Ernst Wichert
Heinrich von Plauen
Ernst Wichert

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23. DIE JAGD AM MELNOSEE

Sobald die Heerhaufen aus dem Norden des Landes zusammengezogen und die Söldner neu gerüstet waren, brach Plauen gen Süden auf, die wenigen Burgen, die der König noch in Besitz hatte, zurückzuerobern und ihm bis zur Grenze entgegenzugehen, vielleicht auch sie bei günstiger Gelegenheit zu überschreiten.

Er führte sein kleines Heer durch ein völlig verwüstetes Land, aber wo noch ein Kirchturm stand, da läuteten die Glocken zu seinem Empfang, und das Landvolk stellte sich an den Weg, den neuen Landesherrn zu begrüßen. Zu seiner Freude konnte er auch bemerken, daß der Mut der wackeren Leute nicht gebrochen war. Schon von der Marienburg herab hatte er die tapferen Bürger der Stadt den Schutt von ihren Straßen forträumen und ihre abgebrannten Häuser neu aufrichten sehen; nun fand er überall auch in den Dörfern fleißige Hände tätig, noch vor dem Winter die Wände und Dächer auszubessern, Menschen und Vieh ein gesichertes Unterkommen zu schaffen.

Fürchtet ihr nicht, daß der Feind im nächsten Jahre zurückkehrt und alles wieder zerstört? fragte er gern die Bauern, sie ausholend.

Da müßte nicht Herr Heinrich von Plauen des Ordens Meister geworden sein, antworteten sie. Gegen den kann der König nichts, das hat er gezeigt in der Marienburg.

So kam er bis zur Engelsburg und nahm dort vorerst Quartier. Im ganzen Kulmer Lande war man dem Orden noch feindlich gesinnt und hielt's offen und versteckt mit dem Könige. Rechnete man doch bestimmt auf dessen Wiederkehr. So galt es denn, dieses Gebiet zu beruhigen und mit zuverlässiger Mannschaft zu besetzen, um künftig im Rücken gesichert zu sein.

Hans von der Buche, der sich im Gefolge des Meisters befand, ritt, sobald sein Dienst es gestattete, nach Buchwalde, sein väterliches Erbe in Augenschein zu nehmen. Er machte sich darauf gefaßt, den Gutshof in Schutt und Asche zu finden, und durchstrich mit beklommenem Herzen das Wäldchen am Fuße des Hügels. Aber ganz so traurig sah's drüben nicht aus, als er gefürchtet hatte. Das alte Haus mit seinem Turm stand unversehrt. Ein Teil der Stallungen und Scheunen freilich war durch Brand arg beschädigt und auch das Dach über dem neuen Wohnhause auf der Südseite eingefallen, so daß die verkohlten Sparren in die Luft ragten. Aber überall standen doch die festen Mauern aus Feldsteinen, und einige von den Gebäuden in dem großen Viereck waren auch noch bedacht. Türen und Fensterladen schienen dort neu eingesetzt zu sein, wie sich aus der hellen Farbe des Holzes schließen ließ. Hier und dort weidete auch eine Kuh oder Ziege neben den Lehmhäuschen in der Dorfstraße; den armen Leuten war also nicht ihr ganzes Besitztum geraubt.

Der Junker ritt langsam in den Hof ein bis zum Brunnen unter der Linde, stieg dort ab und schöpfte einen Eimer voll Wasser für sein Pferd. Dann ging er nach dem Hause. Die Türen waren verschlossen oder durch vorgenagelte Bretter gesperrt. Einige von den Fensterladen hingen lose in den Angeln und ließen sich leicht öffnen. Er sah die Gemächer innen völlig ausgeräumt, die Wände kahl und die Füllungen der Schränke zerbrochen. Augenscheinlich hatte der Feind hier geplündert und alle Sachen von Wert mitgenommen. Dann aber mußte eine ordnende Hand vorgesorgt haben, daß nicht Regen und Sturm das Zerstörungswerk fortsetzten.

Wie er da noch so stand, vernahm er hinter sich eine polternde Stimme: Was will der Strolch da? Fort mit ihm vom Hofe! Im ganzen Hause ist keine Menschenseele, und selbst die Mäuse und Ratten sind ausgerückt, weil's nicht einmal eine Brotrinde zu nagen gibt. Wer erlaubt Euch, die Laden aufzureißen? Fort, sag ich!

Hans von der Buche blickte um und sah den Waldmeister vom alten Hause her mit eiligem Schritt auf sich zukommen. Er hatte ein großes Beil in der Hand und drohte damit. Grüß Gott, lieber Alter, rief der Junker; kennst du mich nicht mehr, Gundrat?

Der Waldmeister stutzte und ließ im nächsten Augenblick das Beil auf die Erde fallen. Ihr seid's? sagte er verwundert. Ja, dann ist's freilich ein anderes. Verzeiht die rauhen Worte. Man hat's hier seit Monden mit so viel Teufelspack zu tun, daß man sich auf ein gutes Gesicht gar nicht mehr einrichtet.

