Ernst Wichert
Heinrich von Plauen
Ernst Wichert

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31. DIE HENKERSMAHLZEIT

In Danzig hatten beide Teile mit allem Eifer gerüstet. Auch fehlte es nicht an mancherlei Feindseligkeiten auf dem Plane zwischen den städtischen Befestigungen und dem Schlosse, auf den Landstraßen vor den Toren und auf der Eisdecke des Flusses. Freilich konnte man einander in dieser Winterszeit nicht viel anhaben, aber die Gemüter erbitterten sich mehr und mehr.

Ein Angriff des Komturs auf die Stadtmauern wäre dem Rat sehr nach Wunsch gewesen. Man hätte dann die städtische Mannschaft in Tätigkeit gesetzt, die sich zwar leicht bewaffnen, aber schwer längere Zeit unter Waffen halten ließ. Die Handwerksmeister hatten den Harnisch angelegt und waren zum Kampf bereit; aber der wochenlange Nachtdienst ermüdete sie. Der Komtur andererseits hätte in seinem Zornmut wohl losgeschlagen, aber das Kapitel riet zu bedachtem Vorgehen und wollte dem Herrn Hochmeister die mißliche Exekution überlassen.

Gar sehr änderte sich die Stimmung in der Stadt, als unerwartet früh im März die warmen Tage kamen und bald darauf der Eisgang eintrat. Das ganze Jahr lang hatte der Handel gestockt. Die Speicher lagen voll Getreide, die Flachsbrake war gefüllt, die Holzgärten hatten große Vorräte geschnittener Hölzer aufgespeichert. Danziger Schiffe ruhten an der Lastadie abgetakelt aus, Bordinge und Weichselkähne warteten auf Ladung. Und nun war der Fluß frei, englische Schiffe konnten in nächster Zeit eintreffen, Flöße und Wittinnen von Polen. Alle Hände rührten sich plötzlich, jeder wollte vorbereitet sein, aus der Gunst der Witterung seinen Vorteil zu ziehen. Die Stadt gewann ein ganz anderes Aussehen.

Da zeigte sich's nun gar bald, wie stark der Einfluß dieser neuerwachten Handelstätigkeit auf das politische Treiben einer Stadt war, in welcher der Kaufmann allein das Regiment führte. Auch die Ratsherren und Schöppen hatten jetzt in ihren Kontoren zu tun; es galt, die Warenbestände zu prüfen, Schiffe auszurüsten, Briefe zu schreiben, Boten auszusenden, selbst eine Reise nach den auswärtigen Faktoreien vorzubereiten oder die ältesten und zuverlässigsten Kaufgesellen mit Vollmacht zu versehen. Wer Güter vor der Stadt besaß, hatte den Pferdebestand zu ergänzen, Vieh anzuschaffen, für die Bestellung der Äcker zur Sommersaat zu sorgen. So meinte jeder mit den eigenen Dingen den Kopf übervoll zu haben und die städtischen Angelegenheiten, mit denen man sich notgedrungen solange unausgesetzt beschäftigt, zurückstellen zu können. Es hielt schwer, den Großen Rat vollzählig zusammenzubringen, und auch im Artushof blieben an manchem Abend die Bänke leer. Man fing an, es als einen sehr lästigen Druck zu empfinden, daß die feindselige Haltung dem Schlosse gegenüber vielfach die freie Bewegung hemmte, bevor noch die Schiffahrt förmlich eröffnet war.

Ob nun der Komtur durch seine Spione von diesen Dingen Kenntnis erhalten hatte, ob er sie als selbstverständlich voraussetzte, jedenfalls spielte er jetzt einen Trumpf aus, mit dem er die Partie hoffte gewinnen zu können: er hatte eine neue, sehr schwere Kette schmieden lassen und legte sie nun quer über die Mottlau gegen die Rechte Stadt Danzig hin, so daß kein Schiff ein und aus konnte. Barthel Groß hatte dieses Zwangsmittel nicht ohne Grund befürchtet. Zugleich wurde der Eckturm des Schlosses, der gegen den Fluß vortrat, mit Geschützen armiert. Als ob er sie proben wollte, ließ der Komtur mit mächtigem Dröhnen einige Steinkugeln auf das andere Ufer hinüberfliegen. Sie reichten weit genug, um jeden Angriff auf den Mauerpfeiler, der drüben die Kette an starken Haken hielt, zu vereiteln.

Diese Maßregel verbreitete Schrecken in der Stadt. Welche neuen Verluste, wenn es dem Komtur gelang, im Frühjahr den ganzen Handel lahm zu legen! Und gerade jetzt liefen zuverlässige Nachrichten ein, daß der Hochmeister mit der Verlegung des Stapels nach Elbing Ernst mache. Bei Dirschau brauchte er nur ein paar Schiffe mit bewaffneter Mannschaft in den Strom zu legen, um alle polnischen Fahrzeuge zu nötigen, ihren Weg durch die Nogat auf das Frische Haff und Elbing zu nehmen. Das waren empfindliche Schläge.

Urplötzlich war die Stimmung in der Stadt die allerdüsterste geworden. Die Kaufleute gingen mit gesenktem Kopfe umher, die Bordingführer murrten laut, die Schiffskinder, die endlich Arbeit und Verdienst erwartet hatten, rotteten sich auf der Lastadie, auf dem Bollwerk und auf der Speicherinsel zusammen. Nun klagten auch die Krämer, daß sie ihre Keller und Windlagen nicht gehörig würden versorgen können, die Handwerker, daß aller Verkehr gerade in der günstigsten Zeit aufhören müsse, die Sackträger, daß es für sie nichts zu tun geben werde und daß sie nicht vom Winde leben könnten. So übertrieben vielleicht alle diese Befürchtungen waren, so wirkten sie doch verstimmend auf die Gemüter, und da eben jeder beteiligt zu sein glaubte, war zuletzt niemand, der ermutigend eingriff.

Dieselben Leute, die noch vor wenigen Wochen lieber Arm und Bein daran gewagt, als gutwillig einige Skoter für den Orden geopfert hätten, fingen nun an, über die Hartnäckigkeit des Rats zu murren und den Bürgermeistern Vorwürfe zu machen, die doch von ihnen als Verräter verschrien worden wären, wenn sie in den Schoß gewilligt hätten. Nun erschien die Abgabe, die der Hochmeister gefordert hatte, sehr gering gegen die Verluste, die man durch die Verweigerung gewärtigen mußte. Man fand, daß es doch hart gewesen sei, ihm seine Bitte rundweg abzuschlagen. Die Hoffnung, daß der König von Polen helfen werde, verblaßte mehr und mehr. Ein Angriff auf das Schloß, um das Hemmnis gewaltsam zu beseitigen, schien Torheit. Immer ungescheuter wurden solche Reden auf Märkten und Straßen laut. Man drang in die Kaufherren, auch in der Ratsstube die Meinung zu vertreten, daß für einen Ausgleich gesorgt werden müsse, da man doch die Stadt dieser Händel wegen nicht zugrunde richten könne.

Arnold Hecht, der vorher am heftigsten gegen den Orden das Wort geführt hatte, wurde nun am ehesten kleinlaut.

