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VII.
Der Löffelwirt am Rathaus.

Zu München auf dem Marktplatz, nahe, wo jetzt die Mariensäule, da stand vorzeiten ein Esel von Holz. Der war ungemein groß, hatte übermäßig lange Ohren, und wann einer recht mutwillig war, leichtsinnige Streiche verübte oder sonst Ärgernis gab, alsofort sprach der Richter sein Urteil und ließ ihn ein halbes Stündlein auf demselben Esel reiten. Weiters war hinter der Peterskirche ein Brünnlein. Das ist heutzutag noch vorhanden, hart an der Ratstreppe; aus dem Brünnlein läuft fürtreffliches Wasser und hängt ein eiserner Löffel dabei. Da hieß es »beim Löffelwirt«. Nun sollt ihr erfahren, wie es mit dem Holzesel erging und warum's hinter der Peterskirche beim Löffelwirt heißt.

Das wißt ihr, je mehr Geld einer hat, desto mehr kann er verschenken, Kirchen oder Häuser bauen, schönen, frommen Jungfrauen Blumensträuße oder gar Geschmeide verehren, Pfau, Tauben und was es sonst gibt, kann er sich desgleichen halten, demnach sich und anderen manche lustige Stunde gewähren.

Weil nun Christophs Bruder, Herzog Siegmund, viel Neigung zu derlei Dingen in sich trug, war er darauf bedacht sein Einkommen zu vermehren, ließ sich aufs Gold- und Silbergraben ein, gab auch jedem die Erlaubnis dazu, sofern ihm etwas bezahlt wurde; es fand sich aber selten viel, und pflegte Herzog Siegmund oft zu sagen: »'s grabt einer leichter was hinein, denn heraus.«

Wie nun aber großer Herren Beispiel und Verhalten gar häufig verkehrt ausgelegt und angewendet wird, so ging's hier wieder. Und weil Herzog Siegmund zufällig auf ein und das andere stieß, was von alten Zeiten herstammte und guten Wert hatte, entstand allgemach die Rede, er wisse, wo allerorten ein Schatz liege und geh' nur vorsichtig und langsam daran, damit es nicht auffalle.

Als die Angelegenheit so stand, konnte Herzog Siegmund keinen Schritt tun, ohne daß man drauf achtete. Wollt' er aber gar ein Stück Grund oder dergleichen erwerben, so wußten sie nicht genug zu verlangen, wo sie nicht den Platz an einen anderen sündteuer verkauften oder selber zu graben begannen. Wann sie dann nichts fanden, der Herzog das Grundstück nicht mehr nahm, oder wie sonst, waren sie gleich so kühn und ließen böse Worte über ihn fallen; untereinander aber kamen sie in Streit und Gehässigkeit. Da sieht man wieder, was die Sucht nach Geld und Geldeswert vermag; denn bessere Leute gab's nie als die lobesamen Münchner.

Das wußte auch Herzog Siegmund, drum sah er eine Zeitlang zu. Wie aber wieder etwas vorfiel, ermahnte ihn Herzog Christoph einen Schritt zu tun und ließ jener bekannt machen, wie folgt: »Ich der Herzog Siegmund tu' kund und zu wissen jedermänniglich, wie daß ich ninderst auf's Schatzgraben ausgeh' und keinen dazu verleite, wissend oder mit Absicht. Wer demnach künftighin eines gemeinten Schatzes halber zu Schaden käm', derselbige hat sich's selbsten zuzuschreiben und was weiters Böswilliges zu Tag kommt, wird guter Straf nicht entgeh'n.«

Das ward auf dem Markt und in allen Straßen verlesen und zu Anfang und Ende stieß einer, der vorausging, in die Trummette. Demnach waren die Leute gewarnt. Zugleich ließ Herzog Siegmund den Esel auf dem Markt ausbessern. Draus ersah jedweder aufs neue, was bevorstünde; gab's demnach eine Zeitlang Ruhe und waren alle Menschen neugierig, wer zuerst zum Eselritt käme.

