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14.

Ungestüm trommelte es an das Tor des Klosters Schlägl. »Propst, tu auf! Der Bauer ist da.«

Der Hofricher spähte durchs Lugloch. Draußen auf der Brücke waren bewaffnete Kerle, einer auf einem Gaul. Menschen und Ross stampften ungeduldig. Mit dem Spieß stießen sie ins Tor, dass es schütterte. Die Brücke bebte. »Es hilft nix, aufmachen müsst ihr!« schrien sie.

Der Hofrichter öffnete das Türlein, das in das mächtige Tor geschnitten war, und trat auf die Brücke hinaus. Und er redete beherrscht gegen die Waffen, die nach ihm zielten: »Dies Haus ist gastlich. Es tut sich jedem redlichen Wanderer auf. Ihr hättet linder pochen mögen!«

Ein junger Bursch trat auf ihn zu, in den Händen ein gespanntes Rohr, und es war ihm anzumerken, dass er mit solch gefährlicher Wehr noch nicht lange umging. Er setzte sie dem Hofrichter an die Brust, dass dieser das kühle Eisen durch das Hemd hindurch spürte. »Die Obrigkeit soll herauskommen, nit du!« herrschte der junge Mensch ihn an. Wir sind der bevollmächtigte Ausschuss.«

Der Hofrichter entgegnete: »Schuhknecht Aichinger aus Sarleinsbach, du hast doch erst im verwichenen Irtag im Kloster da die Schuh geflickt und solltest wissen, dass seit dem Tod des hochwürdigen Herrn Prälaten unser Stift noch kein Haupt hat und dass ich von der römisch-kaiserlichen Hoheit neben den Verweser gesetzt bin, das Klostergut zu verwalten. Was begehrst du demnach von der Obrigkeit, Flickschuster?«

Der Aichinger senkte das Gewehr, rückte den Jodelhut und drehte, verwirrt von der umfänglichen Rede des Hofrichters, den Hals nach dem Reiter. Der nickte ihm unwillig zu.

Da schwoll ihm wieder der Kamm. »Dass du es weißt, Hofrichter, der Zacharias Wolf schickt mich her, unser Hauptmann, ob ihr euch wehren wollt oder nit?«

Der Verwalter tat verwundert. »Wie sollen wir uns wehren? Es vergreift sich doch keiner an uns!«

Jetzt riss dem Reiter die Geduld. »Willst du uns verspotten, du üppiger Mann? Zusagen sollen die Klosterherren uns, ob sie es mit uns Bauern halten oder nit; ob sie Leib und Leben mit uns wagen und all das leisten wollen, was uns die Schlösser und die Städte Steyr und Wels und Gmunden schon bewilligt haben?«

Der Hofrichter sah den Reiter steif an. »Bist du auch dabei bei der Hetz, David Spatt? Wo hast du reiten lernen? Auf dem Backtrog, he? Nun, so sag deinem Hauptmann, ich lass ihn grüßen, und er soll in Markt Aigen über Nacht bleiben. Und was die andern Örter ihm erlauben und zugestehen, das wird auch unser Stift tun.«

»Der Kuckuck schänd dich!« fluchte der David Spatt. »Tu das Tor auf! Sonst setzen wir dem Kloster ein pechernes Jungfernkränzel auf und keiner kommt uns lebendig heraus!«

»Lass mich die Sach überschlafen!« sagte der Hofrichter, und flugs sprang er in den Torturm zurück, schlug das Türlein zu und verriegelte es.

Von Markt Aigen her kam mit Schüssen und Geschrei, gerüstet und heiß erregt, ein bäuerlicher Haufe.

Sie fanden vor dem Kloster drei volle Fässer stehen. Da war einer in dem Volk, aus Etschland stammte er, vormals ein welscher Straßenlaurer, Spinell ließ er sich heißen. Er trug ein Richtbeil mit sich, von dem Henker in Verona entliehen, wir er erzählte. Dieser Spinell schnüffelte an den Fässern und grinste: »Wein! Gutes Tränklein! Bei uns daheim mischt man übeln Gästen Gift drein.«

Augenblicks schrie der Hauptmann Zacharias Wolf: »Nit trinken, Leut! Etwan haben uns die Mönch den Wein versalten.«

Und schon weitete ein tolles Gerücht die übelhaften Flügel. »Vergiften wollen sie uns! Zerreißt die Böswichter!« Die Stangen trieben sie in die Fässer. Rot sprang der Wein heraus!«

Sie warfen sich ans Tor, teufelten dran, heulten: »Giftmörder, heraus!«

Die Flügel kreischten auseinander. Der alte Wärtel lag auf den Knien, das graue Haar in der Zugluft.

