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13.

Die bäurische Heerschar lagerte auf der Welser Heide.

Da ging es bunt und laut durcheinander. Ein Lärm und ein Klopfen scholl wie in einem Schmiedgässlein.

Der Michel Eschelbacher hämmerte an den Waffen, wetzte die Spieße und beschlug die Rösser.

Rüstwagen überall und Geschütze, die sie aus Wels mitgenommen, Schwerter in die Erde gepflanzt, Stangenwaffen aneinander gelehnt, Grasende Gäule, geräuschvolles Volk.

Feuer zuckten unter den an Ketten hängenden Feldkesseln, Schlachtvieh brüllte, am Spieß brieten gewaltige Stücke Fleisch. Die Männer schlampten saure Suppen, andere würgten an einem Trumm Brot oder aßen gebratene Traunhechte.

Da wurde um ein beinernes Pulverhorn gefeilscht, daran ein messingenes Gemsböckel befestigt war, die vier zierlichen Beine aneinander gestellt und mit stolzen krummen Hörnlein. »Es ist nix Feineres auf der Welt als eine Gams!« sagte einer.

Eine Schreibstätte hatten sie errichtet. Der mittlere Kegel trug auf dem Kopf zwei schiefe Schlangenaugen, einen spitzen Bart und ein grässliches Maul gemalt mit fletschenden Eberzähnen. »Der Graf!« jauchzten die Kegelschreiber.

Andere lungerten im Heidekraut, krause Falten in die Stirn gekerbt, als sei Erntetag und ein Wetter braue auf. Wieder andere waren guter Dinge und ließen die Vögel sorgen.

Der Sauswind, ein Schelm, der mit dem Gaukelsack durchs Land fuhr, schnitzte an einem Gabelstecken, den Lauf eines erbeuteten Rohres darauf zu legen, und hatte eine lachende Gemeinde um sich geschart, die sich an seinen Schnurrpfeifereien und blauen Enten höchlich ergötzte und an den Zotenrätseln, die sie mit ihrem langsamen Geist nicht aufknüpfen konnten.

Er fuhr einen jungen Lümmel an, der da mit offenem Mund und vorgerecktem Hals horchte: »Bist du aus Kopfing, Bub? He, haben sie dir schon die Klauen abgezwickt? Was weißt du Mostschädel vom Krieg?! Aber ich bin schon in der ganzen Welt mit dem Spieß herumschalanzt! In Lisboa hab ich gestritten, wo der Mond nit untergeht. In Spanien bin ich zum Ritter geschlagen worden in der goldenen Kapelle, wo der Nabel des heiligen Onofrius bestattet ist. Mit dem Mannsfelder hab ich Pilsen genommen, zu Ross bin ich dort auf einer Leiter über die Mauer geritten. In dem Treffen zwischen Dürrnstauden und Fuxbaum hab hab ich zwanzig Türken erwürgt, hab ihre Leichen mitten im feindlichen Heer um mich aufgeschichtet und mich drin wie in einer Burg verteidigt.«

»Und hat der Kaiser dir das gelohnt?« fragte einer.

»Mit seiner Frau hab ich ein Glas Wein trinken dürfen auf ihrem ehrenfesten Schloss«, brüstete sich der Sauswind. »Erst hat sie getrunken, dann ich. Rainsal ist der beste Saft auf Erden.«

Ein stämmiges Weib, das ihrem Mann ein Körblein Käse und Brot ins Lager nachtrug, versäumte sich an der prahlerischen Märe. Sie fragte: »Ei, sag mir, wie ist die Kaiserin angezogen gewesen?«

»Daherkommen ist sie, eine goldene Trauben von Perlen sind ihr im Ohr gehangen. Die Finger hab ich ihr gebusst: die haben nach Rosenessig gerochen. Und ein zartes Würstlein hat sie mir fürgesetzt, mit gehackter Papageienleber gefüllt.«

Das junge Weib lachte: »Du Fideigunkes, dich könnt man brauchen zur Kurzweil!«

»Soll ich dir die Weil vertreiben?« zwinkerte er sie an und tappte nach ihr.

Kreischen entfloh sie.

»Grüß mir deinen Bauern!« rief er ihr nach. »Und hals ihn recht fest! Bei Peuerbach haben sie ihm den Kropf aufgestochen, er ist jetzt frei lieblich anzuschauen.«

Hernach stieß der Lügenmeister einen Burschen an, der trübselig neben ihm im Gras lag. »He, Tobiesel, was lachst du nit, wenn ich meinen blauen Nebel fliegen lass?« Er lüftete sein fransig Hütlein, drin schräg die Uhufeder stak, und scheltend schwirrte ein Spatz darunter herfür.

