Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

XXXV.
Herzog Christophs Tod und Begräbnis.


Historische Anmerkung

Der Teil des Klosters, in welchem Christoph war, hieß » Haus Trabonet«, in welchem Fürsten und andere ansehnliche Herren Unterkunft fanden.

Herzog Christophs Trauergottesdienst fand in München in der Liebfrauenkirche statt. – Dann heißt es:

am Tag Cosmæ et Damiani hett hertzog Georg zur Landshuet bey der Fürsten von Niderbairn gräbnuß zu Seldenthal (Seligental) hertzog Christoffen besingen lassen vnd ist selbst dabey gewesen vnd hat die 3 Ambt zue yedem 2 sexer geoppfert und zue dem letzten 20 Maß wein vnd so vil Zwaiersemmel. Die Ambt sungen 3 gejnfelte Aebbt, die haben zue Hof geßen vnd jedem Laienpriester gab man für meß vnd vigil XV. Pfennig.« ...

Zu Rhodus hinterließ Christoph:

1) 12 gering goldene Ketten mit Kreuz, ein Kreuz mit Perlen und Hyazinthen, 3 Dukaten wert, und 5 Ringe. Auf einem war als Vignette Christophs Wappen, auf dem zweiten war ein Diamant, 3 Dukaten wert, der dritte war mit einem Rubin geziert, darauf Buchstaben standen, 3 Dukaten wert, auf dem vierten war ein Türkis, 1 Dukaten wert, der fünfte war klein ohne Zier. Alle zusammen wogen 3 Unzen Gold.

2) 320 Venetianer Dukaten bar in Gold. Davon waren zu bezahlen für Trauerkleider 62 Dukaten, Apotheker 16 Dukaten, Lichtgeld, Almosen usw. 26 Dukaten, Gewand (der Leiche) 10 Rhod. Gulden, Kleidstucke (noch zu Lebzeiten) 4 Dukaten, Herstellung eines » Marmordenkmals« mit liegender gewappneter Figura 42 Dukaten, Messe in der Marienkirche 5 Marzellen, das Notariatsinstrument selbst 1 Dukaten 3½ Marzellen. Das übrige wurde Christophs Kammerer Johann Milbing zur weiteren Verwendung bei Heimreise und beziehungsweise Auslieferung an Herzog Albert überantwortet.

Als Zeugen bei der Verhandlung unterschrieben sich:

Raffaelo Richa, mercatore Januensis. Aloisi Massimi, Venetiano. – Lionardo Prensi, mercato Fiorentino. – Hans Heggens, Ritter von Rhodus und frere Piere de Dindiville als Vertreter des Kardinals Peter Stolz. –

Franziskus Giberti, Notarium, artium Magister.

Frhr. v. Oefelesche Kollektio.

In der Heimat zu Schongau fanden sich in einer Christoph gehörigen Truhe: eine Schaube, drei Wamse, eines von schwarzem Samt, ein Mantel, Hut, Messer, dann einiges mit Gestein und Perlen Besetztes.

Königl. Geheimes Hausarchiv.

Infolge des Testamentes Christophs kam der Rest des zu Rhodus und Schongau Hinterlassenen an Herzog Albrecht, welcher noch einige Verpflichtungen Christophs zu tilgen hatte. Er konnte es um so leichter tun, als guter Landsitz an ihn zurückfiel, nämlich Stadt Weilheim, Schloß und Stadt Schongau, Schloß Pähl und Schloß Rauhenlechsberg, welches an Christoph statt der früher innegehabten Stadt Landsberg überlassen worden war. Zudem ersparte Albrecht die ganze jährliche Provision. Vom gesamten Rücklaß verlangte Herzog Wolfgang, ungeachtet des Testamentes Christophs, worin Albrecht alles zugesprochen war, den dritten Teil, kam aber nicht zum Ziel.

