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VIII.
Der Brüder Zwist.

Als Herzog Johannes von hinnen war und der Siegmund allein regierte, lebten Herzog Christoph und Wolfgang bald dort, bald da; der Bruder Albertus hielt sich noch in welschen Landen auf.

Obschon nun Herzog Siegmund ein frohfreies Leben der Herrschaft Müh und Sorge vorgezogen hätte, wollte er doch nicht darandenken, einem anderen von seiner Macht was abzulassen.

So sind einmal die Menschen.

Kam demnach zuzeiten ein Brieflein vom Albertus, so dachte jener oft: »Der wär' von allen Brüdern der beste zum Regiment, denn weise, gelehrt und tätig ist er über die Maßen und sparen kann er auch besser als du. Aber so man ihm einen Finger reicht, möcht' er sicher gleich die ganze Hand. Und da wird's nichts.«

Einmal aber wurde er recht maßleidig, schrieb gen Welschland an den Albertus, er sollte kommen, und da es ihn hinterher wieder reute, war in der Sache nichts mehr zu ändern, denn der Brief war schon weit fort.

Herzog Albertus des Siegmunds Brief lesen, all und jedes zurechtmachen und heimkehren ins vielgeliebte und fromm heitere München, das war eins.

Als er daherkam, empfing ihn Herzog Siegmund brüderlich und sagte ziemlich verlegen: »Ihr habt wohl gemeint, da hätt's viel Bedeutung, weil ich Euch schrieb, Ihr solltet kommen. Dem ist aber nicht so. Ich hatte nur ein Verlangen Euch wieder zu sehen.«

»Das hör' ich gern, Bruder Siegmund!« entgegnete Albertus. Drauf erzählt er dies, jenes und all mögliches von gelehrt und ungelehrten Dingen, von weltlich und geistlicher Angelegenheit, und das floß ihm alles so wohlgeordnet und bündig vom Munde, daß der Siegmund mit Vergnügen zuhörte.

Nachdem sie so hin- und hergesprochen hatten, sagte Herzog Siegmund: »Ich seh' wohl, Ihr habt noch mehr gelernt und erfahren, als der Ruf von Euch meldet und wißt schier mehr, als wir andere Brüder allmitsammen. Was gedenkt Ihr aber demnächst zu tun?«

Da lächelte Herzog Albertus ein wenig und antwortete: »Ei, was werd' ich wohl tun! Sicher nichts Kluges, ich mag's mit Euch halten, wie ich will.«

»Was wollt Ihr damit sagen?« fragte Siegmund.

»Ja seht, damit mein' ich nichts, denn dies. Verlang' ich keinen Anteil am Regiment, so begeh' ich eine arge Torheit und verfehl' dazu schier die brüderliche Fürsorge. Denn ich weiß gewiß, bei dem Regieren wird Euch weh und bang, Ihr tragt die Last höchst ungern und ich weiß sicher, es geht Euch nichts von der Hand, weil Ihr stets auf andere Dinge bedacht seid. Verlang' ich hinwieder Teil an der Gewalt, begeh' ich keine kleinere Torheit. Denn mittlerweil' Ihr meine beste Absicht erkennen solltet, möchtet Ihr mich sonder Zweifel anschnauben, kämt in tausend Sorgen als wollt ich Euch vom Thron stoßen und entbrenntet vielleicht in größtem Haß gegen mich. Da seht Ihr nun selbst! Was beides ich nun tu' oder lasse, begeh' ich einen törichten Streich.«

Herzog Siegmund hatte das recht achtsam angehört. Dann sagte er: »Glück auf, Bruder Albertus, Ihr seid ja ganz wohl zu Haus' mit veränderlichen Worten und habt fast gute Praktik eingeübt. So gut meint Ihr's demnach mit mir? Also möchtet Ihr teil an der Gewalt haben und mich ganz nit vom Throne stoßen? Das mag ich ja fast so hoch anschlagen, daß Ihr mit der Hälfte vorliebnähmt und mich mitreiten ließet!«

»Da nimmt sich nichts vorlieb und reitet sich nichts mit,« versetzte jener. »Hab' ich Euch nicht gesagt, es gälte Euere unangenehme Last zu verringern? So Ihr mir aber die Hälfte Gewalt einräumet, wär's auch wahrlich so unbillig nicht. Denn fürs erste kennt Ihr des Vaters letzten Willen – und im übrigen wär' ich wohl zum Regiment geschaffen.«

»Könntet wohl eh den Krummstab führen, als das Zepter«, gab Siegmund zurück. »Ihr habt schier gar zu viel studiert!«

»Das mögt Ihr kaum im Ernst sprechen!« fiel Albertus ein. »Ihr seid doch selber viel schöner Dinge kundig und guten Wissens voll. All dies hat Euch sicher nirgends zu Schaden gebracht. Die Sache verhält sich anders, Herr Bruder! Wissen und Erfahrung in mancherlei Kunst hat Euch im Regiment nimmer gebannt – Ihr wolltet's aber Kunst und Wissen ausüben – und das ist Euch zum Hindernis geworden! Was Ihr nun da vom Krummstab sprecht, hab' ich beim Himmel große Ehrfurcht vor eines Bischofs Würde. Ich selbst aber hab' keinen Beruf. Und nun Ihr das wißt, red' ich gleich offen mit Euch und sag' das übrige dazu. Seht, zu Ringen, Fechten, zu schönen Rossen und sonderlich zum Weidwerk trag' ich wohl einen jachen Sinn, doch all mein Leben möcht' ich drauf nicht wenden und legen. Narretei und säumig Schlenz' und Faulenzen ist mir wieder ferne. Bücher sind mir lieb' und teuer, doch sonder Weil' fort und fort in studiis kann und mag ich doch nicht sein. Was hübscher Frau'n und Jungfrau'n Verkehr und Gespräch betrifft, gefällt mir 's zeitweis' ganz gut. Doch für stets nicht. Tauben, Pfau' und Schwanen füttern oder fischen, all dies ist mir mein geringster Beruf. Reimsprechen und lustiger Gesang würzt mir nur das Leben und nun wär' nichts mehr da, denn fromme Schilderei, Choral und Beten. Das seh', hör' und tu' ich von Herzen gern, aber nicht Tag und Nacht ununterbrochen. Letzt bin ich auch nicht krank und schwach, daß ich das Bett hüten müßt', oder alt, daß mir die Kraft in den Gedanken verginge – und nun seht Ihr wohl, es wird nicht anders sein wollen, als daß Ihr mich annehmt und im Regiment halbpart macht!«

Darüber verfloß etliche Zeit.

