Edgar Wallace
Der grüne Bogenschütze
Edgar Wallace

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73

Als Jim in den »Blauen Bären« kam, fand er dort seinen treuen Diener Angus, der hier auf die Befreiung seines Herrn wartete. Vorsorglich hatte er neue Kleider mitgebracht, und Captain Featherstone war ihm dankbar dafür. Sobald er sich umgezogen und rasiert hatte, ging er zu dem Hause Mr. Howetts hinüber. Er nahm an, daß Valerie sich zur Ruhe gelegt hätte. Zu seinem Erstaunen fand er sie im Wohnzimmer. John Wood war bei ihr.

Sie kam mit ausgestreckten Händen auf ihn zu, und er nahm sie in die Arme.

»Ich wollte eigentlich bei dir bleiben, als wir aus der Burg herauskamen, aber Vater bestand darauf, daß ich erst hierherginge,« sagte sie.

Mr. Wood lächelte Jim an und betrachtete ihn unentwegt.

»Ich habe eine große Überraschung für dich, Jim,« sagte Valerie. »Es hat sich etwas ganz Wunderbares ereignet. Rate mal, wen ich hier fand, als ich zurückkehrte?«

Er schüttelte den Kopf.

»Denke dir – meine – meine Mutter!«

Während sie noch sprach, öffnete sich die Tür. Mr. Howett trat herein und führte an seinem Arm eine schlanke, schöne Frau. Er erkannte sie sofort an der Ähnlichkeit mit ihrer Tochter.

»Liebe Mutter, dies ist Jim.« Sie sprach das Wort Mutter noch sehr scheu aus. »Du kannst dich doch auf Jim Featherstone besinnen?«

Mrs. Held nahm beide Hände Jims in die ihren.

»Ich bin Ihnen zu größtem Dank verpflichtet, Captain Featherstone, aber ich hoffe, daß Sie jetzt auch belohnt werden.«

Sie schaute von Jim nach dem Sofa und lächelte Wood an.

»Ich will Ihnen nun auch meinen Sohn vorstellen, Captain Featherstone,« sagte sie dann.

»Ihren Sohn!«

»Dies ist John Wilfred Bellamy,« sagte sie schnell.

Jim, der nun schon so viel in dieser Angelegenheit herausgebracht und erfahren hatte, war über diese neue Enthüllung doch vollständig überrascht.

Später ging er wieder zu dem »Blauen Bären« zurück. Auf der Dorfstraße standen die Leute in dichten Gruppen, obgleich es schon spät in der Nacht war. Jetzt brannten auch wieder alle Laternen und Lampen im Ort. Als er in das Gasthaus trat, sah er Spike, der inmitten einer großen Schar von Kollegen das Wort führte. Er strahlte und war restlos glücklich.

Jim mußte über ihn lächeln. Spike war nun eben einmal zuerst und vor allem Zeitungsreporter, und was er auch persönlich fühlen mochte, berufsmäßig machte es ihm wenig aus, ob Bellamy Erfolg hatte, seine Feinde zu töten oder ob sie gerettet wurden. Für ihn war es nur die große Geschichte.

»Wo ist Julius?« fragte Jim.

»Kommen Sie mit zu ihm,« rief Spike, und seine Stimme überschlug sich vor Aufregung und Freude. »Er sitzt vor dem Kamin und trocknet Zehnpfundnoten. Fay hat ein Bügeleisen von der Wirtin geborgt und plättet die Scheine.«

Jim ging mit ihm die Treppe hinauf zu dem großen Wohnzimmer, das Spike gemietet hatte. Er fand Julius Savini bei einer merkwürdigen Beschäftigung. Er trug einen Schlafanzug Spikes, saß mit untergeschlagenen Beinen auf dem Teppich vor dem Kamin und hielt mit Hilfe eines Toaströsters in vorsichtiger Entfernung von dem offenen Feuer einen Schein.

»Ich glaube, jetzt sind wir fertig, Fay,« sagte Julius und sah zufrieden auf den getrockneten Geldschein.

Fay nahm die Banknote behutsam, legte sie auf ein Tuch und plättete sie mit dem Bügeleisen. Sie sah Jim und lächelte ihn an. Sie trug den Morgenrock der Wirtin, die klein und stark war, und ihre schlanke, schmächtige Gestalt sah ganz merkwürdig in dieser Kleidung aus.

