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XIX.
Das Turnier zu Landshut.

Vom Turnier zu Landshut berichten u. a. Adlzreiter, Ertl in Rel. cur. bavaricæ.

Im Jahre unseres Heiles 1474 sorgte Herzog Ludwig der Reiche von Niederbayern, daß seinem Sohne, dem Herzog Georg, ein treffliches Ehegesponse zuteil werde. Es fiel die Wahl auf die Hedwig, des Königs Kasimir von Polen Tochter, und da der Bischof Heinrich von Regensburg für den Georg warb, sagten der König, seine Gemahlin und die Hedwig mit Freuden ja.

Ward demnach die wichtige Angelegenheit auf beste Weise geordnet, der Herzog Georg kam demnächst auf Besuch nach Polen, waren Braut und Bräutigam, ganz froh, sich einander angehören zu dürfen, und wär' nichts im Weg gelegen, hätten sie lieber heute als morgen Hochzeit gehalten. Das ging aber nicht an, und so mußte die Hochzeit bis ins nächste Jahr verschoben werden.

Als es an der Zeit war, machten sich der König von Polen und die Königin mit ihrer schönen Tochter auf, begleiteten sie bis Posen und übergaben sie dort zweien Woiwoden, dem von Kalisch und dem von Lenczincz. Diese brachten sie weiterhin bis Land Bayern und gen Landshut. Im Gefolge aber waren an polnischen Edelleuten, Grafen, ihren Frauen und Töchtern allein siebzig – die Diener ganz ungerechnet.

So nun Herzog Ludwig der »Reiche« genannt wurde, betätigte er die Wahrheit in der Zeit aufs beste, denn die Hochzeit kostete siebzehntausend sechshundertsechsundsechzig Dukaten.

Das war das wenige Geld nicht, ist aber auch in acht Tagen das Wenige nicht verzehrt worden. Das waren 300 ungarische Ochsen, 62 000 Hühner, 5000 Gänse, 75 000 Krebse, 75 Wildschweine, 126 Hirsche, 170 große Fässer Landshuter Wein – den mußten die Reisigen und das Gesinde trinken – weiters 200 Fässer fremden Weines und vom welschen aller Art 70. Was Kälber, Schafe, Ferklein, Vögel und Federwild, das ist auch schier unglaublich – und doch wahr, gerade wie mit den Eiern. Deren verbrauchten die Köche nicht weniger denn 212 000. Und was die Rosse betrifft, werden sie auch so viel Mangel nicht gehabt haben, denn ihrer 9260 ist zwar eine schöne Zahl, aber 1772 Scheffel Hafer ist auch ein Wort.

Item da wurde gekocht, gesotten und gebraten, daß man es früher noch nie so erlebt hatte und vom Zuviel war keine Rede, denn die Hochzeitsgäste waren nicht allein freigehalten, sondern alle, die da von Landshut waren oder auf Besuch dahin kamen, konnten essen und trinken, was und wieviel sie wollten und so ein Wirt, Bäcker, ein Fleischer oder Fischer Geld annahm, verfiel er in Strafe, weil der Herzog Ludwig verrufen hatte lassen, er zahle alles und er wolle, daß die Leute acht Tage lang ins Blaue lebten.

Da war ihnen freilich fast wohl zumute und ließen sich Speis und Trank munden von früh bis abends, hinwieder hatten die hohen Herren auch ihre Freude an der Freude, und – solcher großen Herren waren viele da.

Fürs erste einmal der römische Kaiser Friedrich selbst. Der war nebst Otto von Neumarkt Brautführer gewesen – mit ihm sein Sohn, der Erzherzog Maximilian. Dann Herzog Siegmund von Tirol, der Markgraf Albrecht von Brandenburg samt seinem Sohne Friedrich und dessen Gemahlin, ferner der Pfalzgraf Philipp samt seiner Ehefrau Margaret, der Pfalzgraf Otto und sein Bruder Johannes, Herzog Albertus von Bayern und der Herzog Christoph waren auch zugegen, der Graf Ulrich von Württemberg und sein Sohn Eberhard nicht minder, wieder Ladislaw, der Prinzessin Hedwig Bruder, Albrecht, Markgraf von Baden und die Brüder zu Leuchtenberg samt ihrer vierzig Reichsgrafen und einer großen Zahl fürstlicher und gräflicher Frauen und Jungfrauen.