Herzog Siegmund überlegte sich's – und gab dem Albertus nach.

Wie nun Herzog Albertus erst halbpart im Regiment hatte, zeigte er sich ausnehmend erfahren und machte sich soviel zu schaffen, daß Siegmund gar nichts mehr zu tun fand, und sooft dieser meinte, gut wär's, so dies oder jenes geschehe, war Albertus stets bei der Hand und sagte: »Herr Bruder, fällt's Euch endlich bei? Seid dessenthalben außer Sorgen. Was Ihr meint und wollt, selbes ist schon fürlängst verhandelt und getan, daß es schier nimmer wahr ist.«

Es kam demnach die Angelegenheit so, wie es Herzog Siegmund vorausgesehen hatte. Der Albertus saß zwar auf dem Roß hinter ihm, ließ ihn aber doch nur mitreiten, denn er hatte die Zügel in der Hand und lenkte links, rechts hin und geradaus, just wie's ihm anstand.

Wie das der Siegmund fest erkannte, warf er sich in die Brust, zeigte sich hie und da sehr zornig und wollte es nicht so weit kommen lassen, daß der Herr Bruder etwa mit einemmal einen Ruck tät' und ihn sämtlich und ganz aus dem Sattel würfe. Tat sofort, was nur in seinen Kräften stand, die Räte und schier die ganze Landschaft mischte sich auch in die Angelegenheiten und setzte es viel Streitigkeiten. Das schlug aber dem Siegmund alles nicht zu Nutzen an – denn er hatte seine Zeit versehen, der Albertus aber hatte sie richtig erschaut. Das erkannte jener nicht gar gern. Zuletzt gewöhnt er sich aber an den Gedanken die Herrschaft fahren zu lassen und faßte mit einemmal festen Entschluß. Denn er dachte, mit dem Regiment sei's doch nichts mehr, dazu entgehe ihm all andere harmlose Kurzweil bei dem Getu' und Gestreite – und eh Herzog Albertus daran dachte, wie nah er seinem Ziele sei, ließ ihn jener zu sich entbieten und kündigte ihm seinen Entschluß an.

Dabei sagte er: »Ich seh', Ihr lebt und strebt für die Herrschaft, habt Verstand, große Kraft und seid vieler Entbehrung fähig. Nun glaub' ich wohl, daß ich mich auf das Regiment ganz wohl versteh'. Aber meiner Seel, Ihr habt recht, ich nehme mir zu wenig Zeit dazu und hab' meine Gedanken häufig wo anders. Will mich demnach meiner noch habenden Hälfte Gewalt entheben und Euch ganz und sämtliche Macht und dran klebende Vorrechte verleihen und anheimstellen.«

Drauf sagte Albertus mit mildem Ernst: »Vielliebster Herr Bruder, seid nicht befremdet, daß ich keine hohe Freud' bezeig'; denn ich wußte wohl, es müsse so kommen, früher oder später. Und wo mir soviel große Müh', Plage und Verantwortlichkeit vor Gott erwachst, möcht ich eh ein inbrünstig Hilfgebet anstimmen, dann in großer Freude Beteuerung ausbrechen.«

»Das hör' ich gern,« entgegnete Siegmund. »Was nun meine eigene Persona betrifft, mögt Ihr wohl nicht, daß mir Mangel erwachse. Zahlt mir demnach eine stattliche Provision, damit ich mich fein fürstlich und freigebig halten mag. Will dann weiteres zu Menzing, Grünwald Die ganz alten Besitzer von Grünwald, welche diesen Namen führten, starben Anno 1329 aus. Kaiser Ludwig der Bayer überkam das Schloß, welches in der Folge von den Herzogen als Jagdschloß und auch als Zufluchtsort in Zeiten ansteckender Krankheiten benutzt wurde. Im 17. Jahrhundert diente es zum Gefängnis, in unseren Zeiten lange zum Lager für Pulvervorräte. Wie es heißt, »soll« sich im Turm die sogenannte »eiserne Jungfrau« befunden haben, eine Figur mit einem Dolch auf der Brust. Diese soll einem Verurteilten, der auf ein bestimmtes Brett trat, entgegengekommen sein, ihn umschlossen und dann in den rings mit Messern versehenen Abgrund fallen lassen haben. Einer anderen, aus ganz alter Zeit stammenden Sage zufolge, sollen sich nachts in der Sommersonnenwende am Grünwalderschloß drei Jungfrauen von düsterer Farbe zeigen, jede mit einem Rocken in der Hand, in Begleit eines Hundes, dabei man aus der Tiefe einen Hahn krähen höre. oder sonstwo Hof halten in guter Gesellschaft mit würdigen Ordensleuten oder weltlich gelahrten Herren, auch zuzeiten von nah' und ferner her Ritter, ihre Frauen und Jungfrauen zu mir laden – treffliche Kantores, Poeten und Bildner sollen auch Aufnahme finden; und so mag ich dann weiters die Zeit ganz gut, frumm und Gott'sheiter in meiner Seele zubringen. Ihr aber regiert drauf los und rauft Euch mit Eueren Feinden herum oder beschwichtigt mit gut klug und glatten Worten, wie und wo Ihr könnt. Also sind wir beide beschieden, ist jedwedem nach seiner Neigung recht getan und hab' ich das schwerste, den Ehrgeiz, überwunden, werd' ich sicher mit Euch nit um die Provision streiten müssen.«

Dazu bot er dem Bruder ganz bieder deutsch die Rechte. Herzog Albertus schlug ein und sagte: »Stellt mir schriftlich zuhanden, was Ihr verlangt. Da wird's keinen Widerspruch geben. Denn wie ich wohl ermess', was Glanz Euch ziemt, also sicher habt Ihr auch sonder Zweifel ermessen, wieviel der regierende Herr im Land vonnöten hat.«

Da schritt Herzog Siegmund an den reichgeschnitzten Schrein, nahm eine Urkunde heraus und gab sie seinem Bruder.

Der las sie und sagte dann, er hab' nicht das mindeste einzuwenden. Als sie darüber im reinen waren, sah Herzog Siegmund ganz vergnügt aus, als wollte er sagen: »Nun ist mir erst wohl zumut, sintemal ich tun und lassen kann, was ich will!« Und darauf verbrachten sie schier eine Stunde in verschiedenem wichtigen Gespräch.

