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11.

Am Tag der Auffahrt Christi kroch ein rasselnder Eisenwurm gen den Hausruck. Der Herbersdorf mit seinem Volk. Von Eferding kam er her, wo er die Nachtherberg genommen.

In schwarzem Feldharnisch und Sturmhaube ritt er, in der Hand eine aus Riemen geflochtene Hundspeitsche, verbissen in seinem Grimm und wie die dunkelbraune Wolke drohend, die droben über den Himmel glitt. Eine Dogge umspürte unruhig sein Ross.

Ihn begleiteten sein Vetter, der Obrist Walkun von Herbersdorf, hernach der Rektor der Linzer Jesuiten, Pater Melchior Mayer, und der Hauptmann Bartholomäus Tannazel.

Das Streifenfähnlein wehte. Die Söldner fraßen den Staub, der unter ihrem Gleichschritt stieg, und kürzten sich mit grobem Lied den Weg.

»Und wenn ihr kommt vors Bauernhaus,
müsst ihr die Öhrlein spitzen!
Du rennst hinein, ich bleib heraus,
schau, wo die Hennen sitzen.
Eier und Käs und Gäns und Speck,
wir nehmen Küh und Rösser weg,
die Sau mitsamt den Zitzen.«

Wenn die Fußknechte schwiegen, pfiff die Schwegel hell zu ihrem Marsch, und der Trommler rührte lustig die weißblaue Rautentrommel. Das plumpe Gewehr geschultert, am Bandelier die Auflegegabel, das hirschbeinerne Pulverhorn und die Zündkrautflasche, schritten schwerfällig die Musketiere daher. Hinter ihnen die Schützen mit leichteren Röhren und kurzen Halbschwertern, mit Messinghorn und baumelndem Pulverbeutel. Die Feldwebel ließen ihre Hellebarden glitzern.

Ein Fähnlein Krobate, struppiges Polackenvolk, schwärmten auf behänden Rössern links und rechts aus in die nahen Schachen und Wälder. Sie stocherten mit den Lanzen in hohle Bäume und ins Gestrüpp.

Mitten im Heerzug rollte das grobe Geschütz, drei scharfe Dirndeln, ‚der Bauernfeind', ‚der Weckmichnit' und ‚ die wilde Magd', je von vier derben, von Bauern berittenen Ackergäulen gezogen. Dahinter fuhren Wagen und Pulver, Lunten und Kugeln für die Musketiere und für das Geschütz und hernach Wagen, mit Wein und Brot reichlich beladen, dem Volk Magen und Kehle zu letzen, denn der Graf wollte nicht, dass die Söldner in also gärenden Tagen das Land ringsum plünderten.

Die Rösser trotteten im Gesträng, Räder dröhnten, Achsen knarrten, und die kutschierenden Bauern trabten mürrisch nebenher und fluchten mit den Gäulen.

Der Graf führte mit der Hetzpeitsche einen knallenden Hieb gegen den Hausruck. »Die Ungebührnis stell ich ab. Sie zünden den Krieg an, ich will ihn löschen. Der Bauer soll mich nit narren! Bös Blut ist im Land. Ich zapf es ab.«

Sein Blick, der wie eine zeitige Tollkirsche gleißte, flog zurück. Hinter der Waffenschar kam der Henker gefahren, den Karren gefüllt mit Ketten und Stricken und die rohen, bloßarmigen Gehilfen um sich.

»Den Bundschuh stecken sie an den Spieß«, grollte der Statthalter. »Sie rotten sich landverderblich zusammen, die Höfe zünden sie denen an, die nit mittun wollen. Sie kennen mich noch allweil nit.«

»Ein gütlich Wort fruchtet nit bei den Dickschädeln«, knurrte der Obrist Walkun von Herbersdorf, »wir müssen scharf vorgehen. Sie möchten uns am liebsten den Hals abstechen.«

Der Jesuit nickte. »Der Aufruhr muss niedergetreten werden, sonst schlägt er nach Böhmen, nach der Oberpfalz und über die Enns hinüber. Und darf man schließlich den bayerischen Bauern trauen? Die Bauern sind überall gleich, halten alle zusammen.«

Der Graf sann in sich hinein. »Gar geil ist die luthrische Saat aufgeschossen. Es ist eine schwierige Sach, dies ketzerische Land zu zügeln.«

»Und zu bekehren!« mahnte der Pater.

Er betrachtete seine schmalen, blassen Hände. »Wir müssen das Land bekehren«, sagte er leise und fest. »Das Volk soll selig werden. Mit harten Schlägen müssen wir sie zu ihrem Heil zwingen. Ihrer Kinder Seelen werden es uns danken.«

»Schier wollt ich, ich wär solcher Dinge überhoben«, seufzte der Graf. »Viel Schuld liegt an uns selber und an den Schreibern und Tintenzettern in Wien. Und an unsern neuen Seelsorgern. Sie geben allzu viel Ärgernis, sind Vollsäufer, Balger und Greiner, sind roh und unbelehrt, können oft nit einmal die drei göttlichen Tugenden aufzählen. Zuchtlos sind sie, geizig, gewinnsüchtig. Sie tun, als wär unsre heilige Kirche aller sieben Todsünden Freihaus worden. Gott mag es bessern!«

»Wir werden taugsamere Priester finden«, antwortete der Mönch. »Die Hast dieser Zeitläufe muss es entschuldigen, dass wir manchen Missgriff getan und Buben bestellt haben, die sich keines ehrbaren priesterlichen Wandels bemühen. Doch wird die Kirchenzucht strenger werden. Lasst uns nur Zeit! Die Geistlichen werden ein reines Leben führen, gläubig und unterworfen dem Gebot der Königin Rom. Und die erneute Reinheit werden wir dem Luther danken. Sein frevles Werk hat uns Landsknechte Jesu erweckt, seine Hoffart zur Einkehr in uns selbst gerufen. Also dient auch, was feindlich und böse ist, der Größe unserer Kirche.«

»Aber der Kaiser sollt sich gedulden«, meinte der Herbersdorf. »Man kann nit Wunder wirken. Ich werd es büßen müssen.«

Der Jesuit widersprach: »Ihre kaiserliche Majestät ist zu saumselig.«

Der Graf schüttelte das behelmte Haupt. »Die Bekehrung hätt sollen nit also übereilt werden. Mild sollten wir sie angehen, nit so jäh und grausam!«

Der Mönch sah ihn groß an. »Und Ihr? Und die Haushamer Lind?«

»Damals hat mir der Kurfürst äußerste Strenge geheißen. Ja damals, ich fühl es, hab ich zu hart gerichtet. Aber heut …!« Der Graf reckte sich steil und funkelte gen den Hausruck hinüber.

»Es steht uns nit zu, gegen den allerhöchsten Willen der kaiserlichen Majestät zu murren«, sprach der Jesuit mit leisem Vorwurf. »Doch wisst Ihr selbst, wie gefährlich die Stunde und wie ohne Säumnis zu handeln ist wider den gottlosen Haufen. Der Eiter frisst um sich.«

»Nit eher leg ich den Helm ab, bis die Bauern gestillt sind!« rief der Statthalter heiser.

Der Obrist Walkun greinte: »Leid ist mir um meine redlichen Soldaten. Die schmutzigen, schweißfeuchten Bauern sind ritterlicher Begegnung nit wert.«

Der Hauptmann Tannazel deutete gegen den Wald. Krobaten brachen heraus und stießen mit den Lanzen einen Menschen vor sich her.

Der Gefangene trat heran, ein streitbarer Bauernkerl, strobelhaarig, gelbbärtig, mit verschmitztem Lächeln, gewaffnet mit einem handfesten, knotigen Stecken, wie man ihn sonst gegen bissige Einödhunde gebraucht.

»Bist wohl auch so ein schnöder Bote, der hin und her rennt, anzettelt und stille Leut in Aufruhr bringt?« schnarrte der Graf ihn an.

Der Mann presste die Lippen aufeinander und stierte auf des Grafen Dogge nieder, die ihn zudringlich beschnüffelte.