»Treten Sie bitte näher, Featherstone. Julius hat das Geld getrocknet, das der alte Bellamy ihm gab, als er uns in den Käfig sperrte. Es gehört alles uns,« sagte er dann mit einem gewissen Stolz. »Und wenn dieser verrückte Lacy behauptet, daß wir ihn bestohlen haben, so möchte ich Sie bitten, ihn ins Loch zu stecken.«

»Wieviel habt ihr denn, Fay?« fragte Jim interessiert.

»Ungefähr zehntausend. Wir haben es noch nicht ganz durchgezählt, aber wir vermuten, daß es so viel ist. Wir wollen jetzt aufs Land ziehen und eine Geflügelfarm aufmachen. Ich habe mich schon immer dafür interessiert. Wo ist Lacy?«

»Ich habe ihn zum nächsten Hospital geschickt, Sie brauchen sich über ihn keine Sorge zu machen. Als wir seine Taschen durchsuchten, fand Sergeant Jackson eine große Summe bei ihm.«

»Lacys Geld interessiert uns durchaus nicht,« sagte Fay leichthin.

Auch Julius schüttelte den Kopf, aber er sah Featherstone nicht ins Gesicht.

»Ich beneide keinen Menschen – das ist mein Wahlspruch. Wenn der arme Teufel Geld hat, dann freue ich mich. Wo hat er es denn gehabt?«

»Das habe ich vergessen. Ich glaube aber, es war in einer inneren Tasche seines Anzugs unter der grünen Maskerade, wo er das andere Geld verwahrt hatte.«

»Was meinen Sie denn mit dem anderen Geld?« fragte Fay ganz unschuldig. »War es viel – ich meine, was Sie fanden?«

»Ungefähr zweitausend.«

»Hörst du, Julius?« fragte sie scharf. »Er hatte zweitausend Pfund in der Tasche.« Aber sofort hatte sie sich wieder in der Gewalt. »Ich freue mich, daß er auch etwas hat,« sagte sie ziemlich kühl, »aber trotzdem ist das Geld zum Fenster hinausgeworfen, denn ein Mensch wie Lacy weiß nicht damit umzugehen. Geld auszugeben ist eine große Kunst, Featherstone, daran muß man sich erst lange gewöhnen. Ich vermute, daß er das Geld in der linken Hosentasche hatte?« fragte sie gleichgültig.

»Ich weiß es nicht genau, Fay,« sagte Jim, »aber vermutlich stimmt das.«

»Ich sagte dir ja, Julius –«

Julius räusperte sich.

»Ich sagte dir,« begann Fay wieder, »daß du ihm nur die Pistole nehmen und ihm das Geld lassen solltest. Sie sehen, wie genau Julius sich an meinen Rat gehalten hat, Featherstone.«

»Ehrlich bis zur Selbstlosigkeit, Fay! Also eine Geflügelfarm wollen Sie jetzt aufmachen?«

Sie nickte.

»Mr. Howett wird auch dabei helfen,« sagte sie. »Und bedenken Sie, trotzdem wir ja schon Kapital haben, Geld, das Julius viele Jahre lang durch harte Arbeit sparte –«

Jim mußte lachen.

»Ich will nicht fragen, wo Julius das Geld her hat,« sagte er, »und ich glaube auch vollkommen die Geschichte, die Sie mir eben erzählten, daß der alte Bellamy Ihnen das Geld gegeben hat. Aber zerbrechen Sie sich jetzt nicht den Kopf, um mir noch weitere Erklärungen abzugeben.«

Er nahm sie an den Schultern, und vor Savinis Augen küßte er sie leicht auf die Backe.

»Sie haben ein zu gutes Herz, um schlecht zu sein, und Sie sind zu hübsch und im Grunde zu aufrichtig, um wieder auf schlechte Wege zu kommen,« sagte er dann ruhig. »Und wenn Julius Sie dazu zwingen sollte, so würde ich es ihm niemals vergeben.«

Sie erwiderte nichts. Aber als Jim gegangen war, wandte sie sich an ihren Mann.

»Hast du es gesehen, Julius?« fragte sie ein wenig unsicher. »Er ist doch ein hübscher Kerl! Ich mag ihn zu gerne!«

»Er dich scheinbar auch! Der Mensch ist zu gut für einen Polizeibeamten.«

Es hat eben jeder seine eigenen Ansichten.


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