Steh auf!

Hans erhob sich. Das ist nicht Euer letztes Wort, gnädigster Herr.

Nimm's dafür, und du wirst dir viel Kummer ersparen. Dir und dem Mädchen, das du liebst – bedenke es wohl! Nimm raschen Abschied, Hans, und sattle dein Roß morgen in der Frühe. Es wäre mir leid, wenn ich dir später unfreundlich begegnen müßte.

Er reichte ihm wieder die Hand, aber der junge Ritter drückte und küßte sie nicht. Das Blut wallte ihm zornig auf, und er sagte mit halberstickter Stimme: Ich bin verbannt. Das ist mein Lohn, weil ich die Genossen an Euch verriet. Mir wird mein Recht.

Das will ich nicht gehört haben, antwortete der Meister und wandte sich ab.

Hans stand noch eine Sekunde lang unschlüssig auf seinem Platz. Es war ihm, als könne so dieses Gespräch nicht enden. Aber der Meister zeigte deutlich, daß er es nicht wieder aufnehmen wollte; er hatte wirklich sein letztes Wort gesprochen. Kaum seiner Sinne mächtig, verließ Hans das Gemach.

Als er in den Vorraum trat, sah er dort rechts und links von den Ordensbeamten zwei Männer stehen, die einander den Rücken zukehrten.

Dem älteren mit dem grauen Bart konnte er ins Gesicht sehen. Er kam ihm bekannt vor. Ganz recht – das war der Ratsherr Huxer aus Danzig. Er hätte ihn sonst wohl angesprochen; jetzt eilte er mit flüchtigem Gruß vorüber. Den andern mußte er beim Ausgang streifen. Er trat ein wenig zur Seite und blickte dabei über die Schulter. Kaum aber hatte er Hans ins Auge gefaßt, als er mit einem raschen Satz herumsprang und ihm die Tür versperrte. Bist du's –? rief er. Hans –! Bist du's wirklich?

Diese Stimme? Heinz – Freund –! Du hier? Und Waltrudis wußte nicht –

Ich bin erst vor einer Stunde angelangt. Aber du –! Was führte dich in des Meisters Gemach?

Nichts jetzt davon – der Kopf schwindelt mir, ich kann nichts denken. Heinz, Heinz, gerade in dieser schmerzlichen Stunde – Er warf sich in seine weit geöffneten Arme. Du sollst alles erfahren. Waltrudis ist ja deine Schwester – du darfst nicht leiden, daß man ihr das Herz bricht.

Heinz küßte ihn auf die Wange. Du rufst einen an, der selbst in Not ist. Hast du Bekümmernis, mir geht's nicht besser. Aber es ist gut, daß wir nun zu zweien sind; da können wir beraten, wie wir einander helfen – wenn zu helfen ist.

Komm gleich mit mir zu Waltrudis, Liebster. Sieht sie dich wieder, so wird's ihr den Schmerz erleichtern wegen dessen, was ich ihr zu berichten habe.

Heinz zuckte die Achseln. Es geht nicht an. Ich muß da hinein.

Zum Hochmeister?

Er nickte. Und wie es mir da ergehen wird, weiß ich noch nicht. Den Mund dicht an des Freundes Ohr haltend, flüsterte er ihm etwas zu.

Hans prallte zurück. Unglücklicher! Wie willst du dich verantworten?

Das wäre das wenigste, meinte Heinz. Aber daß ich Maria verloren habe – Ach, Freund! Sie ist ins Kloster der Reuerinnen eingesperrt meinetwegen.

Und soll Nonne werden?

Oder einen andern heiraten, den sie nicht mag. Aber sie tut's nicht – nicht das eine und nicht das andere, ich kenne sie dafür zu gut! Das sprach er laut, so daß es durchs ganze Zimmer zu hören war. Huxer verstand es auch und zuckte unwillig mit der Schulter.

In diesem Augenblick trat der Hauskomtur aus des Meisters Gemach und sagte: Kläger und Beklagter, Seine Gnaden wollen beide zugleich sehen und hören.

Heinz drückte den Freund noch einmal an die Brust und folgte Huxer.

