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27.

Die Sterne gingen auf, gingen unter.

Silbernen Reif im Bart, müde vom Schleppen der plumpen Waffen, taumelnd vor Schlaf, mit vereiterten, schmutzigen Wunden, fiebernd, hungernd und verlaust trottete die geschlagene Schar dahin.

Krähen und Elstern flogen zu Dorfe: der Winter war nah.

Schon war ein dünner Schnee gefallen. Zart behaucht waren die Bäume. Und auf der weißen Erde war die Fähre abgeprägt, und der Pappenheim verfolgte sie.

Zu Wolfsegg läutete der Berndl die Glocke, seine Leute zu sammeln. Der Klöppel war abhanden gekommen in den verworrenen Zeitläuften, drum schlug er mit dem Schwert aus Erz und schlug so grimmig, dass es schartig wurde.

Wohl wispelte ein verzagter Mann, die Pappenheimer seien Teufel, hätten Feuer im Leib, und man habe wahrhaftig gesehen, wie ihnen der Rauch aus dem Maul getreten sei. Wohl lockte hin und wieder einer: »Renn wir davon! Alles ist aus! Jeder soll sich helfen, wie er kann!« Und ein müdes Althirtlein meinte: »Die Kälte wird uns nimmer lang im Feld lassen. Treiben wir heim!«

Doch fanden solche Stimmen keinen Widerhall.

»Jede Mahd hab ich mitgemäht«, sagte ein uralter Ausgedingler, »jeden Bifang hab ich mitgeschnitten, jeden Schlag mitgedroschen! Soll ich jetzt mitten in der harten Arbeit auslassen?!« Rüstig stand der Alte noch und rau wie ein Baum im wilden Hausruckwald. Und er fletschte die vergilbten Zähne und schaute auf seine mit Schwielen gepanzerten Hände nieder.

»Wir renne nit davon!« scholl es in unüberwindlichem Trotz. »Wir lassen uns nit fangen! Wir wollen nit übrig bleiben!«

Aber Gott riefen sie nimmer an.

Der Berndl rastete auf einer großen Bauerntrommel und starrte gegen das ergrimmte Gebirg, in das grelle, schmerzende Weiß der schneeverhangene Zinnen. »Genesen können wir nit miteinander, so wollen wir sterben!« sagte er.

Der Pappenheim kam und ließ das Schloss zu Wolfsegg stürmen. Die Bauern standen drin in dicken Haufen. Kein Tor blieb ihnen zum Entrinnen. Da warf ihnen ein kaiserlicher Fähnrich den Rat hinein: »Wer den andern umbringt, kommt zu Gnaden« – »Judas! Judas!« stöhnten sie. Keiner entkam.

Auf verschneiten Äckern entfaltete sich die Fahne der Raserei. Mit blutunterlaufenen Augen, mit grausam entstellten Gesichtern wehrte sich das Volk. Wem die Waffe barst, der riss den Stein aus der gefrorenen Erde und schlug zu. Weiber wurden getötet, die in trunkener Wut die Soldaten anfielen.

Der Berndl war von einer Hellebarde in den Fuß gestochen worden. Auf den Knien im Schnee kämpfte er, weil er nimmer stehen konnte. Er verteidige sich mit einem Zaunstecken, und niemand konnte an ihn heran.

Schließlich rannte der Obrist Kurtembach dem alten Widersacher das Schwert in die Brust. »Spornstreichs in die Höll!« schrie er.

Dem Bauernhauptmann vergingen die Augen, er scharrte mit den Zähnen, legte sich auf den Bauch und starb.

Der Kurtembacher horchte zu ihm nieder. »Hin ist er wie dem Juden sein Seel«, sagte er. Das Schwert ließ er in dem Leichnam stecken.

Der Berndl, der unverzagte, der felsenfeste Mann, war nimmer. Da wurden die Bauern kleinmütig, da zerrann ihre Kraft. Ihre letzte Fahne sank. Erritten wurden sie, ergurgelt, erstochen, erschossen.

Nur wenige flohen. Ein Sterbender richtete sich noch einmal auf, raffte den letzten Atem zusammen und schrie ihnen nach: »Vor seiner Haustür soll sich jeder erschlagen lassen!«

Ein Landsknecht trug den Kopf des erlegten Berndl auf dem Spieß. »Feierabend, Bauern!« frohlockte er.

Der Pappenheim übersah das Feld. »Das Grobzeug hat uns hart zu schaffen gemacht«, sagte er. »Bei Gott, sie haben sich ehrlich gehalten!«

Lange sann er in den Schnee.

Auf dem Mordfeld stand ein vergrautes Erbärmbild, der gepeinigte Herrgott, gedornt, gebunden, ein wilder Vorwurf aller Welt.

Der Pappenheim kehrte sich ab, er vertrug den Blick des Bildes nicht. »Bin ich der siegreich Mann?« flüsterte er.


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