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XXIII.
Kunigunde.

Zu seiner Zeit war die Angelegenheit in Land Bayern nicht zum besten beschaffen, denn da waren ihrer vier fürstliche Brüder hatte keiner eine Hausfrau. Drob schüttelten die Ratsherren und sonstige Leute ihre wohlweisen Köpfe bedeutend, sonderlich des Herzogs Albertus wegen. Ließ aber der oder jener ein Wort fallen, wurde nichts besser gemacht und Herzog Albertus sagte dann und wann: »Er brauche den ganzen Tag, das Regiment zu führen, und nachts bis frühmorgens sei er oft über gelehrten Büchern und Schriften zu finden. Also habe er keine Zeit, mit einer Hausfrau auch nur ein Wort zu wechseln.«

Weil nun Albertus gar nicht heiraten wollte, benahm sich Herr Christophorus Rudolff, der zu jener Zeit Bürgermeister war, mit den Ratsherren, schilderte, wie jeder von ihnen und er zuvörderst, im Besitze einer Ehehälfte ganz glücklich sei, und tat den Vorschlag, Mut zu fassen und in bewußter Sache den Herzog durch eine auserlesene Deputation auf andere Gedanken zu bringen.

Da bedurfte er vieler Suada, der Ratsherren bange Gemüter zu überwinden. Zuletzt aber ließen sie sich herbei, wählten drei und den Herrn Christophorus Rudolff zum Sprecher und beschlossen diese, sich kommenden Tags in die Burg zu begeben und die Heiratsmahnung in gehöriger Weise vorzubringen.

So aber Herr Christophorus Rudolff und sämtlicher Rat meinte, Herzog Albertus' ehloses Leben schreibe sich von Regiment und nächtlichen Studiis her, wo nicht gar vom Widerwillen gegen der Frauen holdes Geschlecht, war er in großem Irrtum befangen. Gerne ruhte sein Auge auf der oder jener fürstlichen Jungfrau, wann zuzeiten eine mit ihrem Vater in der Hofburg zu München anlangte, aber seine Wünsche hatte er bisher nie erfüllt gesehen. Bekam er dann wieder von einer Kunde und dachte: Nimmst dir eine Ausred', in des Fürsten ferne Lande zu reiten, damit du siehst, ob dir deine Lebensfreud' erblühe – ließ er stets wieder ab; denn er hatte viel geheime Sorge in seinen Gedanken und wollte nichts unternehmen, bis des Kaisers Friedrich Zorn gemildert sei.

Mit selbem Zorn war es aber so beschaffen.

Daß der Albertus alle Macht allein wollte, davon hat jeder Bericht. War nun der Kaiser schon zornig geworden, weil jener seinem Befehl Ungehorsam entgegengesetzt und den Herzog Christoph solange in Haft gehalten, so ward er überdies noch ganz anders und viel mehr erzürnt.

Denn als der letzte Abensberger tot war, hatte Albertus alsogleich zwei gute Freunde abgeschickt, den Grafen Haug von Montfort und Herrn Jörg von Nothhaft, und die nahmen die ganze Grafschaft ohne weiters in Besitz.

Nun war aber noch etwas Ärgeres vorgefallen und handelte sich's gar um die ganze Stadt Regensburg.

Regensburg in alter Zeit.

Item die Stadt Regensburg war eine freie Reichsstadt und stand dem Albertus in ihr nichts zu, denn etlicher guter Rechte Ausübung. Daß nun die Stadt inmitten seiner Lande läge und doch nicht sein wäre, wollt' ihm nie und nimmer gefallen. Er ersah demnach seine Zeit, löste Stadt am Hof aus, so den Regensburgern verpfändet war, richtete ein handsam städtisches Regiment auf und verlieh ein Recht um das andere. Hierüber wurden die zu Stadt am Hof ganz froh, die Regensburger aber unzufrieden. In kurzem stand die Angelegenheit im argen, selbe Unzufriedenheit ward mit jedem Tage größer, und so der Rat Steuern ausschrieb, wollten die Regensburger nichts bezahlen. Denn sie meinten, es sei kein Nutz und denen zu Stadt am Hof wär' doch nicht gleichzukommen. Kam sofort arge Gärung und Bewegtheit in die Gemüter. Herr Schuchstainer, der Stadt Kämmerer, hetzte auch noch zu des Herzogs Gunsten, der Aufruhr brach los, und obschon Heinrich von Absberg, der Bischof, zum Bedenken mahnte, soviel er konnte, war doch jedes Wort vergebens. Allererst gab's nun ein Botschaften hin und her zwischen Regensburg und München, Herzog Albertus aber versprach beneidenswerte Vorrechte allerart und was ihm sonst zum Versprechen gut und geschickt schien. Und da er das alles mehrmals ausgesprochen hatte, schickte er zwei seiner Räte dahin, Herrn Pinzenauer und den Aheimer, und die mußten all die Glückseligkeit noch einmal versprechen. Nächst dachten die Regensburger gar, der Albertus werde ihnen zulieb von lobesam trefflicher Stadt ziehen und seinen Hof an der Donau aufschlagen. Weil da der Herr Schuchstainer sogleich ja sagte, güldene Berge in Aussicht stellte und hinwieder alle Gloria der freien Reichsstadt als eine glänzende Miseria und paupertas beschrieb, schlug die Flamme aus allen Köpfen und glaubten die Regensburger, es vermöchte keiner zu löschen, denn der Herzog Albertus. Entsagten darauf freiwillig und auf das feierlichste jedem Recht einer freien Reichsstadt und übergaben sich, die Stadt Regensburg und Schloß Donaustauf.

Das ließ sich Herzog Albertus wohl gefallen und wurden ganz schöne Verträge über alte und neue Rechte geschlossen. Am sechsten August 1486 kam jener selbst daher, hielt einen feierlichen Einzug und nahm in Persona die Huldigung an, »so mit vielem Pomp und zu vollkommener Zufriedenheit geschah«. Dabei war in der Stadt nichts zu hören, als lauteres Jauchzen und Frohlocken, und fiel keinem bei, nein zu sagen, der neue Herr mochte verlangen, was er wollte. Als er dies bemerkte, ließ er fallen: »Ein Schloß innerhalb der Mauern wäre ihm wohl recht«, und sogleich stimmten sie zu. Da es sich aber um die Stadttore handelte, fanden sie noch weniger Bedenken und überließen ihm die Herrschaft und Besetzung. Nach allem diesen richtete er seine Obrigkeit auf – und fehlte weiter nichts mehr – als alles.

Das war des Kaisers und des Deutschen Reiches Zustimmung.

Damit sah es aber ganz schlimm aus. Vom Zustimmen war nicht entfernt die Rede, vielmehr machte selbe Angelegenheit überaus große Aufgeregtheit vel motus; alle Reichsstädte rümpften die Nasen, die Kurfürsten ereiferten sich auf das höchste und der Kaiser geriet in noch größern Zorn über den Albertus als vorher.

Obschon ihn nun mehrere wichtige Dinge verhinderten, den Albertus zu züchtigen, war demselben doch nicht so ganz wohl zumute. Denn von den Regensburgern mußte er bald gar manches vernehmen, weil er in vielem zäh' war, was er überaus leicht versprochen hatte. Was aber den Kaiser betraf, sah er wohl ein, daß ihm der zu Leib gehen würde, sobald sich Zeit und Gelegenheit ergebe.

Da sieht nun jeder, wie wenig Herzog Albertus daran denken mochte, zum Freier zu werden, weil er der Braut etwan Bann und Acht zum Hochzeitsgeschenk brächte. Die wohlweisen Herren zu München aber dachten nicht daran, daß solches der Grund sei, denn er verstand »sich jederzeit trefflich zu verstellen, und wann ihm der Mut am meisten sank, schien er oft am frohesten gestimmt«.

Also kam es, daß sie den besagten Entschluß faßten. Herr Christophorus Rudolff studierte tagsüber eine Rede ein und seine Frau half ihm sie auswendig zu lernen.

* * *

Nun war's am folgenden Tag, den vierzehnten Novembris 1486 nach unseres Herrn Geburt und nach der Vesper. Herzog Albertus hatte morgens keine Zeit gehabt die Ratsherren zu empfangen, Herr Christophorus Rudolff demnach die Angelegenheit verschoben, als plötzlich Nachricht kam, der Herzog wolle verreisen. Da blieb nichts übrig als sich selbander zu viert nach der Vesper in die Hofburg zu begeben und sich melden zu lassen.

Beim Fischbrunnen nächst der Trinkstube war der Sammelplatz. Der Letzte aber, welcher eintraf, war Herr Christophorus Rudolff.

»Seid Ihr endlich hier,« sagte Herr Hans Stupf, »ich, der Herr Balthasar Pötschner und der Herr Martinus Katzmayr erregen überlang des vorübergehenden Volkes Neugier und hat es uns viel Truges gekostet, in scheinbar gleichgültigem Gespräche zu versieren.«

»Das tut mir ausnehmend leid«, entgegnete Herr Christophorus Rudolff sehr beißend. »Ich habe selbig meine schmucksame Rede in allerletzte Wiederholung zu bringen für gut gefunden und sämtliches bei meiner Hausfrau in Vortrag gebracht. Da ich nun dafür meiner Sache ganz sicher bin. Werdet mich demnach für entschuldigt halten, Herr Hans Stupf, sintemal es eine ganz andere Angelegenheit ist, in hochwichtiger Sache selbsteigenen mündlichen Vortrag zu tun, statt hinwieder als lediglicher Kamparent und respektive stummer Bezeugschafter zu erscheinen. Will aber niemand andurch beleidigt haben.«

Auf diese inhaltschweren Worte wollte Herr Hans Stupf gereizt erwidern. Die zwei anderen Ratsherren aber tupften ihm schier zu gleicher Zeit auf die Schulter, indem sie sich gegen den Bürgermeister verbeugten, und da Herr Hans Stupf dem letzteren ins Antlitz schaute, darin sich nicht geringes Bewußtsein tragender Würde zeigte, hielt er selbst für besser, zu schweigen und eine weitere Reverenz folgen zu lassen, welcher mit zufriedenem, aber sehr majestätischem Kopfneigen entgegnet wurde.

Soeben lenkten die vier Herren gegen die Dienersgasse, als Herzog Albertus eben durch dieselbe heraufkam.

»Das ist eine schöne Angelegenheit«, sagte der Bürgermeister. »Nun ist er von Hause und kehrt etwan bis Abend nicht mehr heim.«

Die vier Herren zogen alle zugleich die schwarzen Schlapphüte, und als Herzog Albertus nahte, beugten sie sich ganz tief, um ihn in geziemender Ehrfurcht vorüberschreiten zu lassen.

Herzog Albertus blieb bei ihnen stehen, grüßte sie huldvoll und sagte: »Ihr hattet heute zu sprechen, aber ich war mit wichtigen Dingen beschäftigt. Wird auch so dringend nicht gewesen sein und mögen es auf Zeit meiner Rückkunft verschieben. Ich zieh' morgen von München und gen Innsbruck zum Herzog Siegmund von Tirol. Im Regiment ist gut vorgesorgt und ihr tut fein auch das eure im Städtischen, des verseh' ich mich von euch und bin besten Vertrauens voll.«

»Drob mögt Ihr volles Vertrauen haben, hoher Herr!« antwortete Herr Christophorus Rudolff, »wäre nur sotane unsere jetzt eben gehabte Hoffnung so wenig fehlgeschlagen, Euch in tiefster Ehrfurcht Vortrag zu tun. Item hoher Herr und Herzog, ist dieselbige Angelegenheit zwar nicht derart, daß Gefahr auf Verzug stünde, hingegen und jedennoch so beschaffen, daß sie allseitigem Verlangen auf das nachdrücklichste entsprechen dürfte.«

»Da macht Ihr mich schier neugierig«, sagte Herzog Albertus. »Ich habe für jetzt sowenig Zeit wie heute morgen. Wollt ihr euch durchaus benehmen und Rates erholen oder was ihr sonst bedürft, kommt um die sechste Stunde zur Hofburg. Wenn's nicht sein muß, laßt es bis zu meiner Rückkunft – wie immer, ich hab' da was reden hören – mit Frauenangelegenheit kommt nicht – das wird sich schon noch finden.«

Als der Herzog so sprach, gab es Herrn Christophorus Rudolff einen Riß.

»Vergebt, allergnädigster Herr Herzog,« sagte er sehr pfiffig – »vergebt, wenn ich das nicht ganz erfasse!«

»Denkt nur nach«, gab Albertus lächelnd zurück. Dazu grüßte er ungemein huldreich und schritt seines Weges weiter gegen Sankt Peter zu. Der Törringer und der Seinsheim, so ihn begleiteten, grüßten desgleichen, und als Herr Christophorus Rudolff dankte, aber dabei heftig mit den Schultern zuckte, als wollte er sagen: Ich weiß nicht, was es heißen soll – zuckten die zwei auch mit den Schultern und folgten dem Herzog. Herr Christophorus Rudolff wandte sich, wie auf dem Absatze, zu den Ratsherren, und der Herzog mit den zwei Grafen war schon ziemlich weit entfernt, als sich die Mitglieder der wohlweisen Deputation noch stets befremdlich ansahen.

»Habt ihr gehört, ihr Herren?« fragte endlich der Bürgermeister. »So ich diese des Herzogs Worte erwäge, scheint mir schier nichts anderes mit ihnen gemeint zu sein, als dies: Sprecht mir, von was ihr wollt, nur nicht vom Heiraten! Und so mich recht bedeucht, hat er von der Angelegenheit Wind bekommen. Das ist ja doch auf das äußerste verwunderlich. Woher kann er, frage ich, woher kann er etwas erfahren haben, da doch jedermann das tiefste Geheimnis pflog und es höchstens seiner Hausfrau mitteilte?!«

»Ich hab' es der meinigen verschwiegen,« sagte Herr Hans Stupf – » sie hat es aber mir gesagt.«

»So erging es mir mit der meinigen auch« – sprach Herr Martinus Katzmayr und Herr Balthasar Pötschner sprach desgleichen.

»Das versteh' ich nicht«, erwiderte der Bürgermeister. »Ich habe es zwar meiner trefflichen Hausfrau – das heißt ich habe es ihr eigentlich auch nicht gesagt. Nur daß ich ihr die Rede rezitierte, daraus sie sich allerdings das Wahre an der Sache abgenommen, respektive abstrahieren konnte. Im übrigen ist da an nichts weiteres zu denken – denn sie ist ein Muster von Schweigsamkeit. Es muß etwas anders zugrunde liegen. Ich versichere euch, dieses ist nicht das erstemal, daß ein fest verschlossenes Geheimnis zur Kunde der ganzen Stadt gekommen, eh' es Zeit war. Es muß ein Schwätzer oder gar ein Verräter unter uns sein, von dem wir es alle nicht ahnen und glauben.«

»Das wäre entsetzlich!« sagte Herr Katzmayr. »Aber was ist denn jetzo in Betreff der Audienz zu tun?«

»Ganz richtig« – fiel der Bürgermeister ein. »Hm, hm. Seine durchlauchtige Gnaden haben nicht allein generaliter und sozusagen universaliter, vielmehr auch ganz concret und gewissermaßen höchst specialiter gesprochen. Nächst pro primo: daß Hochdieselben uns lieber nicht, als ja empfangen – pro secundo, daß wir mit keiner Frauenangelegenheit anrücken sollten. Ist es so oder nicht so?«

Allgemeine Beistimmung erfolgte.

»Gut,« fuhr jener fort, – »es ist zu demselben beigesetzt worden –: nämlich, die Frauenangelegenheit würde sich schon noch finden. Man merke wohl. Es fragt sich nun, sollen wir um sechs Uhr in die Hofburg gehen oder aber sollen wir nicht hingehen?«

»Darum fragt es sich keineswegs«, sagte Herr Hans Stupf.

»Ihr meint wohl, weil von Heiratsangelegenheiten Umgang genommen werden muß?« entgegnete jener wegwerfend. »Da habt Ihr gänzlich ins Blaue geschossen. Es fragt sich nämlich gar sehr, ob wir nicht eben deshalb in die Hofburg gehen sollten, um das Gerücht Lügen zu strafen. Das heißt, wir ließen uns anmelden und mittlerweil er in Erwartung stünde, es setze eine Mahnung zum Heiraten – kämen wir auf einem ganz anderen Weg gegangen und sprächen von ganz verschiedener Angelegenheit.« Dabei setzte Herr Christophorus Rudolff den Zeigefinger auf die Stirne.