Das von Rhodus zurückgebrachte »Schwert« Herzog Christophs dient zu München noch beim Ritterfest des heiligen Georg als Zeremonienschwert. Griff und Scheide sind von Silber. Auf der Parierstange und Scheide sind Laubverzierungen von mattem Silber auf blank silbernem Grund. Am Griff sind Rubine mit goldener Fassung. Den Knauf schmücken das bayrische und pfälzische Wappen mit goldenen Löwen auf schwarz emailliertem Grund mit silbernen und schwarz emaillierten Rauten. Unten am Griff sind zwei Wappenschilde, das bayerische und das andere mit schwarzem Kreuz. Die Figuren in den Nischen, sowie die Löwen in den Wappen stehen mit den Köpfen gegeneinander. Der Griff des Schwertes hat 11 Zoll 2 Linien, die Klinge 3 Schuh 3 Linien.

Abgebildet in Dr. H. v. Hefner-Altenecks Trachten des christlichen Mittelalters.

In betreff des Herzog Christoph bestimmten »Marmordenkmals schrieb Herzog Albrecht Anno 1495 an den damaligen Großmeister von Rhodus, Kardinal Petrus: »Er möge die Herstellung, wenn noch nicht geschehen, würdig ins Werk setzen.« Die Antwort besagte: »Es sei schon gesetzt« – und es folgte eine bildliche Andeutung desselben, welches Christoph gerüstet, mit gefalteten Händen, unter einem Rundbogen liegend aufweist. Die Abschrift des Briefes Albrechts, der Brief des Großmeisters und die Zeichnung befinden sich in der mehrgenannten Kollektio Oefele.

Hinsichtlich des »Denkmales« wird noch erwähnt, daß nächst demselben zwei Ritter begraben wurden. Der eine, Wilhelm von Einsiedel, ursprünglich Wallfahrtsgefährte Christophs, und Hans der Grans, welcher sich später angeschlossen. Sie starben fast zu gleicher Zeit mit Christoph. Der »Rest« eines alten gedruckten Reimgedichtes in der Hofbibliothek zu München von einem Meister Hans Schneider, seiner »fürstlichen Gnaden Sprecher«, welcher »hercog Christoffels von pairn mörfart auf dz allerkurczest« beschrieb, gibt davon Kunde. Es heißt da bei Andeutung des Todes Christophs:

Vnd so starb dahin d' ritter streng – Den legt man in seins Grabes Leng. Zue im zwen ritter loblich schain, Herrn Wilhalm Ainsidel was der ain, Vnd Herr Hans Grans, got sy in gnnedig Vnd Vns. (seelen auch) vnschedig! Nun da ichs nach dem grund gesagt, Auch Maister Hans dem koch geklagt, Dem ist auch laid meines Herrn tod, damit di red ain ende hot.

Wegen Rhodus wird erinnert, daß diese Insel den » Johannirittern« 1309 nach dem Verlust Palästinas als Wohnsitz übergeben wurde, worauf sie sich auch » Rhodiserritter« nannten; 1522 vertauschten sie ihren Aufenthalt mit dem zu Malta, nachdem sie sich gegen den Sultan Soliman nicht mehr zu halten vermochten.

Von den Brüdern, welche Herzog Christoph überlebten, starb Siegmund am 1. Februar Anno 1501 und wurde in der Liebfrauenkirche zu München, in einen Franziskanerhabit gekleidet, begraben.

Albrecht IV. starb am 10. März Anno 1508 und wurde gleichfalls dort begraben, sowie Kunigunde, welche am 5. August Anno 1520 im Püttrichkloster starb, wohin sie sich sogleich nach den Exequien ihres Gemahles für immer begeben hatte.


Es war im Magdalenenkloster auf der Insel Rhodus – um die siebte Abendstunde des Himmelfahrtstages Mariä.

Offen stand das hohe, gewölbte Fenster.

Das war umwuchert von gülden grün blinkendem Rebenlaub und sinnigen Schlingpflanzen von Blüten und Blumen. Die wiegten leise hin und her in den entzückend milden Lüften und kos'ten in träumerischer Berührung mit den holden Geschwistern, die vom rot marmornen Gesimse zu ihnen aufsahen aus tief smaragdfarbenem Blättergewühl.