Ihm selbst standen große Verluste bevor, wenn seine Handelsunternehmungen nicht in Gang kamen, und er war Verbindlichkeiten eingegangen, die sich kaum noch lösen ließen, ohne sein Kontor in schlechten Ruf zu bringen. Nun nahm er, um seinen Rückzug vorzubereiten und zu decken, den Mund voll zu Angriffen, die ein Ansehen hatten. Hab' ich's nicht stets gesagt, ließ er jeden hören, der die Ohren auftun wollte, daß die Sache falsch angegriffen ist? Hat sie nicht ein so jämmerliches Ende nehmen müssen? Wir haben den ganzen langen Winter Zeit gehabt, konnten mit unsern müßigen Leuten etwas Herzhaftes gegen das Schloß unternehmen, konnten den König ermutigen, zu unsern Gunsten ein Machtwort zu sprechen. Statt dessen werden Briefe geschrieben hin und her, Sendboten an den Hochmeister geschickt, der im Lande herumreist, alle Hände voll zu tun hat, den Schoß zusammenzubringen und uns rückhaltige Antworten gibt. Ihm freilich war's genehm, die Sache bis zum Frühjahre hinzuziehen. Was meinte man denn auszurichten, wenn das Schloß nicht gebrochen würde? Und es gab eine Zeit, da wär's uns mit leichter Mühe gelungen, die Füchse aus ihren Löchern zu ziehen und den ganzen Fuchsbau zu zerstören. Warum haben wir unser Tor vermauert? Warum haben wir unsere Werke aufgeführt gegen das Schloß? Um ruhig zuzusehen, wie der gnädige Herr Komtur die Kette schmieden ließ, uns den Fluß zu sperren – aha! Nun ist's freilich zu spät, mit Gewalt etwas auszurichten: die Kreuzherren sind wohlgerüstet, und unsere Bürger mögen nicht länger im Harnisch gehen, um Kinder zu schrecken. Wahrlich, das nenne ich klug: mit den Waffen drohen und nicht zuschlagen. Nun stecken wir in der Klemme. Wollen wir seewärts, da stoßen wir gegen die Kette; wollen wir landwärts, da fängt der Pfleger von Dirschau unsere Güter ab. Gehen wir an den Hochmeister, so weist er uns an den Komtur; wenden wir uns an den König, so zuckt er die Achseln. Alles in allem: wir haben uns die Suppe eingebrockt und werden sie nun auch ausessen müssen, mag sie schmecken oder nicht.

Letzkau war der einzige, der den Kopf nicht verlor. Wir müssen standhalten, mahnte er, unsern Verlust verschmerzen und künftig mit größerem Gewinn einzubringen suchen. Sind wir so bald kampfmüde, so hätten wir den Streit lieber gar nicht anfangen sollen. Anzugreifen war unsere Sache nicht, da doch einmal der Herr König ohne uns Frieden gemacht hat; aber verteidigen können wir uns noch lange Zeit. Nur noch wenig Monde Geduld. Sehen sie dort, daß sie uns mit diesem nicht zwingen, so lassen sie sicher ab und geben nach. Denn sie brauchen uns mehr als wir sie. Ein Jahr lang mögen sie's mit Elbing versuchen, dann werden sie uns selbst wieder den Stapel anbieten müssen. Denn Elbing hat nicht Zugang zur See, außer über das Haff und durch das flache Tief bei Lochstedt. Große Schiffe können da nicht ein und aus, draußen aber ist kein geschützter Hafen, daß sie von den Bordingen Ladung annehmen können. Zudem wird Lübeck uns nicht im Stiche lassen mit den anderen Genossen der Hansa. Ihr merkt ja doch, daß der Herr Hochmeister scheu ist, etwas Gewaltsames zu unternehmen. Der Komtur ist ein Brausekopf und hätte längst das Waffenspiel angefangen, wenn sein Bruder ihn nicht hielte. Geben wir jetzt nach, so geschieht's zu den schlechtesten Bedingungen; bleiben wir noch diesen Sommer standhaft, so wird man uns alles bewilligen, was wir fordern.

Nur wenige brachte er auf seine Seite. Das Geschrei war zu groß und machte auch den Bedächtigen den Kopf wüst. Gegen die Osterzeit drängte alles in der Stadt zu einem Ausgleich, und der sitzende Rat sah sich endlich genötigt, Schritte zu tun. Es wurde ein Brief an den Komtur geschrieben mit der Aufforderung, die Kette zu entfernen, da sich der Orden ohne Grund das Recht anmaße, den Fluß zu sperren. Die Stadt wolle dann auch ihrerseits das Haustor wieder öffnen und die Werke abräumen, über die er Klage geführt hätte.

Wie pfeifen die Mäuslein? rief der Komtur. Es wird ihnen bange, daß wir sie aushungern. Wär's nicht Zeit, ihnen die Katze zu schicken, damit sie nicht gar mager werden, bis man sie verspeist? Er antwortete in hochfahrendem Tone, wie er nicht willens sei, sich Bedingungen vorschreiben zu lassen. Die Stadt solle sich unterwerfen, binnen drei Tagen den Schoß in seine Kämmerei abliefern, sich alles unrechtmäßigen Hängens und Köpfens enthalten, auch eine neue Ratswahl anordnen und vorher bei ihm anfragen, wer dem Orden genehm sei. Dann wolle er ihnen in Erwartung botmäßigen Verhaltens den Fluß öffnen und auch den Vogt zu Dirschau mit anderer Weisung versehen.

Eine so unverschämte Forderung würde der Rat vor wenigen Wochen noch mit Hohn zurückgewiesen haben. Jetzt ließ er sich auf eine ernste Widerlegung ein oder suchte zu entschuldigen. Es könne wohl sein, daß in diesen unruhigen Zeiten das eine oder andere nicht genau nach der alten Ordnung gegangen sei. Deshalb sollten von beiden Seiten Männer abgesandt werden, zu denen man Vertrauen hätte; sie könnten dann etwa im Rathause der Jungstadt zusammenkommen und die streitigen Punkte besprechen, damit jeder Teil zunächst genau wüßte, woran er mit dem andern sei. Inzwischen sollten die Feindseligkeiten eingestellt werden.

Das gefiel dem Komtur wenig. Ich merke wohl, daß die Buben Zeit gewinnen wollen, ihre Ränke weiter zu spinnen, sagte er. Ich kenne ihre geheimen Anschläge. Es wird nicht Ruhe in der Stadt, bis dem giftigen Drachen die Köpfe abgeschlagen sind. Das Kapitel wollte die dargebotene Hand nicht ausschlagen.

Verdrießlich antwortete Plauen: Gebt acht, wie den Hähnen gleich wieder der Kamm schwellen wird. Mich sollen sie durch ihr Krähen nicht irremachen! Er konnte doch sein Stück nicht durchsetzen.

Auf dem Rathause der Jungstadt kam es nun zu lebhaften Verhandlungen. Vom Schlosse war der Hauskomtur mit zwei Ritterbrüdern geschickt; für die Stadt sprachen Barthel Groß und Huxer nebst andern Ratmannen. Endlich kam man überein, daß man auf beiden Seiten den früheren Zustand, wie er vor Beginn dieser Feindseligkeiten gewesen, wieder herstellen und allen ferneren Rüstungen entsagen wolle. Ob das Rechtens geschehen sei, was geschehen sei, darüber solle kein Teil mit dem andern hadern, sondern dem Herrn Hochmeister die Entscheidung anheim gegeben werden. Die Stadt verpflichtete sich, seinem Spruche zu gehorsamen und ihm jederzeit ihre Tore zu öffnen, wenn er den Streit in Danzig selbst schlichten wolle. Dafür verlangten die Ordensboten eine Sicherheit. Nach manchem Hin und Her verstanden sich die Bürgermeister dazu, am Hauptaltar in der Marienkirche in des Komturs Hand einen Schwur zu leisten, daß sie an keine Hinterlist dächten und diesen Frieden gewissenhaft halten wollten. Dagegen sollte der Komtur sofort die Kette niederlassen und dem Vogt in Dirschau Auftrag geben, die Flußschiffahrt nicht ferner zu belästigen. Darauf ging der Komtur ein, weil das Kapitel es also wollte. In seinem Herzen aber blieb er ergrimmt und dachte nur daran, die Stadt noch tiefer zu demütigen und ihr den Herrn zu zeigen.