»Wann Ihr so meint, habt Ihr recht«, – entgegnete Herr Hans Stupf.

»Ganz sicher hab' ich recht,« fiel jener ein, »und stellt sich die Frage nunmehr so. Pro primo: Wir gehen in die Burg – in welcher Angelegenheit soll und werde ich Vortrag halten? Pro secundo: Wir gehen nicht in die Burg – in welcher Form bringen wir die mißlungene Angelegenheit an unsere Comittenten? Das heißt, hinterstellen wir sämtliches bis zur morgigen Session oder aber verfügen wir uns in die naheliegende Herren-Trinkstube, erwarten der Kollegen allgemaches Eintreffen zum Abendtrunk und teilen die Sache brevi manu und respektive auf vertraulichem Wege mit?«

Auf diese Rede des Bürgermeisters entgegnete Herr Martinus Katzmayr, es könne über beide Fragen hie auf offener Straße nicht entschieden werden und er stimme unter allen Umständen dafür, sich unverweilt in die besagte Trinkstube zu begeben, woselbst alles und jedes in genaueste Erörterung gezogen werden könne. Worauf sich derselbe gegen Herrn Balthasar Pötschner wandte.

Dieser antwortete: »Ganz des Herrn Bürgermeisters Ansicht und Meinung, sint überhaupt jedes Mannes Herz durch einen schäumenden Humpen erfreut, zu große Aufgeregtheit beschwichtiget und mancher fürtreffliche Gedanke erzeugt wird.«

»Ist auch in Anschlag zu bringen,« setzte Herr Martinus Katzmayr hinzu, »daß wir über dieser Beratung lange verweilen können, am Ende dennoch in die Hofburg gehen und wer weiß, keine Zeit finden, unser häusliches Abendessen einzunehmen.«

»Das heißt, Ihr meint, wir könnten für alle Fälle auch sonstige Stärkung zu uns nehmen« – erwiderte Herr Christophorus Rudolff.

»Das meint er und hat ganz wahr gesprochen,« fiel Herr Hans Stupf ein; »das beste ist, wir entschließen uns behend und bringen sämtlichen Vorschlag in Ausführung.« Dabei wollte er fort.

»Nur langsam, Herr Hans Stupf«, mahnte der Bürgermeister. »Wir sind schon gänzlich zum Entschluß gekommen und steht derselbe unwandelbar fest, uns in die Trinkstube zu begeben. Vermeint Ihr etwan, coram populo hiesig herzoglicher Stadt in die Schenke zu rennen, als säßet Ihr auf einem übermütigen Rößlein? Man sieht es doch in jeder Art, wer der jüngste ist – ich will niemand damit beleidigen. Aber Ihr seid doch sehr unvorsichtig. Ihr setztet mit Leichtigkeit des Rates Nüchternheit in Zweifel und beraubtet uns gewohnter Verehrung. Wir sind zwar nicht ausgenommen, insoferne es sich um Erlustigung, Stärkung des Körpers und Ermunterung des Geistes handelt. Es hat aber von seiten nicht magistratischer Personen niemand zu tiefe Einsicht in derlei menschliche Schwachheiten vonnöten. Das merkt Euch, es ist gut gemeint.«

Drauf schritt er langsam voraus, blieb hie und da, wie zu einer wichtigen Frage, stehen, die drei Ratsherren aber taten unter sich desgleichen. So kamen sie allgemach an die Türe der Trinkstube, worauf sie alsbald verschwanden.

* * *

Es war um die sechste Abendstunde, als Herzog Albertus in seinem Gemach am Schreibtische lehnte und einen Brief aus Innsbruck las. Der war vom Erzherzog Siegmund von Tirol, war da viel Beteuerung der Freude zu lesen, daß Albertus auf Besuch käme, nebenbei auch angedeutet, wieviel Geld die Venetianer kosteten, mit denen Siegmund in Fehde liege. Daraus ersah Albertus gar wohl, daß er mit einem Darleihen nicht unwillkommen erschiene und zog das in Erwägung. Hie und da sah er auch auf eine andere Stelle des Briefes. Da war Nachricht von des Kaisers Tochter, der Kunigunde, gegeben, wie daß sich dieselbe zur Zeit in Innsbruck befinde.

Herzog Albertus faltete den Brief zusammen, ging gedankenvoll etliche Male auf und ab, trat wieder zum Tisch und schrieb eine Anweisung auf zehntausend Goldgulden. Dann zog er die Glocke.

»Lebrecht, dies dem Lautbronn«, sagte er zum Diener, welcher eintrat. »Das Geld geht mit nach Innsbruck.«

Der Diener Lebrecht eilte fort, Herrn Bartlme Lautbronn, des Herzogs Zahlmeister, zu suchen. In der Zahlstube war er nicht mehr. Das wußte der Diener wohl. Doch hatte er keine Sorge, ihn zu finden. Denn sicher befand er sich in der Nähe – gerade wie Herr Ignatius Mathias Prätzl, sein Vorgänger. Der Unterschied war nur dieser. Der wohlbeleibte Herr Bartlme Lautbronn war am Leben und verschwätzte gar gerne ein Stündlein mit den Barfüßern nächst der Hofburg – dabei es an einem Handhumpen des trefflichsten Braunen nicht fehlte – der magere Herr Prätzl aber hatte vor drei Jahren schon allem Braunen fahr' wohl gesagt, war ganz christlich gestorben und schlief bei selbigen Barfüßern auf dem Kirchhof. Er hatte viel Geld gezählt und war ein treuer Zahlmeister gewesen. Requiescat in pace – – – –

Eben eilte des Albertus Diener durch den Bogen nächst der Sankt-Lorenz-Kirche auf das Barfüßerkloster zu, als Herzog Christoph dahergeritten kam. Er war über Land gewesen, wußte von des Bruders Reise nichts, und da er den Diener fragte, was es zu eilen gäbe, bekam er erst Nachricht.

Er ritt weiter in den Burghof und in kurzem trat er zu Albertus, der ihn freundlich willkommen hieß.

»Was habt Ihr denn zu Innsbruck?« fragte Christoph.

»Das weiß ich selbst nicht,« antwortete Albertus, »ich mag einmal die Luft verändern und Erzherzog Siegmund heimsuchen.«

»Seht nur zu, daß Euch die Reise nicht teuer zu stehen kommt«, entgegnete Herzog Christoph. »Soviel ich eben gehört hab', nehmt Ihr eine ansehnliche Summa Geldes mit. Der Erzherzog ist ein schlechter Zahler und Euer Geld könnte die Luft dergestalt verändern, daß es nimmer gen Land Bayern möchte.«

Herzog Albertus lächelte. Aber es war ihm nicht lieb, daß Christoph hinter die Sache gekommen war. Lenkte deshalb ab und fragte, ob er ihm zu Innsbruck nichts besorgen könne.

»Wohl, wohl,« sagte Herzog Christoph, »so der Erzherzog gen Wien schreibt, soll er der Kaiserin und Erzfürstin Kunigunde meinen untertänigsten Dienst entbieten.«

»Da bedarf es keines schriftlichen Entbietens,« erwiderte Albertus, »denn die Kunigunde hält sich zurzeit in Innsbruck. Also will ich es selbst berichten.«

»Zu Innsbruck ist sie? Warum denn?«

»Das weiß ich nicht«, sagte Albertus. »So ich's mir aber zusammenreime, was da in dem Schreiben steht und was ich in jüngster Zeit vernahm, bedünkt mich, es sei zu Wien neue Werbung oder Ankunft eines Fürsten zu erwarten. Vor dem wollte sie der Kaiser etwan bewahren. Es ist schon das drittemal. Wißt Ihr, was die Leute sagen? Entweder es sei ihr keiner genehm oder der Vater hoffe den türkischen Sultan zum Christentum zu bringen und ihm seine Tochter bis dahin zu bewahren. Da lächelt Ihr – nun, was Gutes soll ich ihr entbieten? Da, lest den Brief, 's ist gar oft die Rede von Euch und letzt habe sie nach ihrem Armband gefragt, ob Ihr's wohl aufhöbt oder trüget.«

Herzog Christoph schritt auf und ab und sagte nichts.

Albertus aber ließ mit mildem Spotte nicht nach und meinte, sie müsse ihm ganz wohl gefallen haben. Er sollte es ihm anvertrauen.

Da wandte sich Herzog Christoph und sagte: »Was soll das Necken? Sorgt für Euere eigene Ruhe und haltet Euch fest, sonst wendet sich das Spiel: Ihr kommt mit einer Wunde im Herzen nach München zurück und dann ist das Necken an mir. Ich will Euerem Verlangen aber genügen, Herr Bruder,« fuhr er nach einer Weile fort, »so Ihr keinen Mißbrauch machen wollt – und was niemand weiß, sollt Ihr wissen. Ja, des Kaisers Töchterlein zog mein schwerbesiegbares Auge auf sich, da ich zu Wien mit dem Niklas von Popolau ritterliche Kurzweil übte. Hier an meinem Arm trug ich seit der Zeit mein Siegeszeichen und oft kam's mir zu Sinn ein großes Abenteuer zu unternehmen.«

»Was hattet Ihr denn vor?« fragte Albertus. »Bei meinem Fürstenwort, ich schweige!«

»Wer sich lange besinnt, geht fehl«, antwortete Herzog Christoph. »Ich hätte um der Erzfürstin Herz gefreit und wäre das mein gewesen, kein Kaiser und Reich hätte mir mein Ziel benommen.«

»Ihr hättet sie demnach entführt?«

»Das weiß ich nicht, doch mein wäre die Fürstin geworden!«

»Und wer und was hat Euch von dem Entschluß gebracht –?«

» Ihr, Herr Bruder,« fiel Christoph ein, »und zu Weihenstephan der Überfall. Ihr ließt Euch vom Abensberger hetzen und ich gab dem Hetzer seinen Lohn. Das war gerecht vor Gottes Augen – und hätte mich der Tat schier gerühmt. Nächst gedacht' ich aber Gottes heiliger Mahnung, daß wir den Feinden vergeben sollen. Das goß mir Reue in mein Herz, vertrieb mir alle Ruhe, und als ich gen Andechs wallfahrtete, des Abtes mahnend Wort im Beichtstuhl vernahm, da schwor ich zu Gott, dem Allmächtigen, Sühne zu tun und ein Opfer zu bringen. Das hab' ich vollführt. Da, wo wir einst in Schmerz dem Vater Albertus den Scheideblick nachsandten, da, bester Entschlüsse voll, trat ich auf den Stein hin, womit ich die Gruft gedeckt – und entsagte vor Gott meinem Verlangen nach des Kaisers Tochter. Nun wißt Ihr's!«

Herzog Albertus hatte, die Hände auf dem Rücken, achtsam und schier teilnehmend zugehört. Schritt dann ein paarmal auf und ab, blieb wieder stehen und sprach: »Euch zu fesseln, bedarf es sicher viel. Ich hab' die Erzfürstin nie gesehen; – wenn sie so überaus schön und aller Tugenden voll ist, wie die Sage geht, habt Ihr nichts Geringes getan. Euch mag's nur Trost verleihen, daß Ihr sie schwerlich errungen hättet.«

»Weil ich kein Land zu eigen hab'«, setzte Herzog Christoph hinzu.

»Wohl, wohl! Seht doch, wie der Kaiser an seiner Tochter hält. Er hat zwei Könige ausgeschlagen. Doch Ihr hättet ja des Kaisers und seines Wortes nicht bedurft!

»Ich nicht!!« sagte Herzog Christoph ein wenig gereizt und nicht minder spottend. »Gebt Regensburg zurück und werbt um die Kunigunde! Dann habt Ihr Euer Werk vollendet. Erst habt Ihr mich gefangengenommen, dann wurde das Regiment Euer, es fehlte nichts, als daß Ihr um des Kaisers Tochter würbt –!«

Eine leichte Röte des Zorns flog über des Albertus Wangen.

»Ich verspreche es Euch«, sagte er nach einer Weile. »Ich werbe nicht.«

»Hand drauf! Was säumt Ihr?«

»Was ich verspreche, weiß ich zu halten« – erwiderte Albertus, »wozu da mehr. Just fällt mir aber bei« – er zog die Glocke.

Ein Diener trat ein.

»Ist der Bürgermeister mit den Ratsherren im Vorgemach?«

»Vergebt, hoher Herr«, war die Antwort. »Keiner von ihnen, wohl aber Euer herzoglichen Gnaden Rat, Herr Doktor Neuhauser.«

»Wann der Zahlmeister Lautbronn mit dem Geld kommt, meldet ihn sogleich. Neuhauser kann erscheinen.«

Sehr würdevoll trat der Doktor Neuhauser ein, beugte sich ehrfurchtsvoll, doch nicht zu tief, und blieb stehen, viele Schriften unterm Arm hervorlangend, welche noch vor des Herzogs Abreise zu erledigen waren.

Herzog Christoph aber griff zum Barett. »Um die achte Stunde in die Dürnitz –!« warf er hin.

»Ich komme«, entgegnete Albertus, sich dem Schreibtische nähernd und mit der Rechten einen kalten Gruß entsendend.

Dem Doktor Neuhauser, der sich verbeugte, halb freundlich zunickend, verließ Christoph das Gemach.

Ein flüchtiges Lächeln zuckte um des Albertus Mund.

»Ei seht doch,« sagte er halblaut vor sich hin, »mir die Hände binden lassen. So nicht, Herr Bruder!«

Er schrieb eine zweite Anweisung und legte dieselbe beiseite. Dann winkte er dem Doktor Neuhauser. Dieser nahte vertraulich und reichte Schrift um Schrift zur Durchsicht und Unterzeichnung.

Nach Verlauf einer Viertelstunde wurde Herr Bartlme Lautbronn gemeldet.

Derselbe trat alsbald ein und verbeugte sich so tief, daß der Herzog und der Rat eine vollständige Ansicht seines ansehnlich breiten Rückens bekamen.

»Ihr habt geruht zu befehlen, allergnädigster Herr Herzog« – sprach er, ohne aufzuschauen. Dabei deutete er mit dem rechten Arm hinter sich. »Die Summa Goldes liegt im Vorgemache bereit.«

»Gut. Noch zehntausend!« sagte Albertus. »Laßt auch den Lebrecht eintreten!«

»Noch einmal zehntausend –?« Ungemeinen Erstaunens voll, erhob Herr Bartlme Lautbronn sein gesundheitstrotzendes Antlitz.

»Hört Ihr denn nicht?«

»Zu untertänigstem Befehl! Also noch zehntausend! Sogleich, sogleich!« Herr Lautbronn nahm die Anweisung in Empfang und verließ des Herzogs Gemach ganz rücklings und inmitten einer tiefen Reverenz, welche selbst im äußeren Vorgemache noch kein Ende genommen hatte, als er dort an Lebrecht den Befehl überbrachte einzutreten. Sein Staunen verlor sich erst viel später, so daß er beim Durchschreiten des grünen und schwarzen Ganges mehrmals stehen blieb mit Gefühlen, welche ihn zum würdigsten Nachfolger des Herrn Ignatius Mathias Prätzl stempelten – die große, runde, braungefaßte Zwickbrille auf den ansehnlichen Sattel seiner Nase setzte und in die Anweisung hineinschaute, als gälte es, ein Stück des schwierigsten aus der Apokalypse zu enträtseln.

Der Diener Lebrecht war inzwischen eingetreten.

»Ihr befehlt, hoher Herr –?«

»Euch nichts mehr,« antwortete Albertus, flüchtig aufschauend – »Ihr seid aus Unseren Diensten entlassen.«

Drauf sah er wieder in eine Schrift, wie vorher.

In größter Bestürzung schwankte Lebrecht hinaus. Draußen fiel ihm erst ein, daß er dem Herzog Christoph von den zehntausend Goldgulden gesagt habe. Verzweifelt eilte er zu ihm und flehte um Vermittelung.

Christoph hörte ihn teilnehmend an.

»Da kann ich Euch nicht helfen«, sagte er. »Ich kenne meines Bruders Art. Er nimmt sein Gesagtes nicht zurück.«

»Also soll ich für ein unglückselig, argloses Wort ein brotloser Mann sein!« stammelte Lebrecht. »Ich hab' doch stets treu gedient. O, wenn nun doch – alles, alles Unglück kommt doch von dem elenden Metall her – vergebt, Herr Herzog – ich bin schier von Sinnen –«

»Schon gut, Lebrecht,« antwortete Herzog Christoph, »es ist auch gar viel Wahres an dem, was Ihr sagt. Nun denn, bei Herzog Albertus ist's zu Ende mit Euch. So kommt in meine Dienste. Da geratet Ihr nicht leicht in gleiche Gefahr, denn ich lasse nicht so bald zehntausend Goldgulden auszahlen. Was Ihr bisher gehabt, sollt Ihr wieder haben. Etwan gefällt's Euch auch in meinen Diensten.«

»O, zehntausendmal besser –!« platzte Lebrecht heraus. Voll Schrecken hielt er ein.

