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Die Tigerjagd.

Eine Siedlung der freiheitsdurstigen, freigebigen, tollkühnen, ritterlichen und treuen Malaien, meiner ganz zu Unrecht verketzerten und verlästerten Freunde, lag in der Nähe. De Ruyter hatte sie auch ins Herz geschlossen und viele in den Schiffsdienst übernommen. So standen wir bald auf bestem Fuß. Ein Häuptling war oft bei uns, und als wir den Wunsch äußerten, eine Tigerjagd mitzumachen, war er sofort dabei. Und doch waidwerkt man dort gewöhnlich nicht auf Tiger; man greift sie nur an, um sich zu verteidigen. Lange schon lüstete mich nach einer solchen Pirsch. Nun war ich dort, wo sie am meisten vorkommen, und konnte kaum meine Ungeduld zügeln.

Mittlerweile schritt die Überholung des Schoners rasch vorwärts, weil ich dank dem »wilden Mann« auf Bauholz gestoßen war. Wir hatten Zeit genug und wollten die Insel kennen lernen. Die Einwohner hatten uns oft von den Resten einer alten Stadt erzählt, die an dem großen Sumpf liege und der Unterschlupf von Tigern und anderm Großraubwild sei. Schnell wurde ein Zug dorthin verabredet. Die Schiffe hielten wir in bestem Stande und versäumten nichts gegen eine Überrumplung vom Wasser oder vom Lande. Gewöhnlich blieb de Ruyter oder ich an Bord. Auf unsrer Krankeninsel hatten wir zwei Kanonen aufgepflanzt und einen Gefechtsstand erbaut, der den Schoner beherrschte. Unsre Belegschaft wurde unaufhörlich in Atem gehalten. Zänkereien aus Unzufriedenheit oder im Rausch machten uns viel Ärger. Aber de Ruyters Meisterkunst zähmte alle, und ich eignete mir etwas davon an.

Wir trafen nun Vorbereitungen zum Gejaid. Der Häuptling wollte uns mit einem Teil seines Gefolges begleiten und versprach Elefanten. De Ruyter nahm zwanzig seiner unbändigsten Leute wohlbewaffnet mit, suchte auch ein paar vom Schoner aus ...

Ungerechnet gelegentlicher Wutausbrüche, die meist der Blutrache entsprangen, war der Häuptling gutherzig, höflich, umgänglich und außerordentlich aufmerksam gegen uns, seine Gäste. Sein natürlicher Scharfsinn überwand jedes Hindernis, und er war sehr auf der Hut vor den Volksstämmen, deren Gebiet wir durchzogen. Seine Sinne waren durch dauernde Übung ebenso scharf wie die der »verbürgerten« Menschen mangels Übung stumpf. Genau unterschied er Dinge, eh sie unser Blick auch nur faßte, und sein Gehör war feiner als bei einem Hund. Seine Diener hielt er in strenger Unterwürfigkeit. Übrigens kamen wir nur langsam vorwärts. Die Elefanten mußten uns oft Bahn durch die Dschungel brechen, und wir vertrödelten Tage, einen Pfad um oder durch die Sümpfe und unwegsamen Wälder zu suchen. Zeichen menschlicher Siedlung fanden sich selten.

Während der Rast in der Hitze und abends beim Lagern übten wir uns im Büchsenschuß auf Pfauen, Rot- und Schwarzwild. Am fünften Tage näherten wir uns dem Jagdgrund auf der Südostseite der Insel. Währenddem mahnte uns de Ruyter zu dauerndem Rauchen. Ich kannte die Wunderwirkung des Tabaks und drängte Zela eine kleine Wasserpfeife auf; die meinige ließ ich auch auf dem Rücken meines Dromedars nicht erkalten. Alle Nichtraucher litten an Fieber, Schwindel, Erbrechen, Blutspeien, Durchfall. Selbst die ihn nicht gewohnt waren und bloß ab und an zu einer Zigarre veranlaßt werden konnten, hatten nur leichte Fieberanfälle. Das Kauen des Krauts schien wenig zu helfen. Die Wasserpfeife war das beste Vorbeugungsmittel; sie regte die Tätigkeit der Lungen nachhaltig an, weil der Rauch geschluckt werden muß. Nach Möglichkeit mieden wir unter Bäumen oder bei einer Dschungel zu schlafen. Die Malaien rodeten diese stets aus und steckten sie an; dadurch wurde der Boden gelichtet, die Luft gereinigt ...