Doch der Tobiesel freute sich nicht an der lustigen Gaukelei. Er hub an zu erzählen, was sein Herz bekümmerte. »In der Rauhnacht sind wir daheim gesessen, haben ‚Hütel heben' gespielt. Und wie die Stalldirn das Hütel hebt vom Tisch, liegt drunter ein Kamm. Richtig wahr, tags drauf hat sie Läus gekriegt. Unser Knecht hebt das zweite Hütel, da hat er ein Bündel drunter gefunden, und wahrhaftig hat er zu Lichtmess sein Bündel geschnürt und ist davon. Die Schwester greift unter das dritte Hütel und hält einen Schlüssel in der Hand: jetzt ist sie verheiratet und Bäuerin auf dem Huebmergut. So ist alles richtig eingetroffen. Nur bei mir steht es noch aus.«

»Was hat denn das Hütel dir versprochen?«

»Wie ich es heb, mein eigenes Gütel ist es gewesen, da ist drunter nix gelegen«, seufzte der Bursch. »Und das bedeutet den Tod.«

»Fürcht dich nit!« tröstete der Sauswind. »Der Student hat einen Zaubersegen gerufen über unsern Haufen: jetzt greift und kein Eisen mehr an, und die Kugeln werden lind an unsrer Haus.«

»Woher ist denn der Kasparus?« fragte einer. »Er schaut gar nit bäurisch drein. Oft glaub ich, er ist uns ganz fremd.«

Da erzählte der Sauswind mit weicher, dämmernder Stimme: »Allnächtlich ist eine Donaufrau aus dem Wasser gestiegen, den feuchten Leib hat sie wärmen wollen an einem Menschen. Da ist sie zu einem jungen Bauern gekommen.«

Er hielt inne und sang leise, als wäre er der Liebste des Wasserweibes:

»Mir graut vor deinem eisigen Blut,
und bin dir doch vom Herzen gut!«

Und der Erzähler hub die Sage wieder an und endete sie: »Allweil, wann der Mond in der Fülle gestanden ist, ist die Geistin zu der Wiege geschlichen, hat ihr Kindlein angeschaut mit ihren grünen Augen und hat ihm die Brust gegeben. Und einmal hat sie sich dabei verspätet bis zum Hahnenschrei. Am andern Tag ist ein wilder, schwarzer Blutfleck auf der Donau gelegen, ist aber nit davon geschwommen, sondern wie eine Insel gestanden im ziehenden Wasser. Die Donaufrau ist nimmer kommen zu ihrem Kasperlein.«

»Gelt du lügst schon wieder?« fragte der traurige Tobiesel.

Der Landfahre zuckte die Achsel, legte sich auf den Rücken und lugte in die liebliche Sommerbläue empor.

»Ja, ja, wir müssen bei Gott um ein hübsches Wetter anhalten«, meinte der Hans Piringer nachdenklich. »Zum Krieg gehört ein blauer Himmel wie zur Heumahd.«

Der Sauswind nickte: »Der Krieg ist ein Sensengeschäft.«

»Die Sonne glänzt, der Wind streicht frisch«, murrte der Simon Staucher. »Warum fallen wir nit gleich über Linz her? Erst trommeln sie uns Bauern in aller Eil zusamm, und hernach lassen sie uns auf der faulen Haut liegen. Und wär so viel zu schaffen daheim!«

»Ja, weißt du, Simon, unsere Obristen haben zuerst einen Brief schreiben müssen an den Kaiser nach Wien hinter«, sagte der Piringer.

Der Staucher staunte. »Ja, kann man den so weit schreiben?«

»Mich ziemt, Nachba, du bist auch von Helpersedt, dort wo der Bock auf den Hörnern geht«, stichelte der Sauswind.

»Wenn es nach meinem Willen ginge«, eiferte der Wolf Hochroiter, »müssten wir morgen schon das Linzer Schloss mit Rauch gegen den Himmel schicken und den Grafen henken, drei Ellen höher als seine Schreiber. Dann wär der Krieg gar.«

»Ich bau auf den Fadinger«, sagte der Lorenz Kroiß, »der wird alle zum rechten End bringen!«

*

An einem altzerrissenen Eichbaum lehnte einsam der Obristhauptmann der Bauern. Sein breitkrempiger Filzhut mit den weißen Federn lag am Rasen. Voll Behagen graste sein derbes Pinzgauer Ross.