»Schon gut, schon gut«, sagte Christoph. »Will's glauben. Nun wißt Ihr's!« Er nickte ihm zu und entließ ihn.

* * *

Nun wird aber jeder wissen wollen, wie es in der Herren-Trinkstube erging, und glauben, Herr Christophorus Rudolff und dessen Kollegen hätten zum » pro secundo« gegriffen und sich entschlossen, nicht in die Hofburg zu gehen, wie sie denn auch wirklich nicht daselbst eingetroffen waren.

Just das Gegenteil.

Der unbekannte Verräter in der Heiratsangelegenheit sollte, dem Vornehmen der Herren nach, vor dem Herzog Albertus selbst auf das Haupt geschlagen werden und die Rede des Herrn Christophorus Rudolff sich nur auf auserlesene Glückwünsche zu des Herzogs erst in jüngster Zeit in Erfahrung gebrachter Reise gen Innsbruck beziehen. Zu diesem Entschluß war man schon um die fünfte Stunde gekommen. Es hatte sich auch sofort um nichts, als die Worte gehandelt, leider jedoch mehrfacher Streit erhoben, wozu der Schenkfritz durch rastlose Füllung der Becher, Humpen und Kannen möglichst nachhaltige Kräfte beisteuerte. Diese anfangs wohlmeinenden Streitigkeiten waren aber allgemach und drauf sehr häufig mit solchem Eifer betrieben worden, daß weniges fehlte, die sämtliche Reputation des Rates durch nicht unwesentliche Verletzung des Decorums in Frage gestellt zu sehen – bis man sich denn zuletzt doch faßte und über die zu haltende Glückwunschrede vereinigte.

Als aber alles im reinen war und Herr Christophorus Rudolff zum Aufbruch mahnte, da es schon nahe an der Zeit sein müsse, als an der sechsten Stunde – zeigte sich, auf des Schenkfritz nähere Mitteilung, zu allgemeinem Erstaunen und zu größter Bestürzung – daß es sich gegenwärtig nicht mehr um die sechste Stunde handle, sondern daß man an sämtlicher Lebenszeit schon um eine ganze Stunde später daran sei.

Wie alle, so geriet hierüber doch keiner in größeren Schrecken, als Herr Christophorus Rudolff, welcher sich nämlich eben gemach erhoben und im Begriffe gewesen war, seinen Rest in würdevoller Ruhe auszutrinken. Mittlerweile nun sämtliche, wohlweise Deputations- und Nichtdeputationsgenossen wie versteinert da saßen, stand Herr Rudolff in möglichst noch größerer Leblosigkeit da, indem er seinen Humpen in der Hand hielt.

Schon hatten sich alle rings wieder einige Besinnung gesammelt, als es noch immer schien, er sei nicht zu sich gekommen. Endlich regte er sich. Er rückte seinen Humpen, welcher die Zeit über in Lüften geschwebt, ganz langsam gegen sein würdeumhülltes Antlitz und sagte mit verhängnisvoller Stimme:

»Unsere Absicht war die beste. Aber das Schicksal hat einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir stritten und erwogen und untersuchten, allwie es gründlichen, weisen, deutschen Männern wohl ansteht. Heute morgen war es dem Herzog zu früh – nunmehr kommen wir mit der Macht unserer Worte und unseren sämtlichen, fürtrefflichen Wünschen zu spät. Wohl dem, der mit uns sagen kann, wir haben das Beste gewollt, können uns mit bestem Gewissen einander nichts vorwerfen, vielmehr das Geschehene, respektive das nicht Geschehene in frohsame Besprechung zieh'n – und in Frieden und Ruhe unsere Humpen völlig leeren.«

Er trank seinen Rest aus, warf einen wehmutsvollen Blick in die Tiefe des Humpens und reichte ihn, ohne sich zu wenden, dem Schenkfritz.

»Noch einen Humpen«, sagte er.

» Noch einen?« fragte der Schenkfritz.

»Ja, noch einen« – erwiderte Herr Christophorus Rudolff, »und es bedeucht mich – es werde der letzte nicht sein.«

* * *

Es war am Tag vor Neujahr.

Gar streng war der Winter hereingebrochen, schier unablässig brauste der schärfste Nordwind und Schneegestöber über Schneegestöber stürmte darnieder, daß die stärksten Äste an den Bäumen krachten und niederbrachen, soviel Schnee gab's. Nun war der erste klare Tag, der Himmel war blau und sonnig, die Menschen zu München atmeten ein wenig auf und meinten, so ließe sich der Winter wohl ertragen, wie heute. Und wenn er nur nicht so lang' anwährte. Aber da ließ sich nicht viel hoffen und sagen, denn es war dazumal, wie heutzutage; die schöne Zeit kam spät und war kurz im lieben München und die andere war desto wilder und währte um soviel länger.

Mittlerweil' nun die Münchner, von ihrem strengen Winter weithin eingeschneit, so dahinlebten und wenig Nachricht von ihrem Herzog Albertus erhielten, schoben sie das auf die schlimmen Pfade in den Bergen oder glaubten auch, jener komme bald selbst, und zu berichten werde es eben Wichtiges nichts geben.

Dem Herzog Christoph bedeuchte es auch ganz natürlich, er dachte an kein Arges, und als der genannte schöne Tag eintraf, versah er sich des Argen noch weniger, war ganz guten Muts und beschloß einen Ritt ins Freie zu tun. Das vollführte er um die neunte Morgenstunde, und da er wieder heimkam, schlug es vom Türmlein der Lorenzerkirche just eilf Uhr.

Wie nun Herzog Christoph in sein Gemach trat, wurde ihm gemeldet: »Es sei ein welscher Abenteurer oder Juwelier da, des Namens Ambrogio Carelli. Der habe einen Brief vom Herzog Albertus zu überbringen und bitte zugleich sein Kleinod und Geschmeide auslegen zu dürfen. Sie hätten ihn auch gut empfangen und ihm einiges vorgesetzt.«

Sagte Herzog Christoph, es sei ganz recht und sie sollten ihn rufen.

In kurzem trat der Welsche, ein schmächtiger, halb ergrauter Mann, ins Gemach, begrüßte den Herzog auf die feinste Weise in deutscher Sprache und übergab das Schreiben, welches Herzog Christoph freundlich nahm. Derselbe schickte sich an, es zu öffnen, aber er unterließ es und steckte das Schreiben in die Brust, worauf er dem Welschen winkte, seine Ware auszulegen.

Der begann alsbald, zeigte sich in keiner Weise beklommen, doch sonst hübsch artig, und reihte aus seinem Handschrein Kästlein um Kästlein auf, die er insgesamt öffnete.

Herzog Christoph besah dies und jenes, kaufte eine wohlgearbeitete Gurtschnalle und einen vergoldeten, schönen Schwertgriff und bezahlte, was verlangt ward.

Dann fragte er: »Nun, habt Ihr guten Handel gehabt am Hofe des Erzherzogs Siegmund?«

»Wie Ihr geruht zu sagen, mein allergnädigster Herr«, antwortete Ambrogio Carelli. »Zwar ließ mich leer abziehen und hat mich vertröstet auf ein anderesmal Erzherzog Sigismondo. Destomehr haben mich geehrt und mir abgekauft Euer hochfürstlicher Bruder, mein allergnädigster Herzog Alberto – und die Blume, die Zierde aller hochfürstlichen Damen, meine allergnädigste Gebieterin Kunigunda, die Tochter des Kaisers.«

»Mein Bruder? Es nimmt mich schier Wunder,« sagte Christoph, »daß Ihr so gar viel bei ihm abgesetzt haben sollt, oder zu so gutem Preis, daß Ihr es einen Handel nennt.«

»Wenn ich es nenne einen guten Handel,« entgegnete der Welsche, »so ist es nicht allein der Gewinn an Gold und die Lust am Gewinn. Es ist vielmehr die Freude des Kaufherrn an der Gunst der Herrn und es ist die große Ehre, daß meine Kleinode und Edelgesteine haben davongetragen den Sieg über die Kleinode und Edelgesteine eines anderen.«

»Also, was hat mein Herr Bruder gekauft und wieviel Ehre hat er Euch in Gold dafür gegeben?«

»Ist es doch der Fluch über Kaufleute, hoher Herr,« sagte der Welsche, ziemlich unzufrieden, »daß man nie will erkennen und glauben an ihre gute Ehrlichkeit. Ich sag' Euch, hoher Herr, der Gewinn ist oft gering, doch geb' ich die War', um zu sein in der Fürsten Huld und Gunst. Tun wir aber doch unrecht! Ob wir verlangen viel, ob wir verlangen wenig, gar mancher will nicht glauben an unsere Ehrlichkeit. Und ich sag' Euch, hoher Herr, wann ich es könnte bringen über mein Herz, zu verlangen zu viel, möcht' ich es tun. Hielte man mich doch nicht für unredlich mehr und nicht für weniger

»Ereifert Euch nicht so fast,« entgegnete Herzog Christoph, »es ist nicht so schlimm gemeint gewesen. Was Ihr mir da verkauft, bedünkt mich eben nicht zu teuer. Doch zur Sache; um wieviel mehr, denn zehn Goldgulden, hat Euch Herzog Albertus abgenommen?«

»Um das neunzigfache, hoher Herr«, sagte Ambrogio Carelli wieder äußerst ehrerbietig und sichtlich beschwichtigt.

»Wie? Das wären neunhundert Goldgulden –? Das glaub' ich nimmer!«

»Ihr werdet es sogleich glauben, hoher Herr«, fiel der Welsche ein. »Mein allergnädigster Herzog Alberto hat gekauft von mir zwei Ringe, besetzt mit zwei kostbaren großen Diamantsteinen, um einhundert Goldgulden; er hat gekauft von mir zwei Ketten von Gold aus Venetia und drei Gehänge von feinsten Perlen und Rubin – für die fünf Stück konnt' ich fordern vor Gott achthundert Goldgulden – und einhundert für die Ringe – ist zusammen neunhundert Goldgulden.«

»Unmöglich!« sagte Herzog Christoph.

»Wenn ich es aber beteuere bei meiner Ehr'!« gab Ambrogio wieder rasch zurück. »Nun, und was hab' ich gewonnen bei dem Handel? Ich hab' gewonnen fünfundsiebzig Goldgulden für alle meine Müh' und Sorg' und Gefahr. Dennoch bin ich zufrieden und bin froh. Hab' ich doch die Ehr', daß wird getragen mein Kleinod von der schönsten Dame der Welt, und daß wird getragen von einem erhabenen Fürsten die wunderbar schöne, schwere goldene Kette, der reichgezierte Dolch und der kostbare Ring mit Schmarald, so mir hat abgekauft des Kaisers Tochter, meine allergnädigste Herrin, um dreihundert Goldgulden.«

»Ich versteh' Euch nicht«, sagte Herzog Christoph. »Ihr sprecht, die Kaiserstochter habe Euer Kleinod und Geschmeid' einem Fürsten bestimmt. Nun, das mag ich begreifen aus mehrfachen Gründen. Sicher ist's für den Erzherzog von Tirol. Doch, wer ist das Fräulein oder die Dame, so meines Bruders Geschenke tragen soll?«

»Und das solltet Ihr nicht wissen, hoher Herr? Ihr geruht zu scherzen, ganz sicher ist es so. Wär' es doch zuviel Glück, daß ich sollte erwählt sein zu verkünden die Nachricht, daß Kunigunda, des Kaisers Töchterlein, ist die Braut Eueres hochfürstlichen Bruders!«

»Da lügt Ihr in Euere Seele hinein!« rief Christoph nach einem Augenblick des stummen Erstaunens. »Ihr kühner Welscher, wie könnt Ihr mir solches zu glauben aufbürden? Nie und nimmer wirbt mein Bruder bei dem Kaiser um seine Tochter! Nie und nimmer, sage ich, wie die Lage der Dinge jetzt beschaffen!«

»Werben?« entgegnete Ambrogio Carelli. »Hab' ich denn gesagt, daß Herzog Alberto hat geworben beim Kaiser? Konnte man nicht auch werben beim Erzherzog von Tirol ohne das Wissen des Kaisers, und ohne daß man verlangt nach des Kaisers Einwilligung? Und konnte man nicht werben beim Sohne des Kaisers, dem Bruder der erhabenen Jungfrau?«

»Was sagt Ihr –? Der Kaiser wüßte nichts von allem –?«

»Ich glaube nicht.«

»Ihr lügt, sag' ich!« Mit bebender Lippe rief's Herzog Christoph. »Das wagt mein Bruder nicht dem Kaiser anzutun, so wagt er nicht sein Wort mir gegenüber auszulegen!«

Unversehens waren ihm die letzteren Worte entschlüpft.

Dem Welschen waren dieselben keineswegs entgangen.

»So steht die Sache –?!« entgegnete er nach einer kleinen Weile. »Viel schmerzt es mich, Herr Herzog, daß ich erregt habe ohne Willen Eueren Zorn, statt daß ich Euch gab frohe Botschaft. Doch, was ich gesagt, ist wahr!« Er erhob die Hand zum Schwur und fuhr feierlich fort: »Ambrogio Carelli hat vor Augen Gott, den Allmächtigen, und vor Gott, dem Allmächtigen, schwört er, daß er hat gesprochen die reine Wahrheit und schwört, daß morgen zu Innsbruck ist die Hochzeit.«

Hochatmend tat Christoph etliche Schritte und einen halb gläubigen, aber auch wieder ganz zweifelsvollen Blick sandte er auf den Welschen. Plötzlich rief er, sich ihm nähernd: »Ihr habt geschworen – und dennoch – Ihr seid ein Welscher – und dennoch, sage ich – –«

»Und dennoch!« Stolz erhob der Welsche sein Haupt und stolz sprach er: »Herr Herzog, ich sehe die Größe Eueres Schmerzes, ich sehe tiefer in Euch, als Euch wohl ist willkommen. Was, trag' ich die Schuld, daß ist geschehen, was ich Euch mitgeteilt? Was wollt Ihr mich beschuldigen etwa, ich hätte – Herr Herzog, Ambrogio Carelli ist zu reich, als daß man ihn wohl könnte bestechen mit Gold, für irgendeine Sache Gott anzurufen in Unwahrheit. Weil Ihr mir aber habt zugetraut so Arges und so wenig Schmeichelhaftes« – mit spöttischem, kaltem Lächeln sagte er es – »so will ich Euch sagen dafür Gutes und mehr Schmeichelhaftes – so Ihr befehlt!«

»Was wollt Ihr mir sagen –?« erwiderte Herzog Christoph mit einiger Ruhe, doch in größter Spannung.

Leise rieb Ambrogio Carelli die Hände, indem er dabei die Blicke ein wenig senkte, als dächte er daran, wie er sich alles in Erinnerung bringe. Drauf sagte er:

»Hoher Herr, es sind verflossen zwei Jahre, daß ich war zu Wien und daß ich legte aus mein Schmuck und mein Gestein vor der Erzfürstin Kunigunda. Da sah sie an ein jedes Kleinod und Juwel, legte jedes wieder an seinen Ort und sagte: › Caro mio, sehr schön ist Euere Ware, aber ich kann nicht finden, was ich suche.‹ ›Und was sucht Ihr?‹ fragte ich. Und was sie suchte, war ein Armband, und es war gar manches Armband unter meinem Geschmeid', doch keines, wie sie es verlangte. Und ich sagte, ›wann ich wüßte, wie es sein müsse, wollte ich's ihr lassen machen in kurzer Zeit.‹«

Einen Schritt näher trat Herzog Christoph. Der Welsche aber fuhr fort und das leise spöttische Lächeln wich nicht von seinen Lippen:

»Als ich sagte dieses, antwortete die Erzfürstin: ›Mein lieber Ambrogio, ich habe gekauft von Euch ein Armband vor sechs Jahren, da nicht viel später kam nach Wien der Herzog Christoph von Bayern. Ich hab' es getragen beim Turnier und gab es hinweg von meinem Arm als Preis, welchen Herzog Christoph gewann über den Nikolaus von Popolau. Das war ein gar schönes Armband und ich möchte haben das gleiche.‹«

In Blitzesschnelle fuhr ein Blick aus des Welschen tiefschwarzen Augen auf Herzog Christoph. Sogleich senkte sich aber die graue Wimper wieder.