Da lugte züchtig empor, zur Seite der Aloe, eine Schar Veilchen. Die waren überragt von wunderbar schönen, hundertblättrigen Rosen, Lilien und zartem Polyanthus mit seinen aberhundert Glöcklein – drüber erhob sich in Anmut die Selandria und über alle hinweg sahen die Datura mit ihren großen, weißen Glocken – und eine Passionsblume. Die beugte sich wehmütig in das Gemach herein. Die Glocken der Datura aber neigten sich hinaus, als wollten sie den Abendsegen läuten über alle Bäume, Pflanzen und Früchte im Klostergarten.

In dem schwangen sich Palmen, Platanen und Zedern empor. Unweit davon lehnte eine schimmernde Weißbuche, umschlungen von feurigem Granat und fein duftiger Anona. Nächst mit weitgewölbtem Blätterschoß, über Myrtengesträuch hinweg, erhob sich die Banane aus riesigem Kaktus – und in unzähliger, viel herrlich duftender Blumen und Blüten Mitte standen am schneeweißen Marmorbronn, daraus leise plätschernd ein segensreicher Quell sprang – vier Bäume mit dunkelgrünem Gelaube.

Drin schwebten glühgüldene Orangen und Zitronen.

Dort und da eilte, schillernd wie ein Opal, die Nixe des Morgenlandes dahin. Um Balsamgestäude oder am Rande der blassen Wachsblume wankt' und taumelte in trunkener Lust des Daseins ein Falter mit purpurenen Schwingen oder blauen, wie von reinstem Lazur. Da sog er in Wonne, bis er weiter wiegte und wallte und taumelte über Blüh' und Blumen und Früchte hinweg, hinaus in die Landschaft und gegen das leuchtende Meer.

Zudem senkte sich die Sonne darnieder, selbst in einem Meer von Glut – und weit draußen einher und dannen schwankten die Schiffe mit rotstrahlenden Segeln.

So war es. Friedlich selig weitaus und in der Nähe allüberall in Gottes herrlicher Natur. Und dennoch wieder allüberall, als hauchte ein Seufzen der Wehmut dahin.

Es war so schön ringsum. Und aus der schönen Welt sollte Christoph scheiden! Also war's ihm beschieden und seine Zeit war gekommen.

Heiß wurde für ihn gebetet von frommer Menge da unten im Klostergarten. In dem knieten sie unter Palmen, Platanen und Zedern, an der schimmernden Weißbuche mit dem feurigen Granat und der dufthauchenden Anona, die einen, das Haupt gesenkt auf die gefalteten Hände in leisem Flehen, die anderen beteten vernehmbar. Und oft setzten die einen ab und die anderen, den Blick scheu emporrichtend zum hohen, spitzbogigen Fenster – draus ihre großen, weißen Glocken die Datura beugte und dran die Passionsblume wehmütig ihr Haupt zum weiten Gemache hineinsenkte, darin das Sterbelager. – –

An dem stand Georg, Graf von Werdenberg, der Johanniter Großmeister. Die Ritter des Ordens zu Rhodus, viele ehrwürdige Männer der Kirche und die, so Herzog Christoph begleitet hatten, alle die standen trauervoll umher in weitem Kreise.

Friedrich von Sachsen und die Seinen waren nicht dabei.

Die zogen schon der Heimat zu.

»Wie ist Euch, hoher Herr –?« Und leise über Herzog Christoph darnieder beugte sich der Großmeister.

Es erfolgte keine Antwort.