Er schob sich das schlichte, ergrauende Haar aus der Stirn und verträumte sich über das bunte Gewirr des Lagers hinaus über die karge Heide, über die Stadt, die ihm die Tore aufgetan, über den grün klaren Fluss bis zu den Mauern des Gebirges.

Wie still ging doch der Wolken Schatten über die schwanken Ähren! Wie friedvoll ihm das Gras zu Füßen! Droben im Laub rief die Meise.

Der Bauernführer hob das abgewitterte Gesicht. Was mochte ihm der Vogel wollen? Ach, niemand auf der Welt führt Krieg, nur der Mensch!

Der Fadinger sah um sich die Scharen rasten und lärmen, die Tausende, die seinem Gebot sich beugten, die er aufgeschürt hatte wie einen Feuerofen.

Den Bauern aus dem breiten, stolzen Gehöft, den Tagwerker aus der armen Sölde, den Hirten vom Tratfeld, den Weber vom Stuhl, den Kohlenbrenner von seiner rauchenden Reute, Triftknechte und Holzhacker, die die Wälder schwenden und die Riesen bauen an den Berglehnen; aus Weilern und Dörfern hatte er sie genommen, vom Mühlviertel her, wo die Tannen im Granit wurzeln, und aus den dunklen Gehölzen des Hausrucks. Da waren alle Straßen voll anziehenden Volkes: Gesellen, die vom Hammer kamen und aus dämmrigen Schmieden grobschlächtig sehnig, verwegen, in den Augen ein Gespräch wie Widerschein der Glut ihres täglichen Werkes; staubige Knappen aus den Mühlen der Talgründe; Fischer von den Gestaden der flossenreichen, hastigen Flüsse; Schiffsknechte, die von ihren Zillen davongelaufen waren. Aus Einöden kamen sie, wo der Mensch im Denken langsamer ist und man ihm alles zweimal sagen muss wie in einer Mühle. Aus den Städten kamen sie, wo die Stirn heller war und der Blick klug.

Diese Menschen alle hatte er aus dem Frieden ihres Tagwerkes gezwungen mit seinem Ruf, diese alle musste er in Gefahr und Verderben führen.

Er schaute die Schrunden und Klüfte seiner Hände an, seine zerrissene, verhornte Haut. Vor lauter Plage war sie so hässlich worden, von den tausend harten Verrichtungen, die der Boden verlangt, bevor er gibt. Sein Lebtag hatte der Fadinger die Erde betreut, lautlos, unbekannt in der Mühsal des Bauern, die die Welt nicht hoch einschätzt.

Sein herber Mund bebte.

Jetzt aber führt er an der Seite den drohenden Flamberg, jetzt trägt er unter dem Rock die Pfaid aus Eisendraht. Jetzt steht er trotzig drin mitten in der eisernen Seuche. Seinen Namen kennt der Kaiser. Sein Name ist gepriesen und verflucht.

Den wilden, sorglichen Aufruhr musste er leiten und verantworten, irdisch und jenseitig Heil der Massen um ihn, Glück und Not eines ganzen Volkes war in seine Hand gelegt, und er war doch nur ein geringer, einfältiger Bauer.

Er starrte in sich selber hinein. »Warum bist du so jäh gehoben worden aus deinem kleinen Leben?« flüsterte er. »Wohin, Fadinger? Wohin?«

Seine Brust schnob mächtig auf. Seine Stirn vertrotzte sich. »Gott trägt mich«, murmelte er.

Was kümmert ihn Gewesenes und Künftiges? Sein Gewissen hatte ihn aufgerufen, und nun, da das Schicksal sich löste wie donnernde Felsmassen vom Gebirg, nun wollte er treu und aufrecht stehen. Sein Wort sollte nicht wanken. Es musste so sein!

Der Heiland selber hat einst gerufen, der mildeste der Menschen, er sei nicht gekommen, den Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Und so wird auch der Fadinger die Waffe voraustragen seinem Heer, nicht m des springenden Blutes, nicht um der Rache und Vergeltung willen, sondern frommen Mutes ein Amt verwesend, das getretene Volk zu erheben und das gefesselte Gewissen zu befreien.

Er griff ins Eichenlaub empor und brach ein Reis ab.