Dann sagte Herzog Siegmund: »Nun will ich Euch noch was entdecken, wovon kein Mensch näheren Bericht hat. Das ist aber so. Das Marienkirchlein hie zu München ist zu klein geworden für der Gläubigen Zahl. Wann immer ich die Glock' läuten hör', mahnt es mich stets, für soviel Frömmigkeit, als die zu Hause, bedürft' es eines größeren Gotteshauses. Das will ich bauen. Trage demnach seinerzeit vorerst den Turm am Marienkirchlein ab, das kleine Gotteshaus selber lass' ich unversehrt und soll drin Gottesdienst sein, bis wir mit dem Dom weiter für sind. Den will ich aus eigenen und der Münchner frommen Mitteln erbauen, und zwar zu Unserer Lieben Frauen Ehren. Die ist uns, Herren wie Volk, stets zu Schutz und sichtlicher Hilf gewesen.«

Als Herzog Albertus dies alles vernahm, war er aufs höchste erfreut und versprach in aller Art Vorschub zu tun und beizusteuern. Fragte auch, ob der Bau schon bald beginnen würde und wer ihn führe.

Sagte Siegmund, bis zum Bau möcht' noch ein Jahr vergehen und niemand dürfe was erfahren. Was aber den Baumeister anbelange, habe er sich schon einen ausersehen.

Nächst nun Herzog Albertus scheiden wollte, hielt ihn Siegmund noch einmal zurück, legte ihm die Hand auf die Schulter und sprach: »Albertus, ich seh' Euere Wangen glüh'n und weiß, was in Euerer Seele vorgeht. Nehmt auch ein brüderliches Wort dahin. Eh' wart Ihr gering, nun – habt Ihr alle Gewalt. Ihr habt ganz wohl begonnen. Fahrt doch auch treulich fort, Ihr habt ein hochheilig Amt gewonnen und dürft nimmer und nimmer müd werden.«

Da erhob Herzog Albertus seine Hand und sprach sehr feierlich: »Bruder Siegmund, so wahr mich Gott hört, des Volkes Wohl liegt mir am Herzen – nimmer will und werd' ich ermüden und ablassen! Nun aber habt Ihr mir ein Geheimnis entdeckt. So will ich Euch hinwieder eines entdecken. Wie lang' ich leb' oder wie kurze Zeit, die Gewalt, so ich von Euch überkam, will ich nie mehr trennen und spalten lassen, soweit es in meinen Kräften liegt. Dafür soll keiner aufstehen und sagen: »Hätten wir den Siegmund, den Johannes wieder – oder gar den Vater Albertus!« Nein, Bruder Siegmund, so soll's nicht kommen. Derselbige, unser heißgeliebter Vater, schaut vom Himmel auf mich darnieder, und wie er da lebte und starb für seiner Untertanen Glück und Wohl, so will ich leben und sterben dafür. Das schwör ich Euch beim lebendigen Gott. Der begleite mich auf allen Pfaden!«

»Amen!« sagte Herzog Siegmund.

Drauf verließ Albertus das Gemach.

Über ein kurzes war alles geschlichtet und vertragen, und Land Oberbayern hatte einen einzigen Gebieter.

* * *

Als Herzog Christophs Vater starb, war, wie bekannt, verordnet, es sollten von seinen Söhnen stets die ältesten zwei das Regiment im Lande Bayern führen. Auf den letzten Willen hatte sich Herzog Albertus berufen, als er dazumal mit dem Siegmund sprach.

Weil nun auf Herzog Siegmunds freiwilligen Abgang der Albertus allein regierte, dachte Herzog Christoph, das könne nicht so bleiben und verlangte seinen Anteil an der Gewalt, so wie ihn der Albertus von Siegmund verlangt hatte.

Darauf ging der kluge Albertus aber nicht ein – und ließ sich vernehmen: Es sei seit Kaiser Ludwigs Zeiten Herkommens, daß der Älteste allein die Zügel führe und darum hab' des Vaters letzter Wille nichts zu ändern vermocht. Wär's aber auch so, hälf' es dem Christoph dennoch zu nichts. Denn wolle der nächst Älteste darankommen, müsse ein Todesfall eingetroffen sein. Der Siegmund sei aber keineswegs tot, sondern ganz wohlauf und am Leben.

Der hab' auch weiters nichts getan, denn ihm die Müh' statt seiner überlassen, zu Latein – zediert. Das könn' ihm niemand streitig machen und sei keinem der Brüder ein Schaden erwachsen. Kurz, er bewies: wie die Angelegenheit stehe, sei's soviel als regierten die zwei Ältesten. Nur daß der Siegmund zu Menzing, Grünwald oder sonstwo Hause und Kurzweil treibe, – er, der Albertus, aber zu München lebe, daselbst er dem Regimente für sich und den anderen vorstehe.

Zuletzt sagte er gar, bei all dem ließe sich doch etwas hin- oder hertraktieren, aber es sei mit Herzog Christoph nit gut fahren. Sie hätten sich zu mehr Zeiten schon hart gered't und aneinander gewetzt und gerieben.

So nun der Christoph gar ins Regiment käme, möchte alles drunter und drüber gehen, weil er etwan in jeder Sache recht haben wollte. Zum Schwerte griffe er auch des Tages dreimal – und von gar zu großer Mildtätigkeit sang der Albertus auch ein Lied.

Als Herzog Christoph das alles las oder hörte, ward er nicht zum besten erfreut, sagte, es bedünke ihn wundersam, daß sich Albertus gar wohl auf des Vaters letzten Willen berufen, da er seinerzeit zum Siegmund ins Regiment gewollt habe – er, der Christoph, sollte sich aber nicht auf das Testament stützen. Dabei drohte er, wenn ihm sein Recht nicht gutwillig eingeräumt werde, möchte er es etwa auf anderem Weg erringen.

Es fanden sich auch bald viele ein, die sich zu ihm schlugen. Zumal von der böhmischen Grenz' und sonstwoher von der Donau. Die schauten sämtlich mit Unzufriedenheit auf des Albertus stillkluges Regiment und hätten den Christoph weit lieber am Ruder gesehen, weil er auf Heldentaten ausging und wildlustig und abenteuerliches Kriegsleben in Aussicht stellte.

Das Volk liebte auch den Christoph ungemein.