Den Arm auf den Pfühl gestützt, auf der Brust ein schlichtes Kreuz mit einem roten Band umwunden, lehnte Herzog Christoph da, und seine Seele war sichtlich in tiefster Beschaulichkeit versenkt. Noch eine Weile, dann erhob er sein Haupt ein wenig und sagte:

»Das war ein weiter Blick, den Gott mir tun ließ, und vieles hab' ich gesehen und erkannt, was ich euch nicht sagen und deuten kann. Mein Ende aber ist nahe. Und somit euch allen, allen Dank, die ihr bei mir ausharret, bis ich aufgelöst bin!«

Langsam ließ er den Blick umherstreifen und nickte, als wolle er von allen und jedem im einzelnen Abschied nehmen. Drauf richtete er seinen Blick zum Großmeister und sah ihm mit großer Innigkeit in das tränenfeuchte Auge.

»Euch meinen heißesten Dank,« sagte er, »Euch, der sich so edel an mir rächt!

»Ich hab' voreinst Euerer Schwester Gemahl, den Grafen von Abensberg, in Rache überfallen, daß er erlag.

»O wie wundersam sind Gottes Wege! Dies geschah durch mich und nun führte er mich zu Euch, der Ihr so gerechten Groll im Herzen tragen könntet.

»Ihr aber verzieht mir, nahmt mich auf in meines Leibes Schwachheit und pflegtet mein in väterlicher Sorge!

»Glaubt mir, tief hab' ich's von je empfunden, ich hätt' mich nicht rächen sollen – denn Verzeihung ist des Christen heiliges Gebot. Ich tat Buße. Aber Gott wollte, daß ich meine Schuld, deren ich gar bald und nach kurzer Siegesfreude bewußt ward, daß ich sie nicht allein des Priesters Ohr anvertraue – ich sollte sie laut und offen bekennen, auch vor anderen Mitmenschen.

»Das tu' ich nun vor euch allen.«

Er schwieg eine Weile. Dann fuhr er fort:

»Ich lag da bei wachen Sinnen. Doch träumte ich. Und mir war, als sei meinem sterblichen Aug' keine Grenze gesetzt und kein Ziel, so daß ich zu sehen vermöchte in die weiteste Ferne.

»Da war mir, als säh' ich in deutsche Gaue, gen das Land ob der Enns und in Kaiser Friedrichs Pfalz zu Linz.

»Da erkannte ich ihn, wie er auf seinem Pfühle lag, abgeblaßt und erschöpft von schweren Leiden, die er überstanden. Ich sah, wie er begierig nach Kühlung auf etliche erfrischende Früchte in goldener Schale deutete. Die wollten sie ihm nicht geben, bis er zürnend Gehorsam forderte. Da nahm er die Früchte zu sich und aß – und hat seinen Tod zu sich gegessen. Den seh' ich unwandelbar voraus. An Sankt-Sebalds-Tag kommend wird er sterben.

»Sein viel herrlicher Sohn Maximilian wird Kaiser.

»Ihm aber ist nicht vergönnt des Vaters Augen zuzudrücken, denn er ist zu Innsbruck – und ahnt nicht, was dem Kaiser und Vater bevorsteht.«

In heiliger Befremdung wandte der Großmeister sein Antlitz rings auf alle. Wieder nach einer Weile fuhr Herzog Christoph fort:

»Ich hab' meine Schuld am Abensberger bekannt. Nicht minder bereu' ich den Zwist mit meinem Bruder.

»Wohl trieb mich nicht eitle Herrschbegier. Vielmehr folgte ich dem Rufe meines Rechtes.

»Doch besser, hätt' ich's nicht geltend gemacht. Viel Blut ist geflossen, das wär' anders nicht geflossen – und viel mehr Segen entsprießt, wo einer das Regiment hat, statt ihrer zwei.

»Und sie wird kommen die Zeit, wo kein Brüderzwist mehr waltet, wo einer als der Herr erkannt wird, wie Kaiser Ludwig es geboten.«

Er richtete das Auge zu seinen Waffen. Die hingen ihm gegenüber an der Wand. Und er verlangte sein Schwert.

Wehmütig sah er es an und sprach:

»Was Großes nahm ich mir vor, und was Weniges doch zur Ehre Gottes vermochte mein Arm zu vollführen!