Das waren die Weltlichen. Es hatten sich aber auch geistliche Herren eingefunden, wie der Erzbischof von Salzburg, die Bischöfe von Freising, Bamberg, Passau, Augsburg und Eichstätt.

Andere, die nicht in Person erschienen waren, hatten Gesandte geschickt. So der König von Böheim, der Bischof von Würzburg, die Kurfürsten von der Pfalz und von Sachsen, der Großdeutschmeister, Eberhard der Ältere von Württemberg und acht Reichsstädte. Die waren Regensburg, Augsburg, Nürnberg, Ulm, Frankfurt, dann die kleineren, wie Nördlingen, Dinkelsbühl und Donauwörth.

Da sieht nun jeder, was vornehm und mächtige Leute beisammen waren, davon gar mancher schon herrliche Taten vollbracht hatte. Es war aber einer leutseliger und bescheidener, als der andere – stand ja doch der Kaiser über allen an Hoheit – und Herzog Christoph an Kraft und Rittertugend.

Nur ein einziger im Gefolge der Hedwig fand sich, der hochmütiger war, als der Kaiser, Herzog Christoph und alle anderen miteinander, vom Haupt bis zu seines mächtigen Wallachen Hufen von gediegenem Silber.

Derselbe Hochmütige war der Graf von Lublin, ein gewaltig großer und feister Herr aus dem Litauischen.

Als nun der Graf von Lublin das Turnieren, Rennen und Gestech der deutschen Ritter sah, lachte er darüber, verachtete es, gleichwie ein Kinderspiel und vermaß sich ganz anderer Kraft und besseren Geschickes. Ging darauf her, bot allen anwesenden Fürsten und Grafen ein Scharfrennen an und setzte tausend Gulden.

Die sollten dem gehören, der ihn besiegte.

Es fand sich aber keiner, der ihn, diesen »vierschrötigen Fierabras«, zu bestehen getraute, und hielt es Herzog Georg von Landshut mit Recht für eine große Beschimpfung seines Beilagers und für eine große Schande aller deutschen Ritter, so sich gar niemand fände, den frechen Polacken zu züchtigen.

Weil nun Herzog Christoph anderen auch eine Ehre lassen wollte, sagte er nichts und hoffte, es sollte doch der oder jener Graf vortreten, es – zeigte sich aber keiner.

Deshalb wandte sich Herzog Georg an den Kaiser Friedrich und bat ihn, er möchte doch Mittel machen, daß der Herzog Christoph den Streit aufnehme. Der Kaiser war gerne bereit, entbot den Herzog Christoph zu sich und sagte: »Der Polack mit seinem Hochmut sei ihm das Wenige nicht zuwider, da müsse einer her und ihm denselben vertreiben und unter allen Fürsten und Grafen sei keiner des Sieges sicher, wie er, der Christoph. Also sei sein gnädiges Begehren, er solle den Kampf unverweilt annehmen.« Dabei teilte er ihm mit: Der Vetter Georg habe ihm noch eintausend Gulden als Preis ausgesetzt.

Sagte Herzog Christoph: »Des Geldes wegen unternehm' er sicher nichts, weil aber der Kaiser so treues Vertrauen auf ihn allein lege, sei er mit Freuden bereit und in zwei Tagen wolle er mit dem Polacken ein Treffen liefern, daß der fürhin sicher bescheidener von den Deutschen spreche.«

Diese Antwort machte Kaiser, Fürsten und alle anderen ganz froh – und den Grafen von Lublin auch, als ihm angezeigt wurde, er sollte sich zum Stechen rüsten. Denn Herzog Christoph dünkte ihm keineswegs gefährlich und hätte sich's nicht besser wünschen mögen als den zu werfen, der von allen der mutigste und stärkste genannt wurde.