Da holte der Herbersdorf aus und zog ihm die Peitsche über Wange und Ohr. »Kannst du nit reden?!«

Der Bauer empfing den beißenden Hieb. Keinen Schritt wich er zurück. Erst tat er, als wolle er den Stecken heben, doch ließ er ihn wieder sinken, von seiner Ohnmacht wissend. Ein roter Striem brannte in seinem Gesicht. Aber seine Augen höhnten. »Ihr zwingt mich, drum will ich reden«, sagt er. »Peuerbach ist übermächtigt, raucht, brennt. Die Soldaten drin sind hin samt dem Leutnant. Geht nur nach Peuerbach! Die Bauern warten schon. Die Schlösser haben sie aufgesprengt, die Rüsttürme, das Aschacher Rathaus, aus den Gewölben haben sie die Waffen genommen. Mit Spießen und Musketen warten sie, alle geharnisht.«

»Wie viel sind ihrer?«

»Tausend und tausend und tausend!« prahlte der Bauer. »Niemand kann sie zählen. Ganz schwarz ist alles vor lauter Bauern. Und allweil wieder treten neue dazu.«

»Und wo steht die Schafherd? Wo lauert sie auf uns?« forschte der Obrist Walkun.

Der Gefangene zuckte die Achsel. »Ich bin gut bäurisch«, trotzte er.

Der Herbersdorf reckte den kurzen Hals aus der Krause. »He, du Lump, du weißt es! Du wirst ausreden!«

Der Mann lachte spöttisch auf. »Herr, deine Nase schmeckt es nit, und mein Maul sagt es nit.«

An der Straße stand weglagerisch und herausfordernd ein gespenstisch verschrobener Birnbaum. Der Henker lehnte daran.

»Züchtiger, bind den Kerl an den Baum! Dass einer weniger wird!« befahl der Graf.

Der Bauer schauderte vor der nasenlosen, dürren Fratze des Freimanns zurück. »Hans Tod!« lallte er.

Der Furchtbare grinste. »Du bist mein. Mein Wasengäu reicht bis Peuerbach. Sträub dich nit! Der Herrgott hat den Hals zum Henken geschaffen. Und ihr Bauern wollt ja oben hinaus!« Er wies ins Geäst hinauf.

Der Freimann tat flinke Arbeit.

Der Herbersdorf ritt fürbass. »Die Linzer Seiler müssen jetzt Tag und Nacht Stricke drehen«, knirschte er. »Es wächst mir zu wenig Hanf im Land.«

»Ihr redet schier wie der Luther, gräfliche Gnaden«, sagte der Jesuit mit verhülltem Lächeln. »Vor hundert Jahren hat er gegen die rottischen Bauern gebraust: ‚Man soll sie zerschmeißen, würgen und stechen, heimlich und öffentlich, wer da kann, wie man einen tollen Hund totschlagen muss! Und bleibst du darüber tot, wohl dir, seligeren Tod kannst du nimmer überkommen!' Also hat der Luther gepredigt.«

Der Herbersdorf wurde fahl bis in den Mund hinein. »Hängen! Hängen!« murmelte er. »Jeder Baum in Wald solle einen Bauern tragen, jeder Rabe Lüften einen ganzen kriegen! Die Vögel sollen diesen Sommer feist werden von Bauernspeck!«

»Sind ein verwogenes Volk«, meinte der Tannazel, »stürmen die Pfarrhöfe, saufen Fässer und Flaschen aus. Einer reißt den andern mit in den Krieg. ‚Muss ich gehen musst du auch mit!' heißt es.«

Der Pater erzählte: »In Hartkirchen haben sie unsern Klostermaier mit einem Morgenstern erbärmlich gemordet, dazu sein Weib. Der Magd haben sie elf grausame Wunden geschlagen. Der Pfarrer ist davongekommen, hat sich im Kirchturm versteckt gehalten. Gewalt über die Rotte gegen die Diener Gottes!«

»Meine Knechte schwatzen seltsames Zeug«, lachte der Tannazel. »Weiß der Teufel, woher sie es nehmen, und ob es wahr ist. Es wird ja nirgends so viel gelogen wie im Krieg. Die Bauern sollen zu Hartkirchen einem Franziskaner das Zeug abgeschnitten haben. Er braucht es ja nit, haben sie gespottet.«

»Derlei bringt jeder Krieg«, sagte der Obrist Walkun. »Das gehört zur Weltordnung. Der Krieg tragt eiserne Schuh, und wohin er tritt, vergeht das Gras.«

Der Graf flammte auf: »Ihr Unwesen und böses Vorhaben werd ich dämpfen, den verübten Mutwillen ahnden. Sie sollen meiner denken! Bei Peuerbach stell ich sie. Ein roter Bach muss in die Donau schießen!« Und er keuchte, der Wut zu entrinnen, die ihn fast erwürgte: »Blut müssen sie rotzen!«

Dem Ross stieß er das Spornrad in den Bauch und jagte den Begleitern weit voraus, seinen schäumenden Mund zu verbergen.

Die Musketiere schauten des Grafen erregte, zerzackte Gebärden, und sie nickten einander zu.

»Den Bauern kommt es teuer zu stehen, dass sie raufen wollen«, meinte der Treffelsteiner. »Mit Strick, Rad, Schwert und Feuer wird er das wiedertäuferische Gesindel austilgen.«

»Das Blutbad lässt sich nimmer verhüten«, weissagte der Brandt. »Ein inländischer Krieg wird.«

Der Ringelmaier fragte: »Wer ist den Bauern ihr Hauptmann?«

»Der Stefan Fadinger führt ihren Krieg«, entgegnete der Döll. »Ein Kohlenbrenner soll er sein, ein gewester Soldat. Und einen wilden Bart hat er wie ein Bär.«

»Ein Huterer ist er«, behauptete der Limmer. »Er geht im Kettenhemd. Sein Gewehr hat sieben Läufe. Sein Schwager steht ihm bei, der Wirt bei Sankt Aiden. Der ist der größte Aufwiegler.«

Der Hirlmaier schlug an den Stechdegen. »Dem Kristof Zeller bin ich drei Zechen schuldig. Heut zahl ich.«

Aus den grasflutenden Wiesen sprang ein Hase. Er wusste in seinem verwirrten Hirnlein keinen Ausweg und rannte daher, die Löffel weit zurückgelegt und die Lichter voll glasiger Angst, den marschierenden Soldaten quer über den Weg.

Der Treffelsteiner spuckte aus. »Das ist ein übler Angang. Ich scheu, es geht schief.«

»Hab mit Sorg!« tröstete der Brandt. »Die duckmausigen Bauern überrennen wir leicht. Wie weit du schaust, du siehst keinen. Sie sind wohl längst wieder auseinander gelaufen. Wie bei Frankenburg.«

Der Limmer schrie auf und wies in die Ferne. Hinter den Höhen rauchte es dick und schwarz auf und lag in faulen Schwaden in der Luft.

»Peuerbach!« sagte einer.

Der Treffelsteiner wiegte bedenklich den Kopf. »Die Bauern geben sich nit so leicht. Blutig wird es zugehen. Aber mir geschieht nix: ich trag ein Nothemd. Das schützt vor Geschoß, vor langem und kurzem Eisen, vor allem, was haut und sticht und die Haut aufreißt. In der Christnacht hat mir eine Jungfer das Hemd genäht.«

»Eine Jungfer?« spottete der Hirlmaier.

»Sie ist rein wie der Schnee im hohen Gebirg«, beteuerte der Treffelsteiner. »Den Sommer noch führ ich sie heim. O wie lind, o wie weiß ist das Hemd! Heut trag ich es zum ersten Mal …«

»Trau, schau, wem!« murrte der Limmer. »Da hab ich jüngst einem fahrenden Mann, Sauswind heißt er, einen Passauer Segen abgekauft um gutes Geld. Der Zettel ist gegen alle stechenden Spieße geweiht gewesen, und ihr wisst, ich fürcht auf der ganzen Welt nix als einen spitzigen Spieß. Gestern reiß ich aus lauter Fürwitz den Brief auf, und da steht drin: ‚Hundsfott, wehr dich!'«

Da lachten die Musketiere und fingen an, von dem Landfahrer Sauswind zu erzählen, wie er zu Eferding mit einem Wirt gewettet, er springe höher als dessen Haus, und wie er so glorreich die Wette gewonnen, da ihm hernach das grundfeste Haus sein geringes Sprünglein nicht hatte nachtun können, und sie erzählten solcher Schlkstreiche mehr, wie sie dazumal von Mund zu Mund liefen.