Am Palmsonntag fand die verabredete Zusammenkunft in der Marienkirche statt. Die Bürgerschaft war in Feststimmung und wenig geneigt, zu prüfen, was sie dieser Vergleich kostete. Lag es doch vor aller Augen, daß die Kette über den Fluß verschwunden war, die Schiffe aus und ein gingen, die Stadttore offenstanden und der Verkehr mit den Schwesterstädten und dem Schlosse ungehindert blieb. Man freute sich der Hoffnung auf bessere Zeiten und schmückte sich mit Festtagskleidern. Als morgens die Osterglocken läuteten und der Komtur mit großem Gefolge einritt, sammelten sich die Leute auf den Straßen, und es fehlte nicht an freudigen Zurufen. Lächelnd nickte er seinen Gruß nach rechts und links wie ein vornehmer Herr, der eine schuldige Ehrbezeugung in Empfang nimmt. In der Kirche fand er den Rat versammelt. Mit ihm zugleich traten die beiden Bürgermeister vor den Altar. Der Stadtschreiber wollte ein Protokoll verlesen, aber der Komtur wies ihn zurück. Ich weiß, was verabredet ist, sagte er stolz, und habe meinen Teil bereits erfüllt, was mir oblag – in Hoffnung, daß ich fortan auch ohne solchen Zwang willigen Gehorsam bei euch und der Gemeinde finden werde. An euch, ihr Männer, ist es nun, Treue zu geloben und ein friedliches Verhalten zu versprechen. Und sehet euch vor, Gott nicht zu betrügen! Ich rufe ihn an zum Zeugen.

Und ich rufe ihn zum Zeugen, antwortete Letzkau, daß auch Ihr uns fortan gute Freundschaft halten wollet, wie Ihr's versprochen habt durch Eurer Brüder Mund, ohne Arglist und Hinterhalt. Es stünde wahrlich besser um Herrschaft und Untertanen, wenn gutes Vertrauen allezeit gewaltet hätte.

Des Komturs Lippe zuckte spöttisch. Das hätte ich von Euch nicht hören sollen, Konrad Letzkau, sagte er halb über die Achsel weg. Man weiß ja doch, daß Ihr in des Königs Lager gewesen seid, als der Orden die Marienburg verteidigte.

Arnold Hecht zupfte den Bürgermeister am Mantel und raunte ihm zu: Bleib's ihm nicht schuldig, Konrad.

Der Komtur wandte sich rasch um. Habt Ihr etwas zu sagen, so sagt's laut. Wenn nicht, so laßt mich Eure Heimlichkeit nicht merken.

Hecht knurrte unwillig etwas in den Bart. Letzkau aber nahm wieder das Wort. Gnädiger Herr, es wäre viel zu sagen auf das, was Ihr uns vorgeworfen habt. Aber ich fürchte, wir kämen heute nicht zu Ende, wenn wir uns gegenseitig aufrechneten, was uns verdrossen hat. Weil kein Vertrauen im Lande war, deshalb hat der Orden im Unglück so viel Abfall erfahren.

Er wird sich in Zukunft vorsehen, rief der Komtur, daß man ihm nicht wieder seine Guttaten mit Verrat lohne.

Das hörten die Umstehenden, und ein Murren lief durch die Reihen der Ratmannen und Schöppen. Wer spricht von Verrat? sagten sie.

Der Komtur sah mit einem herausfordernden Blick über sie hin, als käme ihm Widerspruch gerade recht. Ich kenne euch alle besser, als ihr glaubt, sagte er nach einer Weile, und lasse mich durch das nicht irremachen, was ihr jetzt in der Not versprecht. Davon soll noch weiter die Rede sein vor dem Herrn Hochmeister, da ihr selbst ihn doch anruft. Bis dahin will ich auf euer demütiges Bitten von meiner Macht nicht Gebrauch machen, wenn ihr eidlich gelobt, Frieden zu halten und alle Gewalt abzutun. Wie ihr Vertrauen verdienen werdet, wird man euch Vertrauen schenken.

Wir aber meinen einen Vergleich zu schließen, entgegnete Letzkau, bei dem jeder Teil nachläßt und empfängt. So sehr hat uns wahrlich die Not nicht gedrängt, daß wir uns ergeben müßten auf Gnade und Ungnade. Was aber geschieht, geschieht zu beider Teile Bestem. Ist noch etwas unklar bei diesem gütlichen Abkommen, so wär's klüger, von neuem zu verhandeln, als einander künftig mit Vorwürfen zu begegnen.

Der Komtur machte eine abwehrende Bewegung mit der Hand. Was nützt es, mit Worten zu fechten? Einig werden wir doch nimmer. Es bleibt bei dem, was in der Jungstadt verabredet ist. Legt also die Hand aufs Kruzifix und tut euer Gelöbnis.

Wir tun's für die Stadt, sagte Hecht und schritt die Stufen zum Altar hinauf.

Letzkau stand noch einen Augenblick nachdenklich, dann folgte er. Wir verpflichten durch diesen Schwur nicht nur uns, bemerkte er, sondern auch Euch und euer Kapitel, gnädiger Herr. Wolle ihn Gott so annehmen.

Der Komtur antwortete nicht darauf. Gleich nach beendeter Zeremonie verließ er die Kirche und begab sich nach dem Schlosse zurück. Der Rat aber ging in den Ratsstuhl und wohnte dem Gottesdienste in corpore bis zum Schlusse bei. Dicht gedrängt stand im breiten Schiffe zwischen den massigen Pfeilern die Gemeine. Das Gebet um Frieden war heute auf allen Lippen.

Als Letzkau nach seinem Hause zurückgekehrt war, meinte er die Stille des Feiertags am besten nützen zu können zu einem ausführlichen Schreiben an den Herrn Hochmeister. Dazu schloß er sich gleich nach der Mittagsmahlzeit, zu der sich Barthel Groß mit Frau Anna und den Kindern als liebe Gäste gesellten, in sein Stübchen ein und befahl, daß niemand ihn vor Abend störe. Er berichtete dem Fürsten alles, was geschehen war, und sprach umständlich seine Meinung aus über das, was dem Lande not tue und für alle Zeiten ein gutes Einvernehmen zwischen Herrschaft und Untertanen schaffen könne.

In den ersten Nachmittagsstunden schickte Arnold Hecht den Ratsboten zu ihm und ließ ihn eiligst zu sich rufen. Er wurde aber nicht vorgelassen, sondern dahin beschieden, daß der Kumpan von Geschäften selbst abmachen möge, was keinen Aufschub leide und nicht bedenklich sei. Was aber bedenklich sei, möge die Feiertage über ruhen.

Diese Antwort kam Hecht ganz gelegen. Die Sache, um die es sich handelte, ging hauptsächlich ihn selbst an. Bald nach seiner Rückkehr aus der Kirche nämlich waren zwei seiner Kaufgesellen, die er mit einigen beladenen Weichselkähnen stromaufwärts zur Beaufsichtigung der Schiffer mitgeschickt hatte, auf schaumbedeckten Pferden angeritten gekommen und hatten berichtet, daß es zwischen den Schiffsknechten und den Leuten des Vogts von Dirschau Streit gegeben habe, daß der Vogt hinzugekommen sei mit seinen Bewaffneten und die Kähne samt dem Gute mit Beschlag belegt, die Schiffsführer aber in festen Gewahrsam gebracht habe und in seinem Turm festhielte. Er habe gesagt, daß ihm vom Herrn Komtur zu Danzig befohlen sei, jede Unbill streng zu strafen. Darauf hätten sie sich eiligst in der Stadt Pferde genommen und seien in kaum vier Stunden herübergeritten, den Unfall zu melden. Es scheine ihnen, daß der Vogt nur die Gelegenheit vom Zaune gebrochen habe, sich des Danziger Gutes zu bemächtigen.

