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24.

Leiser Neben schwebte über der Donau. Waldumrisse geisterten, unter seinen Schwaden verwittert. Die Bäume an der Straße ragten trübsinnig, erlegen dem unwirschen Herbat, kahl. Stille lastete. Kaum dass ein verschüchtertes Spätjahrvöglein sich meldete.

Rossgetrapp und der harte, knirschende Schritt reisender Truppen störten den grauen Frieden. Auf der Ochsenstraße durch den gärenden Nebel heran schob sich das Heer des Freiherrn Gottfried von Pappenheim von Linz gegen Eferding vor, gefolgt von den Fähnlein des Obristen Löbel und den Knechten des Statthalters.

Lässig schleiften die Pikeniere ihre enzlangen, geschwärzten Stangen hinter sich her. Hinter ihnen trollte das Holsteinische Fußvolk, die Schrecken der blutigen Schlappe bei Neukirchen noch im Mark. Neidisch schielten sie nach den Fauststangen der Pikeniere. »Je länger der Spieß, je gesünder der Krieg!« spöttelten sie. Aber einer unter ihnen begann ein feiges Lied von den Bauern zu singen, und die andern rissen die rauen Mäuler auf und murrten mit.

»Schwarze Fahnen tun sie führen,
das ist ihre Liverei,
einen Totenkopf darinnen,
der gibt zu verstehen frei:
sie sind unterworfen
dem Tod, geht's, wie es wöll.
Tut ihnen gar zulaufen
viel Volk in hellen Haufen.
O lieber Gott, steh bei!«

»Sie sollen schleunig das Maul halten!« gebot unwillig der Pappenheim. »Die Bauernarmada spreng ich! Mit meinem Atem blas ich den tölpischen Haufen weg! In einem Tag – geliebt es Gott – still ich das Wespennest!«

Siegreich von Welschlands Feldern kommend, mit Ruhm bedeckt, seit ihm am Weißen Berg die Göttin Viktoria viel stolze Wunden geküsst, war er sich gewiss, die Unruhe rasch zu dämpfen, die elend bewaffneten Bauern flugs zu überwinden mit seinem geübten Volk, das an die Hand der ritterlichen Helden den Sieg vermählt glaubte.

Seine Lanzenleute wandten sich grinsend um nach den trübselig verstummenden Hosteinern. »Habt ihr heut schon eure Passauer Zettel geschluckt?« höhnten sie. »Ihr fresset ihrer so viel, dass eine Papiermühl nimmer klecken könnt.«

Und ein alter Schnauzhahn warnte: »Das es euch nit wie dem Fadinger geht! Der hat sieben Tag nit sterben können. Hat allweil auf seine Brust gedeutet, bis ihm der Bader die Haut auf der Brust aufgeschnitten hat. Da hat eine geweißte Hostie fürgeschaut. Jetzt erst hat sich der Tod seiner erbarmt.«

»He, ihr Holsteiner«, spottete ein anderer, »hat euer Herzog noch allweil das Hemd an, darin er aus dem Bett gejagt worden ist, wie er bei der luthrischen Gretel gelegen ist?«

»Ihr habt die eiserne Drischel noch nit gespürt«, erwiderten die Holsteiner zornig. »Die Bauern sind wie das wütig Heer. Wir kennen sie.«

»Es mag nit so beschaffen sein, wie die gemeine Red geht«, lachten die mit den Piken. »Wenn wir den luthrischen Herrgott erwischen, durch unsre Spieß' muss er laufen.«

Vor dem Emlinger Hilz riss sich eine goldene Schlucht in den Nebel. Die schöne, kühle Sonne lag wie ein totes Lächeln auf der Erde.

In dem sich aus den Dünsten lösenden Land tauchten die Bauernreiter auf ihren schweren Gäulen auf. Der Obrist Kurtembach sprengte sie mit seinen flinken Reitern an, plänkelte mit ihnen, jagte sie und zog sich hurtig wieder zurück. Wie ein heiteres Spiel war es zu schauen.

»Der Bauernesel ist geil worden«, lachte der Pappenheim, »jetzt tanzt er auf dem Eis. Ich geig ihm en Totentänzlein dazu.«

Im Gehölz verbollwerkt hinter uralter, längst abgekommener Landwehr, hinter Graben und Schanzen, die mit dichtem Gesträuß verwuchert waren, sangen die Bauern einen rauen Psalm. Der Gesang heulte auf, als wollten sie Gott droben aus seinem seligen Behagen stören. Auf das jähe Sterben bereiteten sie sich vor, und sie schienen sich nicht um das feindliche Heer zu kümmern, das sich in stummer Ordnung entwickelte, den Wald zu umzangen.