Seine Pläne bauten sich ihm wie Bilder im Gehirn auf. Die Bauern der Burggrafschaft Steyr sollten aufgetrieben werden, die Stege verwacht, die Furten verwahrt, die Klausen und Pässe gegen Bayern versperrt und verlegt mit Ketten, Blockwerk und Gebälk, der Donaustrom geschlossen werden, dass der Kurfürst nicht hereinkönne, seinem Statthalter zu helfen. Die Rotten der Aufständischen aber mussten an dicke Wälder angelehnt werden und auf Berghöhen lauern, dass sie in harter Wucht niederstoßen und die Bedrücker zertrampeln konnten. Und war Land und Gebirg frei von den fremden Soldaten, dann sollte der Bauer mit dem Knüttel ans Linzer Schlosstor schlagen, dann …

Klingende Feldmusik störte den Fadinger auf. Die im Gras Lungernden erhoben sich neugierig, die an ihren Waffen Bessernden ließen ab in ihrem Fleiß, und jeglicher dehnte den Hals zu gaffen.

Ein greises, triefäugiges, zerrupftes Weib schwenkte ein Fähnlein, darauf ein grüner Tannenbaum, ein springender Hirsch und ein schnellender Fisch gestickt waren. Ihr folgten Trommler und Schwegelpfeifer und hernach ein hagerer Mensch in grünem Wams und grünen Hosen und mit roten und weißen Federn am Hut. Dahinter drängte sich eine kleine Rotte, anhänglich dem grünen Mann und bewaffnet, Männer und Weiber, und sie sangen ein geringes Lied, das gegen die Mächtigen im Reich sich kehrte.

»Wir reiten ihre Rösser
und sind in Ehren gern
im Land über Städte und Schlösser
allsammentlich Freiherrn.«

Die sonderbare Wallfahrt hielt vor dem Feldobristen, und als die schrille Pfeife und die mürrische Trommel verstummten, plärrte die Alte aus zahnlosem Mund ein Spottgebet: »Papst, du bist voll der Ungnad, der Teufel ist mit dir, du bist vermaledeit unter den Pfaffen!«

Unmutig zuckte die feine, fast unbärtige Oberlippe des Fadinger. »Was soll der Unfug? Ist das Geschrei nit schon groß genug in dem christlichen Feldlager?«

Der Grasgrüne tat die Augen überweit auf, stieß die Arme wider den Himmel und begann mit schneidender, übeltönender Stimme: »Brüder und Schwestern! Überwunden sind der Teufel und seine Abzucht. Seine falsche Kunst ist zerronnen. Drei Rösser hat er zu Tod geritten, auf des Freimanns Gaul ist er entwischt!

»Wer aber bin ich, der da zu euch redet? Gott hat mich empor gerissen aus der Finsternis meiner Sinne. Über die Donau bin ich gegangen wie über eine Wiese, und Er hat mich nit versinken lassen in den Wellen und trocken erhalten meinen Fuß. Er hat mich ausgeschickt, seinen Willen zu künden euch allen und sonderlich dir, Feldobrister des erwählten Volkes, dass du sein Richtbeil werdest und sein Brandlicht.

»Und ich sage euch, was Er begehrt, der mich Unwürdigen zu seinem Mundloch gemacht und zu seiner Zunge. Gott will: kein Herr soll fürder sein und kein Haupt. Denn er ist alleinig der Herr. Und alle sind wir gleich, ob Kaiser, Graf, Bauer oder Knecht. Alles ist gleich und einer wie der andere, keiner mehr, keiner minder, keiner besser, keiner geringer!«

Und der Grüne wies auf die Bilder des Fähnleins und kreischte: »Wald, Wild, Fisch, Gott hat sie für alle geschaffen! Also soll forthin frei sein Holz und Weide, Brunn und Wildbret, Vogelfang und Fischnutz. Die Berge sind voller Gemsen, die Wälder voller Hirsche: sollen nur die Herren sie schießen dürfen? Die rinnenden uns stehenden Wasser wimmeln von Fischen, und ihr dürft keine Gräte daraus nehmen, den bittern Hunger zu büßen! In tausend Bäumen steht das Holz im Wald, und es sinkt und vermodert, und ohne der Herren Gnade dürft ihr kein Zweiglein davon brechen und müsset in all der Fülle frieren im harten Winter! Brüder und Schwestern, wie leben wir? Wahrhaftig, eine Wildsau lebt besser!