Der Bäcker David Spatt stürzte zuerst hinein, packte den Alten an der knorrigen Kehle und zog den Säbel. »Wo sind die Vergifter? Abtun wollen wir sie!«

»Bei allen Martern unsers Herrgotts«, ächzte der Wärtel, »niemand hat euch Gift zugerüstet! Nit wahr ist es! Mit rotem Wein hat man euch beschwichtigen wollen. Und die Herren sind heut in aller Früh gen Böhmen verreist. Und der Hofrichter ist jetzt mi drei Brüdern davon, hinten durchs Türlein über den Graben. Kehrt um, liebe Leut, es ist kein Seel mehr daheim!«

Sie zerrten ihn in den Klosterhof, brüllten und schossen, dass der Donner von den Mauern zurücksprang.

Auf einmal rauschte aus der Kirche ein gewaltiges, herrlich volles Orgelspiel in den wilden Lärm. Es gewitterte in Kraft und Süße und brach aus in strahlendes Blühen wie ein maibesessener Apfelbaum.

Die Bauern verstummten vor der gottgeweihten, feierlich sich bäumenden Musik, geistergriffen standen sie und entzückt und lauschten.

Aber der heisere Ruf des Bäckers Spatt brach in die Andacht. »Wer sitzt da droben im Orgelstuhl? Pförtner, du hast gelogen!«

»Der Bruder Orthold ist es«, sagte der Torwart. »Heut früh hat er sich versteckt, da er mit den andern hätte flüchten sollen. Von der Orgel will er nit weg. Er schlägt sie so schön, als ob der Heilige Geist über ihm flügeln tät. Tut ihm nix! Er ist nit recht im Hirn.«

Sie drangen in die Kirche. Drin glühten die goldenen Altäre, an den geweihten Wänden funkelten die heiligen Jungfrauen, die Frohboten, Nothelfer und Martersleute.

Staunend verhielten die Bauern den Atem. Hier wob ein Gott, wenn auch nicht der Ihre. In berauschtem Prunk glomm sein Raum, die Schar seiner entrückten Heiligen, das Bild der Gottesmutter am Waldschlag.

Wie ein weltvergessener Zauber saß droben an der Orgel der Mönch. Er schöpfte eine strombrausende Wirrnis von Tönen aus seiner irren Seele, dämpfte sie zur sanften Wonne waldwiesenfroher Schalmeien, zur Träumerei, wie sie im Maienlaub spinnt, darin nur selten ein wildnisverlorener Vogel aufspricht, und ließ den Gesang des Werkes wieder schwellen, bis es toste gleich einer Schlacht zwischen zwei rasenden Herren, zwischen Gott und Teufel.

Gebannt von der unheimlichen Pracht des Spieles, zogen sich die Bauern aus der Kirche zurück und überließen sie der wogenden Fülle und den leuchtenden Heiligen. beruhigter schritten sie nun durch die Gänge, lugten in die verlassenen Zellen, horchten an versperrten Türen und starrten verständnislos die stolze Bücherei an.

Inzwischen ließen sich der David Spatt und der Spinell im Refektorium den Mittag schmecken, der eben für die Brüder aufgetragen worden war, ehe sie flohen. Der Torwärtel musste den beiden aufwarten.

»Halle, Pförtner«, rief der Spatt, »weis uns den Keller! Wir wollen fröhlich sein! Aschauer Wein, Freistädter Bier, das wollen wir saufen! Nit allweil den rauen Most!«

Der Sommer war heiß und die Kehlen dürr und staubig. Und so polterten die Bauern in die Gewölbe hinunter, wo der Wein, wo der Wein gelagert war, und rollten die Fässer herauf an den Tag. Sie lehnten die Waffen an die Mauern, flugs waren Bitschen und Becher da, und es hub ein scharfes Zechen an. Eilig tranken sie in den Groll hinein, den sie über das Stift hegten, das in seinem Besitz das Luthertum streng zu Boden gehalten hatte.