Wir ließen die Wälder hinter uns und kamen auf eine weite Ebene. Wildelefanten hatten durch Schilf und Gras Pfade getreten; sie leiteten uns durch die sonst undurchdringliche Wildnis. Wir folgten den Fußstapfen manche beschwerliche Meile und sichteten Sambarhirsche und andres Wild, aber keine Dickhäuter. Zuletzt gelangten wir auf eine Felskuppe. Von hier schauten wir auf ein schwarzes, stinkendes Moor, das sich über das Blickfeld hinaus verbreitete. Der waldbewachsene Hügel, auf den sich unser Zug richtete, war noch eine Tagreise entfernt. Trostloses Düster hing über dem Sumpf.

Ich hatte mir an einem halbgaren Pfau fast die Kinnbacken verrenkt, streckte mich in meinem Zelt auf ein Tigerfell und schob mir den Stutzen unter den Kopf. Zela schmiegte sich an meine Seite und zog eine gegerbte Hirschdecke über uns. Ich schlief besser als so viele, die üppiger gebettet sind. Gegen Morgen wurde Zela von einem Rascheln munter. Das rauhe Leben, das sie schon als Kind geführt hatte, befähigte sie, beim leisesten Geräusch aus tiefstem Schlummer zu erwachen. Meine Füße lagen bloß, und sie wollte sie zudecken. Da sah sie eine große Giftschlange unter dem Fell hervorgleiten und sachte über meine Beine kriechen. Zum Glück spürte ich nichts. Zela konnte sich beherrschen, lehnte sich auf den Arm und hielt den Atem an. So beobachtete sie ihre Bewegungen beim Schein der Lampe und eines Kohlenfeuers, das wir gegen die fauligen Dünste vor der Zelttür angezündet hatten. Das Gezücht hatte, von der Hitze angezogen, sein kaltes Felsenbett verlassen und schlängelte sich gerade auf die Brandstelle zu. Hätte ich mich gerührt oder Zela Lärm geschlagen, – ich wäre tödlich verwundet worden. Als es einige Schritte fort war, weckte mich Zela. Ich fuhr hoch, und schon folgte ich der Schlange. Sie hörte mich, hob den Kamm und sicherte nach mir. Im Stutzen war grobes Schrot, und ich gab ihr die Ladung unterm Kopf in den Leib. Ein Mann, der dicht neben dem Zelt schlief, sprang auf und fiel stracks nieder, – hatte ich ihn etwa ausgelöscht?

Jetzt stürzte der Häuptling mit dem Gefolge herbei. Ich wies ihm das Ungetüm, das noch neben der Asche zuckte. Bei dem Knall hatte er sich auf ein Gefecht gefaßt gemacht; als er aber sah, was los war, schien er ärgerlich: »Pah, bloß 'ne Viper! Man braucht kein Pulver zu vergeuden und andre Leute zu stören, um lästige Würmer zu vertilgen; es gibt Tausende hier. So macht man's!« Dabei rammte er ihr den Speer durchs Haupt und preßte sie in die Glut. Sie ringelte sich nach und nach um den Schaft, bis der Schwanz seine Hand berührte. Dann rollte er sie ab: »Wenn Sie sie zehn Minute reinhalten wollen, bis sie durchgebraten ist, läßt sie sich ausgezeichnet essen.« Als sie verendet war, bedeckte er sie mit Asche: »Etwas zum Frühstück!« und kehrte zu seiner Schlafstätte zurück.

De Ruyter, Zela und ich wollten nicht nochmals von solchen Eindringlingen behelligt werden. Wir setzten uns an die Flamme und verplauderten die Nacht. –

Über eine bucklige Hochebene erstiegen wir endlich am übernächsten Morgen den »verzauberten Hügel«. Er hielt die Eingebornen in solch abergläubischer Scheu, daß wir wahrscheinlich als erste seit Jahrhunderten die heilige Stätte von Werwölfen und Geistern heimsuchten. Wirklich fanden sich hier die Überbleibsel einer Stadt, die de Ruyter als maurisch ansprach. Die großen Steinmassen, verschütteten Regenwassergruben und Spuren ehemaliger Brunnen waren fast ganz im Pflanzenwulst verborgen. Jede begehbare Stelle wies die Wechsel so vieler wilder Tiere auf, daß selbst der eingefleischteste Altertümler die Segel gestrichen hätte.