Um so willkommener wird es dann sein, meinte der Junker und schüttelte ihm die Hand. Ich sehe, Ihr habt wacker hausgehalten. Steht noch etwas auf seiner Stelle, so ist's sicher Euch zu danken, und ich dank's Euch aus treuem Herzen. Jetzt erst bemerkte er, daß der Alte unter dem breiten Hut eine Binde um den Kopf trug. Aber was ist das? erkundigte er sich teilnehmend. Ihr seid verwundet?

Gundrat schnippte mit den Fingern durch die Luft. Pah, die Polen haben scharfe Säbel, und man kann ihnen nicht allemal aus dem Wege gehen, wenn sie betrunken sind. Es hat nicht viel auf sich. Aber Ihr lebt, Junker! Ich nenne Euch noch immer Junker, obschon Ihr jetzt hier der Herr seid – das tut die lange Gewohnheit. Ja, ich war schon besorgt um Euch, da so lange keine Nachricht kam. Wo zum Teufel stecktet Ihr denn?

In der Marienburg, mein Alter.

Dachte ich's doch, daß Ihr Euch mit dem Schwetzer Komtur dort hättet einsperren lassen. Der ist ja nun Hochmeister geworden.

Heinrich von Plauen ist Hochmeister und hält jetzt Rast in der Engelsburg auf dem Wege nach Thorn, wo er mit dem Könige zu verhandeln gedenkt wegen eines ehrenhaften Friedens.

Den will ich ihm gönnen! rief Gundrat. Er hat sich brav gehalten, das muß ihm der Feind lassen. Der Mann gefällt mir – wahrhaftig, der gefällt mir!

Kennt Ihr ihn?

Nein, ich sah ihn nie. Was hätte ich auf den Schlössern der Ordensherren zu tun? Aber der Mann ist seine Tat, und seine Tat gefällt mir, darum gefällt mir der Mann.

Begleitet mich nach der Engelsburg, so will ich Euch den Herrn Hochmeister zeigen.

Gundrat warf den Kopf zurück und lachte. Ich bin nicht neugierig. Sorgt nur, daß ich bald wieder in meinen Wald zurück kann. Doch was stehen wir hier auf dem Hofe? Tretet bei mir ein, Junker. Ich habe mir im alten Hause ein Stübchen zurechtgemacht, darin sollt Ihr auch einen Stuhl finden, wenn Ihr müde seid. Den Gaul bringe ich lieber jenseits des Grabens in Sicherheit – es streift noch immer viel diebisches Gesindel um. Folgt mir.

Er ging, ohne die Antwort abzuwarten, nach dem Brunnen, nahm den Zügel des Pferdes auf und führte es dem alten Hause zu. Die Brücke war abgebrochen, man mußte durch den Graben, in dem sich das Wasser der Herbstregen in Pfützen gesammelt hatte. Drüben stand unter dem tiefen Torbogen noch ein zweites Pferd an einen Mauerring angebunden; zu dem gesellte er den Gaul des Schloßherrn. Ich reite täglich ab und zu, sagte er, das kostet viel Zeit.

Der Waldmeister führte Hans seitwärts die Stiege hinauf in den mit Ziegeln gepflasterten Flur und in eins der kleinen gewölbten Gemächer des unteren Stockes. Dort war in einer Ecke mit Brettern eine Schlafstelle abgegrenzt und der Raum mit trockenem Laube gefüllt, worauf Gunrats Mantel ausgebreitet lag. Einer von den Tischen, die sonst in der Halle gestanden hatten, war vor das Fenster geschoben; daneben standen zwei Holzstühle ohne Lederbezug. Ist das alles, was uns der Feind gelassen hat? fragte der Junker.

Der Alte stieß ein paar Laute aus, die wie ein heiseres Lachen klangen. Das ist alles, was wir dem Feinde gelassen haben, antwortete er – es hat seine Beutegier nicht gereizt, aber ich hab' dafür manches Schimpfwort hinnehmen müssen.

Das andere ist in Sicherheit?

So ziemlich. Es liegt im Heidenwall unter einem Bretterschuppen, den wir rasch zusammenzimmerten. Was die Preußen gestohlen haben, dafür stehe ich nicht gut.

Und Pferde und Vieh?