Diese Nachricht stieg Hecht so zu Kopfe, daß er feuerrot wurde vor Zorn und drohte, dem Vogt das Räuberhandwerk zu legen. Er hatte sich schon in der Kirche geärgert und innerlich wegen des Komturs übermütigen Betragens erbost. Nun hatte er aber doch in gutem Vertrauen, daß die Feindseligkeiten eingestellt wären, seine Weichselschiffe fortgeschickt, ohne den Sonntag Palmarum abzuwarten. Es war ihm schlecht bekommen. Wie immer schnell aufgeregt, redete er sich ein, daß der Komtur ihnen eine Falle habe stellen wollen, und dachte am letzten daran, mit ihm wegen Freigabe seines Gutes zu verhandeln. Bitten war überhaupt nicht seine Sache. Rasch durchzugreifen, schien ihm auch hier das geratenste. Er befahl also den Kaufgesellen, die Pferde in einen Herbergsstall zu bringen und tüchtig füttern zu lassen, sich selbst aber in einigen Stunden wieder bereit zu halten.

Dann holte er den Stadtschreiber ab und nahm ihn mit nach dem Rathause. Er hieß ihn einen Brief schreiben an den Vogt zu Dirschau, wie er es ihm vorsagen würde, und schickte indessen zu Letzkau, Barthel Groß, Huxer und einigen anderen Ratmannen. Einige davon kamen auch, andere ließen sich wegen des Feiertags entschuldigen. Barthel Groß hatte selbst einiges Gut unterwegs und war besorgt deshalb. Huxer riet, man solle sich beim Komtur beschweren, der ja nun beweisen könne, wie ernst es ihm mit der Freundschaft sei. Ich denke, da brauchen wir keines Beweises! rief Hecht hitzig. Er wartet nur darauf, daß wir uns irgendwo Unglimpf gefallen lassen, um uns bald überall an den Ohren zu zausen. Gerade weil's so anfängt, müssen wir ihm zeigen, daß wir seiner Diener Unverschämtheit noch weniger dulden wollen als seine eigene. Er wird sich dann danach achten.

So schrieb er nun im Namen des Rates der Rechten Stadt Danzig: »Herr Vogt, wisset! Gebet Ihr nicht auf der Stelle wieder, was Ihr aufgehalten und den Unsern genommen habt, so wollen wir gedenken, wie wir uns Euer erwehren und der Eueren!« Siegelte auch mit des Rates Siegel.

Das ist ein Absagebrief, meinte Huxer. Wollt Ihr eine Fehde beginnen mit des Ordens Vogt? Das wird in der Marienburg übel vermerkt werden.

Mag's doch! entgegnete Hecht, sich die Schweißtropfen mit dem Ärmel von der Stirn wischend. Soll man uns als freie Männer ansehen oder wie leibeigene Bauern behandeln? Gegen uns ist schon mehr vorgebracht, und wir verantworten's dann in einem hin.

Der Brief ging ab und kam noch denselben Abend spät in des Vogts Hand. Der aber vertröstete die Boten mit Antwort bis zum nächsten Tage und schickte noch in der Nacht einen Reitenden an den Komtur nach Danzig mit kurzem Bericht, gab ihm auch den Absagebrief des Rats mit und ließ melden, daß er die Schiffe nicht freigeben wolle, bis er dazu Befehl erhalte. Das geschah ganz heimlich, und die Kaufgesellen erfuhren davon nichts, begaben sich vielmehr in ihrer Herberge zur Ruhe. Am Montag früh langte der Reitende auf dem Danziger Schlosse an und richtete sogleich seinen Auftrag aus.

Der Komtur schäumte vor Wut, als er den Absagebrief las. So frech ist der Herrschaft in diesem Lande noch nicht begegnet worden! rief er. Sagen die verräterischen Buben uns Fehde an, eine Stunde nachdem sie uns Frieden und Gehorsam gelobt? Aber ich will sie züchtigen! Wahrlich, es wird Zeit, zu handeln! –

Am Sonntag gegen Abend war auch der Großschäffer von Marienburg, Herr Ludecke von Palsat, in Geschäften nach Danzig gekommen und alter Gewohnheit nach bei seinem Freunde, dem Ratsherrn Niklas Thomas, in der Langgasse abgestiegen. Er freute sich, zu hören, daß der Streit zwischen dem Schloß und der Stadt verglichen sei, denn er war ein gemütlicher Herr, der sich wenig um die politischen Dinge, desto mehr aber um Handel und Wandel kümmerte, weshalb er denn zu dem Großschäfferamt geschickt befunden war. Da nun Thomas auch wußte, daß er gern gut tafelte und am liebsten zwischen den Schüsseln die Geschäfte besprach, hatte er ihm am Montag eine Mahlzeit angetragen, zu der sein Gast selbst sollte einladen, wer ihm gefällig sei.

So ging nun Herr Ludecke von Palsat, der dieses Anerbieten mit Freude annahm, zur Frühmesse nach der Marienkirche, wo er die Herren zu finden hoffte, auf die es ihm ankam, trat in den Ratsstuhl und fand dort auch wirklich die beiden Bürgermeister. Er lud sie zum Mittag nach seiner Herberge ein, dazu auch Bartholomäus Groß und Tidemann Huxer, die Ratsherren, denn mit ihnen hatte er vornehmlich zu sprechen. Diese alle hatten kein Bedenken, ihm zuzusagen, da ja der Streit mit dem Orden geschlichtet war und die Freundschaft des Großschäffers dem Kaufmann von gutem Nutzen sein konnte, versprachen also, sich zur bestimmten Stunde in seiner Herberge einzufinden.

Sodann begab sich Herr Ludecke aufs Schloß, stellte sich dem Komtur vor und teilte ihm mit, was für Geschäfte er in Danzig zu betreiben gedenke.

Der Komtur, der vor wenig Stunden erst die schlimme Nachricht aus Dirschau erhalten hatte und nun über finsteren Entschlüssen brütete, hörte anfänglich nur zerstreut zu. Die Handelsgeschäfte des Ordens waren ihm gleichgültig; er verstand nichts davon und wollte auch nichts davon verstehen. Nach seiner Schätzung waren die beiden Großschäffer zu Marienburg und Königsberg, die mit einem Heer von Unterschäffern und Gehilfen in den Schlössern und Städten zur Beschaffung von allerhand Notdurft arbeiteten, selbst schon mehr Kaufleute als Ritter, deshalb zwar für den Orden wichtige und unentbehrliche, aber nicht sonderlich angesehene Beamte. Als nun aber Herr Ludecke von der Mittagstafel sprach und erwähnte, wen er dazu eingeladen, wurde er aufmerksamer und im Gespräch belebter. Haltet die Leute munter bei Tisch, sagte er, und lasset sie merken, daß man sich zu ihnen guter Freundschaft versieht, auch wegen des Vergangenen keinen Groll hegt. Es ist mir lieb, wenn sie Vertrauen gewinnen. Gestern sind wir in der Kirche mit harten Worten aneinandergeraten, das könnte ihnen leicht im Gedächtnis geblieben sein und Eure Absicht schädigen. Vielleicht schicke ich auch nach Tisch einen von den Brüdern mit einem Auftrage. Dann redet ihnen gut zu, daß sie sich nicht weigern, ihm zu willfahren.

Dabei blitzten ihm listig die Augen, und er drehte seinen blonden Schnauzbart auf, daß die Spitzen wie die Spieße vom Munde abstanden. Er sagte aber Herrn Ludecke nichts Näheres, was er vorhätte, da er ihm so weit nicht vertraute, und dieser hatte bei der Sache kein Arg, lachte vielmehr und versprach, seine Gäste möglichst lange zusammenzuhalten. Da nun die Sonne schon hoch gegen Mittag stand, kehrte er wieder nach der Stadt zurück.