Wir spannten die Zelte in einer steinigen, dschungelfreien Hügelkerbe auf, rösteten einen Junghirsch, rüsteten uns für morgen und rasteten zur Nacht. Vor Tagesgrauen trommelte der unermüdliche Häuptling seine Leute zusammen und ließ die sechs Elefanten bereit halten. Kurz nach Sonnenaufgang setzten wir uns in Marsch. Zela wurde ihrem kleinen Elefanten in dem einzigen geschloßnen Howdah aufgehuckt; unsere Sattelkörbe waren offen. Vergeblich kreuzten wir umher. Zwar fährteten wir Tiger an den Lachen; aber durch die hohen Graskusseln und das dicke Gebüsch konnten wir sie nicht bis ins Lager verfolgen. Dabei trafen wir auf eine Unmenge Schweine, Rot- und Federwild. De Ruyter streifte alles sorgfältig ab und berichtete abends, er habe die Spuren dreier Tiger bis in eine dichte Dschungel bestätigt, vor der das Geripp eines unlängst gerißnen Hirsches lag.

Jubelnd und nach unserm Dafürhalten wohlgerüstet, zogen wir am Morgen aus. Nach ungefähr zwei Meilen standen wir vor einer besonders verfilzten Dschungel voller Dornsträucher und Röhricht. De Ruyter führte uns zu der Fundstelle der Knochen. Der Boden umher war matschig und aufgewühlt, das Gras zertreten. Von hier aus verfolgten wir leicht die gewaltigen Tigerfährten in das Dschungelstück. De Ruyter teilte die Gesellschaft, um alle Ausgänge abzuriegeln. Bei der Waldöffnung ließ ich Zela unter der Obhut von vier ihrer eignen Araber zurück. Dann drangen wir ein. Die größre Staffel war zu Fuß und so sorglos, als gelte es eine Wieseljagd.

De Ruyter und ich saßen ab, um Bahn zu schaffen. Die Malaien wurden in zwei Trupps gegliedert, hinter uns trotteten die Matrosen, denen wir einschärften, vorsichtig mit den Kugelspritzen umzugehen: von ihnen war mehr Gefahr zu erwarten als von dem Raubzeug. De Ruyter war sehr bedenklich, ob die Elefanten den Dschungelkönigen standhalten würden. Wie wir gegen das Gebüsch vorrückten, machten wir viel Rotwild, Hasen, Wildkatzen hoch. Wir sahen auch die Gemäuer des maurischen Palasts. Nur die Klugheit der Tragtiere konnte uns glücklich durch die verunkrauteten Geröllhaufen und Löcher steuern. Es war ein wilder, verwunschen aussehender Platz, der sogar die lärmende Fröhlichkeit der Seeleute und das widerliche Prahlen der Malaien zum Schweigen brachte. Das tiefe Trompeten und das Trampfen der Elefanten verriet uns die Nähe der Höhle. Vor uns lag ein eingefallnes Gewölbe. Es raschelte im Gestrüpp. De Ruyter rief: »Fest gestanden, Kerls!«, und ein Tiger – der erste, den ich zu Gesicht bekam – nahm uns an, sowie er sich umstellt sah. Wir rissen zugleich Funken, – ob auch mit Erfolg? Unsre beiden »Dicken« machten nämlich kehrt und preschten in toller Angst davon. Mein Mahaut (Führer) rutschte herunter, mich fegte ein Ast ab. Hussa, Schüsse von allen Seiten. De Ruyters »Turm« strandete in einer halbverschütteten Zisterne, machte sich aber geistesgegenwärtig selber flott. Wir überließen die Rüsselträger ihrem Schicksal, wollten aber die Jagd nicht abblasen. Da de Ruyter meinte, das Loch sei noch mehr befahren, gingen wir zu Fuß vor, geleitet durch den Gestank und die vertrockneten Gebeine, und beseitigten das Gesträuch. Beim Vordrücken empfing uns dumpfes Murren und scharfes Knurren. De Ruyter schrie: »Zusammengeschlossen! Eine Tigerin mit Welpen, – seht euch vor! Den Finger nicht eher krumm, als bis sie die Deckung verläßt, – haltet niedrig!«