Als der dritte Tag und die Stunde des Kampfes erschien, gab es ein großes Gedräng rings um den Turnierplatz, denn alle Welt war begierig, des Polacken Niederlage mit anzuschauen; der Kaiser Friedrich, Erzherzog Maximilian und alle sonstigen Fürsten, Grafen und Herren, desgleichen die Hedwig von Polen samt allen anderen Fürstinnen, Gräfinnen und sonstigem Frauenzimmer hatten sich auch ganz voll Begierde eingefunden.

Der erste der zwo Kämpfer, so ankam – war Herzog Christoph. Der ritt auf seinem starken, tätigen Schimmel, den er oft in dergleichen Schimpf gebraucht und bewährt gefunden. Wie er in edler Kühnheit daherritt, schlug allen das Herz vor lauter Freude und entstand ein Geschrei zu Preis und Ermutigung, das kaum mehr enden wollte. Dafür dankte er hie- und dorthin mit Hauptneigen, hielt an und wartete ganz ruhig, bis der Polack angerückt käme. Und wie da Christoph zu Roß so wartete, schien's etwan, als sei er, auf einem Ritt durchs Land begriffen, just eines Feindes Nähe inne geworden, hielte demnach ein wenig an und dächte: Wir werden dich gleich haben, daß ich wieder fürder reiten mag.

Weil nun der Graf von Lublin noch eine ganze Viertelstunde lange ausblieb, glaubten viele, er habe sich von Herzog Christophs Stärke erzählen lassen, also daß es ihm nicht geheuer schiene, sein Wort zu lösen.

Er kam aber doch dahergeritten, und wie er so hinschaute, las jeder in des Polacken Gesicht Stolz und Verachtung sondergleichen, ganz aufgebläht saß er auf seinem silberbeschlagenen Wallachen, daß er hätte platzen mögen und auftrat er mit dem Roß, als wolle er den ganzen Erdboden einstoßen. So ritt er in die Schranken und etliche Schritte vor Herzog Christoph hielt er still.

Der grüßte ihn nach Sitte, redete ihn auf lateinisch an und sprach: »Hie zu Land sei es Sitte aller Welt zu zeigen, daß ein jeder aus frei ritterlichem Gemüt und ohne allen Vorteil kämpfe. Damit nun das vor jedermann erscheine, sollte er von seinem Roß absitzen und tun, wie er ihn tun sehe.«

Auf diese Worte sprang er ohne Beihilfe in vollem Rüstzeug aus dem Sattel.

Der Graf von Lublin war über Herzog Christophs Anmuten ganz erschrocken, wollte vom Absteigen nichts wissen und meinte, derlei Beweise und Verzögerung bedürfe es nicht.

Weil aber Herzog Christoph erfahren hatte, daß der Polack zwei feste Bünde am Sattel und an seinen Füßen habe, wollte er die schnöde, unritterliche List nicht ungestraft lassen und bestand auf seinem ersten Verlangen. Blieb demnach dem Grafen nichts übrig, denn Folge zu leisten. Konnte sich aber keineswegs so ohneweg vom Sattel heben, weil er angebunden war und mußte erst die Seinen herbeirufen, daß sie ihm die zwei Bünde abschnitten. Drüben entstand ein großes Gelächter und fielen, wie billig, unzählige Spottworte, bis derselbige Polack mit vieler Hände Nachhilfe aus dem Turniersattel und auf den Stechplan gelangte. Schritt sofort auf Herzog Christoph zu, bot ihm die Hand und versprachen sich beide ein redliches, ritterliches Treffen.