Mag euch die Henkersmahlzeit wohl bekommen! zischelte der Komtur zwischen den verbissenen Zähnen durch, als er allein war.

Bei Thomas fand der Großschäffer in der Herrenstube schon die Tafel gedeckt, mit seinem Zinngerät und Schankgläsern bestellt. Die Gäste ließen nicht auf sich warten. Der Ratsherr hatte den Koch vom Artushof holen lassen und ihm aufgetragen, die seltensten Gerichte zu bereiten, damit der Gaumen zum Trunk gereizt werde. Im Keller hatte er selbst die besten Weine ausgesucht, die dort schon lange lagerten. Herr Ludecke lobte jede Schüssel, schnalzte mit der Zunge und versicherte, ein so gutes Glas Wein in Jahren nicht getrunken zu haben. Letzkau trank wenig, aber Hecht tat ihm allemal Bescheid, so daß bald sein Gesicht rot glänzte. Barthel Groß beobachtete auch bei Tisch seine würdevolle Haltung, die zu seinem jugendlichen Alter nicht recht passen wollte und ihn steif erscheinen ließ.

Ihr Danziger wißt zu leben! rief der Großschäffer. Von aller Welt Enden schafft ihr herbei, was den Magen ergötzen kann an Speise und Trank. Zu euch müssen wir armen Ordensleute kommen, wenn wir auch einmal einen guten Tag haben wollen.

Arnold Hecht schlug eine helle Lache an. Ihr armen Ordensleute! Hahaha! Besonders ihr im Schäfferamt. Seht einmal über das Linnentuch auf die Rundung hinab! Müßt Ihr's Euch nicht in die Halskrause stecken, damit Ihr nicht Euer Wams beschüttet, weil doch der Weg vom Teller bis zum Munde gar so weit ist? Guckt, guckt!

Wir haben einander, denk ich, nichts vorzuwerfen, Herr Kumpan, gab Ludecke zurück. Schwerlich könnt Ihr so nahe an den Tisch rücken als ich, und im Gesicht habt Ihr das Fleisch für zwei Großschäffer. Übrigens bestreite ich, daß gut Essen und Trinken sonderlich dazu tut. Das sind mehr Gaben des Gemüts, die uns die liebe Gottesgabe wohl gedeihen lassen. Seht einmal meinen Kollegen in Königsberg, Bruder Georg von Wirsberg. Der hat in aller Herren Ländern das Feinste gegessen und getrunken und versteht sich auf Festes und Flüssiges besser als Koch und Kellermeister in fürstlichen Häusern – pah! Ist er nicht mager wie ein Span? Paßt ihm nicht ein Frauengürtel um den Leib über den Hüften und hängt ihm nicht die Haut auf den Backen wie ein Segel, in das der Wind nicht blasen will? Bei diesem letzten Vergleich kehrte er sich dem Schiffsreeder Huxer zu. Ich sage, das sind Gaben des Gemüts. Der Ehrgeiz zehrt an ihm, der Ehrgeiz! Der hat einen Heißhunger, daß er alles verschlingen möchte und doch nicht satt und fett davon wird. Pah – der Ehrgeiz, sage ich.

Ist Herr Georg von Wirsberg so ehrgeizig? fragte Groß. Wo will er denn hinaus?

Der Großschäffer antwortete nicht sogleich, sondern setzte das eben gefüllte Glas an den Mund und trank es ohne Übereilung Schluck nach Schluck bis zum Grunde leer, indem er den Kopf mit der kahlen Platte immer tiefer in den fetten Nacken schob und mit den kleinen Augen gegen die Decke liebäugelte. Dabei machte er mit der linken Hand, die ein wenig vom Tische erhoben und an den Leib gezogen war, flossenartige Bewegungen wie ein Fisch, der sich im Wasser auf derselben Stelle erhält, und die wahrscheinlich sagen wollten: wartet noch ein Weilchen, ich bin bald fertig und gebe euch dann Auskunft. Letzkau aber achtete nicht darauf und sagte zwischenein: Man weiß ja, daß er beim König Wenzel von Böhmen in großem Ansehen steht und bei seinen Rundreisen von vielen deutschen Fürsten geehrt ward. Ich habe niemals gern mit ihm zu tun gehabt; sein höfisches Wesen ist mir zuwider. Aber das gefällt anderwärts, besonders bei den Frauen. Er ist noch jung und kann's zu etwas bringen.

Herr Ludecke von Palsat setzte sein leeres Glas kräftig auf den Tisch, prustete und trocknete mit dem Tuch seinen Bart, von dem sich nicht sämtliche Weintropfen mit den Lippen wollten einziehen lassen. Besonders bei den Frauen, wiederholte er. Es ist gegen die Ordensregel, zu heiraten, aber den Weibern die Köpfe zu verdrehen verbietet das Statut nicht, ob es schon mit allerhand guten Sprüchlein zur Keuschheit mahnt. Und wo er hinaus will? So hoch als möglich – hahaha! Ich glaube, er nimmt's Herrn Heinrich von Plauen im geheimsten übel, daß er Hochmeister geworden ist, und vergißt es ihm nicht, daß er ihn nicht wenigstens sofort zum Ordenstresler gemacht hat. Aber ich kann ihm Unrecht tun, und beim Tafeln soll man sich vor sündhaften Gedanken hüten, daß sie einem nicht in den Magen fahren. Er schlug ein Kreuz über seinen Bauch. Herr Georg ist mein lieber Bruder – mein sehr lieber Bruder.

Nachdem man so in gemütliche Stimmung gekommen war, fing der Großschäffer ganz gelegentlich von den Geschäften zu reden an und wie ihm die Herren – zu ihrem Vorteil natürlich – helfen sollten, die Vorratskammern der Schlösser zu füllen, ohne daß es für den Augenblick bares Geld koste. Inzwischen erzählte er wieder launige Geschichten von mancherlei Leuten, mit denen er's schon im Leben zu tun gehabt, und trank den Gästen mit muntern Sprüchlein zu, sie bei guter Laune zu halten. Ihr Kaufleute habt eine gar feine Erfindung gemacht, rief er, schreibt auf einen Fetzen Papier eine Zahl und euren Namen dazu, siegelt's mit der Hausmarke, und das Ding ist wie bares Geld überall, wo man euch kennt.

Der Wechsel will aber gedeckt sein, antwortete Barthel Groß ganz ernst.

Kommt Zeit, kommt Rat, meinte der Großschäffer. Im Augenblick freilich ist bei uns Schmalhans Küchenmeister, aber laßt erst die Ernte vorüber sein, dann haben wir wieder vollauf. Weiß Gott, es soll euch nicht gereuen.

Ihr Kreuzherren habt euch redlich Mühe gegeben, dem preußischen Kaufmann überall den Weg abzulaufen, sagte Letzkau nach einer Weile. Der Orden will selbst der größte Handelsmann im Lande sein, das ist der Städte Verderb, und davon kommt alle Unzufriedenheit. In ruhigen Zeiten drückt ihr damit unser Geschäft, und wenn ihr in der Not uns dann doch einmal braucht, können wir euch nicht so billig helfen, als ihr's wünscht. Wüßtet ihr euren Vorteil, so stelltet ihr euren Handel ein und ließet allen Verkauf und Einkauf durch des Kaufmanns Hand gehen; wir würden dann die Preise machen auf den auswärtigen Märkten.

Und ich verlöre mein Großschäfferamt! rief Herr Ludecke lachend.

Der Orden ist nicht nur der größte Handelsmann, er ist auch der größte Grundbesitzer im Lande, äußerte Barthel Groß.

Und der größte Reeder, setzte Huxer hinzu.