Ein dreiviertel ausgewachsner Tiger schnellte zuerst gegen uns. Da de Ruyter die Alte erwartete, sparte er die Kugel und hieß mich ein Gleiches tun. Das Junge sah bekniffen aus und kauerte sich mauzend unter einen Busch; die andern folgten ihm. Ein Schuß gegen sie stöberte auch die schrecklich jaulende Mutter hervor. Die Flanken peitschend, vor Wut schäumend, raste sie auf uns los. Ich brannte beide Läufe ab, dann zogen wir uns ein paar Schritte zurück. Das angeblekte Tier torkelte uns nach; als es zum Sprung ansetzte, schoß es de Ruyter durchs Herz. Während des Ladens rannte mich einer der angeschweißten Sprößlinge über den Haufen. Da pfefferte ihm de Ruyter kaltblütig wie beim Taubenschießen seine Ladung in einen Lauscher; der Schädel flog beinah auseinander. Inzwischen umflöteten uns die Kugeln der fleißig in die Gegend funkenden Matrosen. Die noch übrigen Jungen sprangen angekrellt ab. »Hinter diesen Felsen!« sagte de Ruyter. »Ein Matrose geht mit 'ner Flinte um wie mit 'nem Gaul: alles wirft er nieder.«

Ein Malaie meldete vom Häuptling, daß es auf der andern Seite von Tigern wimmle; zwei hätten sie auf die Decke gelegt und dabei einen Mann eingebüßt. Nun entstand ein Getöse, eine Verwirrung wie bei 'ner Seeschlacht. Nebenbei waren diese Tiger nicht der »fliegende bunte Tod«, den ich mir eingebildet hatte: sie lagen fest an die Erde geduckt im langen Gras oder unterm Gebüsch und waren so schwer hochzubringen wie Katzen und Wachteln. Gewöhnlich mußte man einen Schuß opfern, um sie in Bewegung zu setzen. Dann suchten sie selbst durch die stärkste Dickung flüchtig zu werden; erst, wenn sie jedes Loch verlegt fanden und waidwund waren, rannten sie vor Verzweiflung blind und toll auf die Verfolger zu. Zwei mutige, kaltblütige Männer mit Doppelläufern hätten wenig zu besorgen und dürften sich kühnlich vor eine Höhle wagen. Viele entkamen nach der Ebne. Einige der unsrigen waren scharf angefaßt worden, mehr noch durch Fall beschädigt.

Ich wurde ängstlich, weil ich Zela so lange fern war. Alle unsre Leute hatten sich zerstreut. Ich begab mich allein nach der Waldblöße, wo ich sie zurückgelassen hatte. Im Näherkommen hörte ich verworrnen Lärm: Tiger, Elefanten, kreischende Stimmen. Ich hetzte vorwärts, so schnell es Gestrüpp und unwegsamer Boden erlaubten. Das wütende Knurren wurde lauter. Ich durchbrach die Dickung, außer mir vor Schreck, und sah auf Zelas Elefanten einen mächtigen Tiger, der sich mit seinen Riesenpranken an den Hochsitz klammerte, mit den Zähnen knirschte, brüllte, vor Ingrimm geiferte. Zela war nicht zu sehen, – er hatte sie verschlungen! Eine tödliche Schwäche war über mir, – ich taumelte hin und her. Aber nur einen Augenblick! Wie ein Flammenstrom durchgischtete es mich. Meinen ungeladnen Stutzen schmiß ich fort, nur mit einem langen Kris warf ich mich auf einen halbwüchsigen, lahmenden Tiger, der winselnd auf etwas biß, woran ich achtlos vorübergeeilt war. Der Elefant stampfte, röhrte, tobte, den Unhold abzuschütteln. Der prasselte herunter, hielt aber sein Opfer umklammert, das zusammengekrümmt und in ein weißes Baumwollgewand gehüllt war, wie Zela es trug. Als ich dem Tiger nahe kam, der seine Beute mit einer Brante niederhielt, fauchte er mich zornig an. Ich auf ihn zu! Da – über mir – eine bebende Stimme: »O Prophet, schütze ihn!« Rasend streckte ich den Arm aus, um dem Tiger die Waffe in die Drossel zu setzen, während er mich eben anspringen wollte. Da – als wäre Zelas Bitte erhört worden – schlug ihn der Elefant mit dem Hinterfuß nieder und wirbelte ihn ein paar Schritte weg. Eh er hoch werden konnte, hatte ich ihm den Kris in den Leib getaucht. Nun ein mächtiger, alles überdröhnender Schrei: der Häuptling! Die zählebige Katze schleuderte mich hin, und da das Junge über mich gekommen war, wäre ich ohne seine Hilfe zerfleischt worden. Er durchbohrte es mit dem Speer und grub seinen Dolch dem Alten immer wieder in den Leib. Dann zog er das leblose Biest über mir weg und half mir auf: »Ja, – ein hübscher Zeitvertreib, – das ist doch was! Wir wollen wieder in die Dschungel, – dort gibt's noch viel mehr, – wir erledigen sie alle!« Er brüllte wie ein Löwe, schüttelte den Spieß und brauste, dampfend von Schweiß und Blut, wieder in den Wald.