Die Herren hielten indessen vor einer schlichten Kapelle. Darin war halb verwittert ein Andachtsbild: Unsere Liebe Frau in der Sonnen. Der Jesuit kniete davor und betete: »Sancta Maria, regina coeli, pugna pro nobis!« Dann erhob er sich, spreitete die hagern Arme und segnete die Heerschar.

Das Fußvolk klirrte ins Knie, die Reiter beugten die verwilderten Köpfe, bekreuzigten sich ungestüm und murrten, was sie sich in ihrem unsteten Leben von dem Vaterunser gemerkt hatten.

Begleitet von einigen Krobaten, ritt der Mönche gen Eferding zurück.

Der Obrist Walkun rief ihm fröhlich nach: »Verzeiht, es hat nit notgetan, dass Ihr das hohe Frauenzimmer im Himmel behelligt habt. Sie braucht sich nit herabzulassen aus ihrer Rosenglorie, soll nit mit den zarten Fräuleinfingern gegen die Bauern krallen. Wir werden schon allein mit den Tölpeln fertig.«

Auf einem Hügel wandte sich der Jesuit und schlenderte mit breiter, stolzer Gebärde nochmals seinen Segen dem weiterziehenden Heere nach.

Die Gegend war menschenleer. Nur ein einziger Mann war zu sehen, der senste im tiefen Gras. Der arbeitende, einsame Bauer schien wie die schwerfällige Seele dieses herben Landes.

Als er des Zugel inne ward, hielt er in seiner Fron inne, zog den Wetzstein und schärfte sirrend die Sense.

»Was mähst du heut?« rief ihm der Tannazel zu. »Weißt du nit, dass heut des Heilands Auffahrt ist? Bist du auch so in eiskalter Lutherer?«

Der Senser lacht über den Zaun zurück: »Wollt ihr mit euern Waffen den Feiertag heiligen?«

Und er legte die Hand schirmend an die Brauen und lugte aus.

Da bemerkte der Tannazel, dem Blick des Mähers folgend, auf der Anhöhe, die hart vor Peuerbach lag und den Ort verdeckte, einen bewaffneten Haufen.

»Holla«, scherzte er, »dort lümmeln sie, die den Kuhschweif im Wappen fühen!«

Dem Herbersdorf wurde rot vor den Augen. »Also da rottet sich die Brut! Vetter Walkun, wir lassen gleich unser Volk los!«

»Sollen wir nicht erst das Geschütz richten?« fragte der Obrist.

»Nein!« sagte der Graf schroff. »Mit einem Schlag zerspreng und zerschmeiß ich den amseligen Haufen!«

Er rief den Soldaten zu: »Den Fadinger fangt mir, den Bösewicht! Fangt ihn lebendig! Wie einen Hund will ich ihn am Strick hinter mir her zerren mein Lebtag! Bringt mir die Bauern her! Doppeljoche leg ich auf ihre Hälse; zu zwei und zwei lass ich sie gen den Galgen peitschen!«

»Schlagt sie tot!« lachte der Obrist Walkun. »Es sind nur Bauern!«

*

Hinter jener Anhöhe, in einer sanften Senke, die an das Nussbaumer Holz rainte, wartete verborgen das Bauernheer.

»Ein feiner Ort!« lachte der Jeronymus Urnehader, Kristofs Leutnant. »Da kann man auf den Fuchs passen.«

»Der Herbersdorf ist ein Sturmian«, entgegnete der Zeller. »Ich kenn ihn. Wie ein blinder Stier wird er daher brausen, wird er uns in die Falle rennen.«

»Der Fadinger sollt bei uns sein!« murmelte der Georg Egger. »Wo versäumt er sich denn?«

»Er ist noch unterhalb der Donau«, sagte der Zeller. »Dort sammelt er die Bauern. Aber wir getrauen uns heut allein gegen den Grafen.«

»Heut ist Christi Auffahrt«, sagte der Hans Günther. »Der Tag ist so heilig, dass man nit einmal einen Grashalm abrupfen darf. Aber wir dürfen heut nit feiern.« Er führte eine Axt im Gurt und die Rodehaue auf der Achsel, als zöge er aus, ein Wildnisland urbar zu machen und Unkraut auszutilgen und störendes Gewurz.

Auf einem breiten Baum, der führerhaft aus dem Gehölz hervorgetreten zu sein schien, stand der Student und rief mit hallender Stimme herab zu dem Heer, das drunten harrte, gestützt auf Spieße und Knüttel und Zweifäuster, die sie in den Erdgrund gestoßen.

»He, du arme Gemeind und Bauernschaft im Land ob der Enns, sog mir, was stehst du da gerüstet zu Mord und schrecklicher Tat? Was weilst du nit daheim bei Hof und Acker? Was watest du nit friedsam deines Viehes? Wie eine Räubersrotte lauerst du im Hinterhalt. He, was begehrst du?«

Da hob es sich zu ihm empor mit tausend und tausend zerquälten, zerrissenen Stirnen, mit mageren, knochigen Gesichtern, mit verworrenen Bärten, mit Munden, offen in Staunen und Erwartung, mit eifernden Augen, drin das Wagnis glomm und die Gier nach Rache.

Der Prediger auf dem Ast fuhr fort: »Mein Volk, ich will dir sagen, was dich aus Fron und Friede hat hergeführt in die freie Au. Luther, der gewaltige Held, hat uns frei gemacht. Die Bibel hat er für uns alle aufgeschlagen. Und drin steht zu lesen, dass alle Christenmenschen frei sind und ein adlig, fürstlich Volk und dass alle Leut Brüder und Schwestern sind und Kinder Gottes. Und wie fromme Geschwister sollen wir einander lieben und einander helfen. Und überall soll der gute Wille daheim sein. Kein Zwang soll gelten. Keiner soll leben, der den Nächsten niederdrückt. Und den Barmherzigen ladet Gott zu sich in die Seligkeit.«

Da schimmerte die reisige Schar drunten in Sehnsucht nach einer milderen Welt, die ohne Überdrang der Mühsal, ohne die Willkür der Gewaltigen den armen Mann gütig umdämmere und nur in Liebe und schenkender Hilfe bestünde; da schwebte wie Maiengeleucht, angeweht von fremder Himmelsschwinge, über sie das ahnende Staunen, dass es so sein könnte.

Doch der auf dem Baum stieß zerstörend in den aufsteigenden Traum von Menschenglück die züngelnde Frage: »Nun aber redet, tun die, die das Heft führen im Land wie Brüder an uns?«

Und ein Mann stand drunten, den nackten Beidenhander auf der Schulter, und seine Stimme erhob sich, und es war, als öffne sich der Mund des ganzen getretenen, zerfleischten Volkes, und grell und heiser schrie er: »Kain und Abel!«

Das Heer regte sich, es rührte sich ein eisernes Halmenfeld. Die im Traum vergessenen Blicke sammelten sich und wurden hart im Wissen um die harte Welt.

Die Waffen wurden leise von Leben angeflogen, und hoch über den Köpfen bewegten sich die Morgensterne, die Kriegsflegel und die Weihwassersprengel mit den stacheligen Kugeln, die Sturmsensen, deren Klingen aufwärts zückten, Hellebarden, dran das räße Eisen gezackt haftete wie ein furchtbarer Falter; Gabeln, noch schmutzig vom Stall, dem sie eilig entnommen; Sicheln, an Stangen gebunden, und lange Stecken mit nägelbespickten Köpfen. In den groben Händen bebte das Gerät, das seiner friedlichen Bestimmung entrissen, zur Waffe sich gewandelt: Messer, Axt, Haushäcklein und Hammer, oder ungeschicktes, überwundenes Zeug, das weit über hundert Jahre in den Plunderkammern gerostet: Harnische, deren Form längst abgekommen, Ahlspieße, Katzbalger; Rüststücke, n verschollenen Schlachten zerbeult.

Und in die dumpfe Unruhe der Waffen fiel die brennende Rede. »In der Läufte von tausend Jhren ist des Heilands einfältig Wort zu Lug und Trug verzerrt worden. Der Luther hat darein geleuchtet mit seiner hellen Fackel. Da sind unsern Vorfahrern die Augen aufgegangen über die Verderbnis des Glaubens. In ihrer treuherzigen Begehr nach Gott und angewidert von dem Treiben unwissender und böswilliger Pfaffen, haben sie sich der neuen Lehre zugekehrt, die das reine Wort des Heilands predigt und menschlichen Zusatz nit duldet und nit spitzfindiger Grübler Werk ist. Und deutsch ist ihnen fürder Christi Rede, Tat und Tod verkündet worden, und sie haben gebetet und gesungen in unserer alten, ehrwürdigen Sprache, die jeder Mensch kennt und jedes Kind versteht. Und diesen reinen, unverfälschten Glauben, den wollen sie uns aus der Seele reißen!«

Da seufzte es auf in der bäuerischen Schar, ein Murmeln dräute und schwoll und sank wie ein sterbender Sturm.

