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8.

Finstern Auges drangen die Landsknechte in die Stube, drin der Fadinger mit seinem Schwger saß,demWirt zu Sankt Aiden.

»Da murmeln wieder zwei miteinander!« schalt in Soldat. »Überall, wohin man kommt, in den Moststuben und Leutgebhäusern, in den Hölzern und auf den Straßen, stecken die Bauern die Schädel zusammen und losen. Ihr Gimpel, wie wollt ihr aufbegehren gegen die kurbayerische Macht?«

Der Fadinger erhob sich. »Was wollt ihr in meinem Haus?«

»Hast du keine Birschbüchse versteckt, Bauer? Wie ein Raubschütz schaust du drein mit deinem finstern Bart. Hast du keinen Spieß, keine Plempe, keinen Harnisch?«

»Was ich hab, gehört mir. Ich hab niemand nix gestohlen.«

»Her mit dem Rüstzeug! Ihr verschlagenes Gesindel seid so voller Krieg, dass es euch zu den Ohren herausrinnt. Die Bundschuhfahnen wollt ihr aufrecken, ihr unfügsamen Leut! Aber wir werden euch die gewehrte Hand abgewöhnen! Für euch schickt sich die Mistgabel.«

»Wie kann ich ohne Wehr mein Hauswesen schützen?« fragte der Fadinger.

»Das schützt dir der Statthalter. Wenn du dem Luther absagst. Zeig dich nit widerwärtig! Schau, in den Städten ist schier alles katholisch worden, in Linz, in Enns, in Steyr!«

»Aber gezwungen und gedrungen!« murrte der Kristof Zeller. »Ich geb mich nit. Und aus dem Land reis ich auch nit. Ich krall mich in die Erd. Ich lass es drauf ankommen!«

»Gleich tust du deine Wehr her!« fuhr der Soldat ihn an.

Der Zeller tappte nach dem kurzen Schwert in seinem Gurt. »Hüt dich! Mein Messer ist kalt!«

»Hergeben musst du es, Wirt! Auf Befehl des Statthalters müssen wir euch die Waffen nehmen, dass ihr nit raufen könnt. Er traut euch nicht. Nit einmal ein Messer sollt man euch lassen!«

Der Fadinger lächelte. »Das Brot werden wir halt mit einem hölzernen Span schneiden.«

Der Zeller drängte sich durch die Gewappneten. »Lasst mich meinen Weg gehen! Ich hab mit euch nix zu tun«, sagte er unwirsch. »Und fressen wird mich der Herbersdorf nit. Und frisst er mich, so muss er mich wieder speiben.«

Mit seinen glosenden Augen stieß er sie schier zurück, die ihn umzingeln wollten, und sie ließen von ihm ab, zumal draußen Gerassel, Lachen und Lärm anhub.

Ein Wagen fuhr die Straße daher, übervoll und starrend beladen mit plumpen Büchsen, zackigen Hellebarden, rostigen Schwertern und Spießen, Wurfhaken, Harnischen und Hirnhäubeln. Der Fuhrmann hieb auf die Rösser ein, die gebäumt vor einem langbärtigen, bloßköpfigen, heulenden Mann zurückscheuten und aus den Strängen zu springen drohten.

Es war ein Weber, der schon seit Wochen im Land sein tolles Wesen trieb, oft tagelang in Schweigen verharrte und nur dann redete, wenn sein verworrenes Auge in die Zukunft zu dringen schien.

Nun stand er mitten am Weg, das zuckende, ferne Gesicht gen Himmel, mi dem einen Arm in die Sonne weisend, den andern wehrend gegen die Waffenfuhre gestreckt.