»Und ich sagte: ›Kaiserliche Hoheit, Euch ist bekannt meine Dienstwilligkeit. So Ihr befehlt, will ich mich begeben zu Herzog Christoph, wo er auch sei, und will ihn bitten, daß er mir zeige das Armband. Denn wer könnte zweifeln, daß er es hat bewahrt, und daß er gewähren wird die Bitte, da er ist der gütigste Fürst und Ritter und der edelste von allen.‹ Da sagte die Tochter des Kaisers ganz feurig: ›Das ist er, lieber Ambrogio, und gar gerne erinnert sich jedermann seiner.‹ Und als sie gesprochen so, beugte sie sich über mein Kleinod und Geschmeide, und mich bedünkt's, als habe sie geseufzt ganz leise. Und sie sagte: ›Lieber Ambrogio, Ihr sollt tun keinen Schritt zu Herzog Christoph, wer kann wissen, ob er nicht doch kommt selbst.‹ Und wie zuerst ihr nichts angestanden von all meiner War', kramte sie nun gar eifrig in meinem Geschmeid' und Gestein, hat mir abgekauft um eine große Summa Goldes und hat verboten mir wiederholt, daß ich tue einen Schritt zu Euch. Ich kam nicht zu Euch, vor sie nun ist eines andern – und sie hat nicht gewonnen ein gleiches Armband, als es sie darnach verlangte denn Ihr seid nicht gekommen zur Tochter des Kaisers.«

Herzog Christoph hatte regungslos zugehört. Lange schwieg er, niederkämpfend den Sturm in seiner Brust. Dann trat er näher, legte dem Welschen die Hand auf die Schulter und sagte in tiefem Ernst: »Hab' ich Euch unrecht getan, Ambrogio Carelli, so habt Ihr Euch schwer an mir gerächt. Ziehet hin in Frieden, so es sich bestätigen wird, was Ihr saget. Hättet Ihr aber dennoch gefrevelt, so sei Euch Gott gnädig, zu dem Ihr selbst geschworen habt!« Urplötzlich des Briefes in seiner Brust eingedenk, nahm er diesen heraus und trat, während Ambrogio ruhig seine Kästlein schloß, an den Spitzerker; er öffnete hastig den Brief, erst flüchtig blickte er hinein, dann las er langsamer und, wie unbewußt, ließ er sich auf den Erkersitz nieder. Lange Zeit lehnte er da. Wie seinen Blicken nicht trauend, überlas er mehrmals Stelle um Stelle und krampfhaft zuckte seine Hand zum Schwerte.

»Es ist so!« sagte er vor sich hin. Rasch erhob er sich. »Ihr seid noch hier, Ambrogio Carelli –?«

Tief beugte sich der Welsche und wollte das Gemach verlassen.

»Haltet ein!« mahnte Christoph. »Wohin führt Euch Euer Weg?«

»Nach Innsbruck, hoher Herr!«

»Ich verstehe. Mein Bruder wünscht zu erfahren, wie ich diese Kunde aufgenommen. Er soll es erfahren.«

Er wandte sich zum Schreibtisch, ergriff stehend eine Feder und schrieb:

»Hochgeborner Fürst und Brueder. Vns ist Euere Geschrift dato Inspruck durch den welschen Ambrogio Carelli zugekommen. Darin vermeint Ir, Herr Bruder, als wärt Ihr des uns gegebenen wortes ganz wohl eingedenk bliebn, daß Ir sonder des kaysers wißen und sonder werbung bei Im, vielmehr allein des Maximilian, seins sohnes vnd des Erzhertzoges Wort vnd hilfe angesprochen habt, dabei des kaysers tochter als mit dem willen Irs vaters täuscht und trüget.

»Was Ir mir da angetan, wend' vnd drehend Ew. wort, in entschuldigung, als wolltet Ir das getan habn, wie etwan wir es gemacht hettn, vnd all' Ewre süßen sprüch' und versprechungen dazu, darauf wir ninderst viel gebn, das ist fein, arg vnd tückisch, herr Bruder, nennen wir das ein schnöden ausweg und nimmer hetten wir Euch angetan, was Ir vns, so wahr vns Got helfe!

»Wär' annoch in selbiger Heiratsangelegenheit Hilf', so möcht' ich wol gen insprugg reiten und des kaysers tochter die augen auftun. Ir habt's aber so wol gerichtet, daß Ir die Hochzeit habt, vor eh' ein schritt gescheh'n künnt. Können wir da weiters auch nichts tun, denn zu des kaysers vnnseres Herrn Ehr' glimpf vnd recht auf seine Tochter ein Protest entbieten vnd jedes mitwißen in solch' freventlicher angelegenheit von vns weisen.

»Was nun vns selbst betrifft, wölln wir, als rechtlos, nie vnd nimmer darob mit Euch sprechen, vnd nur Ewerem Gewißen anheimbstellen ze ermessn, was Ir vnfreundlich an vns hiemit verbrochen habt. Soll es auch durch Vnns des kaysers Tochter zu keiner zeit in erfahrung bringen, wie Ir da gegen vns praktiziert, da sie sonst leidens genug zu ersteh'n haben wird, bis Ir, Herr bruder, list vnd trug gegen sie selber vnd des kaysers onzweifelichen zoren verglichen habt. Was Euch so leicht nit ankommen wird.

»Dis zur Antwort durch den Welschen, Ambrogio Carelli, welchen Ir anhergeschickt bericht zu empfahen, wie vns selb Euer streich wol gefalle oder aber nit.

»Als wir demnach Ewr wares zil wol erkennen, seid dennoch vordersamst sonder sorgen von Vnnsertwegen.

»Weil Ir aber also spät in listiger bekenntnis anher schreibt, wölln wir Euch hinwieder in anderer Angelegenheit soviel früher vnd in trewer Offenheit zugeschrieben habn vnd schreiben Euch, wie folgt.

»Was Ir Euch vonwegen der grafschaft Tyrol Guts vermeint, davon wird Euch Ewr schnabel rein bleibn, wann auch der römische künig seinen anspruch auf Erbfall entsagt hette.

» Item Ewre 20 000 fl. habt Ir geseh'n vnd werdet sie sicher nimmer wieder seh'n. Das sagen wir Euch zum ersten voraus.

»Weil Ir vns aber von je zu vorwurf gemacht, als störten wir des landes ruh' vnd frieden vnd stifteten zwist, da wir doch in gar viler Menschen mainung in guetem recht warn, Ir aber selbst in allerart zugreift, als gen abensberg, regensburg vnd nun land Tirol, darin Euch sicher kein mensch im reich ein recht zuerkennen wird, vnd daraus vnvermeidsam krieg vnd vnruh durch kayser vnd reich in bedrohung steht, – also sei Euch anmit kund getan vnd ze wißen: In all besagter angelegenheit erkennen wir, Hertzog Christoph, den kayser ueber Euch. Desgleichen spricht sicher so vnnser trewer brueder, hertzog wolfgang, vnd stehn wir beide in fall des kriegs zum kayser, nit aber zu Euch.

»Des verseht Euch.
Christoph

Er schloß den Brief und schrieb darauf: »An vnsern bruder Albrechtn, Hertzog in Ober vnd Niedern Bayrn.«

»Hier, Herr Ambrogio Carelli!« sagte er.

Der Welsche nahm den Brief, beugte sich tief und verließ das Gemach.

Herzog Christoph aber trat in den Erker zurück und nahm des Albertus Brief noch einmal in die Hand –

* * *

Der lautete:

»Vnnser bruderliche lieb vnd alles gute zuvor. Wir hättn vns keinesweges versehen, wie Ewer wort so bald zur warheit werden sollt, daß vns übereins um vnsere ruhe bange werde vnd wir mit einer wunde im herzen anheim komen möchtn, da vns dann billig Ewres spottes widerspiel träffe. Also ist es aber gekomen, vnd sind wir der kayserstochter kürzeste zeit ansichtig gewesen, daß wir da schon anders nimmer vermochten, von brennender lieb ueberwunden wurden vnd von dem ziel nimmer ablassen kunnten.

»Weil nun in gestalten sachen bei des kaysers vaters Persona mit bitt vnd wortten keineswegs etwas in stand zu bringen, wie Ir selbst gesprochen, weiters wir ninderst geneigt sind, die statt regensburg heim vnd zum Reich zu stellen oder sonst die angelegenheit mit der kaiserlichen jungfrauen in aufschub ze bringen, auch Ewren spott nit anheimfallen wollen, haben wir vns einer kihnen tat vermessen vnd verhalten wir vnns auf was pfad der kurzist vnd beste, vnd wie vns vnser brennend verlangen angibt vnd vorschreibt.

»Haben Vns derentwegen mit dem römischen könig Maximilian vnd mit ertzhertzog siegemund besprochen vnd Inen die sache vorgestellt, auch letzterem zum krieg gegen Venedig zwanzigtausend goldgulden verliehn, da er dann ganz genaigt war, seine Hand in jeder Art bot vnd die kihne angelegenheit tapferlich vnd mit treuem fleiß anrichtete.

»Versieht sich demnach die jungfraw des willens vnd befehles Ires vaters vnd hat ir Ertzhertzog siegmund falls kinderlosen absterbens die Grafschaft Tyrol zu ein brautschatz verschribn. Drauf hett der römische könig verzicht getan.

»Ist nun sämtliches ins reine gestellt vnd wagen wir es, wie Ir es etwan gewagt hettet. Wie dann billig groß des kaysers zoren sei, wann er den handel inne wird, versehen wir vns doch milderen sinnes mit der zeit vnd mag sich versönung sicherlich zeigen, wann er nur ein enkelein sieht.

»Ir aber vielliebster Herr bruder, wöllt vns doch des vermeintlich zwispaltigen wortes lösen, weil wir fürwahr anders nimmer konnten, Ir auch selber zu Gott entsagt habt vnd dennoch mehr Ewrem bruder gönnen mügt, was Ir einem andern fürsten gescheh'n lassen müßtet.

»Bitten Euch deshalb ganz bruederlich, ninderst in den Weg zu treten vnd es vns anders nit entgelten zu lassen. Dabei Ir Euch als einen rechten bruder erzaigt vnd wöllen Euch dafür in jeder weyse vergnügen vnd zu all billigen wünschen sein, so vil wir da können vnd vermögen vnd wie das auch stets vnnser sinn gegen Euch gewesen ist, so Ir das auch nit anerkennen wolltet. Wir haben Euch aber zu yeder zeit hoch geachtet vnd geliebt, als ein rechter brueder vnd in einer andern weys nie getan vnd tun wöllen, als gestalter sach vnd des regimentes nützliche Einheit vns zu tun gezwungen hett.

»Weil wir nun ungezweifelt glauben und wißn, daß Ir vns keiner falschheit vnd list, als absichtlich gegen Ew gerichtet, zeihen wöllt, haben wir die vermälung auf tags Neujahrs festgesetzt vnd Euch bis dato kein botschaft geschickt. Hätt auch so leicht nit sein mögen, da noch vor kurzister zeit alles im unsichern gelegen.

»Wöllt das vor bürgermeister, rate vnd gemeiner unserer statt Münchn bewahren, weil wir hier auf dies eilend selbst eigenen Kunde an genannte entsenden. Wir selbst gedenken in etwan 8 tagen zue München einzutreffn und in Bälde ein Turnier gen Regensburg auszuschreiben. Dazu Ir zu voraus geladen seid, Euere kraft und ganz ritterlich ruhmbwirdig wesen zu zeign.

» Item Wilhelm, der bischof von aichstett, ist schon anhergekommen vnd soll in St. Stephans kirche die trauung sein.

»Hiemit gehabt Euch wol.

»Datum Inspruck an pfinztag vor neujahr aõ 1486.

Albrecht.«

* * *

Neujahrstag blauer Himmel und Sonne, bringt das ganze Jahr Segen und Wonne.

Also weil der Himmel spiegelrein und blau war und die Sonne so lustig schien, war den Münchnern das wenige nicht wohl. Viele lustwandelten vor dem Sendlingertor oder gegen Schwabing zu, andere wieder erlustigten sich auf den Weihern an der Stadt mit Eisschießen. Und weil die Bahn so fast trefflich war, verabredeten sich etliche von vornehmeren Bürgern zu einer Schlittenfahrt. Die sollte gleich kommenden Tages stattfinden und in der Herren-Trinkstube wurde das weit und breit besprochen.

Dahin sollte auch der Bürgermeister, Herr Christophorus Rudolff, kommen und er gedachte keineswegs auszubleiben, da ihm der erste Schlitten bestimmt und weiters zu ermitteln war: welches Ratsherrn oder des Bürgers eheliche Wirtin er, hinwieder wer anderer die seinige führe.

Zur Zeit aber, um die vierte Nachmittagsstunde, saß er, mit einem scharfen Messer gewaffnet, im vorderen Erkerfenster der Rosengasse, und zwar am gedeckten Tisch, darauf eine weidlich fette, gebratene Gans prangte. Mit selbiger Gans gedachte er sich und dem Gast, Martinus Katzmayr, ein bene zu tun, ehe die Pflicht zur Versammlung der Schlittenfahrer riefe, bei welcher so viele Besprechung in Aussicht stand, daß wohl zum Trinken, schwerlich aber zum Essen Gelegenheit kommen mochte. Hiebei kam noch der augenscheinliche Vorteil in Anschlag, daß man zu Hause ungehindert und nach Lust zugreifen dürfe, während das Decorum in der Trinkstube und in Gegenwart vieler Personen offenbar andere Gesetze vorschrieb.

Es fehlte jedoch keineswegs an Zuschauern.

Denn sämtliche des Herrn Christophorus Rudolff Kinder, sechs an der Zahl, hatten sich in Erwartung kommender Dinge um den Tisch postiert. Und sooft sie Herr Rudolff hinwegjagte oder die Frau Bürgermeisterin, welche in großer Geschäftigkeit sauere Dirlitzen zurecht richtete, ihre mütterliche Herrschaft ausübte, verging doch stets nur kürzeste Zeit, bis sich die Schar wieder um die beiden wohlweisen Herren sammelte und der Gans mit Blicken und Worten lebhaftes Lob und großen Preis angedeihen ließ.

»Pack' dich oder ich pack' dich, Matthäus!« rief Herr Christophorus Rudolff plötzlich seinen ältesten Sohn an. »Bist schon neun Jahre alt und tust, als hättest du noch keine gebratene Gans gesehen. Weg da, oder ich will euch mores zeigen, ihr bösen Rangen, ihr! Mein hochgeehrter Freund, Herr Martinus Katzmayr, könnte sich da Wunder was denken. Schämt euch, sag' ich! Wenn etwas übrig bleibt, wird man es euch nicht vorenthalten. Ihr tut ja doch, wie hungerige Wölfe! Habt ihr nicht erst eine ganze Schüssel voll Bohnenbrei gegessen?« Dabei gab er dem Matthäus einen Ruck mit dem rechten Ellenbogen, daß er heulend beiseite flog.

»Ei, ei, wohlweiser Herr und Freund,« sagte Herr Martinus Katzmayr, »was seid Ihr mit dem Matthäus so fast hart? Ist doch, glaub' ich, sonst ein ganz trefflich folgsamer Range. Komm her, Matthäus!«

»Er soll hinweg bleiben!« rief jener, zornig aufstehend und mit dem Messer hindeutend, – »man darf diesen Rangen nicht zuviel nachsehen, ansonst werden sie zu übermütig. Ich sag' Euch, Herr Martinus Katzmayr, man sieht es auf der Stelle, warum ein oder der andere keine Kinder bekommen hat. Das ist, weil er nicht gewußt hätte, dies ausnehmend hitzige und stets hungrige Volk im gehörigen Zaume zu halten. Ich will damit niemand beleidigen – das aber sag' ich Euch, diese meine Rangen werden nur gar zu milde regiert und noch heute danke ich es Christophoro Rudolff, meinem in Gott seligen Vater, daß er mich zu jeder Zeit mit ergiebiger Züchtigung bedachte und mir meine rangenhafte Unersättlichkeit auf das nachdrücklichste mit merkbaren Scheltworten und Püffen verwies. Denn dadurch allein hat er einen entsagenden, der Nüchternheit geneigten Jüngling – und folgeweise Mann aus mir gezogen. Das soll sich der Range merken!«

Darauf setzte er sich wieder, beide Hände auf den Tisch gelegt, wobei er in der Rechten das scharfe Messer aufwärts gerichtet hielt und sah, in Erwartung der saueren Dirlitzen und ohne weiteren Angriff, unverwandten Blickes auf die Gans. Denn er wollte nicht früher an- und aufschneiden, als bis sämtliches in gehöriger Bereitschaft wäre.