Weiden im Walde am Melno-See, bis auf fünf oder sechs von den schlechtesten Stücken, die ich absichtlich preisgegeben habe, damit sich der Feind nicht zu eifrig aufs Suchen legen möchte. Die Strohdächer deckten sie ab, um Pferdefutter zu haben, da unsere Scheunen bald geleert waren. Im Wohnhause hatten sich polnische Schlachtschitzen einquartiert, die brachten von Tannenberg einen Leiterwagen voll Bierfässer, soffen Tag und Nacht, bis ihnen über den Köpfen der rote Hahn aufflog, denn sie hatten in der Halle Feuer angemacht, und einer der Holzpfeiler war in Brand geraten bis zum Dachstuhl hinauf. Da zogen sie fluchend ab. Das geschah schon, als der König auf die Marienburg zog. Hinterher merkte jeder Haufe, der nachrückte, daß hier schon geplündert war, und hielt sich nicht lange mit der Nachlese auf. So stand der Hof noch verwüstet da und recht jämmerlich anzusehen, als der König zurückkam. Einige Tage lang lagen unsere Ställe und Scheunen voll von Kranken und Verwundeten. Die Reiter, die sie geleiteten, durchstöberten die Keller und hatten nicht übel Lust, den Turm mit Pulver zu sprengen. Darüber kam es zwischen uns zum Streit, und der eine von den betrunkenen Lümmeln schlug mir mit dem krummen Säbel über den Kopf. Nun, die alte Gudawe hat den Schlitz wieder zusammengeheilt. Als das Heer vorüber war, hab' ich dann angefangen, ein wenig Ordnung zu schaffen und den Hof aufzuräumen. Die Nächte werden kalt, und das Vieh kann nicht mehr lange im Freien bleiben. Den Acker hab' ich durch die Knechte vom Walde aus bestellen lassen, so gut es ging. Auch die Waldwiesen am See sind gemäht, und das Heu ist unter Schobern von Laubgeflecht ins Trockene gebracht. So werden wir zum Winter das notdürftigste Futter haben. Weiter weiß ich nichts zu berichten, Herr.

Lieber Getreuer, rief Hans erfreut, das ist hundertfach bessere Kunde, als ich erwarten durfte. Unser Schade ist groß, aber durch ein paar gute Ernten wird er sich mit Gottes Hilfe wieder einbringen lassen. Habt herzlichen Dank.

Der Alte achtete auf seine Rede wenig, schob eine Holzplatte mit dem Fuße fort und stieg in ein Kellerloch hinab.

Von dort brachte er ein Brot und eine Kanne Met herauf. Stärkt Euch, sagte er, es reicht für uns beide. An bescheidene Kost werdet Ihr Euch wohl in der Marienburg gewöhnt haben, denk ich.

Hans griff zu. Noch eine Frage aber. Wißt Ihr nichts von meiner Stiefmutter und Schwester?

Nicht das mindeste, Junker. Sie haben sich um Buchwalde gar nicht mehr gekümmert. Was hätt's auch geholfen?

Ob ein Bote nach Sczanowo durchkäme?

Wo denkt Ihr hin? Die Grenze ist dicht besetzt mit polnischem Volk, und alles, was von Preußen kommt, wird angehalten und aufgeknüpft.

So müssen wir den Friedensschluß abwarten. Er stand auf und reichte dem Alten die Hand hin. Lebt wohl! Ich reite nach der Engelsburg zurück.

Und wann gedenkt Ihr mich abzulösen? fragte Gundrat, ohne einzuschlagen.

Hans sah ihn verwundert an. Abzulösen? Seid Ihr Eures Verwalteramtes so müde?

Gründlich, Junker. Ich sehne mich wieder in meinen Wald zurück und habe noch die Hütte zum Winter auszubessern.

Ah, ich lasse Euch nicht mehr vom Gutshofe fort! Ihr habt nun gezeigt, daß Ihr zu etwas Besserem taugt als zum Eremiten.

Gundrat schüttelte den Kopf. Das versteht Ihr nicht, übrigens meine ich, habt Ihr den Kreuzherren schon mehr gedient, als Eure Pflicht und Schuldigkeit war. Der Hochmeister kann Euch nicht halten.

Aber ich trenne mich ungern von ihm, Gundrat. Er kann jetzt jeden Arm brauchen, der ein Schwert zu schwingen vermag – und Ihr wißt nicht, was mich sonst noch …

Ihr errötet wie des Pfarrers jüngstes Beichtkind. Nur heraus mit der Sprache! Was sonst noch?

Ihr erinnert Euch des Junkers von Waldstein, Gundrat?

Ei wohl!

Er hat eine Schwester – und sie ist die Verwandte des Hochmeisters.

Und Ihr, Junker –?

Ich sage nichts weiter. Aber es wäre mir lieb, wenn der Hochmeister auch ferner ein Auge auf mich hätte.

Der Alte stützte den Kopf in die Hand. Es wird sich dazu wohl noch Gelegenheit ergeben, äußerte er nach einer Weile, wenn der Krieg wieder losbricht. Jetzt seid Ihr nötiger hier auf Eurem Hofe als unter des Hochmeisters Dienerschaft. Ihr müßt Haus und Stall wieder aufrichten, Eure Äcker bestellen und für Eure Bauern und Knechte sorgen. Überall fehlt der Herr. Und wenn Ihr an eine Hausfrau denkt –

Das steht in weitem Felde –

Mag sein. Aber Haus und Hof muß doch erst in Ordnung. Überlegt's also, Junker. Kommt Ihr aber in acht Tagen nicht selbst, so schickt einen andern, dem ich Euer Hab und Gut übergebe. Auf mich rechnet nicht weiter.

Zu einer gefälligeren Antwort ließ er sich nicht bewegen, und so ritt Hans von der Buche denn fort, über sich selbst ärgerlich, daß er seinen Besuch nicht aufgeschoben hatte.