»Und weil wir nit lassen können von dem, was wir für recht und wahr halten, so überhäuft uns der Feind mit Schimpf, Drangsal und Leid. Unsre Prediger und Schulmeister haben sie unbarmherzig ins Elend geschafft, unsere Kirchen gesperrt und verboten, unsre Pfleger, Rentmeister und Schreiber abgesetzt und die Soldaten uns auf den Hals gehetzt, auf dass wir uns fügen und tun, was wider unser Gewissen ist. Und die Soldaten rauben und huren und prassen, schlagen auf offenem Weg unsre unschuldige Landsleute tot, schänden unsre ehrlichen Frauen und Jungfrauen und wüten ohne Zucht und Zaum. Und jetzt will uns die fremde Herrschaft um Ehr, Hab und Gut bringen, will und abstiften von Haus und Hof, dass wir Bettelleut werden! Wir seufzen, und keiner hört uns. Die Klage hat man uns für ewig verboten, den Schrei selbst des Schmerzes will man uns erdrosseln. Die hochmögenden Herren schweigen und lassen alles Unrecht zu. Der Kaiser rührt sich nit. Und der, der Ordnung schaffen sollt im Land, der das Recht fördern sollt und das Unrecht abtreiben, auf dem Schloss zu Linz, der Herbersdorf …!«

Ein Schrei brach aus tausend Hälsen, tobend, heulend, zückte in unermesslichem Hass gegen den, dessen Name da genannt worden. Ein Ungewitter von Flüchen brauste. »Der Bluthund! Erschlagen müssen wir ihn! Zerreißen! Zerfetzen!«

Wie ein scharfes Messer durchschnitt die Stimme des Kasparus das Getöse. »Siebzehn Männer hat er an dem Blutstag bei Hausham aufgehängt, gespießt, geschleift und verbrannt ihre Leichen! Ohne richterlich Urteil! Unschuldig!«

»Unschuldig!« stöhnte, keuchte, brüllte das Heer.

»Unschuldig!« brüllte der Wald zurück.

»Mit einem Würfel hat er die armen Leut spielen lassen um den Tod!« schrie der Kasparus. »Zu aller Sterbensangst hat er noch den grausamsten, unmenschlichen Spott gesellt. Das dar die Menschheit nimmer vergessen bis zum Jüngsten Tag!«

Aufgerührt bis ins tiefste Blut, reckten die Bauern die blitzenden Beile, die knorrigen Prügel, die stachligen Kolben toddrohend empor, sie schüttelten die schweren Hiebschwerter, ließen die Mondsicheln an den Partinsanen funkeln und hoben die Büchsen, die sie aus Zeugtürmen und Gewölben geholt oder aus den Pratzen erschlagener Landsknecht gerissen hatten. Die Sonne stach mit toller Blendkraft aus den Eisen zurück.

»Der Graf haust, als wär kein Herrgott über ihm«, fuhr der Student fort. »In seinem Hochmut, in seiner prahlerischen Pracht schüttet er unser Blut aus, wie man ein Schaff schmutzigen Wasser ausgießt. Aber unser Blut ist kein Spülicht. Es ist Menschenblut! Und heut reitet er wieder daher mit seinen Henkern und will seine Hand mit unserm armen Blut waschen und uns mit schrecklicher Marter und mit Tod heimsuchen, wie er es getan hat an dem Lindenbaum.«

»Er soll kommen!« schrien die Bauern. »Wir wollen ihm heimgeigen!«

Der Student beschwor mit seiner schmalen Hand den Sturm. »Bis jetzt haben wir alle Unbill ohne Widerred in uns hineingefressen. Es geht nimmer weiter. Mehr können wir nimmer verdauen. Jetzt wollen sie gar unser Gewissen vorschreiben, die großen Herren zu Linz und Wien und München. Aber das Gewisen ist nichts anderes als dem Herrgott seine Stimm in uns, die darf uns kein Mensch auf der Welt überschreien, und wär er auch der Kaiser. Und nit aus Fürwitz und bübischem Mutwillen, aus der äußersten Bedrängnis unsers Gewissens stehen wir auf. Gott soll es uns bezeugen!«

Eine Wolke schob sich über einen dunkeln Bergzug. Es donnerte fern. Es war, der große Zeuge erwidre dem Prediger.

Ein Gesell in schäbigem, vielgeflicktem, doch mit goldenen Fäden durchsponnenem Mantel, lehnend an seinem Spieß, an dessen Spitze sein fransiger, mit einer Uhufeder schräg besteckter Spitzbubenhut wie ein Feldzeichen hing, der beugte sich zu seinem Nachbarn und grinste: »Donnert's im Mai, schreit der Bauer juchhei.«

Kasparus lauschte ins verrollende Gewölk. Einen alpenverlogenen Adler eräugte er. Er sh ihn hoch über sich kreisen und nahm das zum günstigen Zeichen.

»Wir wollen nichts Böses«, hub er wieder an. »Wir wollen nur frei beten dürfen nach unserm Willen. Das klare Wort Gottes wollen wir und einen einzigen Herrn über uns! Und frei wollen wir sein von dem Metzger Herbersdorf und seinen Schergen! Wir wollen eher Haus und Hof lassen«, – die Finger hob er zum Schwur, und aus der Tiefe unter ihm wuchs ein Wald von Schwüren auf …, »Weib und Kind lassen, Leben und Leib, eh wir vom reinen Wort Gottes weichen! Und drum gehen wir mit freudigem und willigem Herzen ins freie Feld und wollen ritterlich streiten!«

Da strafften sich drunten die Leiber, die von langer, schwerer Fron gebeugt waren, von der dumpfsten Stirne sprang ein Strahl des Geistes zurück, und alle die Männer des Pfluges beseelten sich mit einer einzigen Seele, die groß und hell wurde wie noch nie in dem engen, schollengebundenen Dasein, die selig ahnte, dass hinter der blutigen Furt des Krieges und hinter der tosenden Schlacht ein befreites, unglaublich schönes Leben liege.

Der Student deutete steil über sich hinaus. »Der starke Gott schaut auf uns herunter. Den Leib wird er uns hüten und die Seele festigen. Wie kann ein Spieß uns stoßen, eine Kugel uns werfen, und wer kann uns widerstehen, da wir Gottes Willen vollführen?! Der Feind muss fliehen wie der Dunst vor dem Sturm. Gott lässt die bäuerliche Sach bestehen. Wir zweifeln nit daran. Gott ist über uns! Gott ist gewaltig! Sein ist die Kraft, der Macht und die Herrlichkeit!«

»Amen! Amen! Amen!« rief das Volk. Und dann stand es steinern in seiner Ehrfurcht vor dem großen, gefürchteten Gott. Und ein wildes Schweigen wob in den Lüften.

Der Kristof Zeller entrollte eine Fahne. Vom Ross herab wies er sie den Streitern und las rau und heftig die Inschrift.

 

Weil's gilt die Seel und auch das Blut,
so gib uns Gott ein Heldenmut!
Es muss sein!

 

Eine seltsame Unruhe entstand. Niemand wusste, wo ihr Quell war und was sich ereignet hatte.

Von der überhöhten Stegreifkanzel aus spähte Kasparus über die nahe Hügelwelle hinüber ins Tal. Er wies mit der Hand. »Dort drunten schreitet es heran, des Grafen Volk. Im Namen Gotte wollen sie uns erschlagen. Jetzt gilt es! Auf! Der Antichrist muss zu schanden werden, dass das lautere Licht sich breite und bleibe auch über unserm Land! Lasst uns dem Bösen wehren mit Kolben und Sengst, mit Spieß und Gabel! Drauf! Es muss sein!«

Und dumpf rollte die Menge den Wald an. »Es muss sein!«

*

Das Feldspiel hub an, Trommler und Pfeifer.

Das Heer des Grafen zog an der Hörlesmühle vorbei. Eine Talenge mit zierlichem Bach und fester Brücke empfing sie. Seitlings mündete in dieses Tal eine Mulde, die sich vom Nussbaumer Holz nieder krümmte.

