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19.

Der Andres Hamel legt ein fliegendes Blatt auf den Tisch. Der Herbersdorf hatte es aus der Stadt flattern lassen.

Auf dem Blatt war ein Rad abgedruckt, daran drei Männer in bäuerlichem Kleid hinauf gedreht wurden und am Abfall des Rades wieder herunter kollerten. Darunter war der Reim zu lesen:

»Das ist des Glücksrads Stund und Zeit,
Gott weiß wohl, wer der oberst bleibt.«

Der Achaz Wiellinger setzte das Blatt entzwei, warf es zu Boden und trat darauf. »Mit ihrer Reimerei schlagen sie uns nit aus dem Feld!« lachte er grimmig.

Der Hamel kratzte sich seine Hakelnase. »Aber übermorgen soll das bayerische Heer ins Land rücken!« sagte er. »Die Zillen sind die Vorboten gewesen.«

»Wir müssen uns verstärken«, rief der Wiellinger. »Das eilend Aufgebot ist erlassen, dass alle, Mann für Mann, ob edel oder nit, was über fünfzehn Jahr alt ist, her muss. Folgt der oder jener nit, so soll ihm Schloss und Hof in Asche gelegt werden. Linz muss fallen, eh die Bayern kommen!«

Der Hamel sah ihn nach der zwerch an. »Die evangelischen Herren haben die Hosen voll«, murrte er. »Sie tun nit mit, stellen keine Reiter, leihen die Rösser nit her, reden sich aus, es sei ein Bauernkrieg und kein Edelmannskrieg. Lachend schauen sie zu und lassen nit in unsre Karten mischen. Den Vorteil hernach aber werden sie genießen wollen. Kreuzteufel, ich bin den Aufruhr satt!«

»Geduld dich!« beschwichtigte ihn der Obristhauptmann. »Ist nur einmal Linz unser, dann treten die Herren gern zu uns.«

Der Andreas Hamel gab sich nicht zufrieden. »Und unsre Bauern verlieren die Zucht. Ja, der Fadinger, der hat sie gebändigt, der ha ein Ansehen gehabt bei ihnen. Jetzt werden sie allweil widerstrebender und gröber, wollen sich nix mehr sagen lassen.«

»Wer nit folgt, wird gestraft«, sagte der Wiellinger. »Aber heut noch nit. Ich will nit bös Blut machen, eh wir unser Glück an Linz versucht haben.«

Der Hauptmann zu Urfahr, Hans Rupprecht, steckte den Kopf zur Tür herein. »He, was tuschelt ihr zwei euch da zu?« polterte er. »Wärmt euch wohl miteinand unter einem Mäntlein? Aber darauf besteh ich, übermorgen beim Sturm müsst ihr Landbauern zuerst anrennen! Wir Donaubauern wollen nit allweil zuerst den Grind hinrecken! Wir haben schon genug geblutet!«

Der Hamel fuhr hoch auf. »Erst musst du mit denen Haufen den Trutzbauer nehmen! Sonst rühren wir Landbauern keinen Finger. Die Zillen habt ihr durchlassen, ihr Schlafhauben!«

Der Hans Rupprecht spielte mit seinem Stichmesser. »Hamel, du hast mir nix zu schaffen! Der Zeller, der ist mein Oberhauptmann gewesen. Aber du und der Wiellinger, so viel wie ihr zwei bin ich noch allweil.«

»Streitet nit!« lenkte der Achaz Wiellinger ein. »Wie soll sich der gemeine Mann vertragen, wenn er die Hauptleut zwieträchtig sieht? Vertragt euch! Wie oft beißt der Zahn der Zunge, und müssen halt dennoch gute Nachbarn bleiben und einander aushelfen.«

Der Hamel kehrte sich nicht an die wohlmeinende Rede. »Du dummer Fleischhacker«, fuhr er seinen Widersacher an, »willst du dich über mich erheben? Du hast dein Lebtag nit aus dem winzigen Landel hinausgeschaut, und wenn du nit hättest von den Viehmärkten deine Kälbeln holen müssen, du wärest nie hinterm Ofen herfür gekrochen. Aber ich bin ein bereister Mensch, bin schon in Venedig gewesen und kann erzählen. Mich hat die Welt zugeschliffen, du bist ein roher Holzstock geblieben!«

Als der Hans Rupprecht gebührlich erwidern wollte, meldete sich draußen eine schrille Stimme, und eine Bäuerin drang in die Stube. Sie war groß und rüstig, doch trug sie allzufrühe Runzeln auf der Stirn. Schier festlich war sie gekleidet, der hohe Gupfhut verdunkelte ihren blanken Blick, um das feste Kinn schimmerte eine schneeweiße, unzerknitterte Mühlsteinkrause, und auch die zackig gesäumte Schürze war blendend rein, als hätte sie diese gerade aus der Truhe geholt.