Unterwegs aber ging ihm doch durch den Kopf, was der Alte wohlmeinend gesprochen hatte. Er konnte jetzt dem Hochmeister wenig nützen, war nur in seinem Hofhalt ein Kostgänger mehr. Zu Hause aber gab's viel zu tun, den Kriegsschaden auszugleichen, und was in den nächsten Wochen versäumt wurde, war für das ganze Jahr versäumt.

Es mußten auch die Mittel zur Kriegsrüstung im folgenden Frühjahre beschafft werden, und er durfte nicht hinter den Nachbarn zurückbleiben, die wahrscheinlich gleich nach Abzug des Feindes mit dem Wiederaufbau ihrer Höfe begonnen hatten. Als er gegen Abend in die Engelsburg einritt, war er schon entschlossen, beim Hochmeister einen längeren Urlaub nachzusuchen.

Zu diesem Zwecke meldete er sich am nächsten Morgen beim Hauskomtur und wurde ohne Schwierigkeit zu Plauen eingelassen. Der Hochmeister saß in dem hochgelegenen Gemach, das für das Oberhaupt der Brüderschaft eingerichtet war, in der tiefen Fensternische an einem Tische, auf dem viel Briefschaften lagen. Er beschäftigte sich aber nicht mit denselben, sondern hatte den Stuhl dicht an das Fenster gerückt, einen Flügel geöffnet und auf die weite Landschaft hinabgeschaut.

In kurzer Entfernung lag das Dorf Okonin, jetzt vom Feinde arg mitgenommen. Nahe hinter demselben begann der Wald, anfangs noch unterbrochen durch Ackerpläne und Wiesen, bald dichter und geschlossener, so daß ihn das Auge bis zum Horizont hin nicht mehr verlor. Er leuchtete in seinem goldgelben Herbstschmuck; hier und dort aber hob sich eine dunkle Tanne über das Laubholz hervor.

Hans von der Buche brachte sein Anliegen bescheiden vor und nannte seine Gründe.

Ich kann Euch nicht halten, antwortete der Meister; aber vergeßt mir Euer Versprechen des Wiederkommens nicht. Es könnte sein, daß ich bald ungern auch den einzelnen Mann vermisse. Wo liegt Buchwalde?

Zwischen hier und Rheden, gnädiger Herr, naher gegen Rheden.

Wie groß ist Euer Besitz?

Hans gab Auskunft. Der Hochmeister zeigte in die Ferne hinaus. Der helle Streifen dort – was ist das?

Der Melno-See, gnädiger Herr.

Und der Wald diesseits gehört Euch?

Ein großer Teil davon.

Es fehlt darin wohl nicht an allerhand jagdbarem Wild?

Gewiß nicht, gnädiger Herr. Die Nachbarn klagen, daß dessen zuviel sei; die Äcker leiden darunter. Besonders die Hirsche –

So wär's ein gutes Werk, zu jagen und die dreistesten Gesellen fortzuschießen.

Seid Ihr ein Jäger?

Dem Hochmeister blitzten die Augen. Die Jagd war meine Lust in der Jugend! Kaum ein anderes habe ich so schwer vermißt, seit ich in den Orden trat, als die Jagd. Sie ist den Rittern verboten, außer auf wildes Getier, das dem Lande Schaden bringt, Bären und Wölfe. Aber das ist keine Pirsch, wie sie der Weidmann liebt. Dem Hochmeister freilich ist eine Ausnahme erlaubt. Ah, wenn ich hier von der Höhe aus dem Fenster blicke über das Waldland, erinnert's mich an die Heimat! Wald – Wald und Wald, so weit das Auge reicht in dem lieben Thüringen, nur welliger und höher hinauf zu den Wolken, wenn auch nicht in die Wolken hinein. Er seufzte. Da gab's eine Jagd auf Edelwild!

Hans von der Buche überlegte ein wenig. Ew. Gnaden sollten's einmal in unsern Wäldern versuchen, sagte er dann zögernd. Am Melno-See gibt's tiefe Schluchten; da täuscht man sich leicht in ein Hügelland hinein, und Bäume stehen dort, die sind älter als der Orden im Heiligen Lande.

Beliebt's Ew. Gnaden, so benachrichtige ich meinen Waldmeister, und an Treibern soll's nicht fehlen.

Ihr meint's gut, antwortete der Meister lächelnd. Und wahrlich, es bedarf nicht langen Zuredens! Mein Geist ist schlaff und mein Körper matt von der Arbeit am Schreibtische. Ein paar Atemzüge frischer Waldesluft würden mich wunderbar stärken und aufrichten. Wir wollen keine Jagd ansagen; die Zeit ist nicht dazu angetan, und das Landvolk hat Dringenderes zu tun, als uns einen Achtender zuzutreiben. Aber laßt uns die Pferde satteln und gebt einigen von meiner Dienerschaft Weisung, sich mit Armbrüsten und Spießen bereitzuhalten. Diese Briefe, die heute früh von Thorn anlangten, sind nicht auf der Stelle abzufertigen. Vielleicht weiß ich am Abend nach einem kräftigenden Waldritt besser, wie den Schwierigkeiten zu begegnen, die sich mir rings in den Weg legen. Wohlan denn, ich gebe Euch das Geleite!