Der Herbesdorf ließ die Knechte an sich vorüber marschieren. Sie prunkten in mannlicher Haltung, mit verwegenen Augen, die Gesichter von roten Narben zerschnitten. Sie sangen spöttisch und hastigen Sieges gewiss.

»Der Bauer steigt gar hahnengeil,
am Hut die Feder steht ihm steil,
wir wollen sie ihm nehmen!«

Der Hauptmann Tannazel hetzte: »Bauernfleisch gibt es heut zu fressen, Leut! Strickt euch die Ärmel zurück. Stecht sie ab!«

»Niederknien sollen sie vor mit und um Gnade flennen!« fauchte der Graf.

Droben auf dem Hügel hielt die Bauernschar. »Hui her! Hui her!« sockten sie die Soldaten.

Der Obrist Walkun sah sie in ihrem kläglich bunten Rüstzeug, unbeholfenem Plunder: Prügeln, Stangen, überlebten Waffen. »Das ist kein Heer«, sagte er mitleidig. »Das ist ein jämmerlich Häuflein. Gott erbarm sich ihrer!«

Am Fuß des Hügels stießen die Musketiere die Gabeln in den Grund, legten die Rohre drauf und schütteten das Pulver auf die Pfanne.

Die Schützen aber gingen vor. Ein geweihter Feldstein stand dort. Daran wetzten sie die Schwerter, sie zu feien.

Der Treffelsteiner war allen voran. Er habe es leicht mit seinem Nothemd, meinten die Kameraden. Über eine Hutweide rannte er aufwärts. Er watete durch grünen Hafer.

Da hob sich hinter einem Kranwitbusch ein Bauer, eine Feder vorn am Hut. »Willst du aus meinem Feld gehen!« knirschte er den Soldaten an.

Der trotzte: »Du mit deiner Huifeder schreckst mich nit!«

»Die Feder steckt fest wie ein tännener Ast«, sagte der Bauer. »Wer sie nehmen will, muss den Tannbaum ausgraben!«

Mit einem heißen Sprung war er neben dem Feind, und ehe es sich versah, stieß ihm der Bauer die Mistgabel in den Bauch. Der Überraschte ließ sein Rohr fallen, stürzte hinüber und verdrehte wield die Augen. »Verflucht!« – Das Hemd! – Meine Dirn – o weh!«

Jauchzend forderte droben der Haufe zum Kampf heraus. »Juchu, Seligmacher! Hui her!« Es sprang auch einer herfür, ein stattlicher, toller Bauernkerl, der Berndl geheißen, der gaukelte mit dem Säbel und lachte: »Nur her zu mir, ihr Büblein! Wollt ihr meine Praxen kosten?«

Die Soldaten aber spotteten: »Sind die Hund im Landel winnig worden? Ihr Stiegelhupfer, mit euern Zaunstecken vertreibt ihr uns nit!«

Die Lunten glommen. Der erste Schuss krachte und füllte dröhnend das Tal. Oben schlug einer schreiend hin. Die Bauern fuhren auseinander und zogen die Köpfe ein.

Derweil Schüsse und Qualm um den Hübel warben, drängte Fußvolk und Reiterei über die Brücke auf den verengten Talweg, an der Seitenmulde vorüber, singend, lachend, höhnend des verachteten Feindes.

Die Schützen birschten sich empor. Doch die Büchsen der Hausruckbauern begrüßten sie. Diese Leute trafen den Hirsch im Sprung, den Vogel im Gewölk; sie fehlten heute nicht des langsam sich bewegenden Feindes.

»Nur zu, meine lieben Husshunde! Packt den Köter!« reizte der Tannazel seinen Haufen.

Droben schnellte der Berndl empor. »Trommler, schlag an!« befahl er.

Die alte Türkentrommel, darüber dem Gerücht nach das Fell eines Mönches gespannt war, begann zu bellen. In verwegenen Sprüngen, des Sturzes nicht achtend, jagten die Bauern den Hang herab gegen die Söldner.

Im Tal brach plötzlich ein fremdes Geheul aus. Es klang, als öffne sich die Hölle und entlasse brüllend ihre finsteren Geister.

Der Tannazel kehrte sich um.

Drunten aus der Mulde quoll eine unzählige Menge bewaffneter Bauern und stieß in die Flanke des gräflichen Heeres.

Der Tannazel pfiff durch die Zähne. »Pfui Teufel!« brummte er. Er riss einen Passauer Zettel aus dem Sack, mit einem Zauber beschrieben, und schluckte ihn. Die Spieße sollten ihm kein Loch machen.

Seine Söldner begegneten dem besessenen Haufen, der wie schäumendes Wildwasser die Leute herabflutete.

*

Dem Herbersdorf, der drunten an der Brücke weilte, gefror das Blut, als er die Bauern aus dem Hinterhalt stoßen sah. Wie der Schatten einer finstern Wetterwolke kamen sie daher, Kernleute aus dem Hausruck, fast alle in schwarzen Hosen und schwarzem Wams und schwarzledernem Leibel, auf den Köpfen Jodelhüte mit spitzem Gupf und aufgebogener Krempe. Brüllend wie Stiere, kampfschnaubend und lüstern, erlittene Qualen blutig heimzuzahlen, in eifernder Glut, das fromme, wilde Werk der Befreiung zu vollbringen, drangen sie heran, ein endloser Zug, eine wirre, dräuende Wildnis von Stangen, Gabeln, Spießen, Nagelkolben, Drischeln, Sensen und Hacken, mit böse bellenden Trommeln und grellen Fahnen.

»Das Geschütz vor!« schrie der Graf. »Schießt hinein in die Waldteufel!«

Doch jene Bauern, die die Donnerschlünde hatten führen müssen, durchhieben die Stränge, schirrten die Rösser aus den Geschützen, und da alles der anbrausenden Gefahr sich zukehrte, hinderte sie niemand daran.

»Was treibt ich, ihr tückischen Buben?« kreischte der Statthalter. Den nackten Degen in der Faust, sprengte er hin.

Zu spät. Die Fuhrleute schlugen blind auf die ledigen Rösser ein, ritten von hinnen und ließen die Falkonettlein unbewegsam und unbrauchbar zurück.

Der Graf biss sich in die Lippen, dass ihm davon das Blut in den Kinnbart rieselte und den Spitzenkragen befleckte.

Todverachtend, mit froher, heißer Kraft rannten die Bauern an. In der Enge des Kampfes waren die Rohr nicht zu benützen. Alle Ordnung der Schlacht war zerstört. Leib gegen Leib rauften sie in tosendem Wirbel. Da versagte Vorteil und Kunst der Feuerwaffe, da galt nur Hieb und Stich der kurzen Wehr. Und Nagelkolben trümmerten auf die Schädel, Flegel wetterten hin wie auf die Garben einer herbstlichen Tenne, Sensen fauchten und schnitten drein wie in reifes Gras, und wohin die Gabel stach, quoll es dreifach in jähem Rot auf. Wie ein Luchs in die Beute verbissen, hielt ein Heer das andere fest.

Dem Kristof Zeller wuchs die Kraft, ihm war, heute könne er einen Eichbaum aus dem Grund reißen. Den mannshohen, geflammten Zweifäuster schwang er in der einen Hand und ruderte sich mit furchtbaren Schwüngen in den Kern der Schlacht.

Ein Köhler, rußig das flatternde Haar, rußig Bart und Stirn und Wangen, von seinem Meiler im Nussbaumer Holz herab kam er, mit dem Schürbaum schlug er darein wie einer, der der Hölle entsprungen. Ächzend wälzte es sich vor ihm am Boden. »Das Sterben ist nit schwer«, rief er in grimmem Trost. »Bis jetzt hat es noch ein jeder ausgehalten.«

Dem Döll war das Schwert am Griff abgebrochen. Mit einem riesigen Mann rang er. Der warf ihn. Der kniete auf ihm. Der Soldat bettelte: »Ein Stoßgebet lass mir noch sagen! Ein Ablass ist dran gebunden – für sechstausend Jahr.«

»Fahr hin, wohin du gehörst!« sagte der Bauer und tauchte ihm den Gnadgott in den Hals.