Und das Handwerk betreibt er auch selbst, so viel er kann, schnaufte Hecht. Es wäre schicklicher für die Herrschaft, das Land in Nahrung zu setzen, als ihm rechtmäßigen Verdienst vorzuenthalten.

Ihr Herren, ihr Herren, beschwichtigte der Großschäffer, sich im Stuhle zurücksetzend, gönnt uns doch auch unser Stücklein Brot. Wenn wir euch alles abgeben, was bleibt dann für uns? Womit sollen wir uns nähren und kleiden, unsere Waffen anschaffen, unsere Schlösser instand halten, unsere Söldner bezahlen, unsere Botschafter bei fremden Höfen ausrüsten und unsere Kriege führen, wenn der Feind die Grenzen bedroht? Freut euch, daß wir so gute Wirtschafter sind und von jeher waren. Will etwa das Land dafür sorgen, daß es an nichts fehlt? Es ist schon Geschrei genug wegen des Schosses, der in Kriegsnöten ein einziges Mal gefordert ist. Müßtet ihr alljährlich dem Orden schossen, der Lärm und Unfriede hätte kein Ende.

Da sahen die anderen aufs Tischlaken und wußten nicht zu antworten; Letzkau aber sagte: Das ist eitel Schein, lieber Herr. Eure Wirtschaft ist teuer. Käme das Geschäft in viele tausend Hände, so würde das Geld reichlicher zufließen, und es würde uns nicht schwer werden, davon zum gemeinen Besten abzugeben, mehr als ihr jetzt erübrigt. Steuern wir nicht willig der Hansa, rüsten wir nicht Schiffe aus, wenn sie Krieg zu führen oder Gesandtschaften auszusenden haben? Warum murrt niemand über solchen Schoß? Weil er bewilligt wird von den Sendeboten der Städte und verwandt wird nach ihrem Willen und auf Heller und Pfennig verrechnet wird vor ihren Augen. Ihr aber wollt dem Lande kein Recht geben, mitzuraten, darum behelft ihr euch, wie ihr könnt, und laßt lieber das Land zugrunde gehen.

Auf einen so ernsten Ton war der Großschäffer nicht gestimmt. Er machte schon ein recht verdießliches Gesicht, als sich zum Glück die Tür öffnete und der allen bekannte Hauskomtur mit noch einem Ritterbruder eintrat und die Gesellschaft freundlich begrüßte. Herr Niklas Thomas bot ihnen sogleich Stühle an und ließ Gläser für sie reichen. Man war eben beim Nachtisch, zu dem es trefflichen englischen Käse, für den Liebhaber auch Datteln und Rosinen gab. Herr Ludecke brach sofort das vorige Gespräch ab und sprach seine Freude aus, daß der Herr Komtur Wort gehalten habe.

Ich komme wirklich in seinem Auftrage, sagte der Hauskomtur, nachdem er dem Wirt mit einem vollen Glase Bescheid getan, und meine Sendung geht an euch, ihr Herren Bürgermeister und Ratmannen dieser Stadt. Dem Herrn Komtur ist's leid geworden über Nacht, daß er gestern in der Kirche mit euch nicht hat verhandeln wollen über die wichtigen Dinge, die noch nicht verglichen sind, wie es doch anscheinend eure gute Absicht war. Er ist ein heißblütiger Herr, und der Zorn steigt ihm leicht zu Kopf, wenn man ihm zu ungelegener Zeit widerspricht. Dann spricht er wohl auch ein herbes, abweisendes Wort, das verletzt. Ist er darauf aber mit sich allein, so überlegt er sich's besser und nimmt guten Rat an. So ist nun seine Meinung, es könne vieles hier an Ort und Stelle erwogen und geschlichtet werden, was sich vor dem Herrn Hochmeister nur mühsam und zu großer Ärgernis aller Teile verhandeln läßt. Darum läßt der Herr Komtur, damit man recht bald zum Frieden gelange, die hier versammelten Herren auffordern, sogleich noch heute zu ihm aufs Schloß zu kommen und von der Gemeine mitzubringen, wen sie mögen. Hoffentlich gelangt die Sache dann vor Abend ohne Schwierigkeiten zum Austrage.

Da sahen die Männer einander verwundert an, und keiner konnte sogleich ein Wort der Erwiderung finden. Endlich rief Hecht: Da scheint wahrlich der Heilige Geist über Nacht den Herrn Komtur erleuchtet zu haben, daß er nun plötzlich so friedfertig denkt, da er uns doch gestern grimmig genug anfuhr und nicht einmal den Ort bedachte, an dem er stand. Wissen wir doch auch, daß er vor wenig Tagen noch, obschon er uns die Kette niederließ, seinen Leuten draußen gemessenen Befehl gegeben hat, den Danziger Kaufmann nicht zu schonen. Nun – wir wollen uns darüber nicht beklagen, wenn er zu besserer Einsicht gekommen ist und ein Wort der Vernunft hören will. Mit dem Kopf durch die Wand geht's doch nicht.

Das mögt ihr euch denn auch selbst gesagt sein lassen, entgegnete der Hauskomtur.

Was nützt da alles Reden, sagte Huxer. Wir haben's einmal dahin verglichen, daß der Herr Hochmeister den Streit entscheiden soll; mag's nun auch dabei bleiben. Der Herr Komtur hat eine herrische Art, die den Bürger verletzt; er wird sich gleich bei den ersten Worten erhitzen, und wir werden nicht friedlicher voneinander gehen.

Das kann wohl sein, stimmte Hecht zu, wir sind zu weit voneinander abgeraten. Ich glaube auch nicht daran, daß wir uns vor dem Herrn Hochmeister vereinigen.

Ihr könnt's doch dem Herrn Komtur so oder so nicht abschlagen, mischte sich Herr Ludecke von Palsat ein. Er entbietet euch zu sich aufs Schloß, und es ist eure Pflicht, ihm Gehorsam zu leisten.

Wir weigern uns auch nicht, antwortete Konrad Letzkau. Sagt dem Herrn Komtur, daß wir in einer Stunde erscheinen werden. Man soll uns nicht vorwerfen, daß wir den Frieden gehindert haben.

Das ist eine gute, freundliche Antwort, sagte der Hauskomtur.

Der Ratsherr Thomas hob sein Glas und forderte seine Gäste auf, mit ihm anzustoßen auf ein friedliches Einvernehmen zwischen Herrschaft und Untertanen.

Das geschah, und dann verabschiedeten sie sich. Der Herr Komtur hat einen guten Tag gewählt, bemerkte Hecht auf der Straße, wir sind gesamt bei munterer Laune.

Und wollen sie uns nicht verderben lassen, riet Letzkau.

Sie trennten sich und verabredeten, nach einer Stunde am Haustor wieder zusammenzutreffen, um gemeinsam aufs Schloß zu gehen. Letzkau und Hecht wollten jeder sechs von dem Gemeinen Rat auffordern, sie zu begleiten, wen man gerade anträfe, ohne sonderliche Auswahl. Barthel Groß und Huxer gingen zunächst nach Hause, den Ihrigen zu melden, daß sie aufs Schloß befohlen seien.

Barthel Groß hatte die Datteln und Rosinen vom Nachtisch in die Tasche gesteckt, um sie seinen kleinen Mädchen mitzubringen. Dafür waren sie denn sehr dankbar, und auch Frau Anna belobte den guten Papa. Sie legte ihren Arm um seine Schulter und ging mit ihm die Diele auf und ab, zu sehen, ob er nicht des Weines zuviel getrunken. Er mußte ihr erzählen, was für Gerichte Herr Gevatter Thomas habe auftragen lassen, und ob alles wohlgeraten gewesen sei, und ob die Diener sich beim Aufwarten schicklich benommen hätten. Auch was der Großschäffer eigentlich von ihnen gewünscht, wollte sie wissen, und wie man sich bei Tisch unterhalten habe. Sie war eine kluge Frau, die gern an aller Sorge ihres Mannes teilnahm und früh in ihres Vaters Hause gelernt hatte, sich um die Welthändel zu kümmern. Als sie nun erfuhr, daß gegen Schluß der Tafel der Hauskomtur gekommen sei und sie aufs Schloß geladen habe, machte sie ein bedenkliches Gesicht. Geh nicht mit, Barthel, sagte sie und faßte seine Hand, es wird nichts Gutes daraus.