Der junge Gutsherr zeigte sich hocherfreut über diesen Entschluß und eilte fort, um die nötigen Vorbereitungen zu treffen. Draußen auf der Galerie fand er bei den Türhütern einen Bekannten aus der Marienburg, dem er dort freilich lieber ausgewichen war. Es war Liszek. Er trug jetzt ein neues Kleid von gutem Tuch und hatte Haar und Bart gestutzt. Ei, wie kommt Ihr hierher? fragte er, nicht angenehm überrascht. Ich bemerkte Euch bisher nicht unter des Herrn Hochmeisters Dienern.

Bin auch erst seit gestern hier, antwortete der Bursche, sich demütig verbeugend. Hat nicht lange gefallen in weite Welt. Schlechte Zeit, Herr Junker, schlechte Zeit. Nichts zu essen zu Hause – Hof abgebrannt, Kuh fortgeführt, Knecht erschlagen. Bauer muß hungern. Pah, hungern schlechte Spaß! Lieber dienen bei großer Herrschaft. Bin ich gekommen nach Engelsburg und bieten an meine Dienst – treu und gut, wahrhaftig!

Und man hat Euch angenommen?

Ei, gewiß! Ehrliches Gesicht, gute Rock – und verlangen nicht viel Lohn.

So kann ich Euch gleich Aufträge machen, gebt acht! Er setzte ihm auseinander, was zu besorgen sei, und ging selbst in seine Schlafkammer, sein geringes Gepäck zu ordnen.

Liszek hatte sich wohl gehütet, die Wahrheit zu sagen. Er war nach Aufhebung der Belagerung der Marienburg zu seinem Herrn, dem Bischof von Kujawien, gegangen, um ihm Bericht zu erstatten. Der fühlte sich auf seinem Schlosse Subkau nun bald nicht mehr sicher und eilte dem König nach über die Grenze. Seinem Diener aber gab er ein neues Kleid, versprach ihm noch eine bessere Belohnung und hieß ihn wieder zu Plauen gehen und sich stets in dessen Nähe aufhalten. Er solle aufmerken, wer bei dem Hochmeister ab- und zugehe, mit wem er viel vertraulich verhandle, wen er mit Briefschaften schicke und womit er sich beschäftige. Liszek hatte dem Bischof von dem Verkehr Plauens bei der jungen schönen Dame in der Vorburg schuldige Mitteilung gemacht; nach der Beschreibung war sie unzweifelhaft dieselbe, die er schon in Schwetz durch seine Geistlichen hatte beobachten lassen.

Übrigens war er ein geschickter und behender Bursche, und so brachte er denn auch jetzt die Stallknechte rasch in Bewegung, wählte die Begleitung aus, ließ Armbrüste an die Sättel binden und einen Gaul mit Mundvorrat beladen. Nach einer Stunde konnte dem Meister gemeldet werden, daß der kleine Troß am Burgtore bereitstehe. Vor Sonnenuntergang sei er wieder zurück, versicherte Plauen dem Hauskomtur, und hoffe für die Brüder etwas frisches Wildbret mitzubringen. In Okonin schickte Hans einen von den Bauernburschen zu seinem Waldmeister voran, ihm anzusagen, daß er mit einem vornehmen Herrn zur Jagd reite und ihn in der zweiten Schlucht am See bei den drei alten Eichen erwarten werde. Gundrat möge sich beeilen, dorthin zu kommen, auch einige Leute mitbringen, die das Wild aufjagen könnten. Er selbst wisse nicht gut genug Bescheid tiefer in den Wald hinein.

Ein herrlicher Bestand, lobte Plauen, als sie eine Strecke zwischen den mächtigen Stämmen weitergetrabt waren, immer das dichte Unterholz vermeidend. Hier hat kaum noch die Axt geklungen; nur der Sturm stürzt von Zeit zu Zeit einen der Riesen, der sich mit seinem Haupte zu hoch hinauswagt, oder das Alter wirft sie zu Boden. Man weiß in Preußen noch wenig vom Forsten und schlägt nur die Waldstellen um, die man ackern will. Das wird in hundert Jahren anders sein. Ah, wie erquicklich die Waldluft ist! Man atmet einmal wieder aus voller Brust.

Ein Hirsch brach vor, stutzte und ergriff die Flucht. Die Hunde wurden losgelassen und setzten ihm nach. Die Jäger hinterher mit lautem Hallo, so schnell die Pferde durch das Gestrüpp folgen konnten. Der sumpfige Rand eines Waldsees zwang das Tier umzukehren und sich den Hunden zur Wehr zu setzen. So stellten sie es den Jägern. Bald lag es auf dem Rasen, von den Bolzen ihrer Armbrüste hingestreckt.

Der Hirsch wurde unter einem weithin kenntlichen Baume bis zur Rückkehr aufbewahrt. Nachdem die Hunde gekoppelt waren, setzte sich der kleine Zug wieder in Bewegung. Hans von der Buche schlug vor, zunächst den Wald auf kürzestem Wege zu durchschneiden, um den See zu gewinnen.