Der Hellebardner, der die Tür gehütet hatte, folgte ihr mit einigem Zögern. »Treinschel, wie kommst du daher?« fragte er sie verdrießlich. »Bist du gar auf der Gabel hergeritten?«

Sie fuhr den Wiellinger an: »Bist du der Anführer?«

»Der bin ich.«

»Meinen Mann begehr ich zurück, den Sumatinger!«

»Den brauch ich, Bäuerin.«

Da zürnte sie: »Der päpstisch und luthrisch Gott sollen sich ihren Streit allein ausmachen, sollen sich meinethalben einer dem andern den Bart ausreißen! Aber der Sumatinger ist daheim nötig, nit da. Bei dir, Hauptmann, lehnt e nur am Türstock und faulenzt. Ich hab ihm heut eine hübsche Weil zugeschaut, wie er den Türstock gehalten hat, dass er nit umfallt. Mir macht keiner nix vor. Ich brauch ihn daheim. Ich kann keine Schnitter gewinnen, alle sind ausgeflogen. Und ein eisgrauer Spruch sagt: ‚Am Peterstag steht der Bauer mit der Sichel da. Und zu Kilian schneid't jedermann.' He, Sumatinger, tu den Spieß ab! Das Korn steht daheim reif am Halm, verdirbt uns, fällt uns aus der Ähre. Und nach dem Korn wartet das Grummet. Und hernach der Haber.«

»Zuerst wird das Linzer Schloss gegen die Wolken geschickt«, sagte der Wiellinger, »hernach kriegst du deinen Bauern heim.«

Sie stemmte die Arme breit in die Hüften. »So, willst du wieder tausend Witwen machen? Ihr richtet allsamt nix aus. Der Fadinger ist hin, die Läutkuh. Der hätt den Grafen überwältigt. Ihr nit.«

Da ermannte sich der Sumatinger. Die Hellebarde stieß er hitzig nieder. »Verdammte Wettermacherin, weißt du nit, dass es um unser Gewissen geht? Da bleib ich, und wenn auch daheim alles hin wird! Da ist mein Platz, da bin ich wichtig.«

Sie musterte ihn von dem Gupf des Jodelhutes bis herunter zu den geplatzten, staubigen Schnallenschuhen. »Du kriegsüchtiger Tropf du!« fuhr sie ihm übers Maul. »Seit Christi Auffahrt hast du dich in deinem Hof nimmer blicken lassen. Hinter der Trommel daher rennen, das gefällt dir halt besser, du Nixtuer, elendiger. Und gar das Raufen! Daheim hast du bei keiner Kirchweih gefeiert. Jetzt kannst du tagtätlich dreinstechen! O wie langmütig ist doch unser Herrgott mit dir! Überall bist du dabei, und vor dir fallen sie und hinter dir und neben dir, und nur für dich Teufel ist keine Kugel gegossen!«

Und sie blitzte den Wiellinger an: »Und du, merk dir: der Fadinger ist dahin. Jetzt werdet ihr bald alle auseinander rennen. Bis zur Gant werdet ihr es noch bringen. Abhausen wird die ganze Bauernschaft!«

Die Tür schlug sie hinter sich zu, dass das Haus in seinen Grundmauern zitterte.

»Ich wollt, ich hätt sie los«, brummte der Sumatinger, »eine andere tät ich nit begehren.«

Dem Wiellinger glühte die Stirn vor Scham. »Andres Hamel, Hans Rupprecht, habt ihr das Weib gehört?!« fragte er bitter.

»Das ist ja der Jammer, dass bei uns ein jeder das Wort führen will«, sagte der Sumatiner und trollte sich.

»So wollen wir halt würfeln, wer den Sturm anheben soll«, sagte der Rupprecht verdrossen.

Er zog einen Würfel aus dem Sack und schleuderte ihn auf den Tisch. Der Würfel zeigte ein Auge.

»Andres Hamel, deinen Wurf erlass ich dir«, sagte er, und dann lachte er, leicht sich tröstend: »Also gehen halt die Meinen zuerst den Tanz an. Und den Grafen fangen wir und zerhauen ihn in Viertel: eins kriegt der Kurfürst, eins der Kaiser, eins der Papst, und das hintere der Teufel.«


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