Wie fällt dir das ein, Liebe? antwortete er lächelnd. Aber sie hatte in Wirklichkeit nur ausgesprochen, was er selbst so empfand.

Du hast mir erzählt, fuhr sie fort, was gestern in der Kirche vorgegangen ist, und zugefügt, daß dir der Komtur recht tückisch erschienen sei. Wie sollte er nun so schnell seinen Sinn geändert haben? Ihr habt ihn schwer gegen euch aufgebracht durch eure Widersetzlichkeit, und das verzeiht er euch nimmer. Nun beschwert es ihn, daß ihr ihn bei dem Hochmeister verklagt und seine Entfernung vom Amte verlangt. Wie sollte er da den guten Willen haben, sich mit der Stadt zu vergleichen? Nein, glaube mir: er spinnt Ränke, euch zu verderben, und lockt euch deshalb ins Schloß. Geh nicht, ich bitte dich.

Er neigte seinen Kopf gegen den ihren. Du siehst überall Gefahren, sagte er, weil du mich liebst. Ich glaube gern, daß er uns durch ein freundliches Benehmen überlisten möchte, weil er doch merkt, daß er mit Strenge nicht durchdringt. Aber wir werden uns nicht übertölpeln lassen. Ist doch dein Vater unser Wortführer. Was sollte er uns wohl anhaben?

Ich weiß es nicht, Lieber; aber mein Herz sagt mir, daß er irgendeinen bösen Anschlag im Sinne hat. Warum kommt er nicht zu euch aufs Rathaus?

Es ist des Komturs Recht, die Gemeine aufs Schloß zu verbotten.

Vor wenig Tagen noch wäret ihr trotzdem nicht gegangen.

Weil wir in offener Feindschaft miteinander lebten. Seitdem ist der Streit verglichen.

Er ist nicht verglichen. Du hast gestern selbst gesagt, daß der Komtur euch erzürnt verlassen und seinerseits kein versöhnliches Wort gesprochen habe, wie nahe es ihm auch gelegt wurde.

Das will er nun heute nachholen.

Sieh mich an! Du glaubst nicht, was du sprichst.

Es ist doch nicht zu ändern. Weigern wir uns, seiner Einladung zu folgen, so wird er uns mit Recht Ungehorsam vorwerfen und die Feindseligkeit wieder beginnen. Auch muß man uns in der Stadt feige nennen und die Schuld geben, daß wir den Ausgleich verhindert haben. Jedenfalls müssen wir hören, was der Komtur begehrt. Wir können uns dann danach achten.

Sie schritt eine Weile schweigend neben ihm her. Dann blieb sie stehen, legte den Kopf an seine Brust und sagte: Ich bin sonst so närrisch nicht. Heute aber liegt mir's schwer auf dem Herzen. Mag sein: es ist kein Grund zu solcher Befürchtung. Aber weil ich dich heute ungern von mir lasse, so bleib. Es ist genug, wenn die andern gehen.

Er streichelte ihr Haar. Wie sprichst du nur so wunderlich, Anna? Ich höre gar nicht meine tapfere und kluge Frau, Letzkaus Tochter. Geht dein Vater und soll dein Mann zu Hause bleiben? Wäre wirklich Gefahr, so dürft' ich am letzten mich ausschließen, sein Schwiegersohn. Aber sorge nicht; in wenigen Stunden bin ich wieder zurück. Er hob die kleinen Mädchen auf und küßte sie zärtlich.

Da er nun so umständlich Abschied nahm, glaubten die Kinder, daß er verreisen wolle, und trugen allerhand Sachen herbei, die er sonst in solchem Falle mitzunehmen pflegte, darunter auch ein Dolchmesser in lederner Scheide. Er wies es lächelnd ab. Frau Anna aber sagte: Sieh's als einen Wink des Himmels an, daß die Kinder dir die Waffe bringen, und stecke sie zu dir. Es ist viel schlechtes Volk im Schlosse, das der Krieg vollends verwildert hat, und es gefällt diesen Gesellen vielleicht, mit euch Bürgern Händel zu suchen, da sie euch für wehrlos halten und Strafe schwerlich zu befürchten haben.

Ich tu's zu deiner Beruhigung, antwortete er und steckte das Dolchmesser unter das Wams. Seine Frau begleitete ihn bis zur Tür. Er wandte sich dort noch einmal zurück und umarmte sie. Da er nun ging, merkte er, daß es ihm schwer auf der Brust lag, als hätte er einen eisernen Harnisch zu tragen, und seine Füße bewegten sich wie in Fesseln. Der Wein wirkt nach, überredete er sich, hob den Hut auf und ließ den kalten Wind um seine Stirn streichen.

Als Huxer nach Hause kam, fand er die Tür zum Vorderstübchen nur angelehnt. Innen sprach eine männliche Stimme, die ihm nicht bekannt war. Er öffnete leise und sah drei Personen im Erker. Frau Barbara stand ihm zunächst, den Rücken gegen das Zimmer gewandt, und schien aufmerksam zuzuhören. Auf dem Sessel im Erker saß ein Mann in polnischer Tracht, den ihre breite Figur teilweise verdeckte. Vor ihm auf einem gepolsterten Schemel kniete Maria, sah mit gespannten Blicken und halb geöffnetem Munde zu ihm auf und hatte ihm beide Hände gereicht. Was war das? Benutzte man so seine Abwesenheit? Er verhielt sich eine Weile still und lauschte.

Ein andermal, setzte der Mann seine Rede fort, erzähle ich Euch, wie ich mit Mühe aus dem polnischen Schloß entkam. Ich war bis jetzt ein Gefangener und mußte aus dem Turm durchs Fenster entspringen. Auf dem Holzfloß versteckte ich mich und wurde nicht verfolgt. Das waren kümmerliche Tage und Nächte auf dem breiten reißenden Strom in Gesellschaft der Juden und Dszimken. Das Wetter blieb kalt, der Wind ging nach Norden um, und wir konnten unser Segel nicht brauchen. Die Strohhütte gewährte nur unzureichenden Schutz, und oft lag ich an allen Gliedern zitternd da und glaubte mich vom Fieber geschüttelt. Dann sprang ich wohl auf, ergriff eine der langen Stangen, stieß sie gegen den Grund, stemmte die Brust an und lief das Floß zurück, es rascher vorwärts zu schieben. Mitunter landeten wir abends, wenn eine Ortschaft in der Nähe war, holten Lebensmittel und übernachteten im Weidenstrauch bei einem Feuer. Gegenüber Schwetz hielt ich's bei der langsamen Fahrt auf dem Fluß nicht länger aus, ließ mich in dem ausgehöhlten Baumstamm, den sie ein Boot nennen, ans Land setzen und fand bei einem lieben Manne, dem Ratmann Clocz, freundliche Aufnahme. Er hätte mich gern länger als Tag und Nacht beherbergt, aber ich sehnte mich fort nach Danzig – Ihr könnt denken, weshalb. Er versorgte mich aber mit Geld und gab mir ein Pferd, auch einen warmen Mantel aus seinem Vorrat für die Reise, und so bin ich in drei Tagen hierher geritten. Ich nahm mir nicht Zeit, erst ein ander Kleid zu beschaffen. Euch wiederzusehen, war mein heißestes Verlangen. Und so schüttelte ich nur in meiner Herberge den Staub ab und kam zu Euch, wie ich war, und schreckte Euch durch mein verwildertes Aussehen. Aber Ihr erkanntet mich doch gleich, und ich sah wohl, daß ich nicht vergessen war. Hatte auch keinen Zweifel daran, seit Euer Ringlein wieder –

Hier unterbrach ihn Huxer durch ein ärgerliches Hüsteln, indem er zugleich den Fuß polternd auf die Stubendiele setzte. Barbara schrie auf und bekreuzte sich. Maria zog eilig ihre Hände zurück und blickte erschreckt nach der Stubentür. Der Mann aber stand auf und trat aus dem Erker vor. Nun erkannte Huxer den Junker von Waldstein, zeigte aber deshalb kein freundlicheres Gesicht. Was geht denn hier vor? fragte er knurrig. Man könnte das Haus forttragen, und ihr würdet's nicht merken.