»Die Pröbste zu Unsrer Lieben Frauen Schlag haben übel an uns getan«, sagte der Bartelme Saumnber, ein Kleinbäuerlein aus Aigen, und trieb mit festem Hieb den Spund ins Fass. »Ich und der Georg Poxrucker sind in Eisen gesessen, weil wir ehrlich lutherisch gelebt haben. Wir haben nachgegeben, dass unsere Weiber und Kinder nit im Elend verschmachten. Aber inwendig sind wir treu blieben.«

»Die Zeiten sind anders worden«, lachte der Poxrucker. »Propst Wenzel, du bist dahin, und ich trink deinen Wein! Ja, Männer, im feuchten Verlies sind wir gelegen, an die Wand gekettet, und die Asseln sind uns über das Gesicht gekrochen!«

»Vom Erdboden sollt man das Nest wegbrennen!« fuhr der Spatt auf, glutrot und trunken.

Der Spinell hob die glotzende Eulenfratze und horchte. Und es waren noch viele unbesonnenen und schweifenden Leute da, herrenlos, unbehaustes Volk, man wusste nicht, wie sie ins Land gekommen, Abenteurer und Beutemacher, die nichts zu verlieren hatten, und auch bayerische Überläufer hatten sich zu den Aufständischen gesellt, weil sie hier Raub und Plünderung hofften, ein trunkenes Leben und grenzenlose, äußerste Freiheit.

Der Spinell kratzte sich in seinem blauschwarzen Schopf und schielte zu denen hin, die er eins wusste mit einem gierigen Herzen. »Wir verschonen unsere Widersacher zu viel. In die reichen Schlösser sollten wir einbrechen, in die Städte und uns dort gütlich tun!«

Der David Spatt ballte die Faust. Ein Türkis blitzte dran, in einen goldenen Ring gefasst. »Sollen wir das Stift stehen lassen, dass sich der Feind wieder einnistet, wenn wir weiterreisen?«

Solche Reden hetzten das racheverlangende Blut der Bauern auf und erregten die finstern Triebe der Habenichtse, fanden Beifall und zornbrennende Blicke, verflatterten aber wieder, ohne zu zünden, in dem betäubenden Lärm und Rühmen und Schelten der Säufer.

Der Simon Laus krächzte: »So hoch müssen wir es noch bringen, dass jeder Bauernbub einen Schimmel zu reiten hat!«

»Sollt nur ich euer Hauptmann sein!« pfauste der Pirmin Pfoser. »Gen Rom möcht ich euch weisen übers Gebirg. Müsst hernach der Bauer Papst werden!«

»Wo ist denn der Kristof Zeller, unser Feldobrist?« schrie der Michel Weinberger. »Nach Linz soll er uns schleunig führen!«

Der Weber Hundinger erwiderte: »Der Zeller muss erst die böhmischen Steige zuriegeln, muss Schanzen und Verhaue bauen und das Mühlviertel auftreiben. Er ha nit Zeit zum Saufen wie wir.«

»Er soll nur auftreiben!« rief der Jakob Fleischhacker. »Aus allen Luken und Löchern kriechen die Bauern herfür. Hätt nimmer gemeint, dass wir unser gar so viel auf der Welt sind!«

»Jetzt haben wir die Oberhand! Jetzt werden wir es ihnen zeigen!« prahlte der Pirmin Pfoser. »Die Welt soll davon reden!«

»Das geistliche Gut sollten wir nehmen und unter uns verteilen!« lärmte der Abraham Plöderl. »Wer nit da ist, kriegt nix. Ich will Prälat werden, mir den Bart abnehmen lassen und hinten die Platte scheren!«

Sie soffen und würfelten und schlugen Herz, Schelle, Eichel und Gras auf die geleerten Fässer, und von den übermütigen und jähen Trünken und dem kräftigen Wein überwältigt, huben sie, toll und voll, ihre Lieder an.

»Nachbarn, seid lustig,
dass keiner mehr trauert!
Der Teufel ist tot,
die Höll wird vermauert.«

»Der geistliche Narr soll uns ein Schnaderhüpfel orgeln!« begehrte der Simon Laus. »Und die Glocken soll man dazu läuten!«

»Die Schlägler Glocken haben ein feines Geläut«, lachte der Plöderl. »Singt die eine: ‚Trag her, Bauer!' Singt die andere: ‚Werd nit voll!' Singt die dritte: ‚Nimmer gnug!'«

Plötzlich aber verschollen Gelächter und Getöse, eine wilde Stille brach ein, worein nur das gewaltige Spiel des Orglers brauste wie ein verzauberter Stromfall.