Die auf dem Landtag zu München dachten aber dennoch: »Was frommt am Ende ein zweiter, da der Herzog Albertus in allen Künsten des Regiments trefflich erfahren und mehr für Frieden und Ruhe ist!« Sagten demzufolge nein und ließen andere Anträge durchblicken.

Eines Tages waren Herzog Christoph und Wolfgang just beisammen, als sich des regierenden Bruders Freunde und Räte einfanden. Dabei war der Bürgermeister, der Herr Schluder und der Herr Ridler. Der Doktor Erfinger, würdiger Pfarrherr zu Sankt Peter, war auch dabei, aber nicht so fast gern mitgegangen.

Da nun Herzog Christoph fragte, was sie wollten, rückte der Herr Schluder ganz bieder mit der Sprach' heraus und tat in des Herzogs Albertus Namen den Vorschlag, ob und wie's wohl mit am besten wär', so der Christoph, statt des Regimentes beim Schwert verbliebe und gen Burgund zu Herzog Karolus dem Kühnen ritte – der Wolfgang aber sich hinwieder besänne und in den heiligen Priesterstand träte. Da wär's dann mit einem Bistum bald im reinen.

Auf den Antrag hin lachten allererst die zwei Brüder, weil sie die Sache für einen leichten Versuch hielten. Als aber Herr Schluder weiter in sie drang, fuhr Herzog Christoph im Zorn auf und rief: »Also fast gut meint es der Herr Bruder Albertus?!« Dabei stieß er den himmelblau samten Stuhl, drauf seine rechte Hand ruhte, zu Boden, daß er in Trümmer ging.

Da ward den alten Herren gar nicht wohl zumute und wandten sich sämtlich zur Flucht.

Herzog Christoph aber gebot ihnen zu bleiben und sprach: »Seid für jetzt ohne Sorgen. Die Wahrheit aber will ich euch sagen. Ich nenn' es welsche Praktik, was ihr uns da vermeldet und aus des Albertus Auftrag hinterbracht habt! Nichts anderes heißt es, als diesen meinen Bruder frei frohen Lebens berauben, mich aber aus Land Bayern treiben, daß ich etwan in einem Getümmel bliebe! Ich sag' euch so, wohlweise und gelahrte Herren: Ich, Herzog Christoph, bleib' hie zu Land, soviel und lang mich's gut bedünkt. Und wär' ich außer Landes und der Albertus wollt' mich herein foppen, so käm' ich hinwieder nicht herein! Ich bin mein eigener Herr soviel und gut als wie der Albertus, tu', was mir beliebt und dank' für Ruhm und Ehre, so ihr mir in Aussicht stellt. So dankt der Wolfgang für dasselbige Bistum!«

Drauf tat er etliche Schritt und setzte bei:

»Solches meldet dem viel sanft und klug überweisen Herzog Albertus! Und damit seid ihr in Gnaden entlassen. Kommt mir aber nimmer, wie diesmal, sonst möcht' ich anders mit euch reden und traktieren, trotz Euerem güldnen Kettlein, Herr Bürgermeister, und trotz Euerem geweihten Scheitel, Herr Pfarrer Ersinger, der Gottesweisheit Doktor – und etwan auch irdischer Pfiff und Ränke. Und damit Gott befohlen!«

Drauf schritt er nebst Herzog Wolfgang ins nächste Gemach.

Die alten Herren aber machten sich in großer Bestürzung von dannen.

Als Herzog Albertus von dem allen Kunde bekam, ward er derselben nicht gar froh. Sann sofort auf dies und jenes, drüber verfloß eine kleine Zeit, des Christoph und Wolfgangs Zorn ließ ein wenig nach, und als der Herzog Albertus glaubte, daß es Zeit sei, brachte er in Antrag: Damit nicht Späne und blutiges Wirrsal unter ihnen erwüchse, sollte ihr Vetter, der alte Herzog Ludwig zu Landshut, Schiedsrichter sein.

Nun fiel's Herzog Christoph wohl bei, Albertus könne auf den Landshuter Vetter heimliche Einwirkung tun, wies das aber von sich, und weil der letztere von je viel auf ihn hielt und sicher nicht aus Haß gegen ihn sprechen mochte, sagte er ja – der Wolfgang auch – und bald darauf wurde gen Landshut ein Tag gesetzt.

Als dieser gekommen war, ritt Herzog Albertus sonder viel Aufsehens zu Landshut ein.

Herzog Christoph aber benebst dem Wolfgang zog mit zweihundert Grafen und sonstigen Herren auf – und hatte einen recht fürstlichen Hofstaat bei sich. In dem war alles mögliche zu sehen. Als: Hofmeister, Kämmerer und Marschälle, Küchen-, Oberjäger- und Stallmeister, weiters Köche, Trabanten, Falkeniere – und was sonst bis zum Türhüter vonnöten, daß einer Gewalt und Pracht kundgibt. Dabei ritten ganz voraus drei mit reichbehängten Trompeten und vor dem Hofstaat auch wieder einer. Und die viere bliesen eine Weis' um die andere gar lustig, scharf und hell.

Nun muß aber keiner glauben, dem Herzog Christoph sei etwa an dem Prunk soviel gelegen gewesen. Er tat das alles nur, damit jedermann sehe, wie er fest auf sein Recht baue.

Den Landshutern und viel anderen gefiel 's auch ganz trefflich.

Dem alten Herzoge Ludwig hingegen nicht so fast.

Wie es nun sein mochte, ob das eingewirkt oder nicht, als ihm der Zwist der Brüder vorgelegt und dann viel hin und her gestritten war, kam es zum Schiedsspruch und der lautete so:

»Herzog Albertus sei besser befugt und sollte sein Regiment allein, vor allem in diesem Jahre fortführen. Erst im nächsten dürfe Christoph mitregieren. Mit weiterem sollte Herzog Christoph ab und zur Ruhe gewiesen sein.« Nebstdem ging der Bescheid dahin: »Was dem Herrn im Land gebühre, könn' einem andern nicht auch gebühren und sollte sämtlich des Christoph fürstlicher Hofstaat abgetan werden.« Was das Geld betraf, ward auch entschieden. Da bekam Christoph etwan den vierten Teil Nutzen alles Einkommens und sollte zu Kelheim seinen Wohnsitz nehmen.