Mein Blick fiel auf Zela, die meine Füße umklammerte. Ich wollte sie aufheben, versagte aber, strauchelte und sank nieder. Einige Zeit war ich fast bewußtlos. Dann sah ich sie in Sicherheit und erblickte die verendeten Feinde. Alles um uns war ruhig.

»Was ist das?« fragte ich und deutete auf das Bündel weißer Fetzen.

»Der arme Mahaut. Ich fürchte, es ist aus mit ihm.«

»Ach, nur der? Ich dachte du, und du seist jetzt nur ein Geist, – mein erkorner guter Geist; denn nach meinem neuen arabischen Glauben hab ich ja zwei – einen guten und einen bösen.«

Meine Erbitterung richtete sich jetzt gegen die Araber, die aus dem Gebüsch traten. Sie waren durch Leopardenwelpen hineingelockt worden und hatten einen gefangen, nachdem de Ruyter die Alte gestreckt hatte. Ich war rasend auf sie, weil sie Zelas Leben gefährdet hatten. Schon hielt ich einem die Pistole auf die Brust – und wollte abdrücken, als eine Hand meinen Arm in die Höhe schlug und der Schuß in die Luft ging. Ich drehte mich um, den Unberufnen mit dem schwerbeschlagnen Kolben niederzuhauen. Da begegnete Zelas Auge dem meinigen, und mit ihrem leisen, eindringlichen Tonfall sagte sie: »Es ist mein Milchbruder. Wir haben die gleiche Milch getrunken. So muß auch unser Blut gleich sein. Wir wollen uns nicht gegenseitig vernichten! Hat nicht der Prophet heut den letzten Sprößling aus dem Haus unsres Vaters gerettet? Der böse Geist, der meinen Vater bis zum Tode verfolgte, ist jetzt über dich gekommen. Seine Hand ist an deinem Herzen. Laß es nicht zum Stein werden! Sein Schatten hängt über dir wie die Wolke über der Sonne und macht, daß du so schwarz, so grimmig und unversöhnlich aussiehst wie er.«

»Nein, die Sonne ist nicht verfinstert, – der böse Geist hat mich verlassen! Ich muß in die Dschungel zurück! Was mag aus de Ruyter geworden sein? Komm, steig auf deinen Elefanten! Lieber will ich dich ihm anvertraun als tausend Arabern. Das edle Tier!«

Ich gab ihr Brot und Obst, um ihn zu füttern. Er schien in düstre Betrachtungen versunken und schaute mit mehr als menschlichem Mitleid auf den sterbenden Führer. Unser achtete er nicht. Als sein Auge auf den Tiger fiel, stampfte er auf und schmetterte, als frohlocke er, den Tod des Freundes gerächt zu haben. Dann ließ er Rüssel und Gehöre hängen, als ob er sich erinnere, daß er ihn bloß gerächt, nicht auch gerettet habe. Er war selbst verwundet und schweißte, die Brust war aufgerissen, eine Weiche zerfetzt; doch bezeugte sein feuchtes, gedankentiefes Auge, daß all seine Gefühle in Schmerz um den Verlornen zusammenflossen. Er beobachtete die Araber, die eine Schleife machten, um ihn wegzuschaffen. Er wollte nicht fressen, selbst als ihm der Mann aus den Augen gekommen war. Ich legte die Bambusleiter an, und Zela erstieg den Tragsessel. Er rollte den Rüssel herum. Als er merkte, wer es war, stöhnte er leise.

Zum Dank, daß er uns zweien das Leben gerettet, hätte ich ihn gar zu gern behalten und gepflegt. Beim Scheiden küßte ihn Zela, weinte und schnitt ihm einige Borstenhaare neben den Ohren ab; um einen Ring mit seinem Namen gelegt, trage ich sie immer mit mir.


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