Dazumal lebten zwei zu München, die ganz verschieden waren. Der eine hieß Achzenit, der andere Ruprecht. Der Achzenit war ein unbändiger Gesell, so nichts tat, denn würfeln und trinken, ging tagsüber bis spät von Kellerlein zu Kellerlein und salbte sich die Kehle mit dem besten Wein und seinen Genossen auch. Der Ruprecht hingegen war ein filziger Kumpan, getraute sich kaum satt Brot zu essen und gönnte sich nichts, denn klares Wasser. Dazu kam er stets hinter die Peterskirche, zog einen Löffel hervor und trank soviel er nur konnte, weil es nichts kostete. Damit aber die Leute glauben sollten, er sei ein feiner Mann, bot er dem und jenem seinen Löffel an. Drob spottete der Achzenit, ging oft hin, wann jener am Brünnlein stand, zog auch einen Löffel hervor, den schenkt' er voll mit Wein und bot ihn den Leuten an. Da geriet der Ruprecht stets in große Wut, drohte mit künftiger Not und nannte ihn einen Schwelger und Schlemmer. Auf die Weise brachte er ihm den Namen »Schlemm Achzenit« auf und sagte allerorten, er komme auf den Holzesel, weil er ein toller Verschwender sei. Dazu lachte Schlemm Achzenit, verspottete des Ruprechts Großmut mit dem Brünnelwasser, brachte ihm den Namen »Löffelwirt vom Rathaus« auf und sagte seinerseits: »Er komme nicht auf den Esel, vielmehr der Ruprecht, weil er ein toller Geizhals sei.«

So verging etliche Zeit.

Eines Tages bemerkte Schlemm Achzenit, daß der Löffelwirt recht habe. Denn mit all seinem Geld war er zu Ende bis auf acht Gulden und nichts war ihm sonst geblieben, als ein grüner Wiesenfleck am Haberfeld, wo jetzt die Augustinerkirche zu sehen. Ging nun recht schwermütig die Kaufingerstraße entlang, den schönen Turm hindurch, dann auf seinen grünen Wiesenfleck; dort schritt er auch wieder auf und nieder und dachte so nach, was er tun sollte. Da bemerkte er, wie Herzog Siegmund beim Marienkirchlein hin- und herging und dort und da hinschaute; zuletzt kam der hohe Herr immer näher, bis er nicht mehr weit vom Schlemm Achzenit stand.

Wie er den sah, trat er näher und sagte: »Ihr seid's, lockerer Zeisig? Hab' wohl vernommen, daß Ihr Euer ganzes Geld verschlemmt – also hat der Löffelwirt wahr gesprochen!«

»Nur allzu wahr, hoher Herr,« entgegnete jener, »acht Gulden und der Wiesenfleck, das ist nun meine ganze Habe. Ich bin nicht schuld, mich hat's halt immer gedürstet und nichts hat mir den Durst gelöscht, denn Wein.«

»Und je mehr Ihr trankt, desto mehr hat's Euch gedürstet.«

»So ist's, Herr Herzog, mich und meine Gesellen, das muß schon so angeboren sein.«

»Also müßt Ihr fürderhin doch Wasser trinken.«

»Da werd' ich eher verdursten – wär' nur da ein Schatz verborgen, so möcht' ich wohl länger leben.«

»Das glaub' ich wohl,« sagte Herzog Siegmund; »'s ist aber nichts mit den Schätzen. Ihr heilloser Schlemmer, seht Ihr nun gottlosen Lebens Ziel und Ende? Von Rechts wegen sollt' ich Euch hilflos lassen. Verseh' mich aber einiger Besserung, und daß Ihr ein rechtlich Gewerbe beginnt, dazu mag ich Hand bieten; denn Milde ist von guten Früchten. Also hört – ich will den Wiesenfleck kaufen und biet' Euch, damit es Euch frommt, zehn Goldgulden. Das mögt Ihr Euch überlegen. Wißt Ihr einen bessern Käufer, hab' ich nichts dagegen, so Ihr das Geld wohl verwendet.« Drauf ließ er ihn stehen, kehrte in die Hofburg zurück und eine Stunde später ritt er über Land.

Schlemm Achzenit aber war ein Gedanke durch den Kopf gefahren. Sagte demnach allerorten, auf dem Wiesenfleck müsse ein Schatz verborgen sein, weil Herzog Siegmund gefeilscht habe; das hatten auch mehre gehört und bezeugschaftet, war bald die Stadt des Gerüchtes voll und erhitzten sich sämtliche Gemüter. Bald kamen mehr und mehre, so den Wiesenfleck genau betrachteten, leugneten, daß hier ein Schatz verborgen liege, aber es wachse hier ganz schönes Gras, man könne auch einen Brunnen graben oder man wolle dem Achzenit unter die Arme greifen und was derlei äußerst windflüchtige Ausreden waren. – Jeder aber wollte den Wiesenfleck kaufen.