Über den Richterspruch war der Sieger Albertus freilich gar wohl erfreut, denn er dachte: »Jetzt hab' ich recht und was übers Jahr geschieht, wird sich schon zeigen.« Der Christoph, Wolfgang und ihre Genossen aber waren um so viel minder erfreut.

Gleichwohl hielt sich jener zurück, tat anscheinends, als wollte er Folge leisten, zahlte seinen Hofstaat aus und ritt zur Stadt Landshut hinaus. Zu den Grafen und Herren, die mit ihm zogen, sagte er aber erzürnt: »Das ist mir ein rechter Schiedsspruch! Über ein Jahr soll ich mitregieren – und weshalb nicht sogleich? Das möchte noch gelten! Aber dort drüben zu Kelheim, weit ab von München, soll ich hausen bei einem Viertel Einkommensnutz – und das nicht für alle Zeiten?! Das ist mir nicht das Liebste, schier wenig besser, denn meine bisherige, schmale Provision, und bedünkt mich, der Herr Bruder möcht' mich ihm vom Leib halten, und daß ich fein mager blieb' an Freunden, wie dürr ich am Leibe bin! Ich will's dem Ludwig nimmer nachtragen – der hat eben gesprochen, wie ihm vorgelegt ward, all das sind nur Ränk', Hintertürlein und weitere Praktiken des gelahrten Volkes. Aber so bleibt's dennoch nicht!«

Darauf ward hin und her geredet und zwei von den Rittern, so Herzog Christoph begleiteten, Gewolf von Degenberg und Hans von Nußberg, die schürten trefflich nach.

Über ein kurzes tat sich ein Bund zusammen, der nannte sich den »Böcklerbund«, und gab es Spän' und Fehde genug. Es fiel aber nicht gar gut aus, und wer es allererst büßte, waren just die zwei Hetzer.

Denn Herzog Albertus war ganz unversehens über ihnen, verbrannte und zerschleifte eine gute Zahl Schlösser und Burgen, die waren Degenberg, Weißenstein und Alten Nußberg, desgleichen Falkenfels, Kalnberg, Burg Linden, Haizstein und mehre andere. Der Degenberger aber mußte aus dem Land und gen Böheim fliehen. Der Nußberger blieb auch nimmer lang. Was der erste besaß, ward dann unerbittlich eingezogen, und so verschwand er auf lange Zeit, bis sich ein und das andere besser gestaltete und er wieder zu seinen Gütern kam. Der Nußberger aber verlor auch vieles.

Hätte nun Herzog Christoph gewollt, so wär's ihm ein leichtes gewesen, die zwei zu rächen. Aber es hatte sich herausgestellt, daß sie es nicht verdienten, wie später verlauten wird. Er nahm sich deshalb dieser Sache nicht an, im übrigen dachte er: »Kommt Zeit, kommt Rat und wehe denen, die den Bruder gegen mich hetzen, wenn sie's auf das Äußerste treiben. Einer zumeist!«

Dabei meinte er den Grafen Niklas von Abensberg.

Der war ein mächtiger, jach ritterlicher Herr, grollte dem Herzog Christoph, weil der ihm seinen Ruhm von Jugend auf durch kühne Taten schmälerte, und schürte rastlos am Albertus, soviel und oft er nur vermochte dem Christoph in nichts nachzugeben.

Über selben Graf Niklas von Abensberg schrieb Christoph seinerseits mehrmals an den Albertus und warnte ihn vor ihm.

Herzog Albertus aber blies stets jedwede Schuld vom Abensberger hinweg und antwortete bald spöttisch freundlich, bald ernst: »Was er, der Albertus, tue, dazu bedürfe er keines Schürers und Hetzers, er fordere den Christoph zum Frieden mit ihm und zur Versöhnung mit dem Grafen auf und verlange, er sollte sich zu Kelheim in seiner Burg halten.«

Das erste glaubte aber Christoph nicht. Und beim zweiten war's mit dem Gehorchen nicht viel. Zwar lebte er oft zu Kelheim, aber von Ruhe im Lande war keine Sprache und immer gab's etwas.

Manchmal kam dann Christoph nach München. Da sah es stets aus, als erwüchse ein guter Vergleich. Zu anderer Zeit war er aber wieder fort und ritt mit seinen Freunden und Gesellen, dem Albertus und den Seinen zuleid, bald wie zu lustigem Schimpf, Schabernack und Schwabenstreich, bald wieder ging's scharf her und in bitterem Ernst. So war's außerhalb im Lande – und allgemach zu München auch. Da kam es so weit, daß keiner mehr anders, als mit dem Harnisch unter den Kleidern auf den Straßen dahinschritt.

Also währten die Späne fort und fort. War wieder ein Angriff und Scharmutz geschehen, beeilten sich des Herzog Albertus Räte und suchten den Streit zu vertragen. Alsbald dann Herzog Christoph und die Seinen wieder gen München kamen – sagt einer, der ihn gar wohl kannte und oft mit ihm gesprochen hat –, entspann sich Groll und Rumoren allererst zwischen beidem Hofgesinde. Drauf mischten sich die Grafen und zuletzt die Fürsten hinein, und das war stets am ärgsten um die Fastnachtszeit. Und so es drauf ankam, auf welcher Seite mehr Narrenkappen waren und wo sie am schlimmsten davonkamen, da war es stets des Albertus Partei, die den kürzeren zog.

* * *

Wie nun eines Tages wider Erwarten recht gutes Vernehmen war, lud Herzog Albertus den Christoph und Wolfgang ein mit ihm gen Andechs auf den heiligen Berg zu reiten.

Das ließen sich die zwei wohlgefallen, denn es verlangte sie ohnehin des Vaters Grab wieder heimzusuchen. Sie machten sich sofort mit jenem auf, insgesamt war es ein Zug von einundvierzig Pferden und gelangten auf den heiligen Berg.