Zwei Menschen wurden in den Klosterhof geführt, zerfetzt und zerhadert, mit langem, verahrlostem Haar, die unbeschnittenen Bärte verfilzt und schmutzig von genossener Nahrung, die Spur höchster Entbehrungen in den fahlen, schmalen Gesichtern.

»Im Keller hab ich sie gefunden!« rief der Wenzel Brendl, die taumelnden Elendbrüder stützend. »Wegen ihres Glaubens hat man sie in eiserne Ringe gelegt!«

Trunken von der frischen, staken, lange vermissten freien Luft wankten die Erlösten in das Licht. Der eine lehnte sich kraftlos an die Wand, verhüllte das Gesicht und schluchzte. Der andere lallte etwas Unverständliches, Sinnloses.

Der Bartelme Saumber zog dem Weinenden die Hand von den Augen. »Bist du nit der Sigmund Fischer?« staunte er. »Du lebst noch?«

»Ich glaub, ich bin es«, stammelte der Mann, »ich weiß es nimmer genau.«

Der Hauptmann Zacharias Wolf drängte sich durch die Gaffer. »Wie lang bist du im Turm gelegen?«

»Lang! Lang!« Ich weiß nimmer, wie lang«, seufzte der Mann. »Das Licht tut mir weh. Bitt euch, leiht mir einen Spiegel! Ich weiß nimmer, wie mein Gesicht ausschaut.«

Da meldete sich die Wut in ohrenzerreißendem Geschrei. »Die Schinder!« tobte der Schwarm. »Ausrotten muss man sie! Die Schädel ihnen in Blut waschen!«

Der Spinell lugte aus seinen kohlschwarzen Augen heraus wie ein Geier. Seine Hand krallte einen krummen Griff ins Leere. Die wunderlich gemischte Gemeinschaft rings sprang auf, in redlichem Hass teils und teils unter der Larve der vergeltenden Rache.

»Schlagt alles zusamm!« dröhnte der Spatt. »Die Glocken schmeißt aus dem Turm! Schmeißt die Türme hin! Reißt die Orgel weg!«

»Nehmt! Steckt ein! Fresst!« hetzte der Spinell. »Ein jeder ist heut kostfrei.«

Er rannte voraus. Mit dem Richtbeil schlug er eine versperrte Tür auf.

Die Räume füllten sich mit knirschendem Volk. Allerorten splitterte und krachte es. Glas klirrte. Eisenbänder wurden von den Türen gerissen. Böse Schwüre schollen.

Zuerst wurde die Rüstkammer erbrochen. Die Bauern nahmen das Waffenzeug heraus, das gegen die Türken hätte gehoben werden sollen; Harnische, Musketen, Sättel und Riemenwerk rissen sie an sich und ließen ihre Prügel und schlechten Spieße dort liegen.

In den Zimmern des verstorbenen Propstes zersetzten sie die dort aufbewahrten Zinsbücher, rissen die Freibriefe aus Schubladen und Almern und warfen sie zum Fenster hinaus. Die köstlichen Öfen wurden zertrümmert, Schuhe knarrten im Schutt der feinen Kacheln.

In der Küche, in Zellen und Gewölben frönten sie der Vernichtung. Truhen wurden aufgehackt, schneeweiße Leinwand und Tafeltücher herausgezerrt, beschmutzt und weggeworfen. In den Gängen lag wüst hingestreut zinnernes Geschirr, kirchliches und weltliches Gerät, zertreten, geschändet, darunter oft ein Ding voll edler Schönheit.

In der Bücherei standen Rücken an Rücken die schweren, weisen Bücher, in edles Leder oder in Elfenbein gebunden und mit oft wunderbaren Deckeln versehen, lateinische Werke, Rechtsbücher, Marterergeschichten, Pergamente, zu Bologna bemalt und beschrieben.

Hier lebte sich die Wut des unbelesenen Mannes am ärgsten aus, der in dem Buch seinen stärksten Feind wittert und dessen über die Jahrtausende tragende Beredsamkeit als bösen Zauber scheut. Mit Messern und Spießen stachen die Bauern drein. Bis an den Knien wateten sie in den zerstörten Büchern. »Ein ganzes Zweieimerfass voll Lutherbücher haben die Soldaten aus unserm Ort weggeführt«, rief ein Haslacher. »Jetzt zahl ich es den römischen Teufelsschwarten heim!«

Zuweilen brach einer die kostbaren Beschläge, Spangen und Buckeln los, oder blätterte einer mit unerfahrenem Finger in den ehrwürdigen Pergamenten, und wenn ihn ein seltsames Bild anglänzte mit einem Heiligen in buntem, hellem Gewand und mit einem goldenen Schein statt des Hutes, mit süßen, landfremden Blüten, prächtig befiederten Vögeln und rätselhaft tiefäugigen, bepranktem Getier, da riss er wohl das Bildlein heraus, steckte es sich an den Wams oder unter die Hutschnur und wütete nach solcher Rast in neu erwachtem Grimm weiter.