Und nit Zins, nit Zehent, nit Steuer, nit Zoll, nit Scharwerk, nix soll mehr gelten! Und keine Obrigkeit soll mehr sein. Alle Obrigkeit ist teuflische Gewalt, und niemand schuldet ihr Gehorsam. Der römische Uhu, des Satans Pfennigmeister, und der wütend Kaiser zu Wien, ihre Macht sei abgetan! Sie alle rauben uns aus, sind erpicht auf den Säckel des armen Mannes, Kaiser und Graf, Pfaff und Mönch, Papst und Luther!«

Ein drohendes Lächeln schnitt sich in das Gesicht Fadingers. »Ei, guter Freund, du hast dir wohl schon in Linz die Häuser ausgesucht, die du dir nehmen willst?« höhnte er.

Der Eiferer ließ sich nicht irren. »Die Herren und Prälaten rupfen ihre Gänslein, der arme Schwartenhans kaut an dem Daum. Aber es muss so weit kommen, dass die reichen Schelme mit uns teilen!«

Der Anhang des Predigers ward unruhig. Einer grollte: »Die Herren sollen ackern und hacken wie wir Bauern! Jeder soll arbeiten mit der Hand!« »Dem Kaiser soll man den goldnen Hut nehmen, den Kirchen die Kleinoder!« zeterte die Fahnenträgerin.

»Alle sollen alles haben oder nix!« schrie der Prediger. »Ausbrennen soll man die Klöster, schleifen die adligen Schlösser, alle Türme umstoßen! Es sollen nur noch Dörfer und Einöden auf der Welt sein!«

Da horchte das Armeleutheer auf, sie fassten ihre Waffen grimmer in aufgeschürter Begehr.

Der Fadinger aber trat hart an den Grünen heran. »Du grasgrüner Narr! Du Zwölfbot des Teufels! Keuch zu mit dem ledigen und unnützen Gesindel, das sich zu dir geschlagen hat! Schau dich um! Lauter umherschweifende Leut stehen hinter dir. He, du möchtest gar alle Ordnung gäh umwerfen und Mord und Feuer setzen an ihre Stell und deine Blutsuppe dran kochen?!«

»Fadinger, bist du ein Moab, ein Achab, dass du wider den Herrgott löckest?« fuhr der Prediger auf. »Weißt du es besser, so widerred mir! Nackt kommt der Mensch zur Welt, und ohne zeitlich Gut fährt er wieder dahin. Sag an, hat Gott dem Menschen ein Eigen bestimmt oder nit? Und ist es drum nit ein arges Unrecht, dass die Reichen und Großen mit Geld und Gütern begabt sind?!«

»Und du, toller Kopf«, unterbrach ihn der Fadinger grob, »sag mir, wie willst du das ausführen, was dein voller Hals da schreit? Was tust du mit denen, die dir widerstreben?«

»Erschlagen lass ich sie!« brüllte der Eiferer.

»Du fauler Träumer!« grollte der Bauernhauptmann. »Sei still und fahr dahin mit deinen bösen Buben! Und lass sich ja nit auf dem fahlen Ross ertappen! In mir irrst du dich. Ich will nit, dass Gewalt geschieht an dem, der Friede will und Friede gibt. Wir wollen unser reines Gewissen, Ruh im Land und unser täglich Brot. Mehr nit!«

Vor dem feurigen Auge des Fadinger drückte sich der wilde Schwärmer, gesenkten Fähnleins und ohne Sang und Klang zog er mit seinem Anhang ab, und dieses Ereignis wurde sofort verwischt durch eine neue, leidenschaftliche Erregung, die das Lager plötzlich aufwühlte.

In vollem Spornstreich kam des Fadinger Feldschreiber daher. »Der Herbersdorf schickt einen Boten!« stammelte er.

»Ist der Graf schon zaghaft worden?« frohlockte der Obristenhauptmann. »Langt ihm das Wasser schon bis an den Bart?«

Herr Sigmar von Schlüsselberg, des Statthalters Gesandter, ritt blass, doch gelassen durch das Gewühl der erzürnten Bauern, die böse Worte ausgaben, die Fäuste nach ihm reckten und die Knüttel hoben, als wäre er selber der verhasste Graf und gar nicht der Freund, der solcher Eigenschaften wegen von dem Herbersdorf gebraucht wurde.