Weil nun die Gegend um selben heiligen Berg so schön und überaus friedsam ist, daß jedem unsäglich wohl und fromm zumute wird, entging Herzog Christoph sichtlich gleich friedlicher Stimmung nicht – und das hoffte der Bruder Albertus zu nutzen. Er sprach viel Lieb und Gutes vom seligen Vater in der Gruft unten und warf die Frage hin: »Welchem von ihnen der Vater wohl recht gäbe, so er aufstehen und sprechen könnte? Er glaube, ungeachtet desselben Testamentes bekäme er recht. Denn der Vater hab' es nicht überlegt, sonst wär' er sicher nicht vom alten Gesetz der Erbfolge abgewichen. Dies sei seine feste Meinung und er wolle Gott bitten des Christophs Gemüt zu erhellen, daß er es auch einsehe.«

Sagte Herzog Christoph: »Drum will ich auch bitten!«

Des war jener ganz froh. Also beteten sie bei der Messe auf das eifrigste und beim Opfern legte Albertus zehn Gulden auf den Opferteller. Der Christoph und Wolfgang aber jeder einen. Als nun die Messe vorüber war, die drei Herzoge auf dem großen Altan vor dem Kloster um die Mittagszeit hin und wieder gingen und über den Garten weg in die Gegend hinausschauten, fragte Albertus den Christoph, wie er gesinnt sei?

Drauf antwortete dieser: »Was ich vermeine, ganz gut, wie's mir vor Gott ziemt und mir eingegeben ist. Ich sag's Euch bei meinem Wort, heißer kann ein Christ nit beten, denn ich gebetet hab', es ist mir auch ganz hell geworden in meinem Geist. Da glaub' ich aber nicht erkannt zu haben, daß Ihr im Recht und ich im Unrecht sei, vielmehr daß ich im Recht sei, Ihr aber wär't im Unrecht.«

Auf dies schüttelte Albertus sein Haupt sehr bedenklich. Bald darauf ging's zur Tafel, verbrachten dann etliche Stunden im Kloster und Garten, ohne weiter vom Bruderstreit zu sprechen, und da die Zeche für Herzoge und Geleit gemacht ward, zeigte sich, daß sie volle zwanzig Gulden betrage.

Als sie wieder zu München angekommen waren, schwieg Albertus die ersten Tage noch stets, dann aber schlug er seinen beiden Brüdern vor, mit ihm gen Welschland zu reisen und sollte es keinen etwas kosten.

Dabei dachte er: »Der heilige Berg Andechs hat sein Wunder nicht verübt. Vielleicht wirkt der Heilige Vater zu Rom eines aus. Sonder Zweifel gibt er mir recht, und so er dann zum Christoph in dem Sinn spricht, wird sich derselbe bekehren und wenden und weiter nichts verlangen.«

Herzog Christoph aber dachte seinerseits: »Der Ritt nach Andechs hat ihm zwanzig Gulden gekostet. Der nach Rom kostet ihm das Hundertfache. Gar wohl erkenn' ich, wo er hinauswill – anders er sich nur nit verrechnet! Denn so ich dem Papst die Angelegenheit vortrage und er beweist mir, ich hätte unrecht, lass' ich wohl ab – aber mich bedünkt, so soll er nicht sprechen. Und spricht er anders, dürft' sich etwan der Albertus bekehren und wenden und mir mein Recht nicht fürder zurückhalten.«

Dachte demnach jeder ganz zu seinen Gunsten, wie er's gern hielt und meinte, ritten Albertus, Christoph und Wolfgang in etlichen Tagen selbdritt und mit etlichem Gefolge aus der Hofburg, folgends von München aus – und schlugen den Weg gen Welschland ein.

Als sie in dasselbe gekommen waren, blieb Herzog Wolfgang zu Mantua bei seiner Schwester Margaret und deren Gemahl Friedrich, dem Markgrafen in selber Stadt. Der Albertus und Christoph hingegen setzten ihren Pfad fort bis in die heilige Stadt Rom und dort ließen sie dem Papst Paulus in Ehrfurcht vermelden, daß sie da seien und ihm den Pantoffel küssen möchten.

Als der Heilige Vater ihre Ankunft vernahm, ließ er sie beide in großen Ehren bewillkommnen, empfing sie gnädig und väterlich milde und bot ihnen die Hand zum Kusse. Dann fragte er sie um dies und jenes und wie es zu Hause im Lande Bayern stehe. War demnach sehr geneigt und gewogen, im übrigen kannte er sie auch schon von früher her und so sprachen sich der Papst und die zwo Herzoge mehrmals ganz gut, bis die Rede einmal ganz bestimmt auf der Brüder Streit und Feindseligkeit geriet.

Da nun der Papst beide nacheinander angehört hatte und sie ihn fragten, wer im Rechte sei, antwortete er:

»O edle Fürsten und Brüder im Herrn! Was soll ich da sprechen, wo das Urteil gesprochen ist? Dran haltet euch und wolle doch keiner dem anderen mit List nahen und sich dem entzieh'n, was er schuldig ist. Wie ihr nun das wohl erwägt und trachten müßt gerecht gegeneinander zu sein, ist doch noch etwas Höheres da, das quillt aus dem Mund der heiligen Kirche: Hütet euch, daß ihr von eitel Ehrfurcht und Herrschbegier getrieben werdet! Denn was frommt die Macht und aller irdische Glanz vor Gott? Das ist nichts, denn leichtes Ding, wie Spreu, und verweht vor seinem Hauch. Wohl dem, der aller Menschen Bestes will, all sein Verlangen aber bezwingt. Wohl dem, der sich nicht von irdischer Größe läßt hinreißen, sich allein in Demut zu Gott verhält und nur nach einem Reiche strebt – nach dem himmlischen und unvergänglichen!« Drauf gab er dem Albertus und, Christoph wahrhaft feierlich den Segen und entließ sie.

Als die zwei Brüder auf dem Sankt-Peters-Platze und im Freien waren, blieb Herzog Albertus stehen und sagte: »Habt Ihr vernommen, was der Heilige Vater sprach? Da fällt mir ja wohl bei, was zu Vater Alberti Zeiten an Sankt-Erichs-Tag über Tisch aus des Johannes Betbüchlein gelesen wurde.«

»Wie lautet es?« fragte Herzog Christoph.

»Das lautete so,« antwortete Albertus: »›Darumb, lieber Mensch, lern' dich selbst kennen und betracht', von wannen du kommst und seiest und wohin du müssest trotz aller Hoheit. Bist du doch nur eine Speis' für andere und ist alles Leben nur ein Hinwerfen des Menschen und weißt, daß es dereinst heißt: Gott hab' seine Seel' gnädig! Darumb laß ab von irdischer Pracht und Herrschsucht, sonst kommt die Zeit ungemerkt und fast früh, da hilft aller anderen christglaubig Bitten 'ring, so du im Hochmut davongefahren.‹«

»Und was meint Ihr damit?« fragte Herzog Christoph.