Mittlerweile das vorging, hatte der Löffelwirt alles erfahren, rannte nach Haus sein bestes Geld zu holen und erschien auch auf dem Wiesenfleck.

Weil nun der kam, blieb kein Zweifel mehr übrig, erhitzten sich nun sämtliche Gemüter auf das höchste und erging's dem Achzenit eben nicht zum besten. Denn die Juden rissen ihn nach links und die Christen nach rechts, überbot einer den anderen, der Löffelwirt bot mehr denn alle, und schrien alle zusammen, daß es ein Graus war. Schlemm Achzenit aber tat auch das Seine, schrie von Schatz, Gold und unbändig vielem Kleinod, bis er's auf hundert Goldgulden brachte – und der Löffelwirt den Sieg davontrug.

Wie nun Schlemm Achzenit die hundert Goldgulden hatte, begann er zur Stelle sein altes Leben und spielt und zechte dreimal ärger, denn zuvor.

Der Löffelwirt aber nahm Hacke und Spaten und begann aus Leibeskräften allein zu graben, denn 's fiel ihm nicht ein, sich helfen zu lassen. Trug demnach viel Müh und Plage, und da die Sonne unterging, vermocht er kaum mehr zu stehen – just wie der Schlemm Achzenit, so fast weidlich hatte der getrunken. So ging das Tag für Tag, doch alles Suchen war vergebens, denn je weiter der Löffelwirt grub, desto weniger zeigte sich eines Schatzes Spur. Eh' acht Tage verflossen, ward er schon arg verhöhnt, und so er zum Brünnlein kam, stand Schlemm Achzenit da, schöpfte einen Löffel voll Wein, trank ihn aus und jauchzte ein über das andere Mal: Heisa! mir ist wohl; besser vertrunken, als vergraben, heisa! Habt Ihr den Schatz noch nicht?«

Darüber kam der Ruprecht in die größte Wut, nahm mit schwerem Herzen Leute, die ihm Schatzgraben hälfen, und davon heischte ein jeder großen Lohn, weil sie Spott und Hohn zu ertragen hatten. So gruben sie fort und fort, des Löffelwirts halbes Geld ging darauf, zuletzt war nur mehr ein Plätzlein übrig – das grub er selbst um, so tief er vermochte. Wie sich aber auch hier nichts fand, brachen alle, die rings von früh bis abend standen, in ein höhnisch Gelächter aus, so daß er in boshafteste Verzweiflung geriet und an nichts mehr dachte, denn sich am Achzenit zu rächen. Drängte sich sofort hindurch und rannte spornstreichs durch die Kaufingerstraße bis hinter Sankt Peter, denn just war's Zeit den Achzenit zu treffen. Das schlug auch nicht fehl. Als er anlangte, viel Menge hinter ihm drein, wankte der Schlemm Achzenit benebelt am Brünnlein, hatte kurz vorher schier den letzten Goldgulden verwürfelt, machte sich aber nichts daraus, sondern jauchzte ein über das andere Mal hoch auf, hatte einen mächtigen Humpen zur Seite, draus schöpfte er seinen Löffel voll des besten Weines und gab aller Welt zu trinken. Zugleich ergoß er sich in Hohn und Spott und gereimt und ungereimt, das ging alles gegen den Ruprecht.

Wie das Ruprecht sah und hörte, stürzt' er voll Grimm auf ihn los, verlangte sein Geld zurück, und da ihn jener verlachte, riß er seinen Löffel heraus und schlug unbändig auf seinen Feind los. Der aber ließ das nicht ruhig geschehen, antwortete weidlich mit dem seinen, gab's demnach eine große Schlacht, blauer Flecke genug und viel Geschrei von List und Betrug.

»Beim Löffelwirt« in München.

Drüber kamen der Menschen stets mehr aus dem Volk, die Ratsherren drängten sich auf die Geländertreppe, der Stadtrichter kam durchs Bogentörlein – eine kurze Zeit darauf aber langten die Herzoge Christoph und Siegmund an. Die geboten Ruhe und ließ sich Herzog Siegmund den ganzen Verlauf erzählen.