Sie erreichten das Ufer und nach einigem Herumstreifen an demselben auch die Schlucht mit den drei Eichen. Es war Mittag geworden, die Jäger stiegen ab, ließen ihre Pferde grasen und streckten sich auf das Waldlaub am Anberge, von wo man einen hübschen Durchblick nach dem im Sonnenschein glänzenden See hatte. Der mitgenommene Mundvorrat wurde herbeigeschafft und der Moosteppich als Tischtuch benutzt.

Plauen hatte sich mit der Schulter gegen den Stamm einer Eiche gelehnt. Der Hut lag neben ihm auf dem Boden, das Wams war auf der Brust geöffnet. Von Zeit zu Zeit schaute er über sich in die gelbe Laubkrone, die den Herbstwinden noch kräftig Widerstand geleistet hatte, während die anderen Waldbäume schon fast kahl dastanden. Das sind die Steineichen, sagte er; es dauert im Frühjahr lange, bis sie ausschlagen, andere Bäume haben dann schon ihren Sommer. Aber um so länger bleiben sie auch grün, fast bis in den Winter hinein. Es ist mit den Menschen nicht anders; sie haben zu gar verschiedener Zeit ihren Frühling und Herbst.

Ihr selbst mögt Euch mit einer solchen Steineiche vergleichen, gnädiger Herr, bemerkte der Gutsherr. Viel welkes Laub ist im Orden, Ihr aber steht frisch und gesund da. Und auch sonst seid Ihr uns ein Bild dieses mächtigen Stammes, der ungebeugt den heftigsten Stürmen steht.

Der Hochmeister bewegte abwehrend ein wenig die Hand. Es soll sich erst noch zeigen, was das gilt, antwortete er. Vielen wäre ein Rohr genehmer, das sich vor dem Winde beugt und sich wieder aufrichtet, wenn er darüber hingegangen ist, oder ein Weidenbaum, den man köpft und der doch wieder frisch ausschlägt. Aber jeder freilich nach seiner Natur: mir gefällt die knorrige Eiche. Nur glaubt nicht, daß ich jetzt meinen Spätfrühling feiere. Zu früh bin ich alt geworden, und vor der Zeit hat der Sturm mich entlaubt – was jetzt aus mir grünt, ist ein später Trieb, dem die Sonne vielleicht nicht mehr warm genug scheint, daß er sich kräftig auswachse. Er zeigt nur, daß der Stamm noch nicht abgestorben ist.

Er ließ die Hand über die Stirn und die Augen gleiten und hielt sie eine Weile fest darauf gedrückt. Auch in meinem Thüringen gibt's nicht mehr viel solcher Eichen wie diese hier, fuhr er dann heiterer fort; es ist eine Freude, sie anzusehen und an ihnen zurückzudenken, was sie erlebt haben. Sie waren schon betagt, als Hermann Balk ins Land kam, hier das Kreuz aufzurichten, und darüber sind bald zweihundert Jahre vergangen. Jetzt kämpft das Kreuz gegen das Kreuz.

Und Rom gelüstet's nach der Siegesbeute, fuhr Hans heraus. Es gefällt dem Papst wenig, daß der Orden in kirchlichen Dingen selbständig ist und die Möncherei nicht aufkommen läßt. Deshalb hilft er den Polen und sieht es gern, daß die Bischöfe sich gegen die weltliche Macht auflehnen. Am liebsten möcht er dem Orden den Prozeß machen wie dem Magister Johannes Huß in Prag, und mich wundert's gar nicht, daß er verbreiten läßt, hier in Preußen seien viele Anhänger seiner Lehre.

Plauen lachte. Wenn wir Ketzer sind, dann freilich hat er leichtes Spiel mit uns. Wir wollen uns wohl hüten. Ihr aber haltet Eure Zunge im Zaum, daß man Euch nicht von Huß reden hört; denn da Ihr bei ihm in der Lehre gewesen seid, wird man auch glauben, daß Ihr seine Lehre hierher ins Land tragt.

Ich hoffe, der Wald wird mich nicht verraten, entgegnete Hans wenig beunruhigt.

Der Wald war nicht der einzige Zeuge dieses Gesprächs, das sich noch eine Weile über so gefährliche Dinge fortsetzte. Liszek, der mit den andern Dienern einige Schritte seitwärts im Grase lag und an dem Flügel eines Vogels nagte, spitzte die Ohren. Verstand er auch nicht alles, was gesprochen wurde, so war doch auch das wenige, zumal wie er sich's zurechtlegte, ganz geeignet, seinem Herrn, dem Bischof, gelegentlich hinterbracht zu werden. Vom Papst und Johann Huß war die Rede gewesen!