»Ei damit mein' ich wohl,« war die Antwort, »daß Ihr Euch bescheiden sollt. Mir wurde die Macht zugesprochen, so muß ich sie auch bewahren. Ihr aber haltet Euch fernerhin ruhig und übt Euch in christlicher Demut!«

Drauf sagte Herzog Christoph: »Mir ist wieder ein Spruch aus des Johannes Betbüchlein bewußt, der traf auf Sonntags Nachtmahl. Im selben Spruch heißt es so: ›Die seind am besten dran, so Schmach und Trübsal, Spott und Widerwärtigkeit ertragen! Darumb ihr edel, reich und Fürnehmde, wöllt ihr zur Schar derer, so auserkoren, so verbringt das Werk der Nächstenliebe, haltet wohl aus in Demut und laßt ab von all böser Herrschsucht. Denn der ist gesegnet, so sich bescheid't und mit dem wenigsten begnüget.‹ Versteht Ihr das, Herr Bruder?«

»Nicht ganz!« warf der Albertus hin. Er verstand es aber wohl.

»So will ich's Euch auslegen,« erwiderte Herzog Christoph, »und bin ich auch nicht cum gloria der Philosophie Baccalaureus, wie Ihr, und in geistlicher Wissenschaft nicht so wohl erfahren – dazu bedarf's doch nur schlicht gesunder Sinne. Ich sag' Euch, der Papst hat einen wundersam klugen Bescheid gegeben. Den Spruch zu Landshut läßt er gelten, uns beiden aber stellt er anheim, in Demut das beste zu küren. Wer ist denn dann unter uns beiden der Demütigste nach des Papstes Meinung und des Johannes Betbüchlein? Ich bin's, Herr Bruder! denn Ihr wollt die ganze Herrschaft – ich aber will nur die Hälfte»... Da die Wahlen sein (Christophs) wesen vnd springen sachen, thund sie sich nit gnug verwundern ... er sprang auch offt veber ein roß. ...«
Ulrich Fütterer.

Auf diese Rede hin lächelte Herzog Albertus und erwiderte ganz wenig. Er sah aber gar wohl ein, daß er sein Ziel nicht erreicht habe, und daß es ihm ergehe wie's gar manchem ergangen, der sich mit List auf heiliges Wort berufen hatte, vermeinend, was er vorbringe und was die Kirche von der Demut spreche, gelte nur für den Gegner – nicht aber für ihn selbst desgleichen.

Hielten sich nun die fürstlichen Brüder kurze Zeit zu Rom, wallfahrteten von Heiligtum zu Heiligtum, als zu Sankt Peter, weiter weg zum Lateran, zu den Marterern, wieder zu Sankt Sebastian hinaus, wo sich die Christen in allererster Zeit verborgen hielten, sahen auch das große Stück vom heiligen Kreuz, Sankt-Peters-Stuhl und was sonst heißgläubiger Christenmenschen Herz labt und letzt. So noch unzählig viel anderes, der Papst und die Kardinäle gaben ihnen manch Heiligtum und gute Reliquien mit und drauf wandten sie sich wieder heimwärts. Ritten demnach fort und stachen hie und da seitabwärts zu einer Kirche, bis sie nach Loreto kamen.

* * *

Dasselbe Loreto ist eine feste Stadt im Päpstlichen, liegt auf einem Hügel, unfern, wo sich ein großes Flußwasser, des Namens Musone, ins Venediger Meer ergießt, und war schon dazumal ein fürnehmes Bistum und mit dem Rekanatischen vereint. Sonderlich aber hochgepriesen aus aller Christen Mund war die Stadt als viel heilige Wallfahrt.

Mit der ist es so:

In der Domkirche stand und steht noch der unbefleckten Jungfrau kleines Häuslein. In demselben brachte ihr der Engel den Gruß zu Nazareth. Wie nun seinerzeit um das Jahr 1291 die Stadt Ptolemais erobert wurde, traf ein großes Wunder zu. Denn über eins war das Häuslein zu Nazareth von einem Boten Gottes von der Erde abgehoben und ins Dalmatische gebracht.

Da stand es drei Jahre lang.

Es zeigten sich aber die Menschen der Gnade unwert und wagten ihrer etliche gar zu freveln. Da war der Mutter Gottes ihr Häuslein mit einemmal wieder verschwunden. Denn der Engel hatte es aufs neue ergriffen und trug es durch die Luft über Wasser und Land hinweg ins Rekanatische. Dort stellte er es auf ein Feld, so der Loreto gehörte, und die war eine überaus gottselige, fromme Gräfin. Von der Gräfin und ihrem Namen ward das Häuslein Mariä also benannt und verging schier kürzeste Zeit, so kamen allerorten die Wallfahrer herbei und verrichteten ihre Andacht.

Die hatten aber nicht allzulange Frieden und Sicherheit.

Denn um das Häuslein siedelten sich habgierige Wirte an und in den Wald, drin der Wallfahrtsort gelegen war, zogen sich viele Räuber, so die Pilger überfielen, ausraubten und ermordeten. Zuletzt kamen gar zwo Brüder in Streit, davon jedweder eine Schenke nächst dem Häuslein Mariä hatte, und die brachten einander ums Leben. Kam's demnach so, daß die Angelegenheit wieder und zum drittenmal anders wurde. Alsbald nach der frommen Gräfin Loreto Hinscheiden war das Häuslein inmitten des Feldes und Waldes verschwunden, eine halbe Meile weiter weg auf einen Hügel – und ganz zuletzt hart an die Heerstraße gesetzt.

Da blieb es fortan stehen und zog von weit her fromm Gläubiger Scharen an sich. Die beteten dort in freudiger Inbrunst, hinterließ jedweder nach seinen Kräften eine Gabe – und über einige Zeit wurde eine schöne Kirche über das Häuslein gebaut. Wunderbares aber, zu Heil und Frommen der Leidenden an Leib und Seele, traf fortan in Menge zu.

So geht die alte Kunde.

Wie nun Herzog Albertus und Christoph auch in die Kirche und zum Häuslein Mariä wallfahrteten, fanden sie, daß da eine einzige Kammer war, die Mauern aus eine Elle in die Dicke und von gemeinen Steinen aufgerichtet. Weiters aber war beste Zier verliehen in der Menschen Begier das Heiligtum zu ehren.