»Wie gewaltig sie schreien in ihrer Not!« sann der Pappenheim. »Schier tun sie mit leid. Viele Pflüge werden herrenlos werden, viele Hände nimmer säen. Doch was schiert es mich? Mein Amt ist der Krieg. Sonst nichts.«

Prüfend flog sein Sperberblick über sein schwer gewappnetes Fußvolk. Sie lauschten dem brünstigen, urwilden Schreigesang, ihre Augen suchten zweifelnd den Führer.

Er wusste ihren Geist wildem Aberglauben verhaftet, und um ich ungewisses Blut zu beherzen, redete er sie an: »Heut raufen wir mit dem Pöfel. Die Mistgabel ist sein Wappen. Rossmücken müssen wir heut verscheuchen. Packt sie grob an! Und wenn sie gefroren sind gegen Schwert und Kugel, klopft sie weich mit den Gewehrkolben und den Spießen!«

Klirrend reckte sich der Feldherr im Sattel. »He, die Büchsenmeister mögen das Geschütz kleschen lassen und die Grillen aus dem Loch kitzeln!«

Mit feurigem Gruß klopften die Kartaunen an den Busch. Durch die Schwaden des Pulvergewölkes flog mit entsetzten Flügeln eine schneeweiße Taube.

Ehe sich Knall und Widerhall verdonnert hatten, flutete es in leidenschaftlichem Gewimmel lautlos fas und schattenhaft und dennoch heiß von der Glut des Streitpsalmes aus dem Wald. Auf einem weiten Brachfeld begegneten sie dem bayerischen Heer. Ihre Schützen schossen nur einmal. Sie hatten kein Pulver mehr.

Krobaten jagten ihnen entgegen. Ihre Lanzen zerknickten in den Rippen der sinkenden Bauern.

Der Lindlo warf nun sein Fußvolk drein, die Schmach von Kornöd zu tilgen. Vor seinem Stoß schwankte die Kampfzeile der Bauern zurück, wurzelte sich aber augenblicklich wieder fest und verharrte auch, als dunkel funkelnd die Eisenreiter sie ansprengten. Mit ihren armseligen Wehren behaupteten sie sich gegen die wütenden Nüstern der Rösser, gegen die glänzenden Waffen und die Kugeln, in deren Blei die Soldaten Kreuze geschnitten hatten, die höllengefeite Haut der Gefrorenen zu durchbohren. Wie eine Steinmauer standen die Bauern, sie ließen in sich hineinschießen, hineinstechen, hineinreiten, sie wichen keine Handbreit zurück.

Das Gerücht flackerte durch die Reihen, an der Brust des Schmiedes Michel Eschelbacher sei eine Stückkugel abgeprallt, die der »Toll«, das größte Geschütz der Bayern, abgeschossen habe. Und zu gleicher Zeit sei der Toll zersprungen.

Vom andern Flügel scholl ein heißes Fechten herüber, dass das Emlinger Gehölz gellte. Dort kreuzten sich Schwert und Knüttel. Die Kartaunen spielten darein. Einschlagend warfen die Geschosse Moos und Erde auf, brachen prasselnd in die Äste, splitterten Stamm und Strunk. Es donnerte, als ob Holz in den Riesen herabgetriftet würde.

Vordringend und wieder geworfen und wieder vorlechzend, schwirrende Kugeln um die Schläfen, jeder einzelne wie eine höllische Fackel lodernd und sich verzehrend, erschöpften sich die Bauern an der geschlossenen Übermacht. »Viel Händ im Bart raufen hart!« stöhnte der Jäger Kietopler.

Die Kaiserlichen warfen den Gegner weit in den Wald zurück und drängten nach. Zwischen den Bäumen hub ein hitziges Metzgern an, ein Morden und Wehren von Stamm zu Stamm. Jeder Baum warf zur Feste, jeder Busch zum Hinterhalt.

Aber draußen auf dem Brachfeld begann die Reiterei Pappenheims zu weichen. In schäumender Wildheit, mit Augen, deren Anblick so Menschen wie Tieren unerträglich war, wie eine blutige Pflugschar grub sich der Bauern ins feindliche Heer. Ein lähmender Schreck ging von ihm aus. Die Knüttel wüteten. Gestochene Rosse überschlugen sich. Bis zu den Geschützen wurden die Reiter zurückgedrängt.

Wieder wuchs der Berndl vor dem Obristen Kurtembach empor. Atem brauste gegen Atem. Der Bauer hob die Keule. »Willst du denn gar nit hinwerden, du Ungewitter?!«

Der Pappenheim hatte die Gefahr des Augenblicks erkannt. Er sprang von seinem Hengst. »Will beten«, hastete er. »Sankt Michel, Feldmarschalk Gottes, der himmlischen Heerschar Rädelsführer, hilf! Kyrie eleison!« Mit dem Degen zeichnete er ein Kreuz in die Luft.