Dies traf in kürzester Zeit ein, worauf er sich würdevoll erhob, mit der Linken unverzüglich die Gabel ergriff, sie mit einem mutigen Ruck in das Innerste der Gans versenkte und, unter ziemlich bedeutender Spreitzung beider Beine, sachkundigen Blickes, das besagte scharfe Messer gegen das Schlachtopfer senkte.

Soeben setzte Herr Christophorus Rudolff die Messerspitze an, als der Matthäus bemerkte, daß ein herzoglicher Reiter die Kaufingerstraße herabgesprengt komme.

»Was ist das?« sagte der Bürgermeister. »Schaut sogleich hinaus, Frau, es könnte wohl Nachricht vom Herzog Albertus sein!«

Als die Frau Bürgermeisterin ans Fenster eilte und dasselbe zum Überfluß noch öffnete, sah sie einen, wie im Sturm, durch den hohen Schnee daher, am Erkerhaus vorüber und auf das Rathaus zu reiten.

»Ei, freilich ist es Botschaft vom Herrn Herzog! Der Flinker Tony ist es!«

»Der Flinker Tony?! Ganz recht, der ist mit fort nach Innsbruck. Wo reitet er denn hin, in die Hofburg hinüber oder aufs Rathaus zu?«

»Aufs Rathaus zu!« sagte Frau Kunigunde, dann beugte sie sich wieder schnell zum Fenster hinaus. »Und was er da für einen großen Büschel Grüns auf dem Reiterhut hat! Und wie er mit dem weißen Tuche weht – was hat's zu bedeuten?!«

»Was, einen Büschel Grüns und wehen tut er mit einem weißen Tuche?!« Ganz starr sah der Bürgermeister seinen Gast an. »Was sagt Ihr dazu, Herr Martinus Katzmayr?«

»Das bedünkt mich äußerst befremdlich –!« erwiderte jener, sich erhebend und beide Hände vor sich auf den Tisch stemmend.

»Vielmehr bedünkt es mich äußerst erfreulich –« fiel Herr Rudolff ein, – »wie, wenn etwa der Streit um die Stadt Regensburg zu Ende gebracht wäre? Was sagt Ihr zu dieser Meinung? Am Ende hätte die ganze Reise des Herzogs kein anderes Ziel gehabt – – als durch den Erzherzog oder den römischen König die Angelegenheit zu schlichten.«

»Das ist ein sehr großer und wahrscheinlicher Gedanke!« entgegnete Herr Martinus Katzmayr. Dabei hob er seinen Arm über den Tisch und legte die Fingerspitzen auf des Freundes Schulter. »Wenn das eintrifft, so will ich nicht versäumen, diese Euere Voraussicht in die gehörige Öffentlichkeit zu bringen.«

»Man kennt sich in sämtlichen politicis und Möglichkeiten ganz wohl aus –« war Herrn Rudolffs Antwort. »Halt da, Frau! wo wollt Ihr hin.« Eben war Frau Kunigunde vom Fenster geeilt, ihren schwarzen Überwurf umzunehmen. »Ihr werdet doch nicht zum Rathaus eilen wollen? Wo bliebe da das Decorum?! Wenn es etwas Wichtiges ist, wird man uns gehörige Meldung tun!«

»Aber seht doch, die vielen Menschen dort – und –«

»Was da, die vielen Leute und – schließt doch das Fenster! Ich begreife gar nicht, Frau! Könnt Ihr es denn nicht erwarten? Es wäre etwas anderes, wenn ich und Herr Martinus Katzmayr uns auf den Weg machten. Was ich aber noch keineswegs in Vorschlag bringe. Vielmehr bin ich der Ansicht, der Dinge Verlauf abzuwarten. Was sagt Ihr dazu, wertester Freund, Herr Martinus?«

»Ganz Euerer Ansicht!« erwiderte dieser, »sintemalen es unseres Amtes nimmermehr sein möchte, denen Boten nachzulaufen, vielmehr es derer Boten Aufgabe ist, sich ihres Auftrags an uns zu entledigen.«

»Ganz Euerer Meinung!« sagte Herr Christophorus Rudolff, »und zwar um so mehr, als wir in unserem schweren Berufe tagtäglich am Wichtigen soviel Überfluß haben, daß uns nichts eine zu große Überraschung oder aber Neugierde zum voraus bereiten könnte. Bleibt, sag' ich, Frau Kunigunde, und setzt Euch hie ganz ruhig an unsere Seite, wie es einer trefflichen Hausfrau gebührt, zumal einer solchen, welche sich doch zu keiner Zeit in Angelegenheiten des Rathauses mischt. Setzt Euch, sag' ich, denn all das Getret' und Gezappel hilft Euch nichts!«

Sichtlich ungerne nahm Frau Kunigunde ihren Stuhl ein, während sämtliche Rangen des Herrn Rudolff, voraus der Matthäus, an das Fenster rannten, es öffneten und sich übereinander drängend hinausschauten.

»Was, Donnerwetter, soll das wieder heißen?« herrschte der Bürgermeister. »Ob ihr das Fenster auf der Stelle wieder schließt und verlaßt!«

Der Befehl ward vollzogen, und zitternd traten die Angedonnerten ihren Rückzug längs der Wand bis zum Hintergrunde der Stube an, wobei ihnen der erzürnte Ernährer in langsamer Wendung des Kopfes und drohenden Blickes nachsah.

»Die Ehe hat große Freuden,« sagte er dann, »aber sie hat auch ihr Schlimmes. Ich kann Euch versichern, Herr Martinus, daran ist nichts schuld, als die übergroße Nachsicht der Mutter, ich möchte sagen Vernarrtheit in dies Kindergevolk. Ich will aber hiemit niemand beleidigt und Übles nachgesagt haben. Laßt uns in fester Haltung kommenden Dingen ins Auge schauen, nunmehr aber dies unser hier unternommenes Werk zur Vollendung bringen, respektive die Gans verzehren. Denn es gibt kein so wichtiges Ding, daß nicht daneben ein zweites geschehen könnte.«

Hierauf ließ er die Schärfe des Messers walten und einen großen Schnitt Gänsefleisch auf des Gastes und Freundes Teller fallen.

In kurzem war auch er selbst nebst Frau Kunigunde versorgt, worauf ein tiefes Schweigen eintrat, welches von nichts unterbrochen wurde, als dem Geräusch der Messer und Gabeln oder dem zeitweisen Gemurmel der Rangen, so sich im Hintergrunde hin- und herdrängten.

Frau Kunigunde schwieg auch, aber sie konnte keinen Bissen mit Ruhe verzehren, vielmehr bebt' und zitterte sie und unsägliche Ungeduld überzog ihr ganzes Wesen. Mit jedem Augenblicke stieg ihre Neugierde, endlich konnte sie sich länger nicht mehr halten und erhob sich rasch.

Im selben Augenblicke polterte es die Treppe herauf – und alsbald läutete es überaus heftig.

Sogleich wollten sämtliche Rangen hinaus, der Matthäus voraus. Frau Kunigunde aber gewann ihnen eilends den Weg ab, scheuchte sie zurück und öffnete die Haustüre.

Hastigen Schrittes trat der Ratsdiener Theobald Eiselein in die Stube und sagte freudigsten Antlitzes, aber fast atemlos: »Vergebt, hochweiser Herr Bürgermeister! daß ich so wild daherkomme, aber –« er konnte nicht vollenden, sondern brach in ein glückseliges Lachen aus.

»Was gibt es und was soll's bedeuten?« rief jener.

»Vergebt, vergebt, aber ich kann vor Freude nicht anders – hat ihn, hat ihn!!« Und in neues Lachen brach Herr Eiselein aus.

»Nun hab' ich es satt!« donnerte Herr Christophorus Rudolff. »Wer hat, wen hat und was hat ihn? Sprecht, oder Ihr sollt es schwer büßen! Kömmt der Herzog etwa morgen?«

»Nein, besser!«

»Was besser? Ist Stadt Regensburg zurückgegeben?«

»Besser, besser!«

»Noch besser? Was soll's, ich befehl' es Euch, sprecht!«

»Begreift und erratet Ihr's denn noch nicht? Er hat sie und sie hat ihn und wir haben sie beide!«

»Das ist ja zum Verstand verlieren! Er – sie – wir – halt' da, was fällt mir ein! Vortrefflichster Herr Theobald Eiselein – ha, ha, ha, mir schwindelt es schon ganz – Herzog Albertus wäre etwa HoHoch –«

»Habt Ihr's endlich!« rief Herr Eiselein. » Hochzeiter ist er!«

Ein lauter Ruf der freudigsten Überraschung erscholl von Frau Kunigundens Mund.

Herrn Christophoro Rudolff aber war das Messer aus der Hand gefallen. Er erhob sich, seiner Sinne kaum mächtig, trat um den Tisch herum zu seinem Gast und sagte, die Arme feierlich ausbreitend: »Das ist ein großer Augenblick – darum laßt uns umarmen! So haben wir es denn doch durchgesetzt, und hat es dem Verräter dennoch nichts genützt, sondern tragen wir den Sieg davon!«

Die Umarmung wurde von Herrn Martinus angenommen, rasch, wie es sich geziemt, nur daß derselbe noch ein Stücklein Gans verschluckte und sich ein paarmal über die Lippen wischte, um Zeit zu gewinnen.

»Ich bin hochgerührt«, sagte Herr Christophorus Rudolff.

»Ich in Sicher – in Sicherheit ni – nicht minder«, antwortete Herr Martinus.

»Und wie nennt sich die Braut unseres allergnädigsten Herrn?« fragte der Bürgermeister, das freudeglänzende Angesicht wendend. »Es ist doch die Tochter eines erhabenen Fürsten, etwa eines Kurfürsten?«

»Besser!« fiel Herr Eiselein ein.

»Besser? So ist es gar die Tochter eines Königs?«

»Besser!« war die Antwort.

»Was sagt Ihr!« rief Herr Christophorus Rudolff, von der Umarmung ablassend und zwei Schritte hinwegtretend, während Frau Kunigunde in höchster Aufregung stand und die Hände ein über das andere Mal faltete. »Noch besser?! Das wäre ja gar – des Kaisers Tochter – die Erzfürstin Kunigunde?«

»Freilich ist sie's und keine andere!« siel Herr Eiselein wieder ein – »und der Herzog schickt Botschaft an Euch – man erwartet Euch auf dem Rathaus.«

»Victoria et Gloria in excelsis!« rief Herr Rudolff. »Frau, umarme mich, der Herzog heiratet des Kaisers Tochter! Fried', Freud' und Seligkeit, Ruh und allerortiger Segen ist vom Himmel geflossen! Ist es denn möglich? Demnach ist des Kaisers Majestät versöhnt! Victoria! Auf, Herr Martinus, auf, sag' ich, zum Rathaus! He da, Matthäus, hol' meinen Festmantel aus der Gaststube – Frau, meine goldene Kette – Ihr, Herr Eiselein, sagt, ist der Rat schon berufen? Gut, so eilt fort und sagt, ich komme – halt, habt Ihr die Trumpeter schon aufs Rathaus berufen oder Auftrag gegeben? Gut, so könnt Ihr gehen – halt, Herr Eiselein, es weiß doch niemand etwas Näheres? Niemand, sagt Ihr? Gut, eilt fort, meldet meine baldige Ankunft und schweigt, schweigt, sag' ich – ich befehl' es Euch!«

Fort eilte Herr Theobald Eiselein.

In kurzem war Herr Christophorus Rudolff auf das stattlichste gekleidet. Majestätisch, wie es in seiner Art lag, trat er vor Frau Kunigunde und deutete auf den Tisch.

»Auch die Kinder sollen sich freuen«, sagte er. »Gebt ihnen, was weniges Ihr für gut findet oder aber schon hergeschnitten ist. Das übrige, respektive mindest die halbe Gans laßt gänzlich erkalten und bewahrt sie bis auf eintretende Rückkunft nach geschehenen Staatsangelegenheiten. Kommt, Herr Martinus Katzmayr!«

Das alte Rathaus in München.

Beide verließen die Stube.

Im nächsten Augenblicke stürzten die Sprößlinge des Herrn Rudolff unter Vorantritt des Matthäus auf den Tisch zu. Frau Kunigunde aber eilte an die Seitentüre, ihren Überwurf vom Nagel zu lüpfen und umzunehmen, dabei sie glückselig, redselig vor sich hinsagte: »Das muß ich der Ridlerin sagen, die sagt's nicht weiter, und der Pötschner, die sagt's auch nicht weiter – Kinder eßt, eßt, ich bin bald wieder da, laßt nur die halbe Gans, da habt ihr genug, ich komm' gleich wieder, habt ihr gehört?«

Ein wildes, sechsstimmiges Ja! schlug auf – und hinaus eilte Frau Kunigunde Rudolff.

* * *

Kaum eine Viertelstunde verfloß, so wiegte und wogte es schon in redlichster Menge um das Rathaus. Denn der reitende Bote, der Ratsglocke Ruf zu so ungewohnter Stunde, der Räte Eile, die Trompeter, außerdem manches halbe Gerücht – es mußte etwas Wichtiges vorgefallen sein.

In der Bürgermeisterstube saßen am hufeisenförmigen, grünbehängten Tisch die Ratsherren, der Doktor Neuhauser und die Stadt-Kriegshauptleute hatten sich gleichfalls durch den kleinen Rathaussaal in der Sessionsstube eingefunden. Nun kam noch Herr Martinus Katzmayr, welcher sämtliche Kollegen und Gäste bei freudeglänzenden Gesichtern und in lebhaftem Gemurmel antraf.

Als alle versammelt waren, ging die Türe auf und mit unleugbarer Würde trat Herr Christophorus Rudolff ein. Er dankte allseitigem Erheben mit entsprechender Freundlichkeit und begab sich auf seinen Platz, während eine Stille eintrat, daß man ein Haar vom Haupte des Bürgermeisters hätte fallen hören.

Nachdem der letzte seine Stimme in gehörigen Stand gesetzt hatte, begann er:

»Ehrenfest, fürsichtig, gelehrt und großweise, auch sonst tapfere Herren des Rats und der Stadt Obriste, aller Orte freundlichen Gruß und Willkomm bei so später Sitzung zum voraus.

»Wie wir denn sämtlich gestört worden sind aus häuslicher Ruhe, etwan Imbiß oder sonstigem Verein mit unseren lieben Kindern und frommen, trefflichen Ehfrauen, so ist es dennoch jedes Mannes Pflicht, von wes Amt und Würden er sei, das Beste zum Opfer zu bringen, wann ihn selbes sein Amt ruft. Ja, träf' ihn auch das ärgste Leid, Schlaflosigkeit, Hunger, Durst oder andere Entbehrung, dürft' er dessen doch nicht uneinverständig sein und täte all' bei dem nichts, denn seine Pflicht.

» Item, wie aber wollten wir uns beklagen, da uns unsere Pflicht statt zu Leid und Entbehrung, vielmehr zu freudiger Dinge Eröffnung, Hinwegschwemmung langer Sorgen und heiß erwarteter Erfüllung brennender Wünsche anherberufen hat.

Wann ich nun in Betracht ziehe, wie, wo und was das oder jenes wäre, was uns bei allseitig bestem Vorhaben zum Wohl der Stadt und des Landes zuvörderst am Herzen läge – so möchte doch kaum etwas specialiter und für sich genommen im einzelnen haben eintreten können – was soviel des Segens auf einmal in sich verschlossen und respective über uns alle ausgegossen hätte, als was nunmehr in Verkündigung zu bringen ist.

Wie sich all hie seiende fürsichtig, wohlweise und tapfere des Rats und der Stadt Hauptleute wohl entsinnen, ist es mehr nicht denn wenige Wochen, daß wir an dieser selben Stelle gestanden, wohl erwägend, auf was wir vernünftig und fein sittige, dabei doch möglichst eindringliche Art es anzustellen sei, unserem allergnädigsten Herrn Herzog Albertus einen Entscheid, vielmehr Entschluß in Sachen huldvollst vorzunehmender Änderung des ehelosen Standes zu beantragen – aliis verbis, in solcher hochwichtigen Angelegenheit unsere Wünsch' und Meinung devotissime vor- und unterzubreiten.