Des Fadingers ältester Sohn, ein Bursch, aufrecht wie ein Tännling, flachshell das Haar, stritt mit einem Schlagring. Das Getümmel um ihn litt nicht, dass er hätte sein Handbeil gebrauchen können. Und ein jeder Schlag traf ein Gesicht, und das ward zum grässlichen Blutfleck, drin Augen und Nase nimmer zu kennen waren. Bis einer der geblendeten Soldaten dem Burschen das Wolfsmesse ins Herz trieb. Da sank er, seine Lippen schürzten sich in wortlosem Trotz, und lautlos verschied er.

Mit den Äxten hackten die Bauern drein, als gälte es, einen Wald von den Wurzeln zu werfen. Die Landsknechte, ratlos und unerprobt solchem Gerät gegenüber, wehrten tölpisch ab mit ihren soldatischen Waffen. Eiserne Stechäpfel prasselten auf sie nieder, und es sichelte und fenste und drosch und hagelte. »Es muss sein!« keuchte der kämpfende Bauer. »Es muss sein!« stöhnte der sterbende.

Rippen knirschen, Reuthacken krachten auf erzerne Hauben, Endende ächzten unter der Wucht der auf sie Tretenden. Grau und stickend hob sich der Staub. Eisen troff rot, aus dem Fleisch des Feindes zurückgezogen. Das wilde Werkzeug verschmähend, würgten sie mit bloßen Händen. Da schnarchten die Gedrosselten um den Atem, da bissen Versinkende in letztem Hass empor nach der Gurgel des Siegers. In der Beschränkung der Walstatt gab es kein Ausweichen.

Verwundete Menschen flüchteten in den Bach und trübten mit dem zerrissenen Geäder die klare Flut.

Ein nahes, hohes Kornfeld, das wie durch ein Wunder behütet noch unberührt stand, es wurde von dem Getös des Mordes geweckt und erschüttert und fing an, feierlich zu stäuben.

Mit brennendem Wort regte Kasparus sein Volk auf. »Und zerrisse der Feind wie einst Simson den Löwen, und wäre er stärker als der Recke Goliath, wer steht auf gen den, der in Gottes Heerhaufen streitet?« rief er.

Fröhlich war er wie eine Lerche, die in der Gewitterwolke singt. Im wildesten Wirbel der Bauernschlacht jauchzte er wie toll. Gleich einem Tänzer schritt er. Unbekümmert um den tödlichen Reigen um sich, kniete er ins Gras und lösten daraus eine schöne Blume, die Gottes Wille nicht hatte zertreten lassen von den Fersen der Männer. Und dann focht er wieder wie rasend.

»Er ist ein Zauberer«, raunten die Landsknechte. Sie wichen vor ihm und nützten in abergläubischer Scheu seine Versunkenheit nicht aus.

Die Bayern hielten verbissen stand, ob ihnen auch ihre Donnerwaffen, ihre Flinten und Schirmschläge heute nichts frommten. Das Gefühl ihrer kriegerischen Ehre verbot es ihnen, dem unzünftigen Krieger zu weichen, trotzdem dass ihnen vor der übermenschlichen Wut und der wahnwitzigen Kampfesweisen der Bauern ein Grausen in die Knie schoss, als stritten sie nicht gegen Fleisch und Bein.

Die Krobaten kamen dem Fußvolk zu Hilfe.

Vor den feueräugigen, gebräunten Tieren wich der Bauer zurück, vor den bleichen Zähnen und den gehobenen Hufen, vor den zuckenden Lanzen, vor der fremdländischen Roheit dieser Gesicher mit den aufgestützten Nasen.

Doch der Kristof Zeller entriss seinem Nachbarn die Partisane und schlug Eisengezack in die Sehnen des Rosses. Es knickte ein, brach hin und deckte seinen Reiter.

Da wurden die bäuerischen Hellebardner des Vorteils inne, sie versehrten mit ihren Rossschindern die Tiere, sie klemmten mit dem Hakenspieß den Reitern das Genick, und diese krümmten sich verzweifelt in den Fangeisen und wurden aus den Sätteln gezerrt. Die herrenlosen Rösser irrten dahin, aus dem Getümmel zu finden, sie standen zitternd, ein schlimmes Schicksal witternd, oder verendeten schreiend.

Der Michel Eschelbacher schlug sich mit seinem Hammer einen Steig durch all das Ächzen und Fluchen, durch den Widerstand aufrechter und die letzte Abwehr gefällter, niedergetrampelter Feinde. Er malmte drein, dass das Feuer aus den Eisen stob, die ihm entgegengehalten wurden. »Wo ist der Graf?« schrie er. »Wo ist der Bauernfresser?«

Da hub die Menge zu schreien an: »Wo ist er? Wegtun müssen wir ihn!«

Ein Fähnrich ließ sein Fähnlein flattern, ließ es sinken. »Her damit!« lachte der Hans Günther. »Meine Bäuerin soll sich ein Fürtuch daraus machen.«

Die Bauern drangen vor. »Alle erschlagen!« tobten sie. »Kein Bein darf davonkommen! Stecht alles nieder, was noch auf den Füßen steht!«

»Dort ist der Graf!« gellte einer. »Von Hausham her kenn ich ihn. Der auf dem Ross! Der mit dem gelben Gesicht! Der mit der Schärpe! Der an der Brücke!«

»Fangt ihn!« lechzten die Bauern. Ihr Hass vergaß der Soldaten, er galt nur mehr dem Führer.

Der Graf erkannte die Gewalt der Bauern. Ihr Haufe kam daher, ein rasender Hengst, der mit ehernen Zähnen sein Gezäum zermalmt hat. Hier fruchtete kein Widerstand mehr.

Scheuen Blickes löste sich schon hie und da ein Landsknecht aus dem Kampf. Noch war der Weg zurück gen Eferding frei. Die Feldwebel stießen mit den Hellebarden die Ausreißer in das Gewühl zurück. Aber es wurden ihrer immer mehr.

»Geschmeiß!« zischte der Graf. Mit funkelnder Fuchtel, mit vorgehaltener Faustbüchse warf er sich der wankenden Mannschaft entgegen. »Über die Klinge lass ich euch springen!«

In wilder Woge flutete es auf einmal heran: das Entsetzen im Antlitz, in irrsinniger Furch um das Leben keine Rücksicht mehr kennend, schamvergessen, ehrveressen – das geschlagene Heer.

Der Herbersdorf sah die Woge nahen, er fühlte, wie sie ihn mitschwemmen musste, wie es kein Halten mehr gab, keinen Befehl, keinen Gehorsam. Sein Gesicht wurde todwächsern, das Hirn wirbelte ihm, die Wut drohte, sein Auge zu zerreißen.

Vor der engen Brücke staute sich das Gewirr der Fliehenden. Die letzte Fahne ging unter, die Rautentrommeln schwiegen, zerfetzt, zerbrochen. Aus dem Knäuel der Gezwängten, Niedergestoßenen stieg wüster Jammer auf. Die Bauern metzgerten drein in das gekeilte Getümmel. Immer gieriger wurden ihre Schreie. »Lasst den Grafen nit aus! Hin muss er werden! Wir müssen ihn kriegen, sonst bringt er uns alle noch um!«

Die Dogge des Statthalters grollte, als verstünde sie, dass diese Drohung auf ihren Herrn zielte. Dem wurde es dumpf um den Sinn. Schweiß trat ihm aus der Haut, und doch waren seine Hände, als er sie gedankenlos befühlte, wie Eis. Das Herz schauderte ihm unter dem Harnisch.

Ein Landsknecht stürzte vor ihm. »Reißt aus, Herr!« rief er. »Es gilt Euern Kragen!«

»Vetter Adam, halt aus! Du Schinder, du Henkersbub, halt aus!« Mitten im Wirrwarr schrie es ein Riese mit blutunterlaufenen Augen, mit rotem Hammer: der Fleisch gewordene Hass!

Da ward der Herbersdorf zum ersten Mal in seinem stolzen Leben feig. Ehe ihn die anbrausende Woge fassen konnte, war er den Hengst herum und floh.

»Fangt den Teufelsvogel!« kreischte es hinter ihm her. »Erschlagt ihn!«

Das siegreiche Heer jauchzte und hollahuite. Ein Trompeter blies den Fliehenden zum Schimpf den »Armen Judas«, den man sonst den Armesündern singt, die rücklings auf die Leiter steigen müssen, den Hals in den Strick zu schmiegen.