Indessen hatte der Okoniner Bursche den alten Waldmeister in seiner Hütte aufgefunden und des Gutsherrn Bestellung ausgerichtet. Gundrat knurrte und fluchte, machte sich aber doch bereit. Er hatte am Morgen die Knechte aufs Feld geschickt, holte nun einen Teil vom Pfluge fort zu den Waldweideplätzen und schritt dann, die Armbrust über der Schulter und ein kurzes Schwert an der Hüfte, dem See zu, auch im Heidenwall die junge Mannschaft aufrufend. Weiter am Ufer entlang auf bekannten Schleichpfaden ging er der Schlucht zu, an deren oberem Ende die drei alten Eichen standen.

Er näherte sich ihnen, durch Buschwerk gedeckt, immer nach den Jägern ausspähend. Da hörte er sprechen. Er bog die dünnen Äste zurück und sah Leute im Grase liegen. Dort aber – an den Stamm der mittleren Eiche gelehnt, saß da ihm gegenüber ein Mann, dessen Anblick ihn offenbar mit Schreck erfüllte. Der ganze Körper zuckte, und die Augen starrten auf das Gesicht hin. Eine Sekunde lang stand er wie angewurzelt, aber nur eine Sekunde lang. Dann stieß er ein stöhnendes Ah – er! aus, riß die Armbrust von der Schulter, spannte sie und warf einen Bolzen in die Rinne.

Blaurot wurde sein Gesicht, zornig flammten die Augen. Er legte den Kolben an die Backe, zielte – die Hände zitterten. Verführer – Mörder! schrie er und drückte ab.

Der Bleibolzen zischte durch die Luft und schlug in den Eichenstamm ein, keine Handbreit über des Hochmeisters Haupt. Sicher wäre er getroffen worden, wenn er nicht bei dem lauten Aufschrei des Schützen seine Lage verändert hätte. Was war das? rief er jetzt, vom Boden aufspringend und seinen Gegner mit den Augen suchend.

Hans war zu ihm geeilt. Ein Schuß – dort in die Eiche ist der Bolzen eingeschlagen! Welcher Bube –?

Wer war der Schütze? fragte Plauen. Wer schrie da – Verführer und Mörder? Ihm nach, Leute! Holt ihn ein – bringt ihn hierher! Er war sehr bleich und sah auch sonst ganz verstört aus. Ich habe die Stimme nicht zum erstenmal gehört, wandte er sich wieder an den Gutsherrn, und mir galt der Schuß. Wer war's – Ihr müßt ihn kennen! In Eurem Walde ist diese Schandtat –

Gnädigster Herr, fiel Hans ihm in die Rede, straft nicht einen Unschuldigen mit Eurem Zorn. Ich weiß nicht, welcher schändliche Bube – es treibt sich jetzt viel Raubgesindel um – vielleicht, daß man erfahren hat –

Aber die Stimme, die Stimme –?

Sie klang heiser und wie von Wut erstickt –

Verführer – Mörder –

Ich vernahm die Worte kaum deutlich. Nach dem Ton – aber das ist unmöglich!

Der Hochmeister sah finster vor sich hin. Die Freude an diesem Tage ist mir verdorben, sagte er. Nicht weil mein Leben gefährdet war – das steht überall in Gottes Hand, und stets hab' ich es eingesetzt mit leichtem Mut. Aber die Stimme – das war ein Feind, auf den ich nicht rechnete. Mörder – Verführer … Er sprach immer leiser in sich hinein, zuletzt ganz unverständlich. Dann schüttelte er sich, als ob er etwas abwerfen wollte, richtete den Kopf hoch auf und rief in herrischem Tone: Die Pferde herbei! Wir reiten heim.

Zwei von den Dienern hatten in dem unbekannten Walde bald die Verfolgung aufgegeben und eilten zu den Pferden zurück, des Hochmeisters Befehl auszuführen. Einige andere durchsuchten noch die Gebüsche in der Schlucht und drüben am Rande eine Strecke ins Gehölz hinein. Am flinksten war Liszek hinter dem Schützen her gewesen. Er hatte genau die Richtung gemerkt, aus welcher der Ruf kam, und sich in der Nähe gar nicht aufgehalten. Indem er dreist zulief und zu beiden Seiten ausspähte, sah er hinter einem Busch eine Gestalt auftauchen und sich eiligst in der Richtung nach dem See hin entfernen. Er verdoppelte nun seine Anstrengungen und war bald dem Fliehenden auf den Hacken. Steht, rief er ihm zu, oder ich sende Euch einen Bolzen nach, der besser treffen soll als der Eure!

Der Waldmeister mußte einsehen, daß es ihm nicht gelingen könne, sich seinem Verfolger zu entziehen und den Heidenwall zu erreichen. Das Blut kochte in seinen Adern, das Herz klopfte bis zum Halse hinauf. Schweiß stand auf der knochigen Stirn, und die Knie zitterten vom schnellen Lauf in solcher Erregtheit. Er stellte sich mit dem Rücken gegen einen Baum, spannte seine Armbrust und sagte, mühsam Atem schöpfend: Was wollt Ihr von mir? Keinen Schritt weiter – Ihr seid des Todes!

Liszek winkte beruhigend mit der Hand. Mann gegen Mann – nicht schießen! Lieber geben Antwort. Wer seid Ihr?