Er stellte sich an die Spitze seiner Lanzenleute. Die Trommel ließ er riegeln. Sein Schrei schnitt sich scharf in den LÄem: »Fällt die Spieße!«

Im schweren, geschlossenen Harnisch prunkte er voraus, das graue Eisen des spanischen Raufdegens gezückt, die Feder wehend am Eisenhut, freudig und glänzend wie ein Bräutigam auf der Brautfahrt, ein stolzer Soldat, der Sieg begehrt, Wunden und Tod.

Hinter ihm hingerissen von dem Heldenbild, seine Langspießer. Wie ein Igel standen sie plötzlich mitten im Bauernheer, grauenhaft gedornt, nach allen Seiten starrend, unangreifbar. Ein tobender Riese, ein Mann mit ungeheuern Rippen, suchte mit dem Beidenhander einzubrechen in das eschene Stachelwerk. Er versank.

Wieder stießen sie vor. Ihre Spieße wateten durch gestürzte Leiber.

Der Pappenheim prunkte voran. Die Trommeln schinderten. Das Rottenfeuer nachrückender Musketiere zuckte. In ganzen Schwaden wie unter der Schärfe einer Sichel sanken die Männer des Ackers hin. Ohne Wehruf, der Klage sich schämend, mit verbissenen Zähnen endeten sie.

Weiter drang der Pappenheim vor, das Schnauben des Feindes an der Wange. Die Schlacht wer ihm Lust und Fest. Ehrsüchtig trat ihm der Tod aus dem Weg.

Der Held zertrennte Knäuel und Gewirr. Den Kurtembach entriss er dem Verderben. Der Berndl hatt ihn schon am Boden.

Der Pappenheim schwang sich wieder aufs Ross. Die herrenlose Reiterei brachte er zum Stehen. »Sie sollen nit mit dem Bauernspieß ihr Unrecht ertrotzen!« rief er herrisch. »Treibt sie zurück, die verzweifelten Buben!«

Einen wilden Fähnrich bedrohte er: »Du Hund, bist du ein Bayer? Steh oder ich knall dich nieder!« Mit dem Fuß stieß er nach ihm.

»Auf! Auf!« entflammte er die Seinen. »Wir wollen ihnen männlich unter die Augen treten. Ehr müssen wir einlegen. Bayerisch Schwert beißt am schärfsten! Sagt ein alter Spruch. Er darf nit zuschanden werden!«

Da fassten die Kürisser das Schwert fester, härten blitzten die Augen aus den Sehschlitzen der geschlossenen Sturmhelme. Sie setzten wieder darein in die Bauern. Ihre schwarzen Harnische wurden rot.

Der Michel Eschelbacher packte des Pappenheim Ross bei der Mähne. »Schütz dich, Schelm!« brüllte er. Ein Hieb krachte auf die Eisenhaube des Feldherrn, Funken flimmerten ihm vor den Augen.

Das Faustrohr brannte er dem Schmied ins Gesicht. Unter versengtem Bart lachte der Eschelbacher auf.

»Bist du ein Felsen? Bist du gefroren?« schrie der Pappenheim, warf ihm die Pistole an den Kopf und ritt ihn nieder.

Die Pikeniere stachen drein, dass die Spieße krachten. Die spitzen Herzeisen an ihren Stangen troffen. Die Bauern aber hielten stand auf dem Rasen zu Emling. Wie die Stöcke standen sie. Keiner gewährte, keiner begehrte Gnade. Keiner ließ die Waffe aus den Händen, in den steinernen Krampf des Todes nahmen sie sie mit. Schreilos starben sie.

Erst als nach langem Kampf die Kaiserlichen den Wald beherrschten und ihnen in den Rücken fielen, zogen sie sich in ungeordneter Flucht zurück.

Viele rannten gegen die Donau. Doch dort wartete kein Bauernferg, keine Plätte, kein Kristofer, der sie an das nordseitige Gestade gebracht hätte. Sie liefen in den Strom und ertranken.

Bis gegen Eferding hin lag es schwarz von toten Bauern.

Der Pappenheim kehrte von der Verfolgung zurück. Die dornigen Hochzäune, die Stieglein und Gatter hatten seine streifenden Reiter gehemmt. »Ein unbequemes Land!« schalt er. »Lauter Dornstauden! Da sollten die Rösser Flügel und Federn haben! Aber die Bauern, bei Gott, ihr Rabenhaupt haben sie teuer verkauft! Man kann sie nit verderben, und wenn man ihnen auch Händ und Füß abhaut!«


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