Wild nahm der Graf das Ross zwischen die Sporen. Denen durfte er nicht in die Gewalt fallen! Und die Feste Linz musste er seinem Fürsten retten.

Mutterseelenallein jagte er die Straße gen Eferding zurück. Sein Ross gab alle Kraft her, es rannte flinker als ein Hirsch im grünen Wald. Die Doge folgte in gestreckten Sprüngen.

Am Weg hockte ein altes Weib. »Gelt, das Leder ist dir heiß worden?« krächzte sie. »Schabab, Graf! Und salz dem Ross die Rippen, dass du davonkommst!«

Er konnte die Schmach nicht rächen. Nur fort! Hinter ihm lechzte die Rache. Sein Sporn troff. Er ritt wie um seine Seligkeit.

Die Alte kniete in den Staub hin und drückte einen Nagel in die Fährte seines Rosses, nach düsterm Aberglauben dessen Lauf zu lähmen.

Auf der Wiese neben der Straße wartete der Mäher, die Faust um den Gransen der Sense. Mit langen, gespenstischen Sätzen kam er gesprungen, den Grafen zu stellen. Der kühne Hund fuhr auf ihn los. Mit einem Hieb senste er ihn nieder.

»Gib dich, Adam!« grüßte er.

»Du oder ich!« keuchte der Herbersdorf. Die Pistole riss er aus dem Sattelhalter und brannte sie ab.

Der Schnitter taumelte.

Am Weg ragte ein hohes Holzkreuz, dran hängte er die Sense.

Dann wankte er auf die Wiese zurück, die Hände gegen die Brust gepresst, den warmen Quell dort zu halten. Er ließ sich ins Gras hin. Die Hände sanken ihm von der Brust und gaben den roten Brunnen frei. Seine Erde düngend, endete er.

Der Statthalter jagte an den Bäumen vorbei, daran er heute die Bauern hatte knüpfen lassen, die ihm in den Wurf geraten. Sie grinste ihm entgegen, sie schienen sich nach ihm umzudrehen. Griesgrämlich krähend flog davon zuweilen ein gestörter Rabe auf.

Die Gegend war wie ausgestorben. Nur ein kärgliches Männlein begegnete dem Herbersdorf. »Kommst du heim von der blutigen Kirchweih?« kicherte es. »Ja, man soll nit juchhe schreien, eh man über den Zaun ist.«

Vor Waizenkirchen brach der Hengst zusammen. »Luder, verreck!« fluchte der Graf und arbeitete sich unter den zerspornten, zuckenden Flanken herfür.

Rossgetrappel näherte sich. War ihm der Tod so hart an den Fersen? Er zog sein Eisen. Lebendig sollten sie ihn nicht fangen!

Der Henker Hans Georg Schrattenbach war es. Er schlotterte, als habe ein Geist gedräut. »All mein hübsches Martergerät ist verloren!« klagte er.

»Sitz ab von dem Klepper!« befahl der Graf.

»Die Mähre trägt Euch nit, gräfliche Gnaden. Ihr seid zu schwer.«

Der Herbersdorf funkelte den Freimann an. Da ließ dieser ihm das dürre Rösslien und lief der Donau zu, sich zu retten.

Aus Angst und auch aus Scham über sein schändliches Tier wagte der Graf nicht, durch Waizenkirchen zu fliehen. Er ritt um den Ort herum.

Als er die Straße wieder erreichte, holten ihn flüchtende Krobaten ein. Müd und beschädigt kamen sie daher. Ein reiterloser Gaul hatte sich ihnen angeschlossen.

Des Freimanns Klepper wieherte, als sie an einem Gehängten vorübersprengten. Der Graf züchtigte es in ausbrechender Wut mit dem Kolben seiner Faustbüchse. »Höhnst du mich auch, du Schindersvieh?!«

Es überschlug sich und röchelte.

Ein Krobat bot dem Herbersdorf das ledige Ross. »Schnell, Herr! Sie sind hinter uns her.«

Vor den Toren er Stadt Linz verendete in Schaum und Blut das dritte Ross.

Zur selben Zeit war der Jesuit hier angelangt. In kühler Ruhe sah er dem Statthalter zu, wie er mit beschmutzter Stirn, mit wirrer Glut im Blick sich von dem gefallenen Tier trennte.

»O Schand, o Schand!« bebte der Graf. »Der Bauer hat mich übertölpelt. Mit der Mistgabel hat er mich besiegt! Kümmerlich bin ich mit dem Leben davon. Meine Ehr ist dahin. Wie ertrag ich es?!«

»Fasst Euch!« mahnte der Mönch.

»Wie ein Wolf hat mich der Zeller angesprungen«, zeterte der Herbersdorf. Die gelben Wangensäcke schlotterten ihm und hingen ihm heute tief. »In manch hartem Gemetzel bin ich gestanden, aber solch gräulichen Angriff hab ich noch nie gesehen. Lieber kämpf ich mit Türken und Heiden als mit solch ergrimmtem Volk.«

Der Jesuit erwiderte: »Ihr habt jetzt Linz zu halten!«

»O dieses Linz!« klagte der Graf. »Wir haben die Stadt katholisch gemacht, sie ist dennoch ein meineidig, stocklutherisch Nest geblieben. Es ist alles nur Verstellung und Heuchelei drin, und jeder hofft, dass seine Lutherei wieder grüne. Keinem um mich kann ich trauen. Das Land trägt nix als Schelme. Ich kann die Stadt nit halten! Nix zu fressen, nix zu schießen, keine Soldaten! Schier mein ganzes Volk ist vor Peuerbach geblieben. Und die Bauern rücken an! Alles ist verloren!«

Der Jesuit sagte ohne jede äußere Bewegung: »Mögen die Ketzer jauchzen! Der Baum wächst nicht in den Himmel, wir schleifen schon die Axt.«

»Alles ist hin!« beharrte verzweifelt der Graf. »Der dänische König will einfallen und der Mannsfelder, England, Holland, Frankreich, Brandenburg, Sachsen, alles wider uns! Der Türk wird den Frieden nit halten. Tillys Heer ist matt in Kampf und Seuchen und Hunger. Und der Wallenstein, der ist noch nit erprobt. O alles ist wider uns!«

»Die Saat der Hölle strotzt«, sagte der Pater. »Wir fürchten uns nicht. Wenn wir die Bauern jetzt nicht überwinden können, so werden wir mit ihnen verhandeln. Wir halten sie hin.«

»Wie konnte Gott mich, seinen treuen Streiter, so in die Schand sinken lassen?!« klagte der Graf. Wie kann er die täppischen Waffen der Bauern mit solcher Glorie kränzen?!«

Der Jesuit entgegnete: »Gott dient dem Bösen um des Guten willen. Und unser eigenes Schicksal ist unwichtig und darf nicht bekümmern. Um den Triumph der wahren Kirche aber bange niemand! Verfolge sie: sie blüht! Stoß sie hin: sie erhebt sich! Drück sie zu Boden: sie wächst! Unterwirf sie: sie siegt!«

*

Wie ein gejagtes Wild das Feld begehrt, flohen Landsknecht und Reiter aus dem Tal, darüber ihr Unstern geschillert. Sie bückten sich ins hohe Korn, duckten hinter das Laub der Stauden, rannten lechzend. Waffen und hemmendes Gewand schleuderten sie von sich, alle Wege waren voll eisernem Gerät.

Die Bauern sprengten sie über Zäune, Gatter uns Stieglein, durch Buschwerk und Bäche. Aus dem Gestrüpp scheuchten sie die Versteckten und erschlugen alle, derer sie habhaft wurden. Rote Fährten führten verräterisch durch die Wiesen, als hätten angeschossene Hirsche schweißend sich geflüchet.

In einem Gehölz rasteten vier entronnene Knechte, versehrt und müde. Einer hielt eine Kristophorustaler in Händen und küsste ihn. »Nothelfer«, betete er, »ich bitt dich, schaff mich auf deiner starken Achsel lind über den Tod hinweg! Heiliger Kristof, trag mich schnell durchs Fegfeuer und halt mich hoch, dass – die Flamme – mich – nit –!« Er dehnte sich seufzend und vollendete das Gebet nimmer.

»Jetzt müssen es die armen Seelen zu End beten«, flüsterte einer der Kameraden.

Sie sannen über die Schlacht nach.