»Wir wollen ihn nit hören!« tobte der Haufe. »Last den Sigmar nit ins Lager! Einen Brief trägt er. Zerreißt ihm den Brief!«

Der Wolf Weingartmyr und der Michel Maier legten sich schließlich ins Mittel. Sie rissen mit ihren massigen Leibern und rücksichtslosen Ellbogen eine breite Furche in das Getümmel und schrien: »Hören müssen wir den Sigmar! Der Herbersdorf wird uns nit vergiften. Wir können nachher tun und lassen, was wir wollen.«

Unter der Eiche hatte sich der Kriegsrat versammelt, Männer in finstrer Neugier, der Wiellinger, der Tobias Angersholzer, der Berndl.

»Herr Sigmar, was führt Euch her aus Linz?« hub der Fadinger an. »Grollt dem Vetter Adam schon der Bauch vor Hunger? Lässt er uns schön grüßen? Gelt, Herr, Ihr wundert Euch über unsre große Kriegsschar? Der Herrgott hat nimmer länger zuschauen können, hat uns aufgerufen.«

Der adelige Mann erwiderte: »Dass ich mich hab als Boten brauchen lassen, ist mir sauer genug gefallen. Doch bin ich gegangen um der Not unseres evangelischen Glaubens will und weil mir an euch und um das Landel gelegen ist, das grausam verwüstet wird, wenn der Krieg weitergeht. Bei Gott, um eurer Wohlfahrt willen steh ich da. Hört mich ohne Verdruss! Und ob ihr auch von dem Statthalter nichts annehmen wollt, am mindesten einen guten Rat …«

Die Bauern rings zuckten auf wie unter dem Hieb einer Geißel. »Wir trauen ihm nit! Der Mordmann will uns zu Grund richten! Seinen Rat soll er sich daheim lassen! Wir selber kommen nach Linz und werden mit ihm reden!«

Herr Sigmar ließ den Sturm verbrausen. Dann sagte er: »Der Statthalter lässt euch sagen, der unschuldigen Kindlein in Linz sollt ihr gedenken und die Zufuhr dahin nit hindern und die Mühlen nit sperren. Er vermahnt euch, ihr sollt euch still halten und allsamt heimgehen. Alles soll verziehen werden, was geschehen ist, nichts soll geahndet werden. Er will euer Blut nicht.«

»Ja, dass sein Freimann hernach wieder ein leichtes Spiel mit unsern Hälsen hätt!« hohnlachten sie. »So dumm ist der Bauer nit!«

»Wir wollen heimgehen und den Spieß hinlegen«, sagte der Fadinger, »aber erst muss der letzte Soldat aus dem Land sein, erst muss uns der Kaiser mit Brief und Siegel bestätigen, dass wir unserm Herrgott dienen könne, wie es uns gefällt.«

»Verhandeln wir nit!« brannte der Achaz Wiellinger auf. »Der Herbersdorf soll sich selber vor uns einfinden da in freier Au auf der Heide vor Wels, mit seinen Knechten und Schreibern soll er kommen, ohne Waffen und Wehr soll er sich und gegenüberstellen!«

»Wiellinger, das kannst du nur von einem Narren begehren«, antwortete der Sigmar.

»Nit mehr verhandeln!« lärmte die drängende Menge ringsum. »Hinhalten will man uns! Lug und Trug ist alles!«

Der Berndel überschrie sie alle. »Unsere Kraft ist noch frisch und heiß. Warten wir nit ab, bis sie auskühlt! Reisen wir heut noch gen Linz! Wenn Linz fällt, fängt die evangelische Nachbarschaft in Böhmen und Unterösterreich und überall Feuer. Es brandelt ja allerwegen. Wir wissen es.«

Herr Sigmar schüttelte die nussbraunen Locken. »Peuerbach mach euch hochmütig, ihr Leut. Aber groß Glück hält selten Farb. Und Pferschbaum und Bauerngewalt, die wachsen geschwind, vergehen bald. Das ist ein erfahrner Reim. Glaubt ihr, der Graf rennt gleich vor euch davon? Je wilder ihr ihn angeht, desto trotziger wird er euch antworten. Ich kenn ihn. Und beispringen werden sie ihm, der Bayer wird den Tilly loslassen und der Kaiser den Wallenstein. Die zwölf groben Apostel werden die Donau herunter schwimmen und euch das Evangeli pedigen, dass euch graust.«

»Das schreckt uns nit«, lächelte der Fadinger. »Der Herrgott wird die Hand halten zwischen uns und dem schrecklichen Geschütz. Und der Kaiser wird uns verschonen. Mit ihm führen wir nit Krieg.«