In den Sakristeien und in der Katharinenkapelle aber hausten die lüsternen Genossen der Spinell, rafften das silberne und vergoldete Gerät zusammen, brachen die Perlen aus den Monstranzen und verteilten murrend und stechenden Neid im Auge das Geschmeide unter sich, stritten auch hin und wieder um einen der vornehmen Steine, die sie aus ihren Fassungen geklemmt.

Eine Wallfahrt ergoss sich in die Kirche, die von den Stangen geholten Fahnen wie Mäntel um die Schultern, in grünseidene, rotdamastene und schwarzsamtene Messgewänder gehüllt. Der Spinell stolzierte unter einem Traghimmel, das schwarzkrause Haar mit einen perlengestickten Insel gekrönt, in goldenem Mantel, die goldbrokatene Stola über dem schmalen, schmutzigen Genick, in der Hand einen kleinodsprühenden Krummstab. Mit gespreizten Fingern segnete er die trunkene Bruderschaft.

Indes floss der Orgelspiel am Chor droben selig weiter, und der Mönche saß umblüht und vergessen in seiner Kunst, die ihm Gelage, Plünderung und Zerstörung verhüllte.

Die Gesellen setzten sich in die Chorstühle, derweil der Spinell am Altar seinen Unfug übte und allerlei welsche Flüche sang. Schließlich nahm er einen Kelch aus dem Sakramentshäuschen und schnüffelte dran. »Ei, wie viel Herrgötter seid ich da drin? Soll ich euch alle fressen?« er goss die geweihten Gotteslaiblein zur Erde.

Da schauderte es die andern vor solchem Frevel, und ein graues Bäuerlein kam mit gezückter Hellbarde daher und gebot ihm: »Du schändlicher Bub, gleich glaubst du die Brötlein wieder zusamm!« Aber der Welsche entwischte.

Das Gotteshaus füllte sich immer mehr, und die weintollen Männer wussten nimmer, was sie taten. Mit den Spießen stießen sie den Taufstein um, dass das Weihwasser herausfloss; die seligen Bilder stürzten sie von den Simsen, die Altäre zertrümmerten sie. Sie schrien: »Knochen und Haar und Holzgötzen wollen wir nit anbeten!« Mit der Axt köpfte einer die Muttergottes, ein Bild voll zartfraulicher Lieblichkeit. »Das ist Abgötterei!« zeterte er.

Am Chor droben stießen sie den Bruder Orthold von der Orgel. »Narr, nimm dir ein Weib!« schrie ihn der David Spatt an. Des Torwächters Enkelkind, das die Bälge bedient hatte, floh weinend und versteckte sich unter der Turmstiege.

Gehäuse und Windwerk und Pfeifen, das ganze hochherrliche Orgelgerüst wankte und zerbrach unter den furchtbaren Beilhieben.

»Anzünden! Alles anzünden!« keuchte der Spatt.

Da scholl ein posaunenstarker, herrischer Schrei durch die Kirche. Der Kristof Zeller, der Obristhauptmann des Mühl- und Machlandviertels, stand im Tor.

Mit einem einzigen Blick umfasste er den bübischen Irrsinn. Das war nicht die fromme, gläubige Heldengemeinde, die kämpfen und sterben wollte für das misshandelte Gewissen eines Volkes, das war die grauenvolle Geselligkeit der Wölfe, die auf Raub und Fraß zielte.

»Was treibt ihr da?« schrie er.