In des Hochmeisters Gemach befanden sich jetzt mehrere Gebietiger und Priesterbrüder, die hinter dem obersten Herrn standen und wohl als Zeugen der Verhandlung zugezogen waren, vielleicht auch, um auf Erfordern Rat und Auskunft zu erteilen, denn einer von den Priesterbrüdern war ein gelehrter Doktor der Rechte und in Bologna promoviert. Der Reeder und Schiffsherr meinte mit einer Verbeugung abzukommen; als er aber des Meisters ernstes Gesicht sah und dessen graues Auge sich auf ihn heftete, zitterten ihm die Knie; er sank nieder, hob die Hände bittend auf und rief: Gnade, großmächtigster Herr Hochmeister, Gnade!

Man sagte mir, du kämest Recht zu fordern, antwortete Plauen.

Ich bitte, Eure Gnade wolle mir zu meinem Recht verhelfen.

Dein Name ist Huxer.

Tidemann Huxer, gnädigster Herr.

Ich habe ihn oft nennen hören, wo ich ihn lieber nicht gehört hätte. Im vorigen Jahre warst du im sitzenden Rat der Rechten Stadt Danzig.

Ja, gnädigster Herr.

Und hast mit Konrad Letzkau und Arnold Hecht dem König von Polen zugeschworen und später unserem Orden und dem Komtur, meinem Bruder, viel Hindernis bereitet.

Es ist damals vieles geschehen, gnädigster Herr, was besser nicht geschehen wäre.

Die Danziger der Rechten Stadt haben allezeit wenig darauf geachtet, wie sie uns bei unserem Recht ließen und sich ihrer Herrschaft gehorsam bewiesen.

Sie sind schwer bestraft, gnädigster Herr, und ich hoffe wohl, daß Ew. Gnaden es dem einzelnen nicht mit Groll nachtragen werden, was etwa die gesamte Gemeinde in schwerer Zeit verbrochen hat, sondern seine Sache untersuchen und ihm mit Rechtem zu seinem Recht helfen ohn' Ansehen der Person.

So ist's, Tidemann Huxer, schloß der Hochmeister dieses Verhör. Und nun steh auf und trage deine Sache vor. Gegen wen kommst du zu klagen?

Der Kaufherr zeigte auf Heinz, der einige Schritte seitwärts und zurück stand. Gegen diesen da, gnädigster Herr, der sich Euren Diener nennt und sich unserem städtischen Gericht nicht stellen will, obgleich er betroffen ist auf frischer Tat.

Plauen schien jetzt erst von des Junkers Anwesenheit Kenntnis zu nehmen. Sein Gesicht verfinsterte sich noch mehr, da er es ihm nun zuwandte, und sein Blick war so streng, daß wohl auch ein Mutiger hätte erschrecken müssen. Ich hatte nicht erwartet, dich so wiederzusehen, Heinrich, sagte er. Es wird schwere Klage über dich geführt, und ich weiß nicht, wie du dich rechtfertigen willst.

Dem Junker schlug das Herz, und seine Lippen waren brennend trocken, da er antworten wollte. Aber er faßte sich und entgegnete aufrichtig: Höret ihn an, gnädigster Herr Hochmeister, und entscheidet dann, ob mein Vergehen gar so groß ist. Gegen das Gesetz mag ich mich freilich vergangen haben, aber vor Gott hoffe ich wohl verantworten zu können, was ich getan habe und wozu dieses Mannes Härte mich zwang. Richtet Ihr an Gottes Statt, so richtet nach der Gerechtigkeit. Wie Ihr aber richten möget, ich bin Eurem Willen untertänig.

Nun trug Huxer seine Sache vor und redete sich recht in Grimm und Wut hinein, daß die Gebietiger ihm mehrmals winken mußten, sich nicht so ungebärdig vor dem hohen Herrn zu äußern, und klagte den Junker des Jungfrauenraubes an. Straft ihn, bat er, nach seiner Schuld, die er nicht leugnen kann, oder hört meine Zeugen, wenn er mit sträflichen Lügen seinen gnädigsten Herrn zu hintergehen trachten sollte.

Hat er dich um deiner Tochter Hand gebeten? fragte der Meister.