»Es ist keine Schand, dass wir davongelaufen sind«, meinte der eine. »Drein getümmelt haben die Bauern wie der ledige Teufel. Man kann ihnen nit wehren mit Schuss und Schwert. Gefeit sind sie gen alles Eisen, das seit des Heilands Tod geschmiedet worden, gen alles Blei, das seither gegossen worden ist.«

Der andere sagte: »Sonderlich der schwärmerische Kerl, der sie mit seiner Red hat beherzt gemacht, der ist hart wie der hürnern Seifried. Nur am Nabel ist er offen, dort kannst du ihn wund machen. Dreimal hab ich in den Kerl hineingestoßen, aber er ist so fest gestanden wie ein luthrischer Turm.«

Der dritte erzählte: »Ich hab einen Bauern schießen wollen. Da schreit er mir ins Rohr hinein: ‚Rax, krax, sprax!' Und der Schuss ist mir still gestanden, hat nit Feuer, nit Flamme gegeben.«

»Es sind schrecklich wilde Leut«, hub der erste wieder an. »All unser Mut, Fleiß, Geschick und Lust nutzt nix. Sie können mehr als Birn braten. Mit dem Hokuspokus haben sie es zu tun.«

Sie bekreuzigten die Leiche des Gefährten, schütteten en wenig Erde darauf und schleppten sich weiter.

*

Auf der Walstatt lagen die erschlagenen Soldaten in grauser Menge. Sie lagen auf den Bäuchen in aufgewühltem Grund oder mit offenen Mäulern entstellt gen Himmel zahnend, die Waffen um krampfend, in verrenkter, letzter Gebärde der Abwehr.

Die Sieger gingen über das Feld, sie wählten sich die Waffen der Toten und rangen die Musketen aus den ersteiften Händen.

»Eine grausame Zahl haben wir umgebracht!« staune der Hans Günther. »Jetzt ist die Höll voll, es geht keiner mehr hinein.«

Der Tobias Köberl stützte das stoppelige Kinn auf seine Gabel. »Wir haben ausgemistet«, klügelte er. »Auf der ganzen Welt lebt jetzt kein Soldat mehr.«

Des Henkers Karren hatten sie erbeutet. Da sahen sie rätselhaftes Marterzeug, Stricke und Haken fürsorglich vorbereitet. In einem Trichter fanden sie ein Knöchlein liegen. Einer sagte schaudernd: »Das ist der Würfel von Hausham. Ich kenn ihn. Hab damit spielen müssen.«

»Gott sei gelobt, dass wir die Oberhand gewonnen haben!« lachte der Michel Eschelbacher. »In Peuerbach müssten wir sonst uns selber den lichten Galgen zimmern.«

Sie fanden die Trosswagen beladen mit Pulver und Kugeln, mit Wein und Fraß. Hurtig zapften sie die Fässer an, zechten und lärmten, prangten mit erbeuteten Wehren und frohlockten, dass sie solch glückhaften Sieg errungen und dass alles wie am Schnürlein gegangen.

Und ungeheuer lebte die Freude auf, als ein großer Bauernhaufe von der Donau her eilte, voran der Fadinger auf schwerem Pflugross, wehende Federn am Hut.

Der Kristof Zeller ritt ihm entgegen, das Schwert hatte er mit Scharten geziert, und seine Wunden funkelten wie Rosen. »Schwager«, lachte er, »das Glück rennt uns zu!«

Der Fadinger atmete hoch auf. Er schaute über das Leichental. »Der Graf wird an den Tanz denken«, sagte er. »Ja, Nachbarn, unsre Zeit ist kommen. Der Schall geht, dass der Türk auf ist und der Däne anruckt. Wir stehen nit einschichtig da.«

»Der Krieg ist gar, juchhe und hellauf!« jubelte der Zeller. »Jetzt werden wir die Jesuiter stäubern und den Herrn Grafen aus dem Land kuranzen!«

»Oha!« murrte der Georg Egger. »Ein Kuckuck bringt keinen Mai. Und das Glück ist ein Rad. Jetzt steigt der Bauer in die Höh, ein anderes Mal ein anderer.«

Da ergrimmte der Zeller und stieß ihm die Faust ins Gesicht. »Spreuzest du uns wieder einmal in unsere Freud? Da nimm das für deine übeln Sprüchlein!«

»Gib Fried, Schwager!« mahnte der Fadinger.

Mit stillem, ernstem Gesicht schritt er die lange Reihe der toten Bauern ab, die man aus dem Gewirr der Leichen gelöst und auf eine Wiese gebettet hatte. Er grüßte die Männer, die in der vollen Kraft gebrochen wurden.

Als er dem schmalen, trotzigen Gesicht seines Buben begegnete, den der bittere Todesmann so bald angegriffen hatte, da wankte der starke Mann. Aber er bezwang sich und sagte zu den Nachbarn: »Der schönste Tod ist der Jähtod. Meinen Vater hat beim Dreschen der Schlag getroffen.« Und den Hans Günther bat er: »Schaff den Buben heim zu seiner Mutter!«

Aus seinem verhaltenen Leid raffte er sich auf. »Gott ist sichtbar mit uns!« sprach er fest. »Ihm allein die Ehr!«

Von der Verfolgung des Statthalters zurückkehrend, jagte der Student auf einem Krobatenrösslein daher. »Auf, Fadinger!« glühte er. »Der Schreck ist dem Grafen ins Mark gefahren. Auf gen Linz! Das Schloss müssen wir umwerfen, den Grafen fangen! Keinen Augenblick dürfen wir versäumen!«

»Rast dich aus, Kasparus!« erwiderte der Fadinger. »Iss und trink! Dein Gesicht ist verfallen.«

Der Zeller brachte ihm ein volles Glas dar. »Begieß dir die Nase! Ist dem Herrn Grafen sein Tischwein! Der rinnt heut in den unrechten Schlund.«

Kasparus stieß den Wein zurück. »Wer redet vom Saufen?« rief er rau. »Wir sollten schon längst auf dem Weg nach Linz sein, mit dem Grafen zugleich in die Stadt dringen, ihn nit zu Atem kommen lassen! Dann erst sind wir die Meister im Land. Der Herbersdorf kann Linz nit halten: die Stadtmauern sind verwahrlost, und seine Knechte sind verspreut nach allen Seiten. Warten wir nit ab, bis er Hilfe kriegt!«

»Wir müssen schnell zugreifen!« nickte der Berndl. »Bis zum Kornschnitt sollten wir fertig sein.«

Dem Kristof Zeller brannten die Wangen. Trunken von Sieg und Wein prahlte er: »Bis zum Kornschnitt sind wir zehnmal fertig!«

Aber der Student rüttelte den Fadinger, als wolle er einen Träumer wecken. »Um Gottes willen, fackelt nit lang! Lasst blasen, lasst trommeln, auf nach Linz!«

Mürrisch wies der Zeller auf das Leichenfeld. »Haben wir dir heut etwan zu wenig geschaffen, du Grünschnabel? Des Grafen Macht haben wir zu schanden gebracht. Jetzt wollen wir einen Tag lang still liegen.«

Der Bauer ist etwas unendlich Langsames. Entschluss und Tat brauchen bei ihm Weile wie sein bedächtiges Tagwerk, wie Schritt und Wurf der Aussaat, wie das Geschäft des Ackerns und der Mahd.

Und so begütigte der Fadinger den Studenten, der nach Entscheidung fieberte: »Zeit lassen! Nur nit zu grün abbrechen! Eh wir den Grafen in Linz angehen, müssen wir zunächst die Traunbauern auftreiben, und nachher müssen wir der evangelischen Bürgerschaft die Waffen in die Hand geben. Und mit dem Kaiser müssen wir auch zuerst reden. Er wird ein gnädiges Einsehen haben.«

»Hat euch alle der Satan verblendet?« raste Kasparus auf. Den Degen riss er heraus und zückte ihn gegen den Feldhauptmann. »Seid ihr ein christlich Heer? Besausen wollt ihr euch! Zu Säuen seid ihr worden!«

Der Berndl fiel ihm in den Arm und staute den Schlag.

»Hirntobig ist er worden«, murrte der Zeller.

Der Fadinger sah den Studenten mit einem großen, trauervollen Blick an.

Da warf dieser den Degen weit von sich. Und sein Auge gleißte seltsam auf, hintüber stürzte er, schlug mit gekrampften Fäusten um sich, als ränge er mit einem unsichtbaren Widersacher, und schäumte und zuckte.


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