Der Sigmar warnte: »Vögel ruft euch der Graf ins Land, die singen gar grell!«

»Wir sperren ihnen die Schnäbel«, entgegnete der Bauernfeldherr. »Sag dem Grafen, bei Peuerbach unterm Gras schlafen siebenhundert Soldaten. Herr Sigmar, Euch dank ich für den guten Willen. Aber der Graf jagt uns nit ins Bockshorn. Unser Harnisch ist Gott.«

»Wir haben genug Waffen«, prahlte der Tobias Angerholzer. »Unsere Mühlen müssen Pulver mahlen.«

»Euer bisslein Pulver habt ihr bald verschossen!« zürnte der Gesandte. »Ihr könnt nicht Saliter dieden. Ihr werdet bald kein Blei, keine Lunten mehr haben. Ihr Narren, womit wollt ihr denn Krieg führen? Mit der Drischel und dem Prügel kommt ihr nicht auf gegen ein gewaffnet Heer. O ich beschwör euch, soll denn das Land verderben und eine Brandstatt werden? Bevor das viele Blut so grausam unnütz verrinnt, merkt auf, was euch der Herbersdorf anbietet! Ihm ist es ernst. Nehmt seinen guten Willen an! Durch alle eure Gewalt bringt ihr es nicht so weit wie durch kluge, einsichtige Verhandlung.«

»Sagt es kurz, was will uns der Graf?« sprach der Fadinger.

»Dem Kaiser will er schreiben. Euern Beschwerden soll abgeholfen werden, das Besatzungsgeld soll euch zum halben Teil erlassen, und keiner von uns soll fortan in seinem Gewissen bedrängt werden. der verlorenen kaiserlichen Gnade will er euch wieder fähig machen.«

»Des Kaisers Gnad? Der verlornen Gnad? Wir haben sie nie besessen«, lachte der Berndl.

»Recht süß fährt uns der Graf um den Bar!« rief der Wiellinger. »Hüten wir uns!«

»Den Vetter Adam kennen wir!« lärmten die Männer. »Er ist schuld an allem. Katholisch will er uns machen, der Fuchs!«

»Verscherzt nur, was man euch jetzt noch bietet!« rief Herr Sigma betrübt. »Hinzwischen wird euer Korn gelb und müd und wartet der Sichel. Ihr aber dürft es nit schneiden. Ihr müsst stehen und Blutarbeit verrichten!«

Ob dieses Wortes blieb der Schrei des Widerspruches, der Hohn des sich mächtig fühlenden Bauern aus. Die Herzen schraken auf und flogen weit zurück zur gewohnten Scholle, und die gerüsteten Männer hörten den Hahn daheim krähen und den Brunnen klingen, sie ahnten den Duft des reifen Getreides und sahen es gilben und sich neigen mit wundersam gesegneter Ähre.

Und der Fadinger, wild überrumpel in seiner Bauernseele, tastete leise nach denen, die gleichen Wunsches waren wie er. »Der Kaiser! Freilich könnt uns der Kaiser helfen!«

Die tiefe Verehrung dieses Namens lebte in den Bauern, etwas strahlend Fernes, Hohes, Göttliches fast war ihnen der Kaiser. Ihre Munde, die in diesen Tagen mit dreistem Schimpf alles streiften, was herrschend über ihnen stand, sie blieben in Scheu geschlossen.

»Wir wollen nix als Gerechtigkeit«, stammelte der Fadinger. »Der Kaiser wird sie uns nit weigern. In Wien müssen wir ihm unsere Schmerzen auftischen. Und wenn er uns sein Wort gibt, hernach ist alles gut.«

Nur der Wiellinger murrte: »Wie kann und der Kaiser helfen? Er hat nix mehr drein zu reden, seit er uns verpfändet hat. Ja, verpfändet, verschachert hat er uns mit Leib und Seel wie ein Rindlein Vieh, wie einen Acker hat er uns lebendige Menschen fremder Gewalt verpfändet!«

Eingebung und Wille glitten wie der Abschein strahlender Flügel über die Stirn des Fadinger. »Wir müssen das Pfand auslösen!« rief er.