Das hat er freilich, eiferte Huxer, aber ich habe sie ihm ernstlich abgeschlagen und ihm mein Haus verboten, wie ich das Ew. Gnaden schon nach der Wahrheit vortrug.

Und warum versagtest du ihm des Mädchens Hand?

Gnädigster Herr, das war mein Recht. Der Vater hat zu verfügen über sein Kind.

Aber deine Gründe laß mich wissen.

Huxer sah verlegen zur Erde. Ich bin darüber niemand Rechenschaft schuldig, stotterte er.

Gewiß nicht. Aber waren deine Gründe gut, was scheust du dich, sie mitzuteilen?

Ich wollte ihn nicht zu meinem Eidam, der Grund ist hoffentlich gut genug.

Und hattest sonst an ihm nichts auszusetzen?

Daß er nichts hat als seinen Harnisch und sein Pferd und fremd ist hier im Lande.

Und wenn ich selbst für ihn werben würde, Tidemann –

Ich bitte Ew. Gnaden, davon abzustehen. Denn des Mädchens Hand ist vergeben, und ich kann mein Wort nicht brechen.

Nie wird Maria Rambolts Weib werden! rief Heinz.

Schweige, gebot der Meister streng, und sieh zu, wie du antwortest, wenn man dich fragt.

Gebt meiner demütigen Bitte Gehör, großmächtigster Herr Hochmeister, erhob Huxer wieder kräftiger seine Stimme, straft nach Gebühr den schändlichen Jungfrauenraub. Es sind Artikel gesetzt gegen solche Verführer und Räuber. Laßt es nicht geschehen, gnädigster Herr, daß man im Lande sagt, es sei keine Gerechtigkeit zu finden gegen die Übeltäter, die den Kreuzherren versippt oder befreundet sind.

Der Hochmeister schien ihn heftig anfahren zu wollen; aber er trat nur mit dem Fuß vor und hob die Hand, bezwang sich jedoch und wandte sich zu Heinz. Nun sprich, sagte er; du hörst, wessen man dich beschuldigt.

Gnädigster Herr, begann der Junker, wenig eingeschüchtert, alles, was der sehr ehrenwerte Ratsherr sagt, ist richtig, und weit entfernt bin ich, ihn Lügen strafen zu wollen. Gleichwohl kann ich mich nicht schuldig bekennen.

Wie paßt das zusammen? fragte der Meister.

Ich habe immer gehört, gnädigster Herr, daß, wer Raub verübt, nimmt sich mit Zwang und Gewalt, was ihm nicht angehören will. So also, wer eine Jungfrau raubt, entführt sie mit Zwang und Gewalt, aus unzüchtiger Leidenschaft, gegen ihren Willen. Ich bin nicht gelehrt, aber das begreift sich ohne Gelehrsamkeit. Nun hab' ich aber dieses Mannes Tochter nicht gewaltsam aus ihres Vaters Hause entfernt und zu Schiff gebracht, sondern freiwillig ist Maria mir gefolgt und aus ihres Vaters Gewalt entflohen, um mir anzugehören. Deshalb bin ich kein Räuber oder Dieb, sondern habe mir genommen, was mein sein wollte, und so nenne ich den einen Lügner und elenden Wicht, der's anders sagt.

Ist's so, Tidemann? fragte Plauen.

Huxer kaute und würgte an seinem Ärger. Freilich ist das Mädchen betört und vom bösen Geist besessen, antwortete er mürrisch, und hat die Pflicht wenig geachtet, aber –

Gibst du jenem dort schuld, daß er durch teuflische Künste, Beschwörungen oder Zaubertränke des Mädchens Sinn von dir ab und zu sich gewandt hat?

Nein, gnädigster Herr, davon weiß ich nichts. Aber das Mädchen ist unsinnig in ihn verliebt, und er hat sich solche Schwäche zunutze gemacht.

Maria ist ihm also freiwillig gefolgt?

So muß ich's glauben, gnädigster Herr. Doch bedenkt selbst, ob ein unmündiges Kind einen Willen haben kann, der gegen des Vaters Willen ist, und ob er sich auf eine Vollmacht berufen kann, die von einem Unmächtigen gegeben ward. Mir gehört mein Kind! Und nimmt er mir's mit List oder Gewalt, so nenne ich ihn mit Fug und Recht einen Räuber und Dieb.