Hierauf trat Christoph zu seinem Schimmel, legte die linke Hand auf den Sattelbogen und schwang sich, wie vorher vom Roß, so wieder in voller Rüstung hinauf. Das tat ihm kein Ritter in der ganzen Welt nach. Großes Jauchzen erhob sich weitaus, und der Kaiser, alle Fürsten und Grafen, die Fürstinnen und anderen Frauen verwunderten sich höchlich. Der Graf von Lublin aber zumeist. Hatte er vor kurzem noch von leichtem Sieg geträumt, nunmehr bedünkte ihn derselbe doch noch in Frage zu stehen, und wär's ihm nicht zu große Schmach gewesen, er hätte gern seine tausend Gulden fahren lassen und wär' fortaus und ins Polnische geritten, daß er dem Christophel aus Land Bayern entkäme.

Nachdem weiters Stangen und Stechzeug, wie es die Turniersitte bedang, besichtigt und wohl geprüft waren, ritten der Herzog und der Polack auseinander an zwei Enden der Bahn, legten ein und rannten aufeinander los, daß beide Turnierlanzen zersplitterten und die Trümmer hoch in die Luft fuhren.

Dabei blieb Herzog Christoph, der ehevor aus und in den Sattel schier geflogen war, fest wie ein Turm sitzen. Der schwere Polack aber flog so leichtfertig seinem Roß über den Rücken hinab, daß er zwei Mannslängen weit hinter demselben niederstürzte.

Unbeschreiblicher Jubel erhob sich, und was freudiges Wort zu Ruhm, Ehr' und Dank einem Ritter gezollt werden kann, das ward dem Herzog Christoph von Kaiser, Fürsten und vom ganzen Volk zuteil.

Also hatte Herzog Christoph den übermütigen Grafen von Lublin besiegt, seine Hoffart erniedrigt und der ganzen deutschen Ritterschaft Ehre gerettet.

Der Polack seinerseits erhob sich so viel leicht nicht mehr vom Plan, als er dahin gelangt war, und wollte sich von den Seinen wieder auf den silberbeschlagenen Wallachen setzen lassen. Der war aber ganz scheu geworden, daß sich männiglich verwunderte. Da ließ ihm Herzog Christoph ein treffliches Roß vorführen, das er um hohen Preis gekauft hatte. Das machte er dem Polacken zum Geschenk – und als er das Geld empfangen sollte, lächelte er und sprach: »Ich kämpfe nit für Geld und Gut!« Damit stellte er dem Grafen seine tausend Gulden zurück.

Da war der Polack über Christophs Kraft und Großmut gleichauf erstaunt, ritt alsogleich in Zorn und Scham von dannen und zur Stadt Landshut hinaus, aber nicht gar schnell, denn es war ihm nicht aufs beste zumut von wegen des starken Stoßes. Kam auch nicht weit weg von Landshut, da blieb er in einem Dorfe liegen. Am dritten Tage kam er zum Sterben, und eh' er starb, sagte er nochmals: »– All so großer Demütigung und Niederlag' hätt' er sich nimmer versehen, und daß er da in deutschen Landen sterben müsse. Müsse ja doch der lebendige Teufel in diesem langen, schwarzen und mageren Fürsten sitzen. Denn sonder dessen Hilfe hätte er ihm nit also das Herz entzwei stoßen können.«

Verhielt sich im übrigen ganz christlich, bis es aus war mit ihm; drauf ihn die Seinen nach Polen führten. Da liegt und schlaft er unweit Lublin in seiner Schloßgruft und harrt fröhlicher Urständ entgegen.

Was er aber vom Christoph und vom Teufel gesagt hatte, davon weiß jeder, daß es nicht wahr gewesen sei. Denn der Teufel hätte wohl oft in den Christophel fahren wollen. Der ließ ihn aber nie herein. Vielmehr war sein Sinn zu Gott gerichtet und sein edles, treffliches Herz war ein Tempel voll frommen Empfindens.


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