»Als ich das erkannte, ein Zeichen gewann und mich aufmachte der Ungläubigen unheiliges Walten zu prüfen, auf daß ich dann wiederkehre, meinen Ruf in deutschen Landen erschallen zu lassen und mit Heeresmacht heranzuziehen, des Erlösers Grab zu befreien – mindestens ein Beispiel zu geben, daß der Menschen Eifer neu erwache – da vermeinte ich wohl, ich sei ausersehen und recht hätt' ich das Zeichen verstanden und erfaßt.

»Aber es war anders zu deuten.

»Ich sollte fort, gegönnt sollte mir sein die heilige Stätte zu betreten. Aber heim sollte ich nimmer, und mein Ruf sollte verhallen im engen Haus des Grabes meiner selbst. Hieher war mir beschieden zu flüchten, zu Euch – daß ich ein anderes erkennen möge als meines vermessenen Wunsches und Wahnes Erfüllung.

»Erkennen sollte ich, daß ich mich selbst reinigen müsse von Schuld, statt soviel tausend anderer Schuld zu bestrafen.

»Des Christen Herz ist wie des Heilands Grab. Draus will er siegreich von Ewig zu Ewig erstehen. Also soll ihm keine Schuld nahen. Wer aber sein eigen Heiligtum befrevelt, wie soll er rächen den Frevel der Ungläubigen am Heiligtum aller?«

Er stützte sich auf das Schwert und fuhr fort, indem er sich zu den Deutschen wandte:

»Wenn ich nimmer unter euch und tot bin, so nehmt meine Waffen zu euch und bringt sie heim in mein vielgeliebtes Land Bayern. Sie mögen bewahrt werden zum Andenken an mich in Gutem – und in Bösem. Das Gute sollen sie tun, das Böse aber sollen sie lassen! Das Gute aber liegt so nahe – und das wird so leicht verkannt und übersehen. Möcht' ihr Auge darauf haften, auf daß sie nichts Böses vollbringen!«

Noch einen Blick sandte er auf die Waffen an der Wand und lange ließ er ihn auf seinem Schilde haften.

Ein kaum sichtbares Lächeln umzog seine Lippen.

»Mich bedünkt, ich sehe in kommende, minder rauhe Zeiten und seh' den Schild annoch in Ehren, so daß mancher Edle, so zu Sankt Georgen schwört, auf ihm seinen Eid ablegt!«

Lange schwieg er dann und versank in tiefes Sinnen.

»Was wundersam friedreiche – oder tatenlose Zeiten werden das sein –!« lispelte er.

Übereins richtete er sich mühsam, auf des Großmeisters Arm und sein Schwert gestützt, empor und verließ das Lager.

»Lasset uns beten!«

Mit des Großmeisters Hilfe kniete er nieder und alle rings taten desgleichen. Dann sprach er, die rechte Hand auf dem Herzen, die linke auf dem Griffe des Schwertes und seinen Blick gegen Himmel gerichtet:

»Mein Gott und Herr! Einst kniete ich in voller Lebenskraft vor einer hold frommen Frauen Sterbelager und betete zu dir mit Mut. Denn ich war mir keiner Sünde und bösen Neigung bewußt.

»Hat dein allsehend Auge dennoch einen Fehl erkannt, so vergib du mir! Denn ich bereue all und jedes, was dir nicht zu Gefallen ist, und wär' es in der Menschen Auge rein, wie der Sonne Licht!

»Und ich seh' auch zurück auf meine heißgeliebte Mutter!

»Das tu' ich mit viel Kummer und Gram. Denn oft hat sie geseufzt um mich. Wohl sprach sie mir in allem Streit das Recht zu, und ohne Schmerz kein Streit. Aber hätt' ich entsagt, wär' ihr minder Gram erwachsen!