»Anbrennen wollen wir das Nest«, grinsten die Betrunkenen. »Feuer drein werfen!«

Einer bot ihm ein silbernes Weihrauchschifflein. »Da nimm, brauchst es nit zu kaufen!«

Der Kristof Zeller trat vor. Er hielt unter schwankenden, leer hangenden Kettlein, davon die Ampel gerissen war. Mitten in das Getümmel schrie er: »Ihr ruchlosen Leut, seid ihr das christlich evangelische Heer?! Merkt auf! Weh dem, der mir mit Feuer fuchteln will!«

»Gottsdreck, friss uns nur nit!« entgegnete mürrisch der Spatt. Aus seinem nassen Bart stank der Wein. »Wir wollen halt auch einmal in Braus leben!«

»Geplündert und gestohlen habt ihr unsinnigen, blinden Leut und ärger gewüstet als Räuber!« zürnte der Obristhauptmann. »Dem Herrgott sein Brot habt ihr aus dem Schrein gerissen! Kein Wunder, wenn die Päpstler von uns sagen, dass wir mit dem Heiland unsre Hund füttern!«

Er deutete auf den Spinell, der einen prallen Sack vorbeischleppte. »Da, nehmt der welschen Dohle den Raub ab!«

Keiner gehorchte, keiner legt Hand an. Da riss der Zeller selber dem Spinell den Sack von der Achsel. Getriebenes Silbergerät, dem frommen Zweck des Messopfers geweiht, rollte zerquetscht und zertrümmert heraus und darunter auch ein flimmerndes Perlenkrönlein, wohl einem Liebfrauenhaupt entrissen.

Der Feldobrist rief: »Wir wo eine gute Sach verfochten, stracks findet sich arges Gesindel dazu und hängt sich dran und schändet sie! Ist nit unser erstes Kriegsgebot, dass wir uns im Zaun halten und dastehen als redliche Leut?! Brot und Rüstzeug dürfen wir nehmen, das brauchen wir. Und nach dem Krieg wird jeder entschädigt, dem wir etwas haben nehmen müssen. Aber was nit in der Notdurft des Krieges liegt, danach dürfen wir keinen Finger strecken. Merkt es: wer raubt, soll gehenkt werden!«

Aber in dem Haufen gärte dumpfer Unwille. »Hört, wie er den großen Hansen spielt!« murrten sie. »Den Dünkel sollten wir ihm abkaufen!«

Mit grober Sohle die Perlen auf dem Estrich zermalmend, trat der Pirmin Pfoser dem Zeller an den Leib und prahlte: »Was Geier plauderst du da? Dem Tannazel hab ich eine Wunde gehaut quer übers Maul. Jetzt möcht ich dich erschlagen!«

Da rief der Zeller: »Zacharias Wolf, für deine Leut aus dem Kloster! Vor Aigen auf dem Anger lässt du einen Galgen bauen. Den Strickbuben da«, er wies auf den Spinell, »den hängst du mir zuerst dran! Er soll den Leumund des Bauernhaufens nimmer schädigen! Schnell mit ihm und mit andern seines Gelichters dem Strick zu!«

»Schaut her, der große Dieb will dem kleinen einen Galgen zimmern!« höhnte meuterisch der Spatt.

»Bäck, ich renn dir den Grind ein!« drohte der Zeller.

»Greif mich an!« forderte der Spatt ihn heraus. »Wir wollen sehen, wer die Leut auf seiner Seite hat!«

Er sah hochmütig auf den Bäcker herab. »Mit einem Finger stoß ich dich um, Spatt. Und deine heillosen Gesellen solllt man in einen Saustall sperren!«

Da drangen die Berauschten auf ihren Obristen ein, die Rohre hielten sie ihm vor dem Kopf. »Barz dich nit so! Du bist auf demselben Mist gewachsen wie wir!« lärmten sie. »Schmeißt ihm den Schädel ab! Der Hohlwanger, der Verräter will eine eignen Leut henken lassen! Wir dulden das nit!«

»Vertragt euch!« schrie der Weber Hunbinger. »Wollt ihr Bauern einand die Augen ausbeißen?«

Sie hörten ihn nicht. Sie packten den Zeller beim Hals. Irgendwo ward eine Faustbüchse abgebrannt. Immer wilder wurde der Wirbel.

Mit wuchtigem Schwung hieb der Spinell dem Feldobristen hinterrücks eine Hellebarde auf den Schädel. Da taumelte der starke Mann, da ward es stockfinster in seinem Hirn. Und er schlug ohnmächtig auf das Pflaster nieder.

»Greift den Spinell!« brüllte der Zacharias Wolf.

Der Welsche war nimmer zu finden.

Droben i der Wüstnis des zertrümmerten Orgelwerkes kauerte der irre Mönch, weinte leise und griff vergeblich in die entseelten Tasten.


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