Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Geheimnisse des Meeresgrundes. – Die See als Weinkeller. – Die Seeschlange.

Zwischen den zahllosen Inselchen des Sundagolfs war de Ruyter einmal von Windstille überrascht worden. Beim Suchen und Loten hatte er den Rumpf eines kleinen auf einer Felsbank gescheiterten Fahrzeugs entdeckt, anscheinend von europäischer Bauart. Er trug die Stelle auf der Seekarte ein, verzeichnte Kompaßstrich und Peilung, um einmal einen Bergungsversuch zu machen. Das heitre Wetter reizte ihn jetzt dazu, vor allem, weil er noch in Batavia bleiben mußte und die Besatzung durch das Faulenzen übermütig, aufsässig wurde. Wir bereiteten das Nötige vor und musterten die gewiegtesten Taucher an, Burschen, die in ständiger Übung waren, weil sie nachts unter die Schiffsböden schwammen und die Kupferplatten stibitzten. Bei Windstille langten wir auf der Höhe der kleinen Gruppe von fünf Inseln, unserm Ziele, an.

Wir schwangen die Boote aus und ruderten fast den ganzen Tag in einer solchen Sonnenglut, daß uns fast das Hirn schmorte. Noch vor Nacht stießen wir auf die Stelle, sandeten die Boote, aßen zu Abend und schliefen. Beim ersten Morgendämmer begannen wir mit der Suche und kamen wirklich zu dem Wrack. Das Wasser war glashell. Das Senkblei traf das Deck in nur zwanzig Fuß Tiefe. Da es auf Felsen ruhte, hatte sich wenig Treibsand angesammelt. Wir legten eine Boje fest, um den Ort kenntlich zu machen, und kehrten zu den Schiffen zurück. Von Langrudern getrieben, wohlversehen mit Leinen, Trossen, Dreggankern und andern Geräten, die Taucher nicht zu vergessen, nahmen sie uns an Bord, und wir fuhren wieder dem Rumpf zu. Jeder Teil war bei scharfem Hinsehen so vollkommen sichtbar, daß ich mich der Schiffsmodelle in Glaskästen erinnerte; die rauhe, zackige Unterlage sah aus wie ihre nachgeahmten Wellen. Selbst die Schalentiere, die jetzt das Verdeck überkrusteten, und die grünen Kräuter und Moose hätte man so deutlich unterscheiden und einteilen können, als wenn sie auf einem Tisch ausgebreitet gewesen wären. Als sich die schwarzen Taucher auf die Verdecke hinabließen, vervielfachte sie das glasige Element wie in einem zersplitterten Spiegel. Dämonen, die ihre Meeresfeste verteidigten?

Nach langer Plackerei brachten wir endlich eine Hebevorrichtung auf dem Wrack an. Wir versenkten Tonnen, vertäuten sie sorgfältig an den unten befestigten Kabeln und machten sie durch Lenzpumpen wieder schwimmfähig. Endlich brachten wir das Wrack von der Stelle und scherten starke Zugseile unter den Boden. Grab und Schoner wurden je auf einer Seite verankert, die Fässer vermehrt. Dann zogen wir das Schiff mit umständlichen Hebevorrichtungen hoch, bis es frei schwebte und der Rumpf widerstrebend an die Oberfläche stieg, – ein riesiger Sarg, worin ein vorsintflutliches Seeungeheuer zur Ruhe gebettet war. Das Tageslicht schien seltsam auf den mit einer Rinde überzognen weißlichen, glibbrigen Körper. Seesterne, Krabben, Krebse krochen, hingen in und an ihm herum, fassungslos ob des Übergangs aus dem kühlen Reich zum Feuertod unter der Sonne. Einen Teil des Wassers pumpten wir aus. Der Kasten leckte stark, war aber nicht im Flach beschädigt. Das Verdeck und der Raum unter der Großluke waren geleert, sei es durchs Wasser, sei es durch Fischer Sumatras. Der Achterraum, sicher verschalkt, durch ein Doppeldeck geschützt, verschottet, war unberührt. Bei der Arbeit hatten wir eine mächtige Wasserschlange auf dem Boden des Raums aufgestört, die die Matrosen für ein Stück Ankertrosse ansahen. Schnell hatte sie alles verscheucht. Vereint griffen wir mit Piken und Feuerwaffen an; aber erst als sie zusammengehauen war, kamen wir weiter. Die Taucher meinten, sie hätte sie unten verschlingen können. Vielleicht; aber die Matrosen, blutdürstiger und gieriger als der Wurm, verzehrten ihn unverzüglich, nun er im Trocknen war.

Das Wrack schleppten wir zu einer der Inseln, wo wir es auf eine Sandbank laufen ließen und uns einen Weg zu dem Achterraum bahnten. Natürlich war er voll Wasser. Fäßchen, Tonnen schwammen herum und wurden herausgewunden. Nachdem wir wieder die Pumpen eingesetzt hatten, gelangten wir zu den beweglichen Sachen: Säcke verdorbnen Korns, Pulverfässer, ein Haufen andrer Dinge, die schwer anzugeben sind, da alles zusammengekeilt war. Wir scharrten, wühlten und fanden endlich, wie de Ruyter vorausgesagt hatte, zwei verschnürte, versiegelte Kistchen. Sie belohnten uns reich für die Mühe, enthielten sie doch über achttausend salzwassergeschwärzte spanische Taler. Sonstiges Mitnehmenswertes fanden wir nicht außer etwa fünf, sechs geringen messingnen Drehbassen. Das Wrack ließen wir liegen und kehrten nach Batavia zurück.

Das aus Zedern- oder Teakholz gezimmerte Schiff war offenbar spanischer Machart. Es hatte sicher ein Halbjahrhundert, wahrscheinlich viel länger unter Wasser gelegen, war aber noch so hart, daß die Schneide der Äxte sich dran verbog. Als den besten Teil der Beute sah ich nicht die Taler an, sondern zwei Gebinde mit spanischem Wein und zwei mit Arrak. Ich lobe mir die See als Keller! Solch ein köstlich Gewächs hatte noch niemals die Lippen benetzt, den Gaumen geletzt, das Herz erwärmt, die Sinne bezaubert. Alle priesen beredt seine Vortrefflichkeit. Der alte Reis erklärte, der Wein gleiche dem Balsam von Koreisch, den die Mekkapilger mitbrächten; die Büsche, die den Saft schwitzten, entsprängen dem Blute der im Kampf erschlagnen Nachkommen des Propheten; er heile nicht bloß jedes Gebresten und lindere jedes Übel, sondern habe schon wahrhaft Gläubige wieder zum Leben erweckt. –

In Batavia wollte man wissen, wir hätten eine ganze »Bank« mit spanischen Talern entdeckt, worauf wir aufgefahren seien, außerdem etzliche Weinfässer mit der Jahreszahl 1.550 und mit lebigen Schlangen statt Reifen aufgefischt. Auf der Grab stießen sich die Besucher, die alle sehnlich den Wein und Arrak kosten wollten. Echtes Lebenswasser hätte nicht andächtiger verehrt, begehrlicher geschlürft werden können. Die feisten holländischen Krämer verbrachten die Nacht mit Hallelujasingen, um ihrer Wonne Luft zu machen. Hätten wir nicht gleich anfangs andern Wein und starke Getränke untergeschoben, – der wirkliche Stoff wäre schon bei einem Gelage draufgegangen. So aber labte er uns noch während mancher schweren Nacht und schmeidigte unsre Glieder, wenn sie die Hitze spröde gemacht hatte.


 << zurück weiter >>