Barbara schlich in eine Ecke und machte sich dort abgewandt etwas zu schaffen. Maria faßte sich aber rasch und eilte auf ihren Vater zu und sagte: Kennst du den Junker von Waldstein nicht, der dir im vorigen Jahr ein gutes Schiff gerettet hat? Man hat ihn für tot vom Tannenberger Schlachtfelde getragen und in polnische Gefangenschaft gebracht. Nur durch ein Wunder ist er am Leben. Durften wir einen solchen Gast ausweisen und auf deine Rückkehr vertrösten?

Heinz reichte ihm die Hand. Nehmt's nicht für ungut, bat er, daß ich so Euer Haus stürmte. Hatte es mich doch sonst gastlich aufgenommen! Und wenn Ihr wüßtet, wie sehnlich –

Er schwieg und sah mit gesenktem Kopf zu Maria hin, deren rundes Gesichtchen glühte. Der Alte hüstelte wieder, nahm aber doch die dargebotene Hand. Seid auch jetzt willkommen, sagte er mürrisch. Wenn Ihr Geschäfte in Danzig habt, diene ich Euch gern mit Rat und Tat, wie ich kann. Ihr findet mich stets des Morgens in meiner Kontorstube und später gegen Mittag im Artushof.

Ich habe keine Geschäfte, versicherte Heinz etwas verlegen, komme nicht, zu kaufen noch zu verkaufen – bringe nichts als mich selbst, was denn wohl wenig genug sein mag.

Hm – hm! So – so, knurrte Huxer, Ihr seid freilich kein Kaufmann, und das Kriegshandwerk beschäftigt Euch zur Zeit nicht, da der Frieden geschlossen ist. Da gedenkt Ihr nun wohl wieder zu Schiff nach Lübeck und von dort in die Heimat zurückzukehren? Kapitän Halewat ist segelfertig und will morgen ausgehen. Wenn Euch ein Platz in seiner Kajüte genehm ist, Junker –

Heinz schüttelte den krausen Kopf. Ich danke Euch herzlich für Euer freundliches Anerbieten. Keinem lieber vertraute ich mich an als dem braven Kapitän Halewat – aber mein Sinn steht jetzt nicht nach der Heimat. Ich habe sie für immer aufgegeben und hoffe mir hier in Preußenland Heimatsrecht erwerben zu können. Der Herr Hochmeister, der mich berief, hat noch viel zu tun, um sich seiner Feinde zu erwehren und wird allemal einen kräftigen Arm und ein tapferes Schwert brauchen können.

Ihr gedenkt Euch wieder in Gefahr zu begeben? fragte Maria ängstlich.

Muß ich's nicht? antwortete er. Ich habe nicht Haus und Hof, und was ich werden soll, das muß ich selbst aus mir machen. Aber wenn der Herr Hochmeister hält, was der Komtur von Schwetz versprochen hat, so kann mir's an einem guten Fortkommen nicht fehlen.

Wolltet Ihr aber zu ihm, bemerkte Huxer, so hattet Ihr einen näheren Weg als über Danzig. Er ist in Elbing, wie wir erfahren haben, und wollte dieser Tage nach Königsberg aufbrechen. Beeilt Ihr Euch, so könnt Ihr in seinem Gefolge reisen.

Ich hab's so eilig nicht, meinte der Junker. Eh ich mich ihm zeige, muß ich wieder in ein deutsches Wams kommen und die nötigen Waffenstücke anschaffen. Dazu wird sich in Danzig Gelegenheit finden. Wollt Ihr mir nicht auf ein paar Tage Erholung gönnen nach dieser beschwerlichen Reise?

Er verdient's gewiß, versicherte Maria mit freundlichem Kopfnicken.

Die Stirn des Reeders hatte sich in tausend Fältchen gelegt. Er blinzelte zu Heinz hinüber und kraute mit den Fingern seinen Bart unterm Kinn. Je nun – ich kann Euch den Aufenthalt hier in der Stadt nicht wehren, sagte er unsicher, bleibt meinetwegen, solange es Euch gefällt – aber vergeßt nicht, daß meinem Hause – die Hausfrau fehlt, und überlaßt mir's, Euch zu Gast zu bitten. Ich mag nicht, daß es unnütz Gerede gibt unter den Leuten, und Euch selbst kann es nur lieb sein, wenn Ihr mich und mein Haus in Ehren haltet. Er wandte sich zu Barbara. Nun sorgt für einen Imbiß. Hungrig und durstig soll der Junker nicht von uns gehen.

Barbara rasselte sogleich mit dem Schlüsselbunde an ihrem Gürtel und verließ das Zimmer. Hilf ihr! befahl Huxer seinem Töchterchen. Die Frau wird täglich verwirrter im Kopf und bringt das Einfachste nicht glatt zustande. Ich glaube, die Schwarzmönche verduseln ihr das Restchen Verstand gänzlich.

Maria merkte wohl, daß er sie nur fort haben wollte, tat ihm aber nicht den Gefallen, lange auszubleiben, sondern ging geschäftig ab und zu und hatte bald den Tisch bereitet. Den Junker ließ sie dabei nicht aus den Augen und warf auch mitunter ein Wörtchen in das Gespräch der Männer ein, das ihm Gelegenheit gab, die Rede an sie zu richten. Ihm war sehr wohl zumut, und so fand er denn auch bald dem alten Griesgram gegenüber den heiteren, frischen Ton, der ihn ganz unbefangen erscheinen ließ. Er hatte viel zu erzählen, was Herr Huxer mit Teilnahme anhörte; so erwärmte dieser sich ein wenig und schenkte ihm fleißig aus der Kanne ein. Trinkt, sagte er, und wartet nicht auf mich. Ich komme von einem späten Mittag, wo es des edlen Getränkes fast zuviel gab und die Gäste sich nicht schämen durften.

Dabei fiel ihm nun aber ein, daß er aufs Schloß berufen war und zugesagt hatte. Die Stunde war verstrichen. Er konnte nicht länger bleiben und mochte doch auch nicht den Junker nötigen, vom Tische aufzustehen und das Haus zu verlassen. Verdrießlich rückte er auf seinem Stuhle hin und her. Es nützte ihm aber nichts, daß er sich schweigsam verhielt, das Gespräch unter den jungen Leuten wurde um so lebhafter. Ich habe noch einen Gang, sagte er endlich, immer mehr beunruhigt, und weiß nicht, wie lange ich ausbleibe.

Heinz stand auf. Ich begleite Euch, wenn Ihr's wünscht.

Doch nicht, bevor Ihr Euer Bier ausgetrunken habt, wandte Maria ein. Wir müßten wahrlich glauben, daß es Euch bei uns nicht schmecke.

Huxer warf ihr einen finsteren Blick zu, aber es war einmal gesagt, und der Junker hatte sich schon wieder gesetzt. Er mußte nun doch allein gehen und ihn zurücklassen.


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