Wie nun zweifelsohne jedweder von uns weiß, was große Verlegenheit da obgewaltet hat, weil des Herrn Herzogs Reise dazwischen getreten, weiters derselbe offenbar durch wundersame Mitteilung von gehabter Absicht Kenntnis gewonnen haben mußte – womit ich jedoch niemand zu nahe treten will – also könnte von uns allen keiner anderes als den lebhaftesten Wunsch in sich tragen, daß das Versäumte baldigst nachgeholt werde.

Denn wiewohl wir sammentlich auf das sicherste überzeugt sind, daß des Herzogs unlängst zu einem Grafen gefallen sein sollendes Wort ganz guten Schein für sich hat, als selbes gelautet haben soll, verbalia:

›Ich hab' keineswegs Zeit zur Ehe, sint ich des Tags zu regieren hab' und des Nachts bis Morgen also in gelahrten Büchern studier', daß ich schier keine Gelegenheit fände, ein Wort mit meiner Ehfrau zu –‹

Also wäre uns damit doch keineswegs geholfen und sämtliche die herzogliche Nachfolge in ansehnlichst bedrohlichen Zweifel gezogen – desto sicherer aber Streit oder was sonst übles für künftige Zeiten einfindlich.

Wie aber der Himmel es gern so richtet, daß nach banger Sorge des besten mehr auf einem Punkt zusammentrifft und er da, wo wir am mindestens ins Weite sehen, zum ehendsten Trost gewinnen laßt, ist es auch hie zu ergehen gewillt. Item, daß aus der schwarzen Nacht der Besorgnis geworden ist der güldene Morgen der Sorglosigkeit, aus der geringen Hoffnung die unumstößliche Sicherheit und aus der Zeit der Bangigkeit die Zeit der Freuden.

»Wie ich da nun oraliter genaueste Kunde eingezogen habe – bevor wir, was formaliter zu geschehen hat, von eingetroffenem Schreiben Einsicht nehmen – so hat sich, hört und staunt und lobet Gott, unser allergnädigster Herr und regierender Herzog entschlossen, unsere Sehnsucht in Erfüllung zu setzen – und was glaubt ihr wohl?«

»Er heiratet –!« riefen mehrere.

»Ja, er heiratet – das habt ihr also ergründet. Aber wenn ihr, wohlweise, fürsichtig und tapfere Herren zu ergründen vermöchtet, wer die Braut ist –!«

» Kunigunde, Kaiser Friedrichs Tochter –!« erscholl es durcheinander.

»Was – das ist auch schon bekannt?! Wer hat es euch gesagt? Doch nicht Ihr, Herr Martinus Katzmayr?«

»Nimmermehr, hochweiser Herr!« beteuerte dieser. »Als ich kam, fand ich das Geheimnis schon in aller Mund, und was ich zunächst vernahm, kam vom Herrn Hans Stupf.«

»So!« Gewaltig runzelte Herr Christophorus Rudolff die Stirne. »Ich fordere Euch auf, Herr Hans Stupf, zu sagen, woher Ihr das Geheimnis habt? Entweder von des Herzogs Boten, Antonius Flinker, oder dem des Rates, Theobaldus Eiselein.«

»Von keinem von beiden, hochweiser Herr«, antwortete der Gefragte mit gewohnter Heftigkeit. »Ich habe es von der löblichen Ehfrau des Herrn Pötschner.«

»So – so – und wie kamt Ihr dazu, es Euerer Frau zu sagen, Herr Balthasar Pötschner?«

»Ich hab' es keineswegs gewußt noch meiner Frau gesagt«, erwiderte dieser, »vielmehr hab' ich samtliches von der Frau des Herrn Heinrich Ridler in Erfahrung gebracht –«

»Da steht mir ja schier der Verstand still!« fiel Herr Christophorus Rudolff ein. »Wollet Ihr etwan auch nichts selbsteigen primär erfahren und gesagt haben, Herr Heinrich Ridler?«

Herr Heinrich Ridler protestierte auf das entschiedenste, sintemal er alles aus unbestimmt wievieltem Munde vernommen habe, und zwar durch des Herrn Franziskus Tifelharts Ehfrau. Herr Franziskus Tifelhart könne aber nichts erfahren und verraten haben, da er zu tiefst im Bett liege und im Fieber versiere.«

»Da kämen wir demnach auf keinen Grund!« rief Herr Christophorus Rudolff. »Ich sage hiermit nur soviel. Ich will niemand und niemandens abwesende Hausfrau beleidigen. Aber ich habe in Betreff einer gewissen Frau schärfsten Argwohn, daß sie in Sachen der Zungenfertigkeit große Rührigkeit zeigt und sich ein Geschäft daraus macht, alles mögliche in Umlauf zu setzen. Wie ich da zu meinem größten Erstaunen schon öftermals Dinge und Angelegenheiten verbreitet fand, welche ich, wie ich mich auf das genaueste besinne, selbst vor meiner Hausfrau Kunigunde verborgen hielt. Welche meine Hausfrau im übrigen zu jeder Zeit aller Geschwätzigkeit spinnfeind ist, selbst wenn sie etwas in Erfahrung brächte. Diese meine Hausfrau erkläre ich für einen verschlossenen Brief und ein sozusagen kunstreich gearbeitetes Schloß. Wie ich da aber einen oder den anderen wohlweisen Herrn sehe, welcher mit Lächeln mir minder beizustimmen vermeinen dürfte – fordere ich jedweden auf, sich zu erheben wer da will und auszusagen: Ob ihm von löblich der meinigen je etwas mitgeteilt worden oder ihm sonst ein Beweis gegen sie zu Händen stehe?« Einen stolz fragenden Blick sandte er umher und ließ ihn sonderlich lange auf Herrn Hans Stupf weilen. »Da zeigt sich die Unschuld sonnenklar und haarscharf«, sagte er.

Sogleich ergriff er dann die Glocke und schellte dreimal.

Herr Theobald Eiselein erschien.

»Der Bote des Herzogs trete ein!« befahl der Bürgermeister. »Sobald wir nach geschehener Verlesung des herzoglichen Schreibens dreimal klingeln, schwenkt Ihr, wie angeordnet, mit dem Tuche. Hierauf blasen die Trumpeter, so sich wohl schon eingefunden haben werden, zum Rathaussaalfenster hinaus, hart an der großen Treppe – und wird folgends mit allen Glocken geläutet.«

»Geruht man demnach die vorgehabte Verkündigung zu unterlassen?« erwiderte jener.

»Keineswegs«, verbesserte Herr Christophorus Rudolff. »Wir haben uns vielmehr nur in einigem versprochen. Zuerst blasen die Trumpeter auf, hierauf und dann geschieht die Verkündigung, folgend wird dreimal getrumpetet und gepauckt und fallen sodann in kürzester Zeit – auf, bei Beginn des Trumpetens und Paukengewirbels, gegebenes weiteres Zeichen – die Glocken ein.«

Hierauf nahm er seinen Stuhl ein, bedeckte sein Haupt und erwartete, während Herr Eiselein die Stube verließ, benebst dem ganzen Rat in stummer Würde die Ankunft des herzoglichen Boten.

Die Türe ward geöffnet.

Herein trat, den weißen Stab an die Seite gesetzt, der Stadtherold zwei Schritte weit in die Ratsstube, meldete des Herzogs schon sichtbaren Boten und trat rechts an die Türe, worauf jener zur Rechten des Herrn Eiselein hereinschritt. Herr Eiselein postierte sich zur linken Seite der Türe, welche er schloß.

Des Herzogs Bote aber trat dann bis zur Hälfte des Tisches vor und sprach:

»Groß und wohlweise, wohledel, ehrenfest und fürsichtige, hiesiger Hauptstadt Bürgermeister, des Rats und an jedermänniglich sonst Gruß und Gunst des allergnädigsten Herrn Herzog Albrechtens zuvor. Und läßt euch in sonderlicher Gnade alles Gute entbieten. Allhie steh' ich, Antonius Flinker, auf des Herzogs Befehl in Landessachen sonderlichen und ausnahmsweise mit groß wichtiger Zeitung an euch abgesandt, zu Freud' und Ruhm für jedweden, der sich des Herzogs, unseres allergnädigsten Herrn, Getreuen nennt – hoch lebe er!«

Sämtlich die Ratsherren, Stadtobriste und der Bürgermeister erhoben sich und nahmen hierauf wieder Platz mit Ausnahme des letzteren, welcher bei des Boten Worten sein Haupt entblößt hatte.

Herr Antonius Flinker trat ganz zum Bürgermeister und übergab das Schreiben.

Mit freundlichster Gebärde nahm es Herr Christophorus Rudolff zuhanden und besah Aufschrift und Siegel.

»Alles in Richtigkeit«, sagte er. »Dieweil Ihr in des allergnädigsten Herrn Herzogs Dienst uns Zuschrift bringt und vorangehend schon in mündlicher Weise freudige Hoffnung aufgereget, sei Euch nach Brauch hinwieder sonderlicher Dank angetan. Lebt demnach, insofern Ihr Euch hie zu halten gedenkt, drei Tage lang in welcher besten Herberge Euch beliebt, als wir Euch dann auf Kosten der Stadt auslösen wollen, benebst acht Gulden Reitergeld, welche Summa Ihr von nun an in jedem Augenblick erheben könnet« – dabei übergab er ihm einen Zettel – »und seid anmit in bester Gunst entlassen!«

Herr Antonius Flinker beabschiedete sich mit gehöriger Reverenz, worauf der Ratsbote Herr Theobald Eiselein die Tür' öffnete, den Herold voranschreiten ließ, sodann mit dem herzoglichen Boten folgte und die Türe wieder schloß.

Rat und Gäste saßen in gespanntester Erwartung, Herr Christophorus Rudolff werde unverzüglich zur Schere greifen und das herzogliche Schreiben öffnen. Dem war aber nicht so, vielmehr ergriff er noch einmal das Wort und sprach:

»Wohlweis', fürsichtig, ehrenfest und tapfere Herren des Rats und der Stadt obriste Kriegsmänner! Es möchte sicher einiges Befremden erwecken, daß ich nicht alsofort zugreife und männiglich das in vorliegendem vom allergnädigsten Herrn Herzog Verkündete zur Verkündigung bringe. Item ich dürfte mich aber nur auf einen jeden für sich selbst berufen, und wie er es schon mehrfach erlebt hat. Wo wir dann finden würden, es gebe so große, freudige Überraschungen, Vorkommnisse oder Geschenke, daß wir schier Anstand nehmen, uns ohne weiters in Besitz zu setzen. Man gehe lustwandeln in einem schönen Wald und erblicke eine wundersame, farbige, fast zauberweis' schöne Blum', Blüte oder eine hochrote Beer'. Steht einer da nicht erst still, weidet sich mit seinem Auge an Gottes Güte und mannigfaltiger Schöpfung, überdenkt, wie da alles zum schönsten und besten gerichtet und geordnet ist und wie uns da auf einmal ein trefflicher Anblick zuteil werde, wo wir uns dessen nicht versehen hätten? Alsdann wir erst dahinschreiten und selbe farbige Blum', Blüte oder selb hochrote Beer' von sotan ihrem Stengel pflücken und sie mit Preis im Herzen von dannen tragen. Und wie dies jedweder hierin in Erfahrung gebracht und mir sattsam beistimmen wird, also ergeht es mit vielen anderen Dingen, ja selbst Personis. Denn es kommt ein Freund an, den wir lange nicht gesehen haben und am mindesten aus der Ferne erwarten. Ist es nicht, daß wir ihn erst freudig beschauen, ob er es auch pro primo in Wirklichkeit sei und uns kein Traumbild täusche? Und so weiters und mehr in allem, was eines Mannes Herz in tiefstem Grunde erfreut und sein Gemüt zu Gottes Dank erhebt.

»Es ist aber ein ganz anderer Grund da, wohlweis', fürsichtig, ehrenfest, tapfer, daß wir also und selbstverweigerlich verfahren, nämlich: Anticipando in gehörigen Betracht zu ziehen, was unwidersprechlich, ungemein groß und wichtiges Nutz und Frommen dem ganzen Land aus sotanen hochfürstlichen, respective fürstlich und mixtim kaiserlichen, ehlichen Vereinigung entspringe. Item indem des Kaisers Majestät zu benannter fürstlich und mixtim kaiserlichen Verbindung konsentiert hat, muß offenbar und ungezweifelt jedweder allerhöchste Zorn in Betreff der Abensbergischen Grafschaft und sonderlich Regensburgs um ein bedeutendes mitigiert vel gemildert, wo nicht gänzlich deliert, zu deutsch vernichtet, zerstört und in gänzliche Vergessenheit gebracht worden sein. Es sei dem nun so – daß insonderheit diese, des Reiches Stadt Regensburg von unserem allergnädigsten Herrn Herzog zurückgestellt, respective alles in integrum restituiert wurde – oder aber, daß des Kaisers Majestät unseres des allergnädigsten Herrn Herzog Albrechtens vermeintlichen Besitz zum wahren und wirklichen anerkannt und somit den Genannten und uns von jeder bedrohlichen Rück- und Anforderung auf dem Wege des Fürstenentscheides, wo nicht gar auf dem Wege der Gewalt, Acht, Aberacht und nachdrücklicher Kriegsläufte – befreit habe.

»Weil wir nun pro primo samtlich in großer Besorgnis standen und sozusagen dem eigenen Entschlusse selb unseres gnädigsten Gebieters vorangreifen wollten, so wir doch wohl annehmen hätten sollen, er werde sich in Sachen der Heirat nicht minder weise und zu allseitigem Nutzen verhalten, als in all anderen Dingen des Regiments selbsten – pro secundo weil nun all und samtlich offenbar so eingetroffen ist, daß allerseitiges Nutz und Frommen erwächst – pro tertio weil er uns billig vorwerfen kann, daß wir es, mindestens scheinbar, am Vertrauen haben fehlen lassen –

»Aus diesen Gründen halte ich es für meine Pflicht, hierorts in gewissen Betracht nomine omnium zu deprezieren und auf das nachdrücklichste auszusprechen, wie wir dann samtlich andere Überzeugung nie und nimmer getragen haben und tragen werden, als daß seine Durchleuchtige Gnaden jederzeit fürsichtig und des Landes eingedenk verfahren haben, hinwieder verfahren und also verfahren werden.«

Ansehnliches Kopfneigen erfolgte rings um den ganzen Tisch.

Herr Christophorus Rudolff aber ergriff die Schere, öffnete das Schreiben, entfaltete es und las:

»Von Gottes Gnaden Albrecht Pfalzgraf bey Rhein, Herzog in Ober- vnd Niederbayern!

»Unseren Gruß zuvor, fürsichtig Weise vnd liebe Getreue!

»Weil Ihr so viel Gram in Euerem Herzen getragen vnd vnvorlängst, wie Wir vernommen vnd drauf ersahen, in Vortrag bringen wolltet, daß von vns Gebrüdern keiner zum Altar trete, vnd es bei Vns selbst zum Dringendsten wäre – hab'n Wir das zu Sinn genommen vnd auf dem Wege gen Innsbruck reiflichst erwogen.

»Wie Wir da der Sache, als Euer stets des Wohls vnd gerechter Wünsche bedachter Herr vnd Landesfürst, weiters nachdachten, wollte es Vns schier bedünken, Ihr wärt da in keinem vnbilligen Verlangen vnd beschlossen in möglichster Bälde genau Euerem Mir bekannten ansinnen zu entsprechen, wo nit voran zu kommen.«

»Was sagt man dazu?« unterbrach sich Herr Christophorus Rudolff selbst, einen stolz freudigen Blick über die Versammlung schickend. Darauf fuhr er fort zu lesen:

»Wie wohl geneigt Wir demnach zu einem baldigen Schritt in selber Angelegenheit waren, hätten Wir doch nimmer vermeint, daß die Liebe solche gewalt hett, Vns zu einem so saft vnversehenen Entschluß zu bringen, da Wir Vns doch jeder zeit in der Gewalt hielten vnd gewohnt waren, alle Angelegenheit nebst Folgen in reiflichste Erwägung zu bringen.«

Herr Christophorus Rudolff setzte wieder ab.

