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29.

Verstört glommen die Sterne durch den Dunst, der über das unwohnsame, wilde Moor bei Seebach schwelte.

Der Linzer Freimann trieb hier sein schauerlich Amt. In das verrufene Moos, drin neben verendetem Vieh die Toten versenkt lagen, die die Donau ausgespien oder die sich selber gerichtet hatten, darein verscharrte der Henker die Leichen des Stafan Fadinger und des Kristof Zeller, die aus dem Freithof zu Eferding gerissen worden waren.

Bis ins Grab hatte der Hass des Grafen nachgegriffen.

In den dunkeln, feuchten Wiesen knarrte ein Vogel. Die Nacht lauschte.

Eine trübrote Fackel leuchtete das fahle, wie erstorbene Gesicht des Herbersdorf an, die zerschnittene Stirn, die gedunsenen, schlaffen Wangen. Er hüstelte matt. Er schaute starr den dunkeln Totengräbern zu.

»Habt ihr schon frohlockt, ihr verwegenen Buben, dass ihr der irdischen Gewalt entfallen?« stieß er heraus. »Nein, ihr dürft nit schlafen im geweihten Garten, kein ehrlich Erdreich gönn ich euch! Ohne Licht und Leuchte, in die Schindergrube mit euch!«

Rasselnder Husten unterbrach ihn.

»Gräfliche Gnaden«, rief der Hauptmann Tannazel, »der feuchte Dunst tut Euch nit gut. Wollen wir fort reiten!«

Mit müder Hand lehnte der Graf ab. »Warum? Ich werde ja nit grau.«

Dann rief er über das Moor dem Freimann zu: »Morgen noch soll man über diese Stätte einen Galgen zimmern, den Ursachern des Krieges zu ewig schändlichem Nachgedenken, denen, die bösen Willens sind, ein Spiegel, und ehrsamen Leuten zur Abscheu!«

Der Himmel rötete sich düster. Wilde Nachtlampen hatte der Graf anzünden lassen.

Der Tannazel wies in die glosende Nacht. »Jetzt brennt der Fadingerhof, jetzt brennt dem Zeller seine Tafern!«

»Bis auf den Grund soll Feuer brennen!« keuchte der Statthalter. »Die verfluchten Mauern sollen niedergerissen werden! Salt soll auf die Aschenstätte gestreut werden! Nimmer sollen dort Menschen wohnen!«

Wieder wehrte der unbarmherzige Husten seinen Worten.

Wie müd ich meine Brust!« sagte er erschöpft. »Ich leb nimmer lang. Aber, du wahrer, einziger Gott, ich weiß mich in dir geborgen. Aus der luthrischen Finsternis hat mich deine gnädige Vorsicht gerettet. Dein Reich kommt zu mir. Denn für deine Ehr hab ich mein Schwert gezückt, und unverdrossen hab ich deinem Feind gewehrt, der meineidigen, aftergläubigen Bauernschaft. Die in blindem Nebel nit wissen wohin, mit eiserner Hand führ ich sie zu deiner Kirche.«

Sein Ross setzte sich in Trab, ohne dass er es gewollt hatte. Er wehrte ihm nicht. Lass hielt die kalte Hand die Zügel.

Auf der Straße begegnete ihm ein dunkler Zug, vermummt vor dem Frost der Frühlingsnacht.

»Wohin?« fragte er.

»Vertrieben sind wir. Dürres Bettelbrot müssen wie essen. Der Herbersdorf verjagt uns aus dem Land!«

»Wer bist du?«

»Ich bin dem Fadinger sein Weib!«

»Das gerechte Verhängnis hat dich getroffen. Ich bin der Graf.«

Kinder huben an zu schreien und zu weinen. Das Weib aber sah ihn an im Fackellicht, wie ein gefangener Falke verächtlich den Gaffer vor seinem Käfig anblickt. »Bist du der steinharte Mann, der den Toten die letzte Herberg nit gönnt?« schrie sie. »Merk dir: Gewalt wird nit alt. Der Fadinger schaut vom Himmel herunter auf deinen Hass und lacht. Aber du, wenn nach deinem Tod deine Seel sich ihrer Sünden erinnert, dann wird sie anheben sich zu fürchten. Graf, du erbarmst mir!«

Sie schritt mit ihren Kindern vorüber, und ein, das sie am Arm trug, wimmerte: »Heim möchte ich!«

Der Herbersdorf setzte die Zähne in die Lippen. »Ich hab recht! Ich hab recht!« trotzte er. Sein Kinn begann vor Kälte zu schlottern.

Ferne weinte ein Kind. »Mutter, ich will heim!«


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