»Weit von da liegt sie, zur Seite meines Vaters, dem ich sein Grab mit eigener Hand zudeckte, als ich ein Jüngling war. Bei denen zweien und meinem Bruder Johannes dacht' ich einst zu ruhen auf dem heiligen Berg Andechs. Du hast es mir versagt, und auf fernem Eiland ist meine Stätte. Dein Wille geschehe. In Demut nehm' ich an deine Fügnis – und heißen Dank sag' ich dir, o Gott, daß ich sie, von denen ferne ich sterbe – daß ich sie nennen durfte Vater und Mutter!

»Denn sie haben mich gelehrt von früher Kindheit an dein ewig heiliges Wort und zu tun wie einem Christen ziemt. Das haben sie eingepflanzt und gesenkt in mein Herz mit Liebe und ausdauernd treuem Eifer. Und jedwedes Fädlein, so meine Seele an das Heilige und Wahre knüpfte, das ist erstarkt worden und recht gekräftigt nur durch ihr unablässig Walten und Mahnen – auf daß du in Huld auf mich sähest und ich in Demut zu dir! Sie haben mich gelehrt zu streben nach dem Guten und der Menschen Liebe zu stellen über ihre Furcht vor mir. Also dank' ich ihnen alles, was weniges vor deinen Augen Gerechtigkeit finden kann – all' anderes, was dir mißfällt, ist geschehen im Vergessen ihrer Mahnung und aus meinem eigenen Willen!

»So trag' ich kein Verdienst, aber ich trage all meiner Sünden Schuld. Das bekenn' ich vor dir, o mein Gott!« –

In leises Schluchzen brachen alle ringsum aus. Seine Diener, der Philipp und der Johannes, zumeist. Denen wollte es schier das Herz abstoßen vor stillem Schluchzen. Das entging ihm nicht. An des Großmeisters Arm richtete er sich auf, dankte all seinen Dienern für ihre Lieb' und Treu' und für viel sichtbaren Schmerz. Den Philipp und den Johannes aber entbot er zu sich her. Ein sanftes Lächeln des Wohlwollens überzog sein Antlitz, als jene näher traten und er sagte:

»Johannes, nun sind wir zu Ende mit Tafel und Rittergezech – und mit Gejaid, Ringen, Werfen und Springen auch soviel. Siehst du, Philipp! Aber das alles ist eitel irdisches Werk und nun gar wenigen Wertes vor meinen Augen. Nur so viel lacht mich an aus der vergangenen Zeit, daß mir Gott vergönnt, auch euch zwo treue Diener um mich zu sehen, die ich leider so wenige Jahre mein nannte!

»Was euch dienlich sein mag zu leiblichem Wohle, dafür hab' ich gesorgt. Euerer Seele Heil stell' ich euch als guten Christen zu eigenen Handen, und nichts vermag ich, als ein armer sterblicher Mann, denn euch meinen Scheidesegen zu geben. Den nehmt hin, ihr Biedere, Treue – Gott sei bei euch und lasse euch nie auf die Pfade des Bösen geraten. Das gilt auch sonderlich deiner Gertraud, mein Philipp!«

Er lehnte das Schwert weg und legte ihnen die Hände auf.

»Kehrt heim und bringt meinen Segen auch den Brüdern, der Herzogin Kunigunde, ihren Kindern und all anderen. Meinem Bruder, dem Herzog Albertus, sagt, ich hätte ihm alles verziehen, was er mir angetan. Er möge mir hinwieder nichts in der Erinnerung nachtragen. Sagt ihm, ich hätt' ihn wohl gerne noch gesehen und meine anderen lieben Brüder auch, den Siegmund und Wolfgang. Aber es soll ja nicht sein. Und meine Freunde, den Parzival von Puchberg und den Sigenheimer, seh' ich auch hienieden nimmer. Grüßt sie mir alle recht von Herzen – und so alle, von denen ihr wißt, daß sie mich liebten, wo ihr sie trefft, oder wo sie selbst nach mir fragen!

»Und allen meinen Feinden vergebe ich.