»Hm!« Und ein leises Gemurmel, mit einigen weiteren Hm vermischt, erhob sich. Worauf jener mit dem Zeigefinger zur Ruhe wies und zu lesen fortfuhr:

»Thuen dem zu Folge kund vnd zu wissen, Euch dem Rath, Oberen vnd gemeinen Vnserer Stadt, daß Wir Vnseren Stand verändert haben vnd da Ihr nun im Rath beisammen sitzet, sitzen wir in Freuden beim Hochzeitsmahl Die Vermählung fand statt zu St. Stephan in Innsbruck durch Wilhelm, Bischof von Eichstätt, welcher auch das Hochamt sang. – Ob. an der Seite Vnserer hochfürstlich erwählten, vielgeliebten Braut – die ist des Kaisers Friedrich Tochter Kunigunda . Deß wird er wohl geneigt sein vnd – – nachträglich verwilligen –«

»Was ist das?«

Herrn Christophorus Rudolff schwankte das Schreiben in der Hand und ganz nahe schaute er hinein, ob er recht gelesen habe. Aber es war schon so. Einen Blick unaussprechlichen Erstaunens ließ er ergehen und las dann weiter.

»Nachträglich verwilligen – allererst Wir doch die Zustimmung des fürstlichen Vettern Vnserer Braut haben, als des Erzherzogs Sigmund von Tyrol vnd die des römischen Königs Maximilians. Als es bei schleunigem Entschluß anders nichts zu richten war, indem des Kaiserlichen Vaters Majestät in weiter Ferne und in kriegsläuften begriffen ist.«

Herr Christophorus Rudolff senkte beide Hände benebst dem Schreiben langsam auf den Tisch und sah sprachlos auf den Doktor Neuhauser hin, wobei er die untere Lippe weit über die obere schob und sein Haupt mehrmals in vielsagender Verneigung hin- und herwiegte. Rasch nahm er dann das Schreiben wieder auf und las:

»Haben Wir auch etwelche Herrschaften zu eigen bekommen vnd können Euch zur Freude verkünden, daß Wir Vns seiner Zeit Tyrols zur Vereinigung mit vnseren Landen versehen, deßfalls gute Verträge geschlossen haben vnd Vns insoweit vnd vordersamst keinen Einspruch erwarten.«

»Insoweit und vordersamst –« stotterte Herr Rudolff vor sich hin, doch plötzlich seiner Pflicht und Untertänigkeit eingedenk, neigte er sein Haupt ehrfurchtsvoll und las weiter:

»Ist nun bemeldete wichtige Angelegenheit Euerem Wunsche gemäß behend zur Reife gediehen, vermeinen Euch frohe Kunde zu geben, vnd mögt, nach Befinden vnd Zeit, selbes Ereigniß vnseren lieben vnd getreuen Bürgern vom Ratsfenster verkünden, auch was arm ist aus Vnsere Kosten speisen lassen vnd männiglich bis zu fünf schwarzen Pfennigen Geldes zum Almosen beilegen, das Trinken nach Billigkeit vnd Ermessen eingerechnet.

»Damit thut Ihr Vns Vnseres Gefallens, bleiben Euch, Euere Dienste, Weisheit vnd stets wache Treue erkennend, zu jeder Zeit in vollen Gnaden gewogen.

Albertus

Die letzte Stelle hatte Herr Christophorus, wie begreiflich, mit sattsamer Betonung gelesen.

Langsam legte er das Schreiben zusammen und konnte nicht umhin, wie unversehens über das Auge zu fahren, als ob ihn das Lesen angestrengt habe. Es war aber etwas anderes. Denn Herr Christophorus Rudolff trug ein edles, seinem Herrn ergebenes Herz in der Brust und es bedurfte wenig, ihn zur Rührung zu bringen.

Unsere Dienste, Weisheit – und stets wache Treue erkennend – bleibt er uns zu jeder Zeit in vollen Gnaden gewogen«, wiederholte er. »Ein besserer Lohn für unsere Lieb', Ehrfurcht und Beflissenheit, als diese sotane, der Verewigung in Stein oder aber Erz würdige Worte, hatte uns nimmer zuteil werden können. Es erhellt nun zwar gegen meine vor Verlesung ausgesprochene Meinung – daß wir und respective ich in Anbelang der Hoffnungen zu wert gegangen seien – vermeinend, die Abensbergische, wo nicht gar Regensburgische Angelegenheit dürfte zweifelsohne gänzlich geschlichtet und vertragen sein –

»Obschon sich aber die Sache in einigem ganz anders darqestellt, so müssen wir unser Auge doch nicht so fast auf diese unsere fehlgeschlagene Hoffnung, als vielmehr auf den laut getanenen Ausspruch des unbedingten Vertrauens auf die Weisheit des allergnädigsten Herrn Herzogs werfen – sage ich also, weiters keiner Empfindung Raum gewähren, denn lebendigster Freude, und, vertrauend auf die wundersamen Fügungen Gottes – alles übrige demselben anheimstellen. Denn wie wir da schier verzweifelten, den Herrn Herzog zum Altar zu bringen und sich nun derselbe doch sozusagen ganz motu proprio, selbst dazu entschlossen hat, also kann sich's mit des Kaisers Majestät gleichfalls verhalten, ihm die Heiratsangelegenheit ganz genehm werden und demnach consensus et ratificatio zu unser und aller deutschen Lande Freud' und Glückseligkeit in kürzester Zeit eintreffen. Ja! Denn so einmal die Herzen unabänderlich verbunden sind und der priesterliche Segen gespendet ist, läßt sich im ganzen soviel nicht mehr einwenden und ungeschehen machen. Ja! Also hoffen wir das Fürtrefflichste und lasset uns, wohlweis fürsichtig, ehrenfest und tapfere des Rates und der Stadt, obriste Kriegsleute, des allergnädigsten Herzogs Entschluß und Tat, respective des Himmels wunderbare Fügung dankbarlich hinnehmen und wünschen wir ihm und seiner kaiserlichen Braut all mögliches Wohlergehen, Glück und Segen aus ganz ergebenen Herzen.«

Freudig stimmten alle rings ein und erhoben sich.

Der Doktor Neuhauser desgleichen. Im übrigen war er der einzige, dem die heitere Gebärde nicht von Herzen kam, und man sah es ihm wohl auch an.

Er schaute eben tiefer.

Der Bürgermeister aber riß dreimal an der Glocke.

Alsbald stürzte Herr Theobald Eiselein aus dem kleinen Rathaussaal durch das Malefiz-Urteilszimmer in den großen Saal und rief so laut er konnte: »Blast auf, die hochweisen Herren kommen!«

Es war aber noch kein Trumpeter zu sehen, sondern nur der Pauker.

«Was zum Henker, wo sind sie denn?« rief Herr Eiselein.

»Ja, ich weiß es nicht,« antwortete der Pauker, »sind halt in der Stadt auseinander. Da kommen sie, glaub' ich – wenn sie nur das Volk durchließe.«

»Wo kommen sie? Ja, da! Was hat denn das Volk, daß es so schreit?« Herr Eiselein winkte am Fenster, soviel er konnte. Dann stürzte er, den Saal halb entlang, zurück, um den Herren vom eingetretenen Hindernis Nachricht zu geben. Als er umbog, hätte er beinahe den Bürgermeister umgeworfen, der eben eintreten wollte.

»Bitt' Euch tausendmal um gnädigste Entschuldigung, hochweisester Herr!« stotterte er.

»Seid Ihr von Sinnen?!« kam's zurück. »Was soll es sein und warum hör' ich nicht blasen?!«

»Weil – weil noch keine Trumpeter da sind.«

»Was wäre das! Warum, ich frage, warum sind sie nicht da?«

»Weil – indessen –«

»Was indessen?! Ich hab' Euch doch befohlen, sie augenblicklich zu berufen!«

»Das ist schon geschehen, aber bis man sie findet und bis ein Trumpeter aus der Schenke zu bringen ist.«

»Ja, was ist denn da dann zu tun?« rief Herr Christophorus Rudolff, »wann glaubt Ihr denn, daß sie kommen?«

«Jetzt sogleich, hochweiser Herr, da unten hab' ich sie gerad' gesehen, aber ich weiß nicht, was los ist, das Volk schrie gewaltig und hielt sie umringt.«

»Winkt doch, Pauker Fritz! Donnerwetter, wink' doch!« ließ der Bürgermeister in den großen Saal ergehen.

Dem Befehle leistete der dicke Fritz augenblickliche Folge, und da er sich fruchtlos bemühte, geriet er in solchen Eifer, daß er, um die Aufmerksamkeit der Trumpeter zu erregen, mit dem Schlegel mehrmals auf die Pauke schlug, dabei mit dem ganzen rechten Arm das andere gewaltige Zeichen gab.

»Das ist doch unerhört!« rief Herr Rudolff sich wendend. »Selb diese Leute werden doch nie und nimmer in gehöriger Obedienz gehalten – ich will damit niemand beleidigen – aber so ich das Regiment alleinig über sie hätte, würden sie mir erklecklicher Strafe nicht entgehen – da kommen sie endlich!«

In gerechtem Zorne fuhr er auf sie zu und donnerte: »Wißt ihr, daß durch euere Verspätung des ganzen Volkes Freude verspätet wird –?«

»Ei, wenn sie uns nicht durchlassen!« fiel der Vortrumpeter ein. »Ist denn noch eine Freudenbotschaft eingetroffen, daß es so eilt?«

»Was, noch eine Freudenbotschaft? Wie, wo, was und inwiefern? Es ist nur eine eingetroffen, daß der Herzog – doch werdet es schon hören!«

»Wissen's schon, Hochzeit hat er, hochweiser Herr!«

»Also wäre das schon da unten bekannt geworden –?! Wer hat es Euch gesagt, frag' ich, der Sache muß ich auf den Grund kommen! Ich befehl' Euch, sprecht!

»Das könnt' ich nicht sagen«, war die Antwort. »Da unten haben sie's schon alle gewußt und beim Rainer im Anger, wo ich im hintern Stüblein saß, desgleichen. So Ihr nun befehlt, wird gleich aufgeblasen.«

»Das ist ja entsetzlich!« rief Herr Rudolff. » So weit sind wir? Wir halten da geheime Sitzung und bis beim Rainer am Anger weiß man zu gleicher Zeit, um was es sich handelt?! Es muß ein Verräter existieren, sag ich, ein ungeheuerer Verräter, der unsere innersten Geheimnisse erholt, uns alle Wege ablauert und schnödesten Gebrauch von seiner Wissenschaft macht. Gott sei ihm gnädig, so ich hinter die Sache komme! Im übrigen will ich vordersamst niemand in Verdacht und beleidigt haben – vorwärts, sage ich, aufgeschmettert und gepaukt, daß es wirbelt und hallt!«

Die Trumpeter verfügten sich zu den zwei Seiten des besagten Fensters und vollzogen den Befehl auf das gewaltigste, während sich zugleich der Zug näherte mit Ausnahme des Doktors Neuhauser, welcher für besser hielt, die Arme auf dem Rücken und den Kopf sehr nachdenklich gesenkt, im Saale ab- und zugehen.

Vorne am Fenster stand alsbald Herr Christophorus Rudolff, wartete nach vollendetem Trumpetengeschmetter und Gepauke, bis die wogende Menge auf dem Eiermarkt ruhiger wurde, Herr Martinus Katzmayr bot mehrmals mit dem Taschentuch ab, darauf lüftete der Bürgermeister den Hut ein wenig und sprach mit lauter, weithin wohl vernehmlicher Stimme:

»Hiemit tun Wir, hiesiger Hauptstadt Bürgermeister, kraft Verlangens Unseres allergnädigsten Herrn und Herzogs Albrechtens kund und zu wissen. Gruß und Gunst an jedweden zuvor, hoch und nieder, in lobsamer Stadt München!

»Und verlautet weiter wie folgt:

»Weil dann genannt, hochgnädig unser regierender Herr und Herzog, allezeit geneigt waren, sind und sein werden, des Volkes Wohl in Bedacht zu halten und billigen Wünschen nach Kräften zuwider nit zu sein, denselbigen zu willfahren oder aber gar zuvor zukommen, also haben sich Hochdieselben entschlossen, ihren –«

»Eh'losen Stand zu verändern!« hallte es vom Eiermarkt in viel hundert Stimmen empor.

Mächtig wehte Herr Martinus Katzmayr mit seinem Taschentuch, um Schweigen herzustellen, was ihm auch bald gelang.

»Ja, ja, so ist es!« rief Herr Christophorus Rudolff mit ziemlich sichtbarem Unmut über die geschehne Unterbrechung.

»Seine Durchlauchtigste Gnaden haben geruht sich ein hochebenbürtiges Gesponse zu erwählen. Und es ist diese seine hochverehrte, ruhm- und preiswürdige, in jeder Art unvergleichliche Fräulein Braut respective Frau Braut keine andere denn des römischen Kaisers und deutscher Lande allerhöchsten Herrens und Majestät Tochter – die allergnädigste Erzfürstin Kunigunde

Die letzten Worte sprach er aber nicht allein, vielmehr in völligem Vereine mit der Volksstimme, so daß Herr Martinus Katzmayr sogar nach geendeter Rede aufs neue mit dem Tuch, und zwar mächtiger und längere Zeit denn vorher wehen mußte, bis das freudig geschwätzige Durcheinanderrufen und schelmische Wiederholen des Namens zum Schweigen gebracht war.

»Hm, hm, hm!« fuhr Herr Rudolff fort. »Das ist nahezu verwunderlich! Also man das anscheinend schon weiß – vielmehr wußte, nun aber noch formaliter in Kenntnis gesetzt worden ist. Es ist gleichwohl des Frohen und Guten noch ein weiteres zu berichten, was, sage ich, hoffentlich ein Geheimnis geblieben sein dürfte. Item mittlerweile wir hier stehen und Ihr diese Freudenbotschaft vernehmet, sitzt unser allergnädigster Herr Herzog zu Innsbruck an der Tafel und hält Hochzeit. Was sagt man dazu?!«

Ein Sturm freudigen Gelächters schlug weit dahin auf.

»Was soll denn das wieder bedeuten?« rief Herr Rudolff. »Ich begreife die Leute nicht. Weht doch, Herr Martinus!«

Er runzelte die Augenbrauen ansehnlich und fuhr nach eingetretener Ruhe fort:

» Item aber, weil Herzog Albertus in seines Glückes Reichtum nicht alleinstehen, sondern auch der Armen eingedenk sein will, also ist sein Wunsch und Verlangen: Daß auf höchst seine Kosten und Verrechnung der Stadt sämtliche Dürftige in ganzer Zahl ausgespeiset und weiters pro persona, das heißt auf den Mann bis zu fünf schwarzen Pfennigen Almosen verabreicht werde – ungerechnet den Trunk, jedwedem nach Billigkeit seines Verlangens.«

In unbeschreiblichem Jubel machte sich die betreffende Menge Luft. Gar gerne hätte Herr Christophorus Rudolff auf geeignete Weise noch den ehrenvollen Schluß des herzoglichen Schreibens vorgebracht, aber es war rein keine Möglichkeit, aufs neue die Ruhe herzustellen, und mit genauer Not gelang es ihm, ein Lebehoch auszubringen, das vernehmbar war, welchem Lebehoch aber auch von allen, so näher standen, auf das lebhafteste entsprochen wurde. Zugleich fielen Trumpeten und Pauken ein, und sogleich darauf begann allseitiges Glockengeläute.

Erschöpft trat Herr Christophorus Rudolff zurück.

»Ich bin ganz heiser!« sagte er zu Herrn Katzmayr.

»Und ich habe mich halb lahm gewinkt!« entgegnete dieser, sich dann sogleich dem Kreis anschließend, welcher sich um den Bürgermeister bildete, denn der letztere schien plötzlich von einem Gedanken durchzuckt zu sein und im Begriffe zu stehen, noch etwas zu sagen.

»Was gibt es?« kam's von allen Seiten.

»Was es gibt!« antwortete Herr Rudolff. »Ich bin vor plötzlichen Schrecken ganz starr! Wie wir da sind, haben wir ganz und gar vergessen, daß Herzog Christoph in der Stadt ist, und daß wir ihm vom Empfang des Schreibens hätten Nachricht geben sollen. Denn da meines Wissens kein zweiter Bote an ihn gelangte, dieser an uns gekommene gleichfalls nichts an Herzog Christoph zu haben scheint, also ist derselbe jedenfalls durchaus in Kenntnis zu setzen gewesen, und Herzog Albertus hat keineswegs gedacht, uns das in seinem Schreiben ausdrücklich andeuten zu müssen. Ich sage offen, im Drang der Geschäfte vergaß ich, was sich von selbst versteht. Wie konnten wir darauf vergessen?! Und es wäre nicht mehr denn billig gewesen, daß dieser oder jener sein Augenmerk darauf gerichtet und mich erinnert hätte. Womit ich jedoch niemand einen Vorwurf machen will. Quæstio! Was ist nun zu tun?«

Keine Antwort erfolgte.