»Ihr Satanskinder«, dröhnte seine tiefe, bewegte Stimme, »auf der Welser Heide werdet ihr erschlagen liegen im roten Gras! Die Raben Gottes werden auf den Herbersdorf herniederstoßen, und er wird ihnen zur Speise sein. Aus dem Himmel komm ich. Ein Engel hat mir befohlen, dass ich über Land geh und die Wahrheit offenbare. Wer Ohren hat zu hören, der höre! Und wer eine Zunge zu reden, der gehe hin und melde es dem verfluchten Statthalter des Beelzebocks!«

»Schimpf nit über den Grafen!« warnte der Soldat. »Bist wie der Fuchs. Wenn er den Igel nit fassen kann, beseicht er ihn.«

»Der Heiland selber hat sich mir gezeigt«, schrie der Tolle. »Er hat verlangt: ein Mann muss weg aus Linz! Der Herbersdorf! Ein Haus muss brennen! Das Jesuiterhaus!«

»Tritt aus dem Weg«, schrie der Fuhrmann, »oder ich hack dir mein Eisen in den Darm!«

Sein Kamerad beruhigte ihn. »Lass ab! Lass ihm seine Weis, wenn sie ihn freut! Er ist unrichtig im Hirn. Er schadet nit.«

Verzückten Blickes, mit aufgehobenen Händen wankte der Weber weiter. Noch lange hörten sie ihn singen in einer irren, seltsamen Sprache.

Derweil durchstöberten die Soldaten alle Winkel und Böden und wühlten selbst den Hafer auf dem Schüttboden auf, ob nichts Spitzes und Schneidendes darunter stecke, und sie schleppten alle Gewaffen aus dem Hof und warfen es auf den klirrenden Wagen. Der Stefan Fadinger sah ihnen mit seinen stillen, gewaltigen Augen zu und wehrte ihnen nicht, als sie ihm das Schwert nahmen, das er geführt, da die Bauern einst dem Passauer Heer den Weg in die Steiermark verschränkt hatten.

Sein Weib, der das Blut ebenso hitzig durch das Herz sprang wie ihrem Bruder Kristof Zeller, sie schrie den Knechten nach: »Nehmt doch auch den Besen mit! Er könnt euch gefährlich werden.« Und ihren Mann rasselte sie an: »Und du stehst da wie eine Martersäul und lässt alles geschehen ohne Widerred!«

»Geduld dich«, raunte er, »es kommt der rechte Tag. O Weib, drei Dinge hält keine Macht der Welt auf: das wild Feuer, das aus den Wolken stürzt, die Donau und ein Volk, das seine Qual nimmer ertragen kann.«

Das Fuhrwerk mit dem eisernen Hausrat klirrte schon weit.

Der Fuhrmann schnupperte in den Wind. »Es brandelt«, sagte er. »Es schwelt ein bös Feuer im Land.«

»Die Bauern werden sich hüten«, lachte sorglos sein Kamerad. »Sie wissen gar gut, dass ihnen der Krieg die Rösser aus dem Pflug spannt.«

Ein Reiter meinte: »Der Bauer lasst sich alles gefallen. Wie ein Ochs ist er: spannst du ihn ein, so zieht er.«

Der Fuhrmann beutelte den Kopf. »Es ist gar windstill im Landel. Ich trau nit.«

Er deutete mit der Geißel gen einen Apfelbaum, der mit schneeweißer, feierlicher Krone über den Weg schattete. An den Stamm war ein fliegendes Blatt mit einem Zierbildlein geheftet: ein bewaffneter Bauer war darauf zu schauen, der den Kolben schwang.

»Das Papier ist das herbste Gift«, sagte der Reiter und nahm das Blatt an sich. Weil aber niemand unter der Schar war, der es hätte lesen können, zerfetzte er es.

*

Auf einem geheimen Weg verließ der Fadinger sein Gehöft. Er wanderte durch eine einsame, bergige Gegend zur Donau hin. Aus einem Wald hörte er es pochen.

Er trat an die verschlossene Schmiede, klopfte an und rief hinein: »Meister, was tut dir weh?«

»Mir tut weh, was dir weh tut«, antwortete es.

Das Tor ging auf.