»Freund und Feind aber sagt eines. Das ist, meine größte Kraft sei der Glaube gewesen – und nun ist er mein bester Trost. Daran sollen sie sich erinnern, wann sie zu München hintreten unters Orgelhaus zu Unser Liebfrauen und sehen den Stein und die Spur meiner Ferse, so der Jörg von Halsbach tiefer eingrub. Da sollen sie nicht so fast stehen im Gedächtnisse meiner irdischen Gewalt, als vielmehr im Ermessen der Hinfälligkeit alles Weltlichen – und des alleinigen Bestehens des Göttlichen! Da sollen sie bester Entschlüsse voll werden, den Stein zu frommer Mahnung dienen lassen – und sich und den Ihren den Glauben tiefer und tiefer in die Herzen graben, in jedwedem derselben die Spur wohl zu finden ist!

»Das sagt und verkündet – und nun das Letzte!« lispelte er.

Es schwand eine Weile dahin und sichtlich kämpfte er, ob er sprechen sollte oder nicht. Wie fragend richtete er sein Auge gegen Himmel. Allmählich verschwand der tiefe Ernst auf seiner Stirne, und jeder glaubte in seinem Auge zu lesen, er habe des Himmels Zustimmung zu dem gewonnen, was er sagen wolle oder tun.

Herzog Christoph aber entblößte seinen linken Arm ein weniges.

Da zeigte sich, daß er ein kostbar güldenes, mit Edelgestein reichbesetztes Armband trage, wie das keiner vermutet hatte. Dies Armband nahm er ab und sagte zum Johannes und Philipp:

»Das Kreuzlein, so ich da auf meiner Brust trage, nehmt nicht von mir und gebt mir's mit in mein Grab! Dies Armband aber bringt der treuen, edlen Gemahlin meines Bruders Albertus, der Herzogin Kunigunde! Sagt ihr, ich hätte es bewahrt in Erinnerung an die frohe Jugendzeit, in der sie es mir beim Turnier zu Wien gegeben. Da sei es ein lustsam übermütiger, doch leichter Sieg gewesen. Nun schenke ich es ihr zurück inmitten eines schweren Streites!

»Und sagt ihr, die Worte, so sie in München am Erker gesprochen in so vielem Vertrauen – die seien mir tief zu Herzen gegangen und tiefer, als ich hätte sagen können!

»Was ich aber gesprochen, das sei wahr gewesen, und kein Groll und Widerwille habe dazumal mehr in meinem Herzen gen meinen Bruder gewaltet – und ohne Groll und Widerwille schiede ich von hinnen!

»So möchte sie meiner im Gebet gedenken, wie auch ich bei Lebzeiten für ihr leibliches Wohl und das ihrer Seele betete!«

Er ließ das Armband in der Diener Hände sinken und lehnte sich in des Großmeisters Arm ein wenig zurück. Ganz bleich waren seine Wangen, und so lehnte er lange regungslos.

Dann plötzlich erbebte er sichtlich.

»Mein Gott!« lallte der Großmeister und wollte ihn auf den Pfühl niederlassen. Aber Herzog Christoph widerstrebte, in letzter Kraft raffte er sich empor, griff zitternd nach seinem Schwerte, darauf stützte er sich mit der Rechten – mit dem linken Arme lehnte er an des Großmeisters Schulter – zum Himmel sah er und flehte mit gebrochener Stimme:

»O Herr und Gott, deiner Erbarmnis empfehle ich – meine Seele – o sende mir einen Strahl – der Hoffnung – daß ich zu dir – komme!«

Da war's in seinen Augen, als sähen und erschauten sie der Bitte zwiefache Erfüllung – um Christophs Mund spielte ein unaussprechlich glückseliges Lächeln, und wie gehaucht flüsterte es von seinen Lippen:

»O Geist meines Vaters – meine Mutter Anna – mein Bruder – und du – Margaret – o du süßes Traumbild – meiner Jugend – ihr – ihr schwebt vereint darnieder – zu mir – und winkt – – –

»Ich komme – ich komme!«

Noch einen Seufzer – und er sank zurück an des Großmeisters Brust. Fest gestützt stand das Schwert. Das hatte die Rechte im Tode nicht verlassen.