»Die Sache ist nicht leicht, vielmehr höchst spinoser Natur«, fuhr er fort. » Pro primo. Ist wirklich anzunehmen, daß unter Kundgebung an jedermann auch Herzog Christoph verstanden und inbegriffen sei? Oder, pro secundo, sag' ich, ist dieses nicht anzunehmen – sind wir aber herohingegen spondaneo modo, das heißt, aus freien Stücken und respective innetragender Ehrfurcht zufolge veranlaßt, dem besagten Herzog von Eingetroffenem, Eröffnetem, Gelesenem und coram populo verkündetem Bericht zu erstatten? Und fragt sich hiebei wieder, ob es in corpore oder aber per deputationem und feierlich zu geschehen habe?«

»Da ist keine Frage zu stellen,« fiel Herr Hans Stupf ein, »wir müssen unbedingt und in corpore zur Hofburg geh'n!«

Dieser Meinung wurde von allen Ratsherren beigestimmt.

»Ich weiche der Mehrheit, vielmehr unanimitas,« rief der Bürgermeister, »will aber nicht unberührt lassen, daß ich an derlei unbedingt schnellste Entschlüsse für meine Person keineswegs gewöhnt bin, weshalb ich mich im Falle eines ungeeigneten passus, auf diese meine noch in Zweifel versierende Meinung beziehen und das etwan Erfolgende, nicht Gute, totaliter unüberlegter, schier jugendlich heftiger An- und sozusagen Aufregung zuschreiben werde. Womit ich jedoch niemand beleidigt haben will. Man öffne die große Rathausstiegentüre!«

Er winkte Herrn Eiselein.

Sogleich eilte dieser der Treppe zu, die vom Innern des Rathaussaales darniederführt. Er war schon auf halber Treppe, als er schnell wieder heraufkam.

»Was soll wieder das bedeuten?« fuhr Herr Rudolff auf.

»Vergebt, hochweiser Herr, den Schlüssel –!« Und fort eilte Herr Eiselein.

»Das ist doch zum verzweifeln!« grollte Herr Rudolff. »Aber – aber wo ist denn seine Weisheit, des Herzogs Rat, Herr Doktor Neuhauser, hingekommen? Dort geht er auf und ab. Schließt Euch doch zugunsten an!«

Der Doktor Neuhauser machte eine zweifelhafte Bewegung mit der Hand und trat langsam näher, während Herr Eiselein mit dem großen Rathausschlüssel daherkam und die Treppe hinabeilte. Die Türe ging auf und hinunter an der Spitze der Ratsherren schritt der Bürgermeister.

Als er sich noch einmal wandte und hinaufsah, waren die Stadtobristen beim Doktor Neuhauser zurückgeblieben, eben im Beginn eines wichtigen Gespräches und im Begriff, sich zum Urteilsverkündigungs-Zimmer – von da über das Gitterstieglein hinterm Rathaus hinabzubegeben und beim »Löffelwirt« das Freie zu gewinnen. Denn sie hatten sich überlegt, daß die Freude des Herzog Christoph wahrscheinlich die allergrößte nicht sein dürfte, wenn man ihm ankündige, die Tochter des Kaisers sei ohne dessen Wissen und Willen des Albertus Braut, vielmehr nun schon Gemahlin. Glauben nebstdem, sie, als Ratsgäste, hätten sich unter keinen Umständen anzuschließen – Doktor Neuhauser aber war zum Überfluß der Mann nicht, ein heiteres Gesicht zu zeigen, wo er lieber das Wagestück des Herzogs Albertus verwünscht hätte. Als sie nun sämtlich um die Peterskirche herumgeschritten waren und zur Behausung des Doktor Ersinger kamen, der in letzterer Zeit wieder einmal recht leidend gewesen, nun aber wieder auf der besseren Seite war, schlug Doktor Neuhauser vor, denselben zu besuchen und ihm das Geschehene nebst allen Befürchtungen, die sich daran knüpften, zu hinterbringen.

Herr Christophorus Rudolff seinerseits war mittlerweile nebst Begleitung auf der untersten Stufe der großen, innern Ratsaalsstiege angelangt und eben im Begriffe, seinen Fuß auf den vielbelebten Eiermarkt zu setzen, um dann an der Spitze des Rates rechts in die Burggasse zu lenken, als Herzog Christoph in Begleitung etlicher Grafen von der Hofburg dahergeritten kam.

An der Treppe hielt er still, grüßte freundlich und sagte: »Nun, ihr Herren, alljetzt ist endlich euer Wunsch erfüllt!«

»Wißt demnach schon alles, gnädigster Herr Herzog?!« erwiderte Herr Rudolff. »Im übrigen waren wir soeben daran, Euch sämtliches in optima forma in genauesten Vortrag zu bringen.«

»Danke aufs beste!« gab Christoph zurück. »Ich bedarf dessen nicht, denn ich habe selbst Kunde empfangen, weiß seit gestern alles und kann Euch sagen, wann mein Herr Bruder hier eintrifft. Das wird in acht Tagen geschehen. So's nur gut ausfällt! Es ist eine gar wundersam schöne, trefflich tugendhafte Braut, so sich Herzog Albertus in unversehener Kühnheit auserlesen hat, und ist großer Liebe wert – auch großen Vertrauens in so folgereicher, bedeutsamer Angelegenheit.«

»Das ist auch die erste Bedingung, hoher Herr«, sagte Herr Rudolff, sich tief beugend, sehr schalkhaft lächelnd und seinen rechten Zeigefinger ein ganz klein wenig erhebend. »Hochgepriesen ist die hohe Braut des Herzogs, unsers allergnädigsten Herrn. Möchte aber doch jedwedem, auch hochgepriesenen Fürsten zu Sinn kommen, sich, ich sage früher oder später, in den heiligen Stand der Ehe zu begeben, um die Glückseligkeit dieser sotanen Liebe und dieses sotanen, herzinnigen Vertrauens zu empfinden! Ja! Denn alleruntertänigst zu sagen, was ist das ganze Leben, wenn man kein liebevolles, vertrauenswürdiges, ergebenes und respektive verschwiegenes Herz gefunden hat, das tapfer aushält und dem man all' seine Freuden und Leiden in Sicherheit anheimgeben kann?!«

»Gut gesprochen!« entgegnete Herzog Christoph, »und versteh' Euere schalkhafte Rede ganz wohl. Nun meinte ich aber, Ihr solltet zum Abendimbiß gehen. Ihr habt Euch sicher viel bemüht und bedürft der Stärkung und Anfeuchtung. Also nehm' ich Eueren guten Willen für die Tat und danke Euch. Ihr aber geht heim mit Herrn Martinus Katzmayr und laßt Euch Euere gebratene Gans recht wohl munden, eh' ihr Euch in die Herren-Trinkstube verfügt, die Angelegenheit der Schlittenfahrt in Ordnung zu bringen: – damit Gott befohlen!«

Er winkte gnädig mit der Rechten und lenkte mit seinen Begleitern gegen den Marktplatz unter die Menge, die ihn freudig Schritt für Schritt umringte, und dem und jenem sagte er ein freundliches Wort.

Wer aber wie versteinert dastand, war Herr Christophorus Rudolff. Denn daß Herzog Christoph von seiner gebratenen Gans wisse, das war ihm einmal zuviel.

Nach allen Seiten hin beabschiedeten sich alsbald die Ratsherren bei ihm und unter sich selbst gleichfalls auf das ehrerbietigste, wie es denn das Decorum und namentlich die Gegenwart des Volkes erheischte, vor dessen Augen gegenseitige Anerkennung besitzender Würde und Erhabenheit billig nie zu unterlassen ist.

Herr Hans Stupf war der letzte, der sich empfahl. Sehr tief beugte er sich und sagte mit offenbar verstellungsreicher Teilnahme: »Herr Bürgermeister, der Herzog Christoph haben sich ausnehmend schmeichelhaft gegen Euch benommen und müssen sehr viel Stück auf Euch halten, da Hochdieselben sogar von Euerem Abendimbisse, und zwar so specialiter, das heißt, unter Bezeichnung des zu verzehrenden Objektes, Notiz genommen haben.«

Worauf sich Herr Christophorus Rudolff in die Brust warf und sagte: »Daß uns der Herr Herzog Christoph wohlgewogen seien, bedarf sicher keiner Bestätigung oder weiteren Anpreisung eines wohlweisen Herrn Hans Stupfens. Ja! Bezeigt sich auch sotane Gunst und Herablassung sonderlich weit weniger in Spendung allgemeiner Worte als vielmehr in zutraulicher Hereinziehung des häuslichen Verhaltens. Was aber die vorgehabte Audienz, respektive deshalb von mir in Antrag gebrachte Beratschlagung betrifft, scheint sich mein gehabtes vordersamftes Zögern auf ein Besseres und Nützlicheres herauszustellen – indem selbige Audienz doch nicht wie beabsichtiget vor sich gehen konnte – herohingegen es anderseits um soviel schlagender erscheint, daß sich mit allzurasch jugendlichem, ja hie und da keckem Voransprechen und in das Wortfallen zwar ansehnliche Selbstüberschätzung – keineswegs jedoch wahre Weisheit zutage gestellt hat. Womit ich jedoch niemand beleidigt haben will.«

»Keineswegs«, sagte Herr Hans Stupf, verbeugte sich wiederholt sehr tief und Herr Christophorus Rudolff desgleichen, worauf jener gegen die Dienersgasse zuschritt, letzterer aber einen sehr zornigen Blick nachschickte.

Dann wandte er sich zu Herrn Martinus Katzmayr, welcher allein noch bei ihm stand. »Kommt und folgt mir, werter Freund!« mahnte er. »Des Herzogs Wort soll in Erfüllung gehen. Sagt mir aber offen heraus – habt Ihr jemand erzählt, daß wir vor der Schlittenfahrt-Angelegenheit eine Gans verzehren wollten und respektive, daß ich Euch dazu eingeladen habe?«

»Bei meiner Ehre, ich habe kein leisig Wörtlein fallen lassen«, antwortete Herr Martinus Katzmayr.

»So? Ah! Dann begreife ich es nicht!«

Die Menge hindurch schritten die beiden Herren, um ein weniges voraus Herr Christophorus Rudolff, jeden gebotenen Gruß mit würdevollem Danke belohnend, bis sie an das Haus gelangten. Sie schritten die Treppe hinauf, und Herr Martinus Katzmayr läutete, um seinen hochehrsamen Freund der Bemühung zu überheben.

Die alte Barbara öffnete, Herr Rudolff trat voraus ein und schritt gegen die offene Stubentüre.

»Wo ist meine Frau?« fragte er, indem er sich wandte.

»Weiß nicht, hochweis' groß Gnaden Herr Bürgermeister,« war die Antwort, »weiß nur, daß hochweis' Gnaden Frau Bürgermeisterin gleich nach Euer Gnaden fort und zu Gnaden Frau Ratsherr Tifelhart ist und nachher –«

»Was nachher?«

»Nachher hab' ich Frau Ratsherr Tifelhart dort hinüber laufen seh'n, wird etwan zur Frau Ratsherr Pötschner gangen sein.«

»Was kümmert es mich, ich will wissen –«

»Nachher hab' ich wieder hochweis' Gnaden Frau Bürgermeisterin geschwind selber laufen seh'n auf die Dienersgasse zu, da wird sie wohl zur Frau Ratsherr Ridler gangen sein – und nachher – aber ich bin an nichts schuld, gewiß nicht –!«

»Wer spricht denn von Euch!« fiel Herr Rudolfs ein. »Doch mir ahnt das Entsetzlichste! Also wirklich, diese Frau Tifelhart sollte schuld sein? Herr Martinus Katzmayr, sagte nicht Herr Hans Stupf, er habe das Geheimnis von wegen –«

Heftig winkte Herr Martinus, die Hand vor der Brust, ab, worauf jener sogleich einhielt.

»Aber wo sind denn die Kinder? Ich sehe ja und höre nichts!«

»Ja sind halt auch fort«, erwiderte die Barbara, »aber gleich leg' ich einen Eid ab, hochweis' Gnaden, ich bin an nichts schuld!«

»Schweigt doch!« rief Herr Rudolff. »Man glaubt schon, daß Ihr den wetterwilden Rangen nicht Herr werdet. O Neugier, Neugier! Ich wollte wetten, so hungrig die Rangen taten, vor lauter Neugier haben sie nichts gegessen.«

Die Barbara wollte ihm eben antworten, aber er trat rasch in die Stube und sah nach links, wo der Tisch befindlich war.

Da blieb er urplötzlich stehen und machte eine Bewegung mit der Hand, als sei ihm etwas ins Auge gefallen.

»Was habt Ihr denn, hochverehrter Freund?« fragte Herr Martinus Katzmayr, indem er nachfolgte. Er blieb aber nicht minder befremdet stehen, und in stummem Erstaunen sahen sich beide Freunde an.

»Wie – wa? Ist es denn möglich?!!« sagte Herr Rudolff nach einiger Zeit.

Langsam schritt er gegen den Tisch.

Da war alles durcheinander, das Tischtuch ganz schief verzogen, ein Teller befand sich auf dem Boden und war leider in mehr Stücke zerbrochen, auf den drei Stühlen erblickte man eine ziemliche Anzahl Fersenspuren. Was aber die Gans betraf, war, außer den härteren Bestandteilen derselben, durchaus nichts mehr zu sehen.

Unwillkürlich beugte sich Herr Christophorus Rudolff, die Hände auf dem Rücken, ein weniges darnieder, um sich auf das bestimmteste vom Schiffbruch seiner Hoffnung zu überzeugen.

»Es ist so!« sagte er, sich langsam wieder erhebend. »Sie haben sämtliches totaliter qualiter verzehrt. Nehmt Ihr nunmehro den Matthäus weiterhin in Schutz, Herr Martinus? Hab' ich nicht recht gehabt, daß man die Rangen kurz halten und an Entbehrung gewöhnen müsse? O, ich sage Euch, ewig wahr bleibt es! Laßt von der Zucht und Beaufsichtigung ab, erlaubt mutwilligen Kindern ein Gansbiegel zu verzehren, alsobald verlangt es sich nach der halben Gans – und gewährt Ihr ihnen die halbe Gans, so verzehren sie Euch die ganze. Denn da ist keinerlei Diskretion. Und würden alle Sentenzen respektive Sprichwörter zuschanden, eines bleibt sicher ewig wahr und beständig, id est: Gebt denen Leuten einen Finger, so nehmen sie Euch gleich die ganze Hand!'«

»Ganz einverstanden«, entgegnete Herr Martinus Katzmayr, nicht ohne Wehmut. »Es möchte aber in Betreff anderer Dinge noch ein Sprichwort wahr bleiben und könnte selbiges –« er sagte es sehr nachdrücklich – »viel Gerede und sonstiges Unheil verhüten, anders man es gehörig in Bedacht zöge. Item selbiges Sprichwort lautet:

›Wer nit will, daß sein' Sach komm' rum,
Selbiger bleib' – –‹«

Wie vorher Herr Katzmayr dem Herrn Rudolff, so winkte jetzt dieser, die Hand vor der Brust, heftig ab, wobei er einen Blick auf die Türe warf, um sich zu überzeugen, ob die Barbara zuhöre, was aber nicht der Fall war. Worauf er sich wieder zu Herrn Martinus wandte und, sein Haupt zustimmend auf- und abneigend, den Satz des Freundes ergänzend, sagte:

– – »komm' rum –
Selbiger bleib' bei der besten Hausfrawen stumm!«

* * *

Über eine Woche darauf kam Herzog Albertus nach München und wenige Tage darauf ward seine Gemahlin, die schöne Kunigunde, von Innsbruck einhergeleitet. Da wurde sie zum feierlichen Einzug von Herzog Albertus eingeholt, und waren bei ihm Herzog Georg von Niederbayern, Sixt, Bischof von Freising, Friedrich, Graf von Öttingen, der Bischof von Passau und sonst große Zahl Grafen und Herren. Bald nach Ankunft der Kunigunde ward ein Turnier zu Regensburg veranstaltet, bei welchem Herzog Albrecht und sein Vetter Herzog Georg mit großer Pracht aufzogen.

Herzog Christoph aber war nicht dabei. Er hatte sich eine Angelegenheit außer Landes gesucht und festen Entschluß gefaßt, sich zu rasch nicht wieder einzufinden. Er selbst hätt's wohl niedergekämpft, was sich in seinem Herzen regte. Aber Ambrogio Carelli hatte ihm zu viel verraten – wie es mit dem Herzen der Kaiserstochter beschaffen.

Also ritt er mit Recht von dannen.


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