Am Amboss schaffte der Michel Eschelbacher. Die Zähne blitzten ihm aus dem geschwärzten Bart. Auf eine glühende Spießspitze schlug er los, die sein Weib mit der Zange gefasst hielt, er hämmerte drein und lärmte: »Da hast du, Graf! Da nimm! Da friss! Halt den aus! Und den! Da bieg dich! Und schmieg dich! Bist du eisern, ich bin stählern!«

»Du plagst dich umsonst, Schmied«, sagte der Fadinger. »Was du da schmiedest, der Herbersdorf heimst es.«

Des Meisters Augen funkelten teuflisch. »Der Graf hebt uns die Waffen in den Schlössern und Rathäusern auf. Dort holen wie sie uns.«

»So dumm ist er nit«, widerredete die Schmiedin. »Er lässt sie auf der Donau fortschaffen nach Wien.«

Der Fadinger lachte. »Wir werden uns dennoch wehren. Außer er zwickt uns die Nägel von den Fingern und bricht uns die Zähne aus dem Maul.«

»Es ist nix zu fürchten, Fadinger«, sagte rastend der Schmied. »Alles kauft jetzt heimlich Eisen. Der steirische Berg wird bald leer sein, wenn es noch ein Weil so weiter geht. Mein Weizen blüht. Es riecht nach Krieg.«

»Du lachst, Michel, und ich verzag«, greinte die Meisterin. »Was wird noch alles über uns kommen? Die Welt wird allweil betrüblicher. Mein Ähnel hat es am gescheitesten gemacht: vor acht Tagen hat er sich ins Bett gelegt mit dem Gesicht zur Mauer. ‚Gott sei's gedankt', hat er gesagt und ist gestorben.«

»Aber ich hab die Leich zahlen müssen!« schalt der Schmied. »Dreimal so viel, als es von altersher der Brauch gewesen, hat der Pfaff fürs Erdreich begehrt. Gerad erschrocken bin ich. So viel Geld ist früher nie verlangt worden für die feuchte Grube. Und das Gläut und jeder Handgriff kostet jetzt dreimal so viel.«

»Unsereins darf heutzutag nit einmal mehr sterben«, klagte die Schmiedin, »es kommt zu teuer.«

»Ja, Schmied, wir leiden an einer harten Krankheit, und dagegen hilft nur eine einzige Wurz«, sagte der Bauer.

»Die eiserne Wurz«, sagte der Schmied.

Er legte den Hammer weg und sperrte das Tor.

Hernach schob er in einem Winkel der Werkstatt einen schweren Bottich weg. »In dem Boding ist Lindenkohle«, raunte er. »Fürs Zündpulver hab ich sie gebrannt. Sie wird bald nötig sein.«

Wo der Bottich gestanden war, lagen nun einige starke Brettlein. Die hob der Michel Eschenbacher auf. Da führte eine Leiter in ein finsteres Gewölb hinab.

Der Schmied leuchtete mit einem Brand. Drunten glitzerte es wie eine tödliche Schatzkammer: Kolben lehnten dort, unheimlich mit Eisen beschlagen, mächtige Knüttel, stachlig von starrenden Nägeln.

Und der Fadinger wusste, wie hundert lodernde Essen zuckte in den versteckten Winkeln des Hausruckwaldes, und er hörte hundert Ambosse singen und starke Hämmer niederfallen und rüstige Hände Eisen spitzen und Schneiden schärfen und vorbereiten die große, wilde Stunde der Empörung.

»Rußmeister«, sagte er, »heut haben mir dem Grafen seine Spürhund alles Eisen aus dem Haus geräumt. Kaum dass sie mir die Nägel in der Wand lassen haben. Ein Schwert brauch ich, breit und schwer, dass es für meine Hand passt.«

Der Meisters Wangen brannten. »Steffel, ich hab, was sich für dich geziemt. Vor Jahren hat ein Fremder bei mir geschmiedet um Mitternacht. Ich weiß nit, ob es der Herrgott oder der Teufel gewesen ist. Ein Schwert hat er zurück gelassen. Heut weiß ich, für wen er es geschmiedet hat.«

Er langte in die Tiefe und holte die Wehre heraus.

»Nimm's, Bauer, und schlag zu!«

Ein breiter, rätselhaft gleißender Flamberg war es, mächtig wie eines Henkers Waffen.

Der Fadinger ergriff das kühle Erz. Ein Schauer fuhr durch sein Blut, und ihm war, er nehme das Schicksal eines ganzen sich bäumenden Volkes in die Hand.

»He, Schmied«, flüsterte er, »was steht da in der Klinge gerissen?«

Das düstere Geflacker der Esse spiegelt im Stahl, und der Meister las: »Gott mit uns! Wer kann wider uns?«


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