»Herzog Christoph ist nicht mehr« – erging's in wehmütigster Klage – »du edler Held, so früh mußt du scheiden!«

Und alle drängten sich hin. Ergrauten Männern rannen Tränen über die Wangen.

Auch ihm, der da lehnte. Zwo lichte Zähren flossen langsam darnieder – und der Sonne letzter Strahl traf sein verklärtes Antlitz.

So war's voreinst bei der Margaret von Sigenheim.

* * *

Zwei Tage lang ruhte die irdische Hülle des Geschiedenen im großen Rittersaale des Magdalenenklosters. Der Saal war schwarz ausgeschlagen und einhundert Wachslichter brannten Tag und Nacht um den Sarg.

Da war großes Leid unter den Menschen auf der Insel Rhodus unter hoch und nieder, und alles zog herbei Herzog Christoph zum Grabe zu geleiten, der Ritter Zier, den Ruhm der deutschen Lande.

Tags darauf um die dritte Nachmittagsstunde wallte der Trauerzug zur Kirche Sankt Antons, darin Herzog Christoph seine letzte Ruhestätte finden sollte.

Zuvörderst schritt ein Trauerherold.

Hinter demselben trug ein Ritter das bayrische Panier.

Das war mit einem Trauerflor umzogen.

Drauf kam eine große Zahl Geistlicher. Von denen sangen ihrer zwanzig einen erhabenen Gesang. Der wechselte ab mit trauervoller Weise von neun Posaunen. Drauf folgten zwölf Jungfrauen von Rhodus.

Die streuten Astern und Lilien auf den Pfad.

Nächst kam der Sarg. Der war mit einem schwarzsamtenen, schwer mit Gold versetzten Bahrtuche bedeckt. Zu Haupten waren Herzog Christophs Schwert, Helm und Schild zu sehen. Die waren gekrönt mit zwo herrlichen Kronen von Lorbeer und von Myrten und mit viel reichen Gewinden von wunderschönen Blumen durchwoben.

Den Sarg trugen acht Ritter in schwarzen Samtgewändern, und zu beiden Seiten schritten mit brennenden Wachskerzen Herzog Christophs Diener und Begleiter – zu oberst rechts und zur linken Hand der Philipp und der Johannes.

So wurde der Sarg hingetragen – hinter demselben führte Erhard, des Herzogs Stallmeister, das schwarzbehangene Leibroß.

Drauf kam der Großmeister von Rhodus inmitten zweier Bischöfe und hinter diesen dreien die ganze Zahl der Johanniter, drauf alle fremden Ritter und Kriegsführer, so zurzeit auf der Insel waren.

Alle die Ritter und Kriegsobersten waren in schwarze Gewänder gekleidet und trugen brennende Wachskerzen.

Hinter denen allen schritten die Reisigen, die Wallfahrer aller Lande, das Volk von Rhodus, Männer, Jünglinge, Frau'n und Jungfrau'n. Da war nicht einer und nicht eine, so nicht ein Trauerzeichen getragen hätte, und die wenigsten waren es – schier keine – so nicht weinten.

Droben hoch in Lüften aber, von nah und ferne, tönten wehmütig die Totenglocken.

Zu Sankt Anton die große Dominika.

Und zu Sankt Anton trugen die Ritter den Sarg hinein.

Dort stellten sie ihn hin und es beteten hoch und nieder, Weltlich und Geistlich, noch viel vor demselben – bis sie ihn darniedersenkten in die kühle Gruft – – –

In der schlief nach vielen Kämpfen des Schwertes und des Herzens unser großmütiger, biederer, soviel herzensreiner Herzog Christoph.

Dort zu Rhodus schläft er von da bis zur Stunde, weit ab von uns.

Gott vergeb' ihm seine Fehltritte und geb' vollen Preis seinen Tugenden!

Also verleih' er ihm selige Urständ' am Tage des Gerichtes!


 << zurück weiter >>