Heinz trat nahe an ihn heran. Ich hab' Euch flehentlich gebeten, Ihr möchtet Euch des Mädchens erbarmen und des Herzens Gebot achten. Ihr aber seid hart mit Eurem Kinde verfahren und habt zum Ungehorsam getrieben. So hat es geschehen müssen, was wir beide tief genug beklagten. Und so bitt' ich Euch hier nochmals in des Herrn Hochmeisters und seiner Gebietiger Gegenwart: Verzeiht mir, daß ich Euer Recht nicht achtete und mir und Maria zu dem Unsern helfen wollte durch rasche Tat. Macht Euer Kind nicht unglücklich durch Eure Halsstarrigkeit – gebt mir des Mädchens Hand.

Huxer schüttelte den Kopf. Nein! antwortete er ohne Besinnen. Lieber mag sie ihr Erbe dem Kloster zubringen – so bleibt's in der Rechten Stadt Danzig.

Der Hochmeister mußte daran denken, daß er sich vor einer Stunde auch so unerbittlich bewiesen habe, und wagte nicht, den starren Mann zu schelten, der überdies wohl Grund hatte, schwer erzürnt zu sein. Er kreuzte die Arme über der Brust und sah ein paar Minuten lang abwechselnd den einen und den andern an, ob sich unerwartet eine günstige Wendung zeige, daß er sie versöhnen könne. Aber Heinz stand traurig mit gesenktem Kopfe da, offenbar ganz hoffnungslos, und Huxer schien gespannt auf seinen Spruch zu warten. Endlich sagte er, sich aufrichtend: Das Leben hast du nicht verwirkt, Heinrich, weil das Mädchen dir freiwillig gefolgt ist, aber straffällig ist deine Gewalttat gegen Tidemann Huxer, und mit Recht fordert er, daß ich dich strafe. Wer seine Freiheit so übermütig mißbraucht, dem muß man die Hand binden, daß er merke, es sei ein Mächtigerer über ihm, der ihn züchtigen kann. Melde dich bei dem Hauptmann der Schloßwache, er wird dir dein Gefängnis anweisen –

Gnädiger Herr – unterbrach der Junker bestürzt.

Kein Wort! Ich will's so. Im Turm wirst du Zeit haben, zu überlegen, wie schwer du dich vergangen hast. Wahrlich, alle bürgerliche Ordnung müßte aufhören, wenn es so dem einzelnen gefallen würde, das Gesetz zu mißachten und Gewalttat zu üben. So mag's leider jetzt in Franken und Schwaben geschehen und an viel anderen Orten des Reiches. Aber hier in Preußen ist die Obrigkeit noch mächtig, dem Recht zum Recht zu helfen und den Bürger zu schützen. Geh in dein Gefängnis! Und wenn du in meine Hand versprechen willst, diesem Tidemann Huxer fortan Frieden zu geben, ihn nicht zu bedrohen, ihn nicht zu vergewaltigen, sondern abzustehen von seinem Kinde, so laß mich's erfahren, und ich will weiter bedenken, ob ich deine Buße annehme. Geh!

Heinz erkannte, daß jedes Wort des Widerspruchs nur seine Lage verschlimmern könnte, verbeugte sich tief und wandte sich der Tür zu.

Dank, gnädigster Herr, Dank! rief Huxer und wollte den Saum seines Mantels aufheben, ihn zu küssen.

Aber der Hochmeister trat unwillig zurück. Du bist mir nichts schuldig, Tidemann, sagte er. Ich wollte, du selbst hättest dich christlicher bewiesen, daß ich dir hätte danken können. Aber du wolltest dein Recht, und das ist dir geworden. Er winkte mit der Hand. Verlaß uns! Wenn aber dein Herz sich wenden sollte, komme wieder.

Huxer zog den breiten Kopf zwischen die Schultern und entfernte sich mit leisen Schritten. Das wird nie geschehen, murmelte er in sich hinein.

In der Rechten Stadt Danzig konnte er nun doch sagen, daß der Herr Hochmeister ihm habe gerecht werden müssen.


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