Gundrat überzeugte sich, daß er's nur mit diesem einen zu tun habe und setzte die Armbrust ab. Ein alter Mann, wie Ihr seht, entgegnete er, ein unglücklicher Mann, dessen Auge nicht mehr sicher ist und dem die Hand zittert. Oder traf mein Bolzen ihn doch, den schändlichen Verführer meines Kindes – den Buben, der mich zum Mörder machte? Nein, nein, nein, er traf nicht! Es gibt keinen gerechten Gott!

Liszek horchte auf und bekreuzte sich bei den letzten Worten.

Den Buben – hahaha! Ihr sprecht wenig respektvoll von Eurem gnädigen Herrn Hochmeister.

Der Alte schrak zusammen. Hölle und Teufel! Der Mann unter der Eiche war –? Die Augen schienen ihm aus dem Kopf treten zu wollen. Wer war der Mann?

Ja, Ihr müßt ihn doch kennen, wenn Ihr ihm an die Kehle wollt! Heinrich von Plauen, Hochmeister des Deutschen Ordens, kein Geringerer.

Gundrat sank in die Knie. Heinrich von Plauen – er! rief er. Der Gast meines jungen Herrn –!

So seid Ihr des Junkers von der Buche Waldmeister, den er an den drei Eichen erwartete. Aber was sprecht Ihr da? Das ist eine schwere Anklage für einen Hochmeister des Deutschen Ordens. Getraut Ihr Euch, sie aufrechtzuerhalten?

Gundrat ballte die Fäuste. Ich hasse ihn! Er hat mein Leben vergiftet, er hat mich aus Heil in Unheil gebracht! Ja – ich hatt' ihn erkannt. Er war's – er war's gewißlich.

Mehr als zwanzig Jahre sind darüber hingegangen. Aber wären's fünfzig – ich könnte mich nicht täuschen – er war's! O Mechthild – mein Kind, mein armes Kind! O unseliger Vater! Er schlug mit den Händen gegen die Stirn und raufte sein graues Haar.

Liszek überkam etwas wie Mitleid, während er zugleich schlau zu überlegen bemüht war, wie diese unverhoffte Entdeckung sich könnte ausnützen lassen. So trat er nun zu ihm und suchte ihn aufzurichten. Wenn Ihr Rache nehmen wollt, sagte er, dazu könnte mit der Zeit vielleicht Rat werden. Ich diene dem Bischof von Kujawien, der des Hochmeisters Feind ist. Habt Ihr einen Anschlag gegen Plauen, so eröffnet Euch dem hochwürdigen Herrn ohne Anstand im Beichtstuhl – der Vergebung Eurer Sünden seid Ihr sicher. Das sagte er in polnischer Sprache.

Gundrat stieß ihn unwillig zurück. Ich brauche keinen Pfaffen! rief er. Meine Sünde ist so groß, daß sie im Beichtstuhl nicht vergeben werden kann. Nicht Gott – der Teufel ist mächtig in mir. Fort mit Euch! Rührt mich nicht an! Wollt Ihr mich verraten, das steht bei Euch. Ich bin Gundrat, der Waldmeister, und meine Hütte weiß jedes Kind zu finden. Es ist so viel Ungerechtigkeit in der Welt – warum soll der Mann nicht zu Gericht sitzen über mich und den Stab brechen? Heinrich von Plauen – er! Hahaha, die Welt – die schöne Welt!

Er lachte wie ein Verrückter, daß es weithin durch den Wald schallte, warf seine Armbrust über die Schulter und schritt, ohne ein Wort des Abschieds zu sprechen, an seinem Verfolger vorüber. Liszek war der Alte unheimlich geworden. Er schlug hinter ihm dreimal das Kreuz und ließ ihn unangefochten gehen. Unmöglich war's nicht, daß er's mit dem Teufel selbst zu tun gehabt hatte.

Während er langsam in der Richtung nach der Schlucht zurückschritt, bedachte er, was zu tun sei. Er wurde mit sich einig, weder dem Herrn Hochmeister noch dem Junker von der Buche etwas von dieser sonderbaren Begegnung zu sagen, übrigens aber sich alles wohl zu merken und bei nächster Gelegenheit dem Bischof Bericht zu erstatten. Der würde sich's wohl zusammenreimen, meinte er.

Als er an den Halteplatz kam, waren die Jäger schon fort. Er zäumte sein Pferd auf und folgte ihnen.

An der Stelle, wo der Hirsch lag, waren sie vorübergeritten. Schade um den Braten, dachte er, sprang ab und lud das Wild auf. Im Dorfe Okonin gab er's den Bauern mit dem Befehl, es nach dem Schlosse zu schaffen.

Noch denselben Tag verließ Hans von der Buche die Engelsburg, um zu Hause seine Wirtschaft zu übernehmen. Der Hochmeister hatte sich in sein Gemach eingeschlossen und wollte ihn nicht mehr sprechen.

Bald nach diesem Vorfalle begab Heinrich von Plauen sich nach der Stadt Thorn, um mit dem König über den Frieden zu verhandeln.


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