Herr Sigmar staunte. »Wie meinst du das?«

»Zwei Herren haben wir, und das ist unser Unglück«, sagte der Bauer. »Und dem müssen wir abhelfen. Wir gehen zum Kaiser. Und wenn er in seinem Ärger auch nit gleich uns hört, so wollen wir die Kaiserin bitten, dass unser guter Glaube uns belassen wird. Wir aber, Bauern, wir wollen uns plagen und rackern ohne Rast Tag um Tag, dass wir das Geld aufbringen, das der Kaiser dem Bauern schuldig ist. Dann wollen wir das Landel aufkaufen und es der Kaiserin hinlegen: ‚Da nimm dir es, edle Frau!' So wird alles gut werden. Und wir und unsere Kinder können in Friedenauf unseren Felder arbeiten und der Menschheit das Brot schaffen.«

Da flammte es wunderbar über die Gesichter, die rau waren vom Streifen durch den Wind. Ob die Bauern auch, trunken von dem Glück bei Peuerbach, nichts anders erwarteten als immer nur Sieg, so rann doch mächtig in ihrem Blut das Heimweh nach den wiesenstillen Gründen, nach den gesegneten, dampfenden Kornfeldern, nach vertrautem Tagwerk und ruhevollem Abendgang über den betreuen Besitz. Hier die Unrast des wandernden Kampfes, das Leben heimfern und losgetrennt von der wartenden Scholle; dort die helle Gnade des Kaisers, das tröstliche Lächeln einer hohen, gütigen Frau, das sich über das neugeschenkte Land neigt, und über alles hoch und wertvoll der freie Glaube.

Die bäuerlichen Kriegsräte seufzten auf, das reisige Volk ringsum hielt den Atem im Hals an. Und endlich sagte der Fadinger zögernd: »Wenn ihr es für gut haltet … Das Heu wär bald zu schneiden. So täten wir es nit ungern versuchen und zeigen, dass wir nit mutwillig das Blut versprengen wollen. Wir wollen derweil nix Feindseliges tun, und auch der Graf soll uns nit behelligen.«

Da war es, als löse sich ein harter Zauber. Ein froher Atem wehte durch die Welt. Die Kriegsräte nickten versonnen. »Gütlich wollen wir es versuchen!« scholl es aus der Menge.

Der Fadinger strahlte. »Herr Sigmar«, sagte er, »Euch danken wir es, wenn Fried und Wohlfahte wieder einkehren und wir mit unserm Herrgott wieder reden dürfen wie von altersher!«

»Wer wär froher als ich?« erwiderte Herr Sigmar. Seine gütigen Augen schimmerten, freudig rötete sich sein edles, fast frauenhaft feines Antlitz.

Und der Bauer, bezwungen von dem leiblichen Adel, von der würdigen und anmutigen Gebärde des Edelmannes, griff unbeholfen nach seiner Hand. »Herr, Ihr seid um vieles beharrlicher und stiller und besser als ich. Seht, ich könnt nit so in aller Güte besser als Ihr. Ich bin ein geringer, hilfloser Mann. Sigmar, Ihr solltet mein Schwert da nehmen, Ihr solltet das evangelische Heer führen! Ich – kann es nit.«

Erschrocken vor dem jähen Angebot, wich Sigmar zurück. »Was fällt dir ein!« sagte er betreten. »Das geht nicht.«

»Tretet Ihr an meine Stell!« drängt der Bauer. »Wer soll denn uns gemeine Leut führen, wenn es nit der Edle tut? Ich will hinter Euch stehen und Euern Willen vollbringen und Euch schützen mit meinem Leib.«

»Fadinger«, flüsterte leise der Edelmann, »ich bin nicht so groß, wie du glaubst. Und den Amt kannich nicht nehmen, mir - graut davor!«

Der Fadinger schaute ihn an mit langem, bitterem Blick. Dann senkte er ergeben den Kopf.

Aber durch das Lager rauschte die Freude. »Jetzt wird alles gut«, lachte einer dem andern zu. »Der Krieg ist aus, der Glaube bleibt uns!«

Ein Bauer mit schlohweißem Haar dankte Herrn Sigmar. »Knien möchte ich vor dir und mein Lebtag nimmer von den Knien aufstehen! Wie ein guter Engel bist du zu uns kommen. Mit aufgehobenen Händen will ich für dich beten bis zu meiner letzten Stund!«

Sie fassten die Hände des edeln Herrn, umarmten und grüßten ihn in der Bedrängnis ihrer Seelen wie den Heilbringer. Der Fadinger aber nötigte ihn in den Sattel seines Rosses und führte ihn also durch das jauchzende Heer.


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