Fanden demnach den Boden mit rot und weißem Marmelstein ins Gevierte belegt, die Balken, drauf das Dach ruht, mit Silberblech überzogen, die Decke aber war von himmelblauer Farb' und allüber mit güldenen Sternen besät. Sahen auch sogleich das Fenster, durch welches der Erzengel Gabriel vor der Maria erschien, desgleichen die Türe, hindurch die heilige Jungfrau aus- und einging. Dieselbe Tür war gar nicht hoch.

Was des Albertus und Christoph Herz aber am meisten rührte, war das Bildnis der Gebenedeiten aus Zedernholz und von des Evangelisten Lukas selbsteigener Hand verfertigt. Sahen nun Unsere Liebe Frauen, auf ihrem linken Arm das Jesukind, in dessen linker Hand die Weltkugel, die Fingerlein der rechten Hand zum Segen über die Menschen erhoben. All das Bildnis aber bedeucht ihnen einen wunderbaren Schimmer und Glanz von sich zu verbreiten, so daß das Licht der vielen silbernen und güldenen Ampeln davor und im ganzen Heiligtum dennoch überwunden war, nicht minder der Glanz der dreifach güldenen Kron' über des Bildes Haupt, so rings mit Demanten und feurigsten Rubinen besetzt war.

Nächst sie das alles mit gerührtem Herzen beschaut und betrachtet hatten, ließen sich beide vor Unserer Lieben Frauen und des Gottessohns Bildnis darnieder – zur Rechten aber war der Altar. Den hatten die Apostel selber gezimmert und drauf hat der heilige Petrus seinen ersten Gottesdienst vollbracht.

Als die zwo Herzoge gar lange in tiefer Andacht verweilt und wieder von hinnen gingen, sagte Albertus: »Nun haben wir viel Gott's und Heiliger Näh' erlebt. Ich dächte, das sollt' uns zu tiefst bewegt haben, daß wir sonder allen Groll anheimreiten und drauf bedacht wären ein friedlich Leben zu führen, wie's frummen Fürsten und Brüdern ziemt.«

Sagte Herzog Christoph: »Vielliebster Herr Bruder, mein Sinn ist des Heiligen so voll, wie der Euere, schon Ihr das Schmaraldkreuz auf dem Kristallberg anherstiften wollt, so den Vater an die zwölftausend Goldstücke kostete. Das kann ich nicht, weil Ihr alles habt und ich nichts. Tut, wie Ihr beschlossen, und weil ich meinen Sinn dazu geb', ist's etwan, als hätt' ich auch ein Verdienst am selben Opfer. Im übrigen sag' ich Euch so: Da unser Herr auf die Welt kam, war's drauf abgesehen, die höllische Schlange – als da ist: böse Einflüsterung und weiteres Übel – zu verscheuchen. Nun habt Ihr mir etliche Freunde vertrieben, das will ich gelten lassen. Tut Ihr hinwieder das Euere, folgt der Mahnung des Erlösers und verscheucht von Euch den Feind meiner! Der ist der Graf Niklas von Abensberg, so Euch in den Sinn setzte, ich möcht' all des Landes Bayern Habe und Gut verschleezen, das Schwert des Tages dreimal ziehen, weil ich stets im Rechte sein wollte – und alles ging' drunter und drüber. Laßt ab von ihm, sag' ich, und Ihr werdet gute Früchte haben. Euer Blick wird bald frei und ungetrübt werden, versöhnlich Euer Herz, und was Euch von mir zuviel verlangt bedünkt, das wird Euch bald minder ungerecht scheinen. Ja wer weiß, was ich tu' – ist er nicht mehr an und um Euch, lass' ich mich um vieles billiger finden, als Ihr glauben möchtet!«

Auf dies antwortete Herzog Albert: »Erbittert Euer Gemüt nicht, Christoph, und laßt uns den heiligen Ort sonder Groll und Zerwürfnis verlassen. Ich verspreche Euch heilig und sicher – nicht anders tu' und halt' ich's, denn ich es vor Gott zu verantworten weiß. Da hab' ich das Beste mit Euch vor, wo Ihr Euch in ein und anderem bescheiden wollt – der Abensberger soll Euch nicht schaden!«

»Draus mag ich mir suchen und finden, was ich will!« sagte Herzog Christoph lächelnd.

Weiter sprachen sie nicht darüber. Ritten alsbald von Loreto hinweg und fort, bis sie gen Mantua kamen, da gesellte sich der Wolfgang wieder zu ihnen und zogen selbdritt ihres Weges fürder zur Heimat. Kamen nacheinander über den Brenner und nach Innsbruck, ritten an der Martinswand vorbei, weiterhin über Mittenwald, Partenkirchen ugb Murnau bis nach Starnberg; da speisten sie fast friedlich zu Abend mitsammen. Nächsten Morgen aber ließen sie früh satteln und ritten durch den Forst gen München. Da langten sie ganz wohlbehalten an, hielten aber nicht lang' beieinander aus. Der Albertus blieb zu München, der Christoph ritt gen Kelheim, da verweilte er etliche Tage, drauf er seinen Aufenthalt zu Landsberg nahm.

Der Herzog Wolfgang wieder setzte sich vorerst nach Lichtenberg, kaufte sich gute Renner, jagte, oder wie er sich sonst die Zeit vertrieb. Von Wolfgang heißt es: »was ain guetiger langher Herr groß laibs vnd vast gleich seinem Brueder Albrechten, aber ain vauler Herr kains sundern wesens ... enthielt sich an seinen schlossen (häufig lebte er zu Greifenberg) was geren allain ... sein leben lang unverheurath ... hett den sitten, wer wider ihne handelt dem vergab er sein nit leicht ... ihme gefielen wol lauffende pferd. ...« Ulrich Fütterer u. a.

Eh aber zwo Monde verstrichen, ward Christophs Wort zur Wahrheit. Der alte Tanz begann. Einmal sah's friedlich her und waren die Brüder freundlich miteinander. Dann gab's wieder Späne und begann das alte Rumorn.

Also war der Römerzug für nichts gewesen, wie vorher schon des Ludwigs von Landshut Schiedsspruch, und wie weiters in vieler Jahre Verlauf ein Ziel um's andere gesteckt ward – der Albertus wußte die Zeit stets so zu nutzen und es zu richten, daß der Christoph nie zum Regiment kam. Ob da nun ein Jahr, fünf oder gar zehn solche bestimmt wurden, darauf Herzog Christoph sein Ziel erreichen sollte – wann die Zeit aus war – dann war's doch nichts.


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