Drauf sagte Herzog Christoph: »Hab' ich's Euch nicht längst geraten dem Unfug zu steuern? Da habt Jhr's nun wieder mit dem Schatzgraben!«

Entgegnete Herzog Siegmund: »Ich hab' sie wohl verwarnen lassen und mittlerweil Ihr über Land wart, ist der Esel ausgebessert worden. Weil Ihr nun, Herr Bruder, das erste Wort gesprochen, sollt Ihr hie auch das erste Urtel sprechen. Demnach sagt an, wer von den zweien auf dem Esel reiten soll!«

Hierauf sagte Herzog Christoph: »Da ist nicht schwer ein Urtel zu fällen! Das lautet aber so: Jedweder trägt Stoß, Schlag, böse Red' und all anderen Schaden. Der Schlemm Achzenit aber wird auf den Esel gesetzt, weil er dem Löffelwirt betrüglicherweise sein Geld entlockte, sagend: Ihr wüßtet da einen Schatz vergraben!«

»Das dankt Euch der Himmel, Herr Herzog!« rief der Ruprecht. »Weil ich den Schelm nur reiten seh'!«

»Das sollt Ihr wohl,« antwortete Herzog Christoph. »Damit sind wir aber noch nit zu Ende. Er reitet, weil er Euch genarrt hat – Ihr aber werdet auch auf den Esel gesetzt, weil Ihr der Tor wart und habt dem Gesellen geglaubt!«

Als Herzog Christoph solches gesprochen, entstand ein großes Gelächter – die zwo baten um Gnade, soviel sie nur gute Worte wußten – es half aber nicht Bitten und Beschwören, denn Herzog Siegmund war mit des Bruders Spruch wohl einverstanden und drohte für künftig mit schärferer Strafe.

Wurden demnach die beiden Feinde fortgeführt, an der Peterskirche vorüber, dann rechts hinüber auf den Markt, alsogleich hintereinander auf den Esel gesetzt und jedweder bekam seinen Schöpflöffel in die Hand.

Nun mag sich jeder denken, was große Heiterkeit entstand, sooft sich der Löffelwirt umwandte und dem Schlemm Achzenit mit der Faust drohte oder umgekehrt, bis die Zeit vorüber war, drauf der eine links, der andere rechts vom Holzesel sprang und, verfolgt von der Menge, nach Hause rannte.

Also wurden Schelm und Tor zu gleicher Zeit gestraft, von wegen des Esels war jedem seine Prophezeiung am andern erfüllt – die alte Lebensweise aber gab keiner von den beiden auf.

Der Achzenit vertobte seinen letzten Gulden und ging abenteuernd in fremde Lande: ist von ihm weiteres keine Kunde angelangt, er müßte nur der gewesen sein, den sie zu Frankfurt in ein Faß legten und in den Main warfen.

Der Ruprecht aber fing von neuem an zu sparen, starb seinerzeit zu München und als man sein Testament öffnete, stand darin, wie folgt:

»Dies ist mein letzter Wille. Der Herzog Christoph hat ganz wohl geurteilt, denn ich war ein rechter Narr und hab's nit besser verdient. Dafür vermach' ich ihm meinen Dank und ist ihm alles verzieh'n. Was ich nun wieder erworben, das hab' ich an einem guten Orte vergraben, auf daß es keiner verprasse oder mir's in der Narrheit gleichtu'! Den Löffel aber vermach' ich dem weisen Rat zu München, also mög' er ihn zu ewiger Warnung an das Brünnlein hängen. Damit sag' ich euch fahr wohl und hätt' ich mein Geld nit dalassen müssen, so hätt' ich es sicherlich mitgenommen.«

Da sahen sich die Herren einander groß an, denn des Ruprechts Geld wär ihnen besser angestanden, denn sein eiserner Löffel. Gleichwohl erfüllten sie den letzten Willen und noch heute seht ihr des Ruprechts Löffel hängen.

Wo aber sein Geld begraben, das ist zwar unbekannt geblieben. – Wer jedoch Lust hat, versuche sein Glück. -

»Reiter und Esel sind längst verschwunden,
Der Schatz, wer weiß es